TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/5 W158 2201155-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.11.2021
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Entscheidungsdatum

05.11.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28

Spruch


W158 2201155-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL über die Beschwerde des A XXXX F XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.06.2018, Zl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und A XXXX F XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass A XXXX F XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

II. Die Spruchpunkte II. bis VI. des Bescheids werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am 04.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Am selben Tag wurde der BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Oberösterreich niederschriftlich erstbefragt. Zu seinen Fluchtgründen führte der BF aus, er sei nach dem Tod seiner Eltern alleine und einsam gewesen.

I.3. In einem vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 15.10.2016 wurde auf Grundlage einer am 02.09.2016 durchgeführten multifaktoriellen Untersuchung zur Altersdiagnose festgehalten, dass der BF zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz ein Mindestalter von 15,82 Jahren aufgewiesen habe.

I.4. Am 22.05.2018 wurde der BF von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des BFA in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und einer Vertrauensperson niederschriftlich einvernommen. Der BF wurde dabei u.a. zu seinem Gesundheitszustand, seiner Identität, seinen Lebensumständen in Afghanistan, seinen Familienangehörigen und seinen Lebensumständen in Österreich befragt. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, seine Familie sei umgebracht worden, da sein Vater Polizist gewesen sei. Außerdem gedenke der BF zum Christentum zu konvertieren.

I.5. Am 04.06.2018 legte der BF Fotos vor, die die Gräber seiner Familienmitglieder und das von den Taliban niedergebrannte Haus der Familie zeigen sollen. Am 05.06.2018 legte der BF ein Schreiben einer Pfarre vor, wonach ein Gespräch mit dem BF wegen dessen Konvertierung geführt worden sei.

I.6. Mit Bescheid vom 12.06.2018, dem BF am 15.06.2018 durch Hinterlegung zugestellt, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das BFA aus, das Vorbringen des BF sei nicht glaubhaft. Eine innere Konversion liege beim BF ebenfalls nicht vor. Dem BF sei eine Rückkehr nach Afghanistan möglich und zumutbar. Der Antrag des BF sei damit abzuweisen gewesen. Gemäß § 57 AsylG sei auch eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nicht zu erteilen, da die Voraussetzungen nicht vorlägen. Letztlich hätten auch keine Gründe festgestellt werden können, wonach bei einer Rückkehr des BF gegen Art. 8 Abs. 2 EMRK verstoßen würde, weswegen auch eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

I.7. Mit Verfahrensanordnung vom 12.06.2018 wurde dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

I.8. Am 11.07.2018 erhob der BF Beschwerde in vollem Umfang und beantragte, ihm nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den Status des Asylberechtigten, in eventu den des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren, in eventu die Rückkehrentscheidung aufzuheben, in eventu die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung aufzuheben, in eventu ihm einen Aufenthaltstitel zu erteilen, in eventu den Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.

Die Beschwerde tritt unter Verweis auf die Aussage des BF der Beweiswürdigung des BFA entgegen. Das Vorbringen des BF sei glaubhaft. Zudem habe das BFA die Konvertierung nicht entsprechend gewürdigt. Außerdem sei dem BF eine Rückkehr weder möglich noch zumutbar.

I.9. Am 18.07.2018 langte die gegenständliche Beschwerde samt dem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

I.10. Nachdem der BF seinen Taufschein vorgelegt hatte, führte das Bundesverwaltungsgericht am 15.10.2021 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der der BF und seine Rechtsvertretung teilnahmen. Das BFA erschien unentschuldigt nicht. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde der BF im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari u.a. zu seiner Identität und Herkunft, zu den persönlichen Lebensumständen, seinen Familienangehörigen, seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen sowie zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich befragt. Als Zeuge wurde der Taufpfarrer einvernommen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

-        Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend den BF; insbesondere in die Befragungsprotokolle und die vom BF vorgelegten Unterlagen;

-        Befragung des BF und eines Zeugen im Rahmen der Beschwerdeverhandlung am 15.10.2021;

-        Einsicht in die in das Verfahren eingeführte Länderberichte zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat;

-        Einsicht in das Strafregister, in das Grundversorgungssystem und in das Zentrale Melderegister.

II. Feststellungen:

II.1. Zur Person des BF:

Der BF führt den Namen A XXXX F XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist Staatsangehöriger von Afghanistan und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Seine Muttersprache ist Dari. Er ist ledig und kinderlos.

Der BF stammt aus L XXXX in J XXXX in der Provinz Ghazni. Er ist dort bis zu seiner Ausreise nach Europa aufgewachsen und hat drei Jahre eine Schule besucht. Der BF arbeitete in Afghanistan in einem Lebensmittelgeschäft.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er ist strafrechtlich unbescholten.

II.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Der BF wurde in Afghanistan als schiitischer Moslem erzogen. Im Bundesgebiet kam der BF erstmals durch den Besuch des Religionsunterrichts in der Mittelschule mit dem Christentum in Berührung. Der BF besuchte den Religionsunterricht aus eigenem Interesse an anderen Religionen als dem Islam. Danach besuchte er zumindest zwei verschiedene katholische Kirchen und erkundigte sich nach einer Taufe. Aufgrund verschiedener Umstände konnte er damals noch keinen Kurs besuchen. Seit September 2018 besuchte der BF einen Taufkurs. Am 06.10.2019 wurde er nach dem einjährigen Besuch des Taufkurses in der römisch-katholischen Kirche getauft. Als Taufnamen wählte der BF D XXXX . Nach seiner Taufe besuchte der BF etwa ein Jahr lang einen Vertiefungskurs. Der BF feiert die Messen regelmäßig mit. Er betet regelmäßig unter der Woche selbstständig und allein in der Kirche.

Der BF hat sich aus freier persönlicher Überzeugung und von Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit getragen vom muslimischen Glauben ab- und zum christlichen Glauben hingewandt. Er hat seine Persönlichkeit verändert und findet Trost und Halt im Glauben.

Auch im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan würde der BF seinen Glauben weiterhin offen und nach außen hin erkennbar ausüben, seine Konversion zum Christentum nicht widerrufen und nicht wieder zum Islam übertreten. Dem BF droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seiner Hinwendung zum Christentum und der Verinnerlichung der christlichen Werte von staatlicher, so eine solche überhaupt noch besteht, und von privater Seite physische und/oder psychische Gewalt bis hin zur Ermordung.

II.3. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

II.3.1. Politische Lage (Stand 16.09.2021)

Afghanistan war [vor der Machtübernahme der Taliban] ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 1.3.2021). Auf einer Fläche von 652.860 Quadratkilometern leben ca. 32,9 Millionen (NSIA 1.6.2020) bis 39 Millionen Menschen (WoM o.D.).

Nachdem der bisherige Präsident Ashraf Ghani am 15.8.2021 aus Afghanistan geflohen war, nahmen die Taliban die Hauptstadt Kabul als die letzte aller großen afghanischen Städte ein (TAG 15.8.2021; vgl. JS 7.9.2021). Ghani gab auf seiner Facebook-Seite eine Erklärung ab, in der er den Sieg der Taliban vor Ort anerkannte (JS 7.9.2021; vgl. UNGASC 2.9.2021). Diese Erklärung wurde weithin als Rücktritt interpretiert, obwohl nicht klar ist, ob die Erklärung die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Rücktritt des Präsidenten erfüllt. Amrullah Saleh, der erste Vizepräsident Afghanistans unter Ghani, beanspruchte in der Folgezeit das Amt des Übergangspräsidenten für sich (JS 7.9.2021; vgl. UNGASC 2.9.2021). Er ist Teil des Widerstands gegen die Taliban im Panjshir-Tal (REU 8.9.2021). Ein so genannter Koordinationsrat unter Beteiligung des früheren Präsidenten Hamid Karzai, Abdullah Abdullah (dem früheren Außenminister und Leiter der Delegation der vorigen Regierung bei den letztendlich erfolglosen Friedensverhandlungen) und Gulbuddin Hekmatyar führte mit den Taliban informelle Gespräche über eine Regierungsbeteiligung (FP 23.8.2021), die schließlich nicht zustande kam (TD 10.9.2021). Denn unabhängig davon, wer nach der afghanischen Verfassung das Präsidentenamt innehat, kontrollieren die Taliban den größten Teil des afghanischen Staatsgebiets (JS 7.9.2021; vgl. UNGASC 2.9.2021). Sie haben das Islamische Emirat Afghanistan ausgerufen und am 7.9.2021 eine neue Regierung angekündigt, die sich größtenteils aus bekannten Taliban-Figuren zusammensetzt (JS 7.9.2021).

Die Taliban lehnen die Demokratie und ihren wichtigsten Bestandteil, die Wahlen, generell ab (AJ 24.8.2021; vgl. AJ 23.8.2021). Sie tun dies oftmals mit Verweis auf die Mängel des demokratischen Systems und der Wahlen in Afghanistan in den letzten 20 Jahren, wie auch unter dem Aspekt, dass Wahlen und Demokratie in der vormodernen Periode des islamischen Denkens, der Periode, die sie als am authentischsten "islamisch" ansehen, keine Vorläufer haben. Sie halten einige Methoden zur Auswahl von Herrschern in der vormodernen muslimischen Welt für authentisch islamisch - zum Beispiel die Shura Ahl al-Hall wa'l-Aqd, den Rat derjenigen, die qualifiziert sind, einen Kalifen im Namen der muslimischen Gemeinschaft zu wählen oder abzusetzen (AJ 24.8.2021). Ende August 2021 kündigten die Taliban an, eine Verfassung auszuarbeiten (FA 23.8.2021), jedoch haben sie sich zu den Einzelheiten des Staates, den ihre Führung in Afghanistan errichten möchte, bislang bedeckt gehalten (AJ 24.8.2021; vgl. ICG 24.8.2021, AJ 23.8.2021).

Im September 2021 kündigten sie die Bildung einer "Übergangsregierung" an. Entgegen früherer Aussagen handelt es sich dabei nicht um eine "inklusive" Regierung unter Beteiligung unterschiedlicher Akteure, sondern um eine reine Talibanregierung. Darin vertreten sind Mitglieder der alten Talibanelite, die schon in den 1990er Jahren zentrale Rollen besetzte, ergänzt mit Taliban-Führern, die im ersten Emirat noch zu jung waren, um zu regieren. Die allermeisten sind Paschtunen. Angeführt wird die neue Regierung von Mohammad Hassan Akhund. Er ist Vorsitzender der Minister, eine Art Premierminister. Akhund ist ein wenig bekanntes Mitglied des höchsten Taliban-Führungszirkels, der sogenannten Rahbari-Shura, besser bekannt als Quetta-Shura (NZZ 7.9.2021; vgl. BBC 8.9.2021a). Einer seiner Stellvertreter ist Abdul Ghani Baradar, der bisher das politische Büro der Taliban in Doha geleitet hat und so etwas wie das öffentliche Gesicht der Taliban war (NZZ 7.9.2021), ein weiterer Stellvertreter ist Abdul Salam Hanafi, der ebenfalls im politischen Büro in Doha tätig war (ORF 7.9.2021). Mohammad Yakub, Sohn des Taliban-Gründers Mullah Omar und einer der Stellvertreter des Taliban-Führers Haibatullah Akhundzada (RFE/RL 6.8.2021), ist neuer Verteidigungsminister. Sirajuddin Haqqani, der Leiter des Haqqani-Netzwerks, wurde zum Innenminister ernannt. Das Haqqani-Netzwerk wird von den USA als Terrororganisation eingestuft. Der neue Innenminister steht auf der Fahndungsliste des FBI und auch der Vorsitzende der Minister, Akhund, befindet sich auf einer Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrates (NZZ 7.9.2021).

Ein Frauenministerium findet sich nicht unter den bislang angekündigten Ministerien, auch wurden keine Frauen zu Ministerinnen ernannt [Anm.: Stand 7.9.2021]. Dafür wurde ein Ministerium für "Einladung, Führung, Laster und Tugend" eingeführt, das die Afghanen vom Namen her an das Ministerium "für die Förderung der Tugend und die Verhütung des Lasters" erinnern dürfte. Diese Behörde hatte während der ersten Taliban-Herrschaft von 1996 bis 2001 Menschen zum Gebet gezwungen oder Männer dafür bestraft, wenn sie keinen Bart trugen (ORF 7.9.2021; vgl. BBC 8.9.2021a). Die höchste Instanz der Taliban in religiösen, politischen und militärischen Angelegenheiten (RFE/RL 6.8.2021), der "Amir al Muminin" oder "Emir der Gläubigen" Mullah Haibatullah Akhundzada (FR 18.8.2021) wird sich als "Oberster Führer" Afghanistans auf religiöse Angelegenheiten und die Regierungsführung im Rahmen des Islam konzentrieren (NZZ 8.9.2021). Er kündigte an, dass alle Regierungsangelegenheiten und das Leben in Afghanistan den Gesetzen der Scharia unterworfen werden (ORF 7.9.2021).

Bezüglich der Verwaltung haben die Taliban Mitte August 2021 nach und nach die Behörden und Ministerien übernommen. Sie riefen die bisherigen Beamten und Regierungsmitarbeiter dazu auf, wieder in den Dienst zurückzukehren, ein Aufruf, dem manche von ihnen auch folgten (AZ 17.8.2021; vgl. ICG 24.8.2021). Es gibt Anzeichen dafür, dass einige Anführer der Gruppe die Grenzen ihrer Fähigkeit erkennen, den Regierungsapparat in technisch anspruchsvolleren Bereichen zu bedienen. Zwar haben die Taliban seit ihrem Erstarken in den vergangenen zwei Jahrzehnten in einigen ländlichen Gebieten Afghanistans eine so genannte Schattenregierung ausgeübt, doch war diese rudimentär und von begrenztem Umfang, und in Bereichen wie Gesundheit und Bildung haben sie im Wesentlichen die Dienstleistungen des afghanischen Staates und von Nichtregierungsorganisationen übernommen (ICG 24.8.2021).

Bis zum Sturz der alten Regierung wurden ca. 75% (ICG 24.8.2021) bis 80% des afghanischen Staatsbudgets von Hilfsorganisationen bereitgestellt (BBC 8.9.2021a), Finanzierungsquellen, die zumindest für einen längeren Zeitraum ausgesetzt sein werden, während die Geber die Entwicklung beobachten (ICG 24.8.2021). So haben die EU und mehrere ihrer Mitgliedsstaaten in der Vergangenheit mit der Einstellung von Hilfszahlungen gedroht, falls die Taliban die Macht übernehmen und ein islamisches Emirat ausrufen sollten, oder Menschen- und Frauenrechte verletzen sollten. Die USA haben rund 9,5 Milliarden US-Dollar an Reserven der afghanischen Zentralbank sofort [nach der Machtübernahme der Taliban in Kabul] eingefroren, Zahlungen des IWF und der EU wurden ausgesetzt (CH 24.8.2021). Die Taliban verfügen weiterhin über die Einnahmequellen, die ihren Aufstand finanzierten, sowie über den Zugang zu den Zolleinnahmen, auf die sich die frühere Regierung für den Teil ihres Haushalts, den sie im Inland aufbrachte, stark verließ. Ob neue Geber einspringen werden, um einen Teil des Defizits auszugleichen, ist noch nicht klar (ICG 24.8.2021).

Die USA zeigten sich angesichts der Regierungsbeteiligung von Personen, die mit Angriffen auf US-Streitkräfte in Verbindung gebracht werden, besorgt und die EU erklärte, die islamistische Gruppe habe ihr Versprechen gebrochen, die Regierung "integrativ und repräsentativ" zu machen (BBC 8.9.2021b). Deutschland und die USA haben eine baldige Anerkennung der von den militant-islamistischen Taliban verkündeten Übergangsregierung Anfang September 2021 ausgeschlossen (BZ 8.9.2021). China und Russland haben ihre Botschaften auch nach dem Machtwechsel offen gehalten (NYT 1.9.2021).

Vertreter der National Resistance Front (NRF) haben die internationale Gemeinschaft darum gebeten, die Taliban-Regierung nicht anzuerkennen (BBC 8.9.2021b). Ahmad Massoud, einer der Anführer der NRF, kündigte an, nach Absprachen mit anderen Politikern eine Parallelregierung zu der von ihm als illegitim bezeichneten Talibanregierung bilden zu wollen (IT 8.9.2021).

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.3.2021): Afghanistan: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/afghanistan-node/politisches-portraet/204718, Zugriff 9.9.2021

•        AJ - Al Jazeera (24.8.2021): What the Taliban may be getting wrong about Islamic governance, https://www.aljazeera.com/amp/opinions/2021/8/24/what-the-taliban-may-be-getting-wrong-about-islamic-governance?__twitter_impression=true, Zugriff 9.9.2021

•        AJ - Al Jazeera (23.8.2021): Explainer: The Taliban and Islamic law in Afghanistan, https://www.aljazeera.com/news/2021/8/23/hold-the-taliban-and-sharia-law-in-afghanistan, Zugriff 10.9.2021

•        AZ - Abendzeitung (17.8.2021): Taliban übernehmen wichtigste Behörden in Afghanistan, https://www.abendzeitung-muenchen.de/politik/taliban-uebernehmen-langsam-behoerden-in-afghanistan-art-750083, Zugriff 9.9.2021

•        BBC - British Broadcasting Corporation (8.9.2021a): Afghanistan: A new order begins under the Taliban's governance, https://www.bbc.com/news/world-asia-58495112, Zugriff 9.9.2021

•        BBC - British Broadcasting Corporation (8.9.2021b): Afghanistan: Don't recognise Taliban regime, resistance urges, https://www.bbc.com/news/world-asia-58484155, Zugriff 9.9.2021

•        BZ - Berliner Zeitung (8.9.2021): USA und Deutschland: Keine baldige Anerkennung von Taliban-Regierung, https://www.berliner-zeitung.de/news/usa-und-deutschland-keine-baldige-anerkennung-von-taliban-regierung-li.181782, Zugriff 9.9.2021

•        CH - Chatham House (24.8.2021): Afghanistan: Money can be the milk of Taliban moderation, https://www.chathamhouse.org/publications/the-world-today/2021-08/afghanistan-money-can-be-milk-taliban-moderation, Zugriff 9.9.2021

•        FA - Foreign Affairs (23.8.2021): How Will the Taliban Rule?, https://www.foreignaffairs.com/articles/afghanistan/2021-08-23/how-will-taliban-rule, Zugriff 24.8.2021

•        FP – Foreign Policy (23.8.2021): What a Taliban Government Will Look Like, https://foreignpolicy.com/2021/08/23/taliban-government-afghanistan/, Zugriff 24.8.2021

•        FR - Frankfurter Rundschau (18.8.2021): Machtübernahme in Afghanistan: Wer sind die Anführer der Taliban, https://www.fr.de/politik/taliban-afghanistan-anfuehrer-regierung-krieg-mudschaheddin-islamisten-90923873.html, Zugriff 15.9.2021

•        ICG - International Crisis Group (24.8.2021): Taliban Rule Begins in Afghanistan, https://www.crisisgroup.org/asia/south-asia/afghanistan/taliban-rule-begins-afghanistan, Zugriff 9.9.2021

•        IT - India Today (8.9.2021): Resistance Front likely to declare parallel govt in Afghanistan, calls Taliban rule illegitimate, https://www.indiatoday.in/world/story/resistance-front-taliban-rule-illegitimate-declare-parallelafghanistan-1850525-2021-09-08, Zugriff 10.9.2021

•        JS - Just Security (7.9.2021): Between Legitimacy and Control: The Taliban’s Pursuit of Governmental Status, https://www.justsecurity.org/78051/between-legitimacy-and-control-the-talibans-pursuit-of-governmental-status/, Zugriff 9.9.2021

•        NSIA - National Statistics and Information Authority [Afghanistan] (1.6.2020): Estimated Population of Afghanistan 2020-21, https://www.nsia.gov.af:8080/wp-content/uploads/2020/06/??????-????-????-????-????-???.pdf, Zugriff 28.9.2020

•        NYT - New York Times, The (1.9.2021): Will the World Formally Recognize the Taliban?, https://www.nytimes.com/2021/09/01/world/asia/taliban-un-afghanistan-us.html, Zugriff 9.9.2021

•        NZZ - Neue Zürcher Zeitung (8.9.2021): Wer ist der mysteriöse neue Emir, der als Ober-Mullah über die Taliban wacht?, https://www.nzz.ch/international/afghanistan-ein-religioeser-fuehrer-nach-dem-vorbild-irans-ld.1643391?kid=nl165_2021-9-7&mktcid=nled&ga=1&mktcval=165_2021-09-08, Zugriff 8.9.2021

•        NZZ - Neue Zürcher Zeitung (7.9.2021): Die Taliban bilden eine Regierung – und darin sitzen weder andere politische Kräfte noch Frauen, https://www.nzz.ch/international/die-taliban-bilden-eine-regierung-und-darin-sitzen-weder-andere-politische-kraefte-noch-frauen-ld.1644387?kid=nl165_2021-9-7&mktcid=nled&ga=1&mktcval=165_2021-09-08&trco=, Zugriff 8.9.2021

•        ORF - Österreichischer Rundfunk (7.9.2021): Gesuchter Terrorist wird Innenminister, https://orf.at/stories/3227772/, Zugriff 9.9.2021

•        REU - Reuters (8.9.2021): Resistance leaders Massoud, Saleh still in Afghanistan, diplomat says, https://www.reuters.com/world/asia-pacific/resistance-leaders-massoud-saleh-still-afghanistan-diplomat-says-2021-09-08/, Zugriff 13.9.2021

•        RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (6.8.2021): Who's Who In The Taliban: The Men Who Run The Extremist Group And How They Operate, https://gandhara.rferl.org/a/taliban-leadership-structure-afghan/31397337.html, Zugriff 3.9.2021

•        TAG - Tagesschau (15.8.2021): Präsident Ghani ins Ausland geflohen, https://www.tagesschau.de/ausland/asien/afghanistan-kabul-ghani-101.html, Zugriff 3.9.2021

•        TD - The Diplomat (10.9.2021): What the Taliban’s Interim Government Means for Afghanistan’s Neighbors, https://thediplomat.com/2021/09/what-the-talibans-interim-government-means-for-afghanistans-neighbors/, Zugriff 13.9.2021

•        UNGASC - United Nations General Assembly Security Council (2.9.2021): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060189/sg_report_on_afghanistan_september_2021.pdf, Zugriff 13.9.2021

•        WoM - Worldometers (o.D.): Afghanistan Population, https://www.worldometers.info/world-population/afghanistan-population/, Zugriff 9.9.2021

II.3.2. Religionsfreiheit (Stand 14.09.2021)

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7% und die Schiiten auf 10 bis 19% der Gesamtbevölkerung geschätzt (CIA 23.8.2021; vgl. USDOS 12.5.2021, AA 16.7.2021). Andere Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha´i und Christen machen weniger als 0,3% der Bevölkerung aus (CIA 23.8.2021, USDOS 12.5.2021). Genaue Angaben zur Größe der christlichen Gemeinschaft sind nicht vorhanden (USDOS 12.5.2021). Der letzte bislang in Afghanistan lebende Jude hat nach der Machtübernahme der Taliban das Land verlassen (AP 9.9.2021). Die muslimische Gemeinschaft der Ahmadi schätzt, dass sie landesweit 450 Anhänger hat, gegenüber 600 im Jahr 2017. Genaue Angaben zur Größe der Gemeinschaft der Ahmadi und der christlichen Gemeinschaft sind nicht vorhanden (USDOS 12.5.2021).

In den fünf Jahren vor der Machtübernahme der Taliban im August 2021 gab es keine Berichte über staatliche Verfolgungen wegen Blasphemie oder Apostasie; jedoch berichteten Personen, die vom Islam konvertieren, dass sie weiterhin die Annullierung ihrer Ehen, die Ablehnung durch ihre Familien und Gemeinschaften, den Verlust ihres Arbeitsplatzes und möglicherweise die Todesstrafe riskierten (USDOS 12.5.2021).

In Hinblick auf die Gespräche im Rahmen des Friedensprozesses, äußerten einige Sikhs und Hindus ihre Besorgnis darüber, dass in einem Umfeld nach dem Konflikt von ihnen verlangt werden könnte, gelbe (Stirn-)Punkte, Abzeichen oder Armbinden zu tragen, wie es die Taliban während ihrer Herrschaft von 1996 bis 2001 vorgeschrieben hatten (USDOS 12.5.2021).

[Anmerkung: Über die Auswirkung der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 auf Religionsfreiheit sind noch keine validen Informationen bekannt]

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (16.7.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Mai 2021), https://www.ecoi.net/en/document/2057829.html, Zugriff 1.9.2021

•        ABC News (29.8.2021): Afghanistan's religious minorities live in fear of Taliban, brace for persecution, https://www.nbcnews.com/news/world/afghanistan-s-religious-minorities-live-fear-taliban-brace-persecution-n1277249, Zugriff 2.9.2021

•        AP - Associated Press (9.9.2021): Afghanistan’s last Jew leaves after Taliban takeover, https://apnews.com/article/middle-east-religion-israel-afghanistan-evacuations-c616b5b847da79f0cfc1de6f0f37b0b7, Zugriff 13.9.2021

•        CIA - Central Intelligence Agency [USA] (23.8.2021): The World Factbook - Afghanistan, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/afghanistan/#people-and-society, Zugriff 2.9.2021

•        USDOS - United States Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Afghanistan, https://www.state.gov/reports/2020-report-on-international-religious-freedom/afghanistan/, Zugriff 2.9.2021

II.3.3. Apostasie, Blasphemie, Konversion (Stand 14.09.2021)

Die Zahl der afghanischen Christen in Afghanistan ist höchst unsicher, die Schätzungen schwanken zwischen einigen Dutzend und mehreren Tausend (LI 7.4.2021; vgl. USDOS 12.5.2021). Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (AA 16.7.2021). Bei der Konversion vom Islam zum Christentum wird in erster Linie nicht das Christentum als problematisch gesehen, sondern die Abkehr vom und der Austritt aus dem Islam (LIFOS 21.12.2017). Der Islam spielt eine entscheidende Rolle in der afghanischen Gesellschaft und definiert die Auffassung der Afghanen vom Leben, von Moral und Lebensrhythmus. Den Islam zu verlassen und zu einer anderen Religion zu konvertieren bedeutet, gegen die gesellschaftlichen Kerninstitutionen und die soziale Ordnung zu rebellieren (LI 7.4.2021).

Vor der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 konnten christliche Afghanen ihren Glauben nicht offen praktizieren (LI 7.4.2021; vgl. USDOS 12.5.2021). In den fünf Jahren davor gab es keine Berichte über staatliche Verfolgungen wegen Blasphemie oder Apostasie (USDOS 12.5.2021; vgl. AA 16.7.2020); jedoch berichteten Personen, die vom Islam konvertierten, dass sie weiterhin die Annullierung ihrer Ehen, die Ablehnung durch ihre Familien und Gemeinschaften, den Verlust ihres Arbeitsplatzes und möglicherweise die Todesstrafe riskierten (USDOS 12.5.2021).

Landinfo argumentiert, dass die größte Bedrohung für einen afghanischen Konvertiten das Risiko ist, dass seine Großfamilie von der Konversion erfährt. Wenn das der Fall ist, wird diese versuchen, ihn oder sie davon zu überzeugen, zum Islam zurückzukehren. Dieser Druck kommt oft von den engsten Familienmitgliedern wie Eltern und Geschwistern, kann aber auch Onkel, Großeltern und männliche Cousins betreffen (LI 7.4.2021). Ein Konvertit wird in jeder Hinsicht stigmatisiert: als Repräsentant seiner Familie, Ehepartner, Eltern/Erzieher, politischer Bündnispartner und Geschäftspartner. Weigert sich der Konvertit, zum Islam zurückzukehren, riskiert er, von seiner Familie ausgeschlossen zu werden und im Extremfall Gewalt und Drohungen ausgesetzt zu sein. Einige Konvertiten haben angeblich Todesdrohungen von ihren eigenen Familienmitgliedern erhalten (LI 7.4.2021; vgl. USDOS 12.5.2021).

Die dominierende Rolle des Islam schränkt den Zugang zu Informationen über andere Religionen für die in Afghanistan lebenden Afghanen ein. Die Wahrscheinlichkeit, dass Afghanen in Afghanistan das Christentum kennen lernen, ist relativ gering. Normalerweise sind es Afghanen, die im Ausland leben, unter anderem in Pakistan oder im Iran, die mit dem Christentum in Kontakt kommen. In den Jahren zwischen dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 und deren erneuten Machtübernahme im August 2021 war die internationale Präsenz in Afghanistan beträchtlich und einige Menschen kamen möglicherweise durch ausländische christliche Entwicklungshelfer oder anderes internationales Personal mit dem Christentum in Kontakt. Verschiedene digitale Plattformen haben ebenfalls dazu beigetragen, dass mehr Menschen mit dem Christentum bekannt gemacht wurden (LI 7.4.2021).

Die Bibel wurde sowohl in Dari als auch in Paschtu übersetzt. Es konnten keine Informationen gefunden werden, die darauf hindeuten, dass die Bibel in Afghanistan zum Verkauf steht oder anderweitig auf legalem Wege erhältlich ist. Sie ist jedoch in Pakistan und im Iran erhältlich. Mehrere Ausgaben der Bibel wurden von iranischen Verlagen veröffentlicht und sind, wenn auch in begrenztem Umfang, in gewöhnlichen Buchläden im Iran erhältlich (LI 7.4.2021; vgl. LI 2017). Mit der zunehmenden Nutzung digitaler Plattformen und sozialer Medien sind Informationen über verschiedene Religionen, einschließlich des Christentums, besser verfügbar als in der Vergangenheit. Die Bibel kann sowohl in Dari als auch in Paschtu kostenlos aus dem Internet heruntergeladen werden, ebenso wie anderes christliches Material (LI 7.4.2021).

[Anmerkung: Über die Auswirkung der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 auf Apostasie, Blasphemie, Konversion sind noch keine validen Informationen bekannt]

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (16.7.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Mai 2021), https://www.ecoi.net/en/document/2057829.html, Zugriff 2.9.2021

•        LI - Landinfo, Utlendingsforvaltningens fagenhet for landinformasjon [Norwegen] (7.4.2021): https://www.ecoi.net/en/file/local/2050251/Landinfo-Report-Afghanistan-Christian-Converts-070402021.pdf, Zugriff 2.9.2021

•        LIFOS - Center för landinformation och landanalys inom migrationsområdet [Schweden] (21.12.2017): Temarapport: Afghanistan -Kristna, apostater och ateister, https://www.ecoi.net/en/file/local/1420820/1226_1515061800_171221551.pdf, Zugriff 2.9.2021

•        USDOS - United States Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Afghanistan, https://www.state.gov/reports/2020-report-on-international-religious-freedom/afghanistan/, Zugriff 2.9.2021

III. Beweiswürdigung:

III.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts.

III.2. Zu den Feststellungen zur Person des BF:

Die Feststellungen zum vom BF geführten Namen, zu seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppenzugehörigkeit, den Sprachkenntnissen, seinem Familienstand wie auch zu den Umständen seines Aufwachsens in Afghanistan legte aufgrund der insoweit gleichbleibenden, konkreten und nachvollziehbaren Angaben des BF bereits das BFA seiner Entscheidung zugrunde. Es sind mangels Bestreitung im Beschwerdeverfahren daran keine Zweifel aufgekommen. Das vom BF geführte Geburtsdatum gründet auf dem eingeholten Gutachten, das vom BF auch nicht bestritten wurde. Vielmehr gab er in der Verhandlung damit übereinstimmend an, dass er bei der Einreise 15 Jahre alt gewesen sei (S. 3 VP). Die Identität des BF kann nicht festgestellt werden, weil er keine identitätsbezeugenden Dokumente aus seinem Herkunftsstaat vorlegte.

Eine gesundheitliche Beeinträchtigung machte der BF das gesamte Verfahren über nicht geltend. Es war daher seine Gesundheit und Arbeitsfähigkeit festzustellen. Die strafrechtliche Unbescholtenheit war aufgrund eines aktuellen Strafregisterauszugs festzustellen.

III.3. Zu den Feststellungen zu den Fluchtgründen:

Auf die ursprünglich vorgebrachten Fluchtgründe des BF, er sei bei einer Rückkehr bedroht, weil sein Vater Polizist gewesen sei, weswegen auch bereits seine Familie umgebracht worden sei, ist nicht weiter einzugehen, weil es dem BF gelungen ist, vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft darzulegen, dass er jedenfalls zum Entscheidungszeitpunkt vom Islam abgefallen und zum Christentum, konkret der römisch-katholischen Kirche, übergetreten und innerlich konvertiert ist.

So schilderte der BF in der Verhandlung nachvollziehbar und konkret, wie er das erste Mal in Berührung mit anderen Religion als dem Islam kam. Diese Aussage wird auch durch ein Empfehlungsschreiben einer Betreuerin seiner früheren Unterkunft bestätigt, die ausführte, dass er an der christlichen Religion interessiert sei (AS 207). Dass er danach zumindest zwei Kirchen besuchte, um sich wegen einer Taufe zu erkundigen ergibt sich daraus, dass er in der Einvernahme vor dem BFA von einer Kirche in M XXXX sprach, wo er einen Vorbereitungskurs absolvieren wolle (AS 219), während im weiteren Verlauf des Verfahrens vor dem BFA eine Bestätigung einer Kirche in XXXX , dass er sich dort wegen einer Konvertierung erkundigt habe, vorgelegt wurde (AS 243). Dass er danach ab September 2018 einen einjährigen Taufkurs besuchte, sagte nicht nur der BF aus (S. 5 VP), sondern wurde auch vom Zeugen bestätigt (S. 7 VP). Die erfolgte Taufe sowie der von ihm gewählte Taufname war einerseits aufgrund der Aussage des BF (S. 4 VP), als auch aufgrund des diese bestätigenden Taufscheins (OZ 5) festzustellen. Der Zeuge bestätigte zudem die Aussage des BF, dass er danach noch weiter einen Vertiefungskurs besuchte und dass er auch derzeit regelmäßig mit ihm in Kontakt ist, die Messe mitfeiert und regelmäßig selbstständig und alleine in der Kirche betet (S. 8 VP). Es bestehen damit keine Gründe an der Aussage des BF zu den äußeren Umständen hinsichtlich seiner Konversion zu zweifeln.

Diese mittlerweile langjährige Betätigung in der Kirche ist durchaus ein gewichtiges Indiz für einen ernsthaften inneren Glaubenswechsel, auch wenn sie alleine noch nicht ausreichend wären, um eine innere ernsthafte Konversion anzunehmen. Gegen die Annahme einer solchen spricht zudem, dass der BF trotz des langjährigen Besuchs eines Tauf- und Vertiefungskurses relativ wenig Wissen über seine neue Religion hat (S. 5-7 VP). Dennoch zeigt die Aussage des BF in Verbindung mit der des Zeugen, dass es sich bei diesen Äußerlichkeiten nicht nur um solche handelt, die er möglicherweise entgegen einem inneren Glauben tätigte, um einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu erlangen, sondern, dass er tatsächlich konvertiert ist und nach diesen Überzeugungen auch lebt.

So schilderte der BF, dass er die Kirche unter der Woche besuche, einfach um zu beten (S. 5 VP). Danach fühle er sich wohler und ruhiger (S. 5, 11 VP). Auch der Zeuge bestätigte, dass der BF unter der Woche in die Kirche zum Beten kommt (S. 8 VP). An der Aussage des BF bestehen damit keine Zweifel. Dieses vom BF glaubhaft beschriebene Gefühl nach dem Beten deutet daher klar darauf hin, dass der BF innerlich vom Christentum überzeugt ist und dass ihm dieses Kraft und Halt geben kann. Der Zeuge schilderte auch glaubhaft, dass der BF durch seine Konversion sein Verhalten geändert hat. Er sei ein sehr introvertierter Mensch, der sich schwertue, sich auszudrücken. In den letzten drei Jahren habe er sich allerdings sehr weiterentwickelt (S. 9 VP). Dass der BF introvertiert war bestätigt auch der vor dem BFA vorgelegte Befund eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie (AS 185). Auch dort wird festgehalten, dass der BF sehr verschlossen sei. Nicht nur der Zeuge, sondern auch der BF schilderte aber, dass sich der BF nach seiner Konversion nunmehr freier fühle (S. 6 VP). Diese glaubhafte Wesensveränderung beim BF spricht ebenfalls dafür, dass der BF innerlich tatsächlich konvertiert ist.

Der BF hat sich offensichtlich auch selbstständig zumindest rudimentär mit den verschiedenen Richtungen des Christentums beschäftigt. Dazu gab er nämlich an, dass es mehrere Richtungen im Christentum gebe. Er habe sich für den Katholizismus entschieden, da dies die vollständige Religion sei und auch seine Freunde Katholiken gewesen seien (S. 6 VP). Der BF konnte zwar nicht beschreiben, welche Unterschiede es gebe oder was im Katholizismus besser sei (S. 7 VP), nichtsdestotrotz gab der Zeuge glaubhaft an, dass er dem BF die verschiedenen Richtungen des Christentums jedenfalls nicht im Taufkurs oder sonst vorgestellt hätte (S. 9 VP). Auch diese, wenn auch offensichtlich nur sehr oberflächliche, selbstständige Beschäftigung mit den unterschiedlichen Richtungen im Christentum spricht für eine ernsthafte innere Konversion.

Dafür spricht auch, dass der BF den Tag seiner Taufe konkret nennen konnte. Er konnte auch die korrekte Bedeutung seines Taufnamens schildern (S. 4 VP). Gleichfalls war es ihm möglich zumindest in Ansätzen zu schildern, was ihm in seiner neuen Religion besonders wichtig ist, nämlich die Vergebung (S. 6 VP).

Dem BF ist es damit insbesondere vor dem Hintergrund der glaubhaften und nachvollziehbaren Schilderungen des Zeugen, dem durchaus besonderes Gewicht zukommt, zumal er Beauftragter für das Fremdenkatechumenat ist und damit besonders viel Erfahrung bei der Beurteilung von Konversionen von Asylwerbern hat, und seiner eigenen Aussage gelungen, glaubhaft zu machen, dass er sich aus freier persönlicher Überzeugung vom schiitischen Islam dem Christentum zugewandt hat. Die Aussage des BF hat zwar gezeigt, dass er den Katholizismus noch nicht vollständig intellektuell durchdrungen hat, aber trotzdem danach lebt, was auch nach außen sichtbar wird. Es sind im Verfahren keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die den Schluss zulassen würden, dass die Konversion des BF zum christlichen Glauben bloß zum Schein erfolgt wäre. Vielmehr hat der BF durch sein im Bundesgebiet gezeigtes Verhalten dargelegt, dass er sich auf Grund einer persönlichen Entscheidung vom Islam abgewandt und aus innerer Überzeugung dem christlichen Glauben zugewandt hat. Aufgrund dieser inneren Überzeugung ist auch davon auszugehen, dass der BF bei einer Rückkehr seinen Glauben weiter offen ausüben würde und sich nicht wieder dem Islam zuwenden könnte.

Zur Situation von Konvertiten nach der Machtübernahme durch die Taliban liegen noch keine aussagekräftigen Berichte vor, allerdings ergab sich bereits aus den Länderfeststellungen vor der Machtübernahme, dass dem BF bei einer Rückkehr aufgrund des allgemeinen Islamvorbehalts im afghanischen Recht und aufgrund der vorherrschenden gesellschaftlichen Intoleranz gegenüber Konvertiten psychische und/oder physische Gewalt drohte. So drohte dem BF aufgrund seiner Konversion, so er diese nicht binnen drei Tagen widerrufen würde, nach der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung Enthauptung als angemessene Strafe. Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung wurden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen oder sogar ermordet. Staatlicher Schutz gegen diese Übergriffe der Bevölkerung stand gemäß den Länderfeststellungen nicht zur Verfügung. Da die islamistischen sunnitischen Taliban die Macht übernommen haben, ist trotz Fehlens aussagekräftiger Berichte jedenfalls nicht von einer Verbesserung der Situation für Konvertiten auszugehen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich die Situation für Andersgläubige und speziell für Konvertiten weiter verschlechterte, zumal die Taliban in ihren Ankündigungen bereits betonten, dass sich die (noch nicht vollständig verlautbarten) Regelungen nach der Scharia richten würden. Nach dieser ist allerdings eine Konversion mit der Todesstrafe bedroht.

Das BFA kam noch zur Beurteilung, dass der BF nicht innerlich konvertiert sei. Diese Beurteilung ist zum damaligen Entscheidungszeitpunkt anhand des Protokolls der Einvernahme nicht völlig von der Hand zu weisen, zumal der BF damals auch nur angab, er wolle konvertieren, ohne jedoch genaue Vorstellungen darüber zu haben (AS 219). Die gegenteilige Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ist aber jedenfalls durch die seitdem verstrichene Zeitspanne und die intensive Betätigung des BF in seiner Glaubensgemeinschaft zu erklären. Während der BF damals erst am Beginn des Prozesses der Konversion stand, hat er diesen Prozess mittlerweile vollzogen und seinen neuen Glauben verinnerlicht und lebt diesen nach außen sichtbar.

III.4. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan aktuell.

Das Bundesverwaltungsgericht hat dem BF in der Ladung mitgeteilt, dass es beabsichtige, das aktuelle Länderinformationsblatt seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Der BF hat sich dagegen nicht gewendet. Das BFA ist unentschuldigt zur Verhandlung nicht erschienen und hat damit auf eine Stellungnahme zu den Länderberichten verzichtet. Es sind daher keine Zweifel an der Richtigkeit aufgekommen.

IV. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

IV.1. Zum Spruchpunkt A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge dieser Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als „Verfolgung“ im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 12.03.2020, Ra 2019/01/0472; 29.01.2020, Ra 2019/18/0228).

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der Mitbeteiligte bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung („Vorverfolgung“) für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher der Fremde im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass er im Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (Aktualität der Verfolgung; vgl. VwGH 06.04.2020, Ra 2019/01/0443; 25.09.2018, Ra 2017/01/0203).

Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist. Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- beziehungsweise Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation beziehungsweise des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (VwGH 25.06.2020, Ra 2019/18/0380).

Eine begründete Furcht vor asylrelevanter Verfolgung wegen einer Konversion liegt vor, sobald nach Auffassung der zuständigen Behörden im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Antragstellers vernünftigerweise anzunehmen ist, dass dieser nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen. Wesentlich ist somit, ob bei weiterer Ausübung des (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Dabei kann dem Fremden auch nicht zugemutet werden, auf die religiöse Betätigung zu verzichten, um eine Verfolgung zu vermeiden (VwGH 12.06.2020, Ra 2019/18/0440).

Das Beschwerdeverfahren hat gezeigt, dass alle Indizien für eine ernsthafte Konversion des BF vorliegen. Es ist daher von einer ernsthaften innerlichen Konversion auszugehen. Ebenso ist davon auszugehen, dass der BF in Afghanistan seinem inneren Entschluss entsprechend weiter nach dem katholischen Glauben leben würde.

Der BF wäre als Konvertit, der seinen Glauben auch bei einer Rückkehr ausleben und seine Konversion nicht widerrufen würde, bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit massiven Einschränkungen und Diskriminierungen im persönlichen Bereich auf Grund seiner religiösen Überzeugung sowie einem erheblichen Verfolgungsrisiko zu Lasten seiner persönlichen Sicherheit und physischen Integrität sowohl von privater Seite – ohne dass in dieser Hinsicht staatlicher Schutz zukäme – als auch von staatlicher Seite, soweit eine solche aktuell überhaupt besteht, ausgesetzt. Auf Grund des in ganz Afghanistan gültigen islamischen Rechts nach der Scharia und der in der Praxis angewandten islamischen Rechtsprechung, wonach auch die Todesstrafe droht, sowie auf Grund der in der afghanischen Gesellschaft bestehenden Traditionen und Moralvorstellungen sowie der allgemein vorherrschenden Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten, insbesondere gegenüber Konvertiten, und den damit zusammenhängenden benachteiligenden Auswirkungen des traditionellen Gesellschaftssystems in ganz Afghanistan ist davon auszugehen, dass sich die oben dargestellte Situation für den BF im gesamten Staatsgebiet Afghanistans ergibt. Dies umso mehr, als die radikalislamischen Taliban die Kontrolle in Afghanistan übernommen haben. Es ist daher hinsichtlich dieses dargestellten Verfolgungsrisikos davon auszugehen, dass keine inländische Fluchtalternative besteht. Eine Unterdrückung und Hintanhaltung seiner verinnerlichten Glaubenseinstellung, um nach Afghanistan zurückkehren zu können, würde den BF massiv und in unzulässiger Weise in seinem Recht auf eine freie Religionsausübung beschränken und ist ihm daher nicht zuzumuten.

Der BF befindet sich daher aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen seiner religiösen Überzeugung eines vom Islam zum Christentum konvertierten Mannes verfolgt zu werden, außerhalb Afghanistans und ist im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt, in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.

Es haben sich im Verfahren auch keine Hinweise ergeben, dass der BF einen Asylausschlussgrund nach § 6 AsylG gesetzt hat. Der Beschwerde war daher stattzugeben und dem BF der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Dem BF kommt damit – da er seinen Antrag nach dem 15.11.2015 stellte (§ 75 Abs. 24 AsylG) – gemäß § 3 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.

Die übrigen Spruchpunkte verlieren damit ihre rechtliche Grundlage und waren dementsprechend zu beheben.

IV.2. Zum Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Vielmehr handelt es sich bei der Frage, ob dem BF der Status des Asylberechtigten zu gewähren ist, im Wesentlichen um die Lösung von Tatfragen, zu deren Lösung der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Übrigen wurde dem Antrag des BF stattgegeben. Das BFA hat auf die Teilnahme an der Beschwerdeverhandlung, aufgrund derer durch den darin gewonnenen persönlichen Eindruck das vorliegende Erkenntnis zu fällen war, verzichtet, indem es unentschuldigt nicht erschienen ist.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung befristete Aufenthaltsberechtigung gesamtes Staatsgebiet Konversion Nachfluchtgründe private Verfolgung Religion staatliche Verfolgung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W158.2201155.1.00

Im RIS seit

20.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

20.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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