Entscheidungsdatum
16.11.2021Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
W241 2247696-1/4E
W241 2247697-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HAFNER als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch die mündlich verkündeten Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.10.2021, 1096793909-211569931 (ad 1.) und 1096794002-211580862 (ad 2.), erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend 1.) XXXX , geboren am XXXX , 2.) XXXX , geboren am XXXX , beide StA. Armenien, beschlossen:
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 in Verbindung mit § 22 BFA-VG rechtmäßig.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Vorverfahren:
1.1. Die Asylwerber (in der Folge: AW) XXXX , geboren am XXXX (AW1), und XXXX , geboren am XXXX (AW2), armenische Staatsangehörige, stellten nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 26.11.2015 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge: AsylG).
1.2. Als Fluchtgrund gab der AW1 vor dem BFA an, in Armenien Zeuge eines Verkehrsunfalles bzw. eines Mordes gewesen zu sein. Wegen dieser Zeugenschaft bzw. weil er sich an die Sicherheitskräfte gewandt hätte, sei er gravierenden Repressalien ausgesetzt gewesen, woraufhin er mit seiner Frau Armenien verlassen hätte.
Im weiteren Verlauf des Verfahrens stellte sich heraus, dass der AW1 an verschiedenen Erkrankungen leidet und legte er hierzu ein umfangreiches Konvolut an medizinischen Unterlagen in Bezug auf durchgeführte Behandlungen vor. Seitens des BFA wurde hierzu ein medizinisches Gutachten eingeholt, woraus sich ergab, dass der AW1 an keiner akut lebensbedrohlichen Erkrankung leidet.
Die AW2 berief sich auf die Fluchtgründe des AW1 und legte ebenfalls verschiede medizinischen Unterlagen in Bezug auf durchgeführte Behandlungen vor. Seitens des BFA wurde hierzu ebenfalls ein medizinisches Gutachten eingeholt, woraus sich ergab, dass auch die AW2 an keiner akut lebensbedrohlichen Erkrankung leidet.
Ferner gaben die AW an, dass in Österreich eine Tochter und ein Sohn samt deren Familien aufhältig seien, in Armenien würde eine weitere Tochter leben.
1.3. Die Anträge der AW auf internationalen Schutz wurden folglich mit Bescheiden des BFA vom 07.07.2017 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen und der Status von Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die AW eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf Armenien gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde gemäß § 55 FPG mit 14 Tagen festgelegt. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei.
Festgestellt wurde, dass die AW keine asylrelevanten Probleme mit der Polizei und Personen haben würden, die den AW1 angeblich bedroht und zusammengeschlagen hätten. Die AW hätten in Ihrem Herkunftsstaat auch keine asylrelevanten Probleme auf Grund ihrer Religionszugehörigkeit, ihrer Rasse, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer Volksgruppenzugehörigkeit. Ferner wurde festgestellt, dass die AW an keinen lebensbedrohlichen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen ihres Gesundheitszustandes leiden würden, eine medizinische Versorgung der die AW betreffenden Leiden sei laut Staatendokumentation in Armenien gegeben. Auch würden sich, neben den Verwandten in Österreich, weitere nahe Angehörigen im Herkunftsstaat befinden.
Weiters stellte das BFA fest, dass die AW nicht selbsterhaltungsfähig seien, über keine nennenswerten Deutschkenntnisse verfügen würden und keine nennenswerte soziale Vernetzung in Österreich bestehe.
Rechtlich führte das BFA aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorgekommen wäre. Es ergaben sich weiters keine Hinweise auf einen Sachverhalt, welcher zur Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG führe und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar, weshalb die Rückehrentscheidung in Bezug auf Armenien und die Abschiebung dorthin zulässig seien.
1.4. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.03.2018 wurde mit Erkenntnissen vom 26.08.2020, L515 2167694-1/27E und L515 2167920-1/27E, die Beschwerden gegen die oben genannten Bescheide als unbegründet abgewiesen.
In den Erkenntnissen wurde festgestellt, dass sich das Vorbringen der AW, der AW1 wäre Übergriffen ausgesetzt gewesen, als nicht glaubhaft erwiesen hätte, da im Zuge der Schilderungen der Ereignisse etliche Ungereimtheiten zu wesentlichen Sachverhaltselementen hervorgekommen wären.
Ungeachtet dessen sei festzuhalten, dass den AW im Lichte der Berichtslage zu Armenien im Falle einer Rückkehr zukünftig jedenfalls keine Gefahr drohe, zumal es sich bei der Republik Armenien um einen sicheren Herkunftsstaat handle und daher – schon im Lichte des hier mangels des Fehlens eines entsprechenden substantiierten Vorbringens nicht erschütterten Grundsatzes der normativen Vergewisserung Armeniens – davon auszugehen sei, dass die armenischen Behörden eine entsprechende Gefahr von den AW abwenden würden, wenn sie hiervon Kenntnis erlangten.
In Bezug auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der AW sei darauf hinzuweisen, dass diese hier in der Vergangenheit bereits verschiedenste Behandlungen und Therapien erhalten hätten, wodurch etliche Leiden beseitigt bzw. nachhaltig gelindert worden wären und entsprechende Nachbehandlungen in Armenien möglich seien. Es deute nichts darauf hin, dass – abgesehen von einer allfälligen Minderung der Lebensqualität – eine unmittelbare Todesgefahr oder ein schwerer Leidenszustand drohen würde. Ebenso hätte sich im Ermittlungsverfahren nicht ergeben, dass sie sich aktuell in akutmedizinischer Behandlung befinden würden.
1.5. Die AW erhoben gegen diese Erkenntnisse vom 26.08.2020 Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Dieser erkannte mit Beschlüssen vom 15.10.2020 der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu.
Mit Beschlüssen des VfGH vom 24.02.2021 wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) zur Entscheidung abgetreten.
Mit Schriftsatz vom 03.05.2021 wurde außerordentliche Revision an den VwGH erhoben.
Mit Beschlüssen des BVwG vom 05.05.2021 wurde der Revision die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.
1.6. Am 08.07.2021 brachten die AW Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 Abs. 2 AsylG ein.
Mit Bescheid des BFA vom 09.09.2021 wurden diese Anträge gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zurückgewiesen. Die Bescheide erwuchsen am 15.10.2021 erstinstanzlich in Rechtskraft.
2. Gegenständliche Verfahren:
2.1. Am 07.10.2021 stellten die AW Folgeanträge und wurden dazu am selben Tag einer Erstbefragung unterzogen. Dabei gaben sie an, dass sie keine neuen Fluchtgründe angeben könnten. Ein Sohn und eine Tochter wären österreichische Staatsbürger, diese würden für ihren Aufenthalt hier aufkommen. In Armenien hätten sie kein Hab und Gut mehr, auch gäbe es keine Bezugspersonen dort. So würde die zweite Tochter seit Jahren in der Ukraine leben. Nach dem letzten Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien seien auch viele Gegenden in der Umgebung des Wohnortes der AW von Aserbaidschan erobert worden und daher hätten die dort lebenden Armenier Schwierigkeiten mit den Aserbaidschanern. In ihrem Alter werde es sehr schwierig sein, ohne finanzielle Unterstützung dort zu leben. Sie besäßen dort auch kein Haus und keine Wohnung und wüssten nicht, wo sie leben sollten.
Abschließend gaben die AW wiederholt an, dass es keine neuen Fluchtgründe gäbe. Sie würden nur nicht von der Familie getrennt werden wollen und deren Unterstützung benötigen. Auch brauche ihr Enkelkind hier ihre Hilfe.
2.2. Am 19.10.2021 wurden die AW vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei gaben sie erneut an, dass sich bezüglich der Ausreisegründe, die sie im ersten Verfahren angegeben hätten, nichts geändert habe, in ihrer Herkunftsregion herrsche Krieg und sie würden dort nichts mehr besitzen. Ebenfalls wiederholten die AW ihr Vorbringen bezüglich ihrer in Österreich aufhältigen Verwandten, die sie finanziell unterstützen würden. In Armenien würde von der Familie niemand mehr leben, die zweite Tochter sei seit vier bis fünf Jahren in der Ukraine. Die AW2 hätte vor einem Jahr eine Deutschprüfung absolviert, der AW1 hätte keine Prüfungen abgelegt.
Am 20.10.2021 stellte die armenische Botschaft in Wien Heimreisezertifikate für die AW aus.
2.3. Im Rahmen einer weiteren Einvernahme am 25.10.2021 wiederholten die AW im Wesentlichen ihre bisherigen Angaben.
2.4. Im Zuge der Niederschrift wurde den AW die nunmehr verfahrensgegenständlichen mündlichen Bescheide verkündet, mit denen der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben wurde.
2.5. Am 27.10.2021 legte das BFA dem BVwG den Akt zur Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vor.
2.6. Am 29.10.2021 reisten die AW freiwillig nach Armenien aus.
2. Beweisaufnahme:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
- Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend insbesondere die Aktenteile betreffend das Vorverfahren und die Niederschriften der Erstbefragung und der Einvernahmen vor dem BFA sowie die mündlich verkündeten (Mandats-) Bescheide vom 25.10.2021
- Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat der AW im gegenständlichen Verfahren (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Armenien vom 06.10.2021)
3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):
Die nachfolgenden Feststellungen gründen sich auf die unter Punkt 2. erwähnten Beweismittel.
3.1. Zur Person der AW:
Bei den AW handelt es sich um Staatsangehörige von Armenien, welche aus einem überwiegend von Armeniern bewohnten Gebiet stammen und sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennen.
Die AW sind volljährig, handlungsfähig und nicht invalide. Der AW1 hat das Pensionsalter erreicht, die AW2 ist arbeitsfähig. Einerseits stammen die AW aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehören die AW keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass sie sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellen als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. So war es den AW auch vor dem Verlassen ihres Herkunftsstaates möglich, dort ihr Leben zu meistern.
Der AW1 bezog in Armenien eine Alterspension. Der AW2 steht es frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das – wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige – Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.
3.2. Die AW verfügen in Armenien über familiäre Anknüpfungspunkte. Sie gaben im Vorverfahren in der Verhandlung vor dem BVwG am 14.03.2018 an, dass in Armenien weiterhin eine Tochter von ihnen wohne, auch in der Stellungnahme 05.03.2020 brachten sie nichts Gegenteiliges vor. Erst im gegenständlichen Verfahren behaupteten sie, diese Tochter lebe seit vier bis fünf Jahren in der Ukraine, was den obigen Angaben widerspricht und somit nicht glaubwürdig ist.
Ferner gibt es auch in Österreich familiäre Anknüpfungspunkte in der Person eines Sohnes und einer Tochter samt Familien und können die AW Unterstützung durch diese Angehörigen erwarten. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass sie auch in Österreich durch ihre hier anwesenden Kinder materiell unterstützt wurden und steht es den Kindern frei, ihre Eltern auch nach einer Rückkehr nach Armenien weiter zu unterstützen. Es deutet auch nichts darauf hin, dass die Kinder nach der Rückkehr ihrer Eltern nach Armenien nicht weiter gewillt und befähigt sind, ihre Eltern zu unterstützen.
3.3. Der AW1 leidet an Herzproblemen sowie Bluthochdruck und wurde vor vier Jahren am Knie operiert, seine gesundheitlichen Probleme werden medikamentös behandelt. Die AW2 nimmt Medikamente wegen einer Schilddrüsenunterfunktion und wegen Gelenkschmerzen ein. Die vorgebrachten Leiden sind auch in Armenien behandelbar, Hinweise auf sonstige lebensbedrohende oder schwerwiegende Krankheiten haben sich keine ergeben.
In diesem Zusammenhang wird auch festgestellt, dass die aktuell vorherrschende COVID-19-Pandemie kein Rückkehrhindernis darstellt. Es besteht – angesichts der nunmehr verfügbaren Impfstoffe – keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass die AW bei einer Rückkehr nach Armenien eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würden.
3.4. Die AW sprechen nur wenig Deutsch und haben – mit Ausnahme von Deutschkursen – keine sonstigen Kurse oder Schulungen in Österreich besucht. Sonstige maßgeblichen Integrationsschritte konnten keine festgestellt werden.
3.5. Die von den AW mit Anträgen vom 26.11.2015 initiierten (ersten) Asylverfahren wurde mit Entscheidungen des BFA vom 07.07.2017 sowie den Beschwerdeentscheidungen des BVwG vom 26.08.2020, L515 2167694-1/27E und L515 2167920-1/27E, rechtskräftig negativ abgeschlossen.
Die Anträge auf internationalen Schutz wurden gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen, subsidiärer Schutz wurde in Bezug auf Armenien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG nicht gewährt. Den AW wurde keine Aufenthaltstitel gewährt, und es wurde eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung getroffen.
Die AW erhoben gegen diese Erkenntnisse vom 26.08.2020 Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Dieser erkannt mit Beschluss vom 15.10.2020 der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu. Mit Beschlüssen des VfGH vom 24.02.2021 wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) zur Entscheidung abgetreten.
Mit Schriftsatz vom 03.05.2021 wurde außerordentliche Revision an den VwGH erhoben. Mit Beschlüssen des BVwG vom 05.05.2021, L515 2167694-1/40E, wurde der Revision die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.
3.6. Die AW brachten in der Folge am 07.10.2021 neuerlich (die gegenständlichen) Anträge auf internationalen Schutz ein.
Im gegenständlichen Verfahren beziehen sich die AW im Wesentlichen auf Gründe, die bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der ersten von den AW initiierten Verfahren bestanden haben.
Eine entscheidungswesentliche Änderung der persönlichen Situation der AW, deren familiärer Bindungen in Österreich oder deren Gesundheitszustandes sowie der Ländersituation im Herkunftsstaat ist seit der Entscheidung über die vorhergehenden Anträge der Antragsteller auf internationalen Schutz nicht eingetreten.
Es ist somit nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung der AW nach Armenien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihnen als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Es liegen keine Umstände vor, welche ihrer Außerlandesbringung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden.
3.6. Die AW verfügen über keine sonstigen Aufenthaltsberechtigungen, sodass die Folgeanträge voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein werden.
3.7. Am 29.10.2021 reisten die AW unter Gewährung von Rückkehrhilfe freiwillig nach Armenien aus.
4. Beweiswürdigung:
Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zugrunde:
4.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des BFA und des BVwG.
Die Rechtskraft der Erkenntnisse des BVwG vom 26.08.2020, mit welchem die Beschwerden gegen die Abweisung der (ersten) Anträge auf internationalen Schutz vom 26.11.2015 als unbegründet abgewiesen wurden, ergibt sich mit dem Zustellungsdatum.
Die Feststellungen zu den zweiten Anträgen auf internationalen Schutz und dem hierzu erstatteten Vorbringen der Betroffenen ergeben sich aus dem Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsverfahrensakten des BFA.
4.2. Zur Person des AW und zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:
4.2.1. Die Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit der AW ergeben sich aus ihren Angaben vor dem BFA und dem BVwG sowie den vorliegenden Heimreisezertifikaten.
Die Feststellungen zu den allgemeinen Lebensumständen der AW stützen sich auf die diesbezüglichen Angaben der AW im Verfahren vor dem BFA und dem BVwG.
4.2.2. Die Feststellungen zum Privat- oder Familienlebens in Österreich stützen sich ebenfalls auf die diesbezüglichen Angaben vor dem BFA und dem BVwG.
Nunmehr gaben die AW im Wesentlichen erneut an, dass sie bei ihrer Tochter, ihrem Sohn und deren Familien in Österreich bleiben wollen würden und den Sohn bei der Betreuung der behinderten Enkelin unterstützen würden. Im gegenständlichen Verfahren brachten die AW somit diesbezüglich keinen neuen Sachverhalt vor.
Sonstige erhebliche Integrationsmerkmale der AW – abgesehen von geringen Deutschkenntnissen – sind auf Grund der Aktenlage nicht erkennbar und wurden von den AW auch weder dargelegt noch behauptet.
4.2.3. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich aus den medizinischen Unterlagen, die im Vorverfahren vorgelegt wurden. Im gegenständlichen Verfahren wurden keine aktuellen Befunde eingebracht. Hinweise auf erhebliche, lebensbedrohliche gesundheitliche Probleme liegen nicht vor und wurden von den AW auch nicht behauptet. Bezüglich des Gesundheitszustandes der AW ergaben sich somit keine wesentlichen Sachverhaltsänderungen.
Nach der der ständigen Rechtsprechung des VwGH hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. VwGH 26.6.2019, Ra 2019/20/0050 bis 0053, mwN).
Den bereits vom Bundesamt ins Verfahren eingebrachten Länderinformationen ist zu entnehmen, dass die medizinische Grundversorgung in Armenien flächendeckend gewährleistet ist. Insbesondere finden sich in diesen Länderinformationen keine Hinweise darauf, dass für die AW in Armenien eine angemessene Behandlung fehlen würde oder sie keinen Zugang zu einer solchen Behandlung hätten, weshalb sie einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt wären, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung ihrer Lebenserwartung führen würde.
4.2.4. Die von den AW im gegenständlichen Verfahren vorgebrachten Gründe für das Verlassen ihres Herkunftsstaates bauen auf die Fluchtgründe auf, die bereits im Vorverfahren als unglaubhaft erkannt worden waren. Die im gegenständlichen Verfahren wiederholte Gefährdung stützen die AW auf jenen Sachverhalt, der in den ersten Verfahren als nicht glaubhaft festgestellt wurde. Dass keine neuen Fluchtgründe vorliegen würden, wurde durch die AW selbst vorgebracht, ferner spricht die nunmehr erfolgte freiwillige Ausreise nach Armenien gegen das Vorliegen einer Gefährdungssituation.
Die AW ergänzten ihr bisheriges Vorbringen lediglich damit, dass in der Herkunftsregion Krieg herrschen würde, das Gebiet wäre zum Teil von Aserbaidschanern besetzt. Dem ist entgegen zu halten, dass sich aus den Länderinformationen keine Hinweise darauf ergeben, dass in Armenien die Sicherheitslage derart angespannt wäre, dass eine Rückkehr nach Armenien nicht mehr zumutbar wäre. Es darf in diesem Zusammenhang auch darauf verwiesen werden, dass es sich bei der Republik Armenien um einen sicheren Herkunftsstaat im Sinne der Herkunftsstaaten-Verordnung handelt, vom dem aufgrund der normativen Vergewisserung seiner Sicherheit anzunehmen ist, dass er auf seinem Territorium Schutz vor Verfolgung bietet.
Soweit die AW ausführten, dass sie in Armenien nichts hätten und sie keine Unterstützung erhalten würden, ist festzuhalten, dass im Vorverfahren bereits festgestellt wurde, dass den AW eine Rückkehr nach Armenien zumutbar wäre.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die AW ihr bisheriges Vorbingen um keine konkret sie betreffenden neuen Elemente ergänzten und sich im Grunde auf ihr bisheriges Fluchtvorbringen stützten. Die AW versuchten daher, durch missbräuchliche Stellung von zweiten Asylanträgen ihre bevorstehende Abschiebung zu verhindern.
Im vorliegenden Fall ist somit der Beurteilung der Behörde nicht entgegenzutreten, dass von einer entschiedenen Sache auszugehen sein wird.
4.3. Zur Lage im Herkunftsstaat des AW:
Die diesem Beschluss zugrunde liegenden Länderfeststellungen (siehe oben Punkt 2.) gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Die Lage in Armenien stellt sich diesbezüglich im Wesentlichen unverändert dar, wie sich das erkennende Gericht durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage (u.a. durch Einschau in aktuelle Berichte) versichert hat.
Dass sich seit der Erlassung der rechtskräftigen Entscheidungen in den Vorverfahren bezüglich der Person der AW sowie der Lage in Armenien allgemein und für den gegenständlichen Fall relevant eine erhebliche Lageveränderung ergeben hätte, kann nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens verneint werden.
Aus dem bereits vom Bundesamt in Verfahren eingebrachten aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Armenien ergibt sich, dass in Bezug auf die allgemeine Menschenrechtslage die armenische Verfassung einen ausführlichen Grundrechtsteil modernen Zuschnitts enthält, der auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte miteinschließt. Durch Verfassungsänderungen im Jahr 2015 wurde der Grundrechtekatalog noch einmal erheblich ausgebaut. Ein Teil der Grundrechte können im Ausnahmezustand oder im Kriegsrecht zeitweise ausgesetzt oder mit Restriktionen belegt werden. Gemäß Verfassung ist der Kern der Bestimmungen über Grundrechte und -freiheiten unantastbar. Extralegale Tötungen, Fälle von Verschwindenlassen, unmenschliche, erniedrigende oder extrem unverhältnismäßige Strafen, übermäßig lang andauernde Haft ohne Anklage oder Urteil bzw. Verurteilungen wegen konstruierter oder vorgeschobener Straftaten sind nicht bekannt.
Diesen Informationen ist auch zu entnehmen, dass die medizinische Grundversorgung in Armenien flächendeckend gewährleistet ist. Das Gesundheitssystem besteht aus einer staatlich garantierten und kostenlosen Absicherung sowie einer individuellen und freiwilligen Krankenversicherung. Die primäre medizinische Versorgung wird in der Regel entweder durch regionale Polikliniken oder ländliche Behandlungszentren erbracht. Die sekundäre medizinische Versorgung wird von regionalen Krankenhäusern und einigen der größeren Polikliniken mit speziellen ambulanten Diensten übernommen, während die tertiäre medizinische Versorgung größtenteils den staatlichen Krankenhäusern und einzelnen Spezialeinrichtungen in Jerewan vorbehalten ist.
Rückkehrer werden grundsätzlich nach Ankunft in die Gesellschaft integriert. Sie haben Zugang zu allen Berufsgruppen, auch im Staatsdienst, und überdurchschnittlich gute Chancen, Arbeit zu finden. Für rückkehrende Migranten wurde ein Beratungszentrum geschaffen; es handelt sich um ein Projekt der französischen Büros für Einwanderung und Migration. Rückkehrer können sich auch an den armenischen Migrationsdienst wenden, der ihnen mit vorübergehender Unterkunft und Beratung zur Seite steht. Fälle, in denen Rückkehrer festgenommen oder misshandelt wurden, sind nicht bekannt.
Das Vorbringen der AW im Rahmen des Folgeantragsverfahrens ist daher im Rahmen der hier durchzuführenden Grobprüfung weder als glaubwürdig noch als asylrelevant anzusehen. Näheres wird im Verfahren vor dem BFA zu prüfen sein.
5. Rechtliche Beurteilung:
5.1. Anzuwendendes Recht:
Gegenständlich sind die Verfahrensbestimmungen des AVG, des BFA-VG, des VwGVG und jene im AsylG enthaltenen sowie die materiellen Bestimmungen des AsylG in der geltenden Fassung samt jenen Normen, auf welche das AsylG verweist, anzuwenden.
Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes – AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
5.2. Rechtlich folgt daraus:
5.2.1. Die gegenständliche Rechtssache betreffend die am 25.10.2021 mündlich erlassenen (Mandats-) Bescheide des BFA ist nach Vorlage am 27.10.2021 beim BVwG und am selben Tag bei der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung eingegangen. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des BVwG zuständigen Einzelrichter.
Zu Spruchteil A):
5.2.2. Anzuwendendes Recht:
Der mit „Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen" betitelte § 12a AsylG in der geltenden Fassung lautet:
„§ 12a (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn
1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,
2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,
3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und
4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.
(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2. der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist und
3. darüber hinaus
a) sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;
b) gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder
c) der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.
Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.
(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn
1. der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder
2. sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.
Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.
(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.
(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden.“
§ 22 Abs. 10 AsylG lautet:
„Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.“
Der mit „Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes" betitelte § 22 BFA-VG lautet:
„§22 (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."
5.2.3. Daraus folgt:
Da gegenständlich die belangte Behörde im Zuge von Folgeanträgen der AW gemäß § 12a Abs. 2 AsylG den faktischen Abschiebeschutz aufgehoben hat, war diese Entscheidung gemäß § 22 BFA-VG vom BVwG zu überprüfen.
Die von den AW mit Anträgen vom 26.11.2015 initiierten (ersten) Asylverfahren wurde mit Entscheidungen des BFA vom 07.07.2017 sowie den Beschwerdeentscheidungen des BVwG vom 26.08.2020, L515 2167694-1/27E und L515 2167920-1/27E, rechtskräftig negativ abgeschlossen.
Es liegt somit gegen die AW eine rechtskräftige aufrechte Rückkehrentscheidung vor.
Die AW haben in den gegenständlichen zweiten Asylverfahren anlässlich ihrer niederschriftlichen Befragungen erklärt, aus den im Wesentlichen gleichen Gründen wie schon in den vorangegangenen Asylverfahren erneut Anträge auf internationalen Schutz zu stellen.
Aus dem Vorbringen zu den Folgeanträgen ergibt sich daher – wie auch in der Sachverhaltsdarstellung und der Beweiswürdigung aufgezeigt – kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt.
Auch die für die AW maßgebliche Ländersituation ist seit der rechtskräftigen Entscheidung in den Erstverfahren im Wesentlichen gleichgeblieben, und wurde Gegenteiliges auch nicht behauptet.
In den vorangegangen Verfahren hat das BVwG die Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen und subsidiären Schutz in Bezug auf Armenien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG nicht gewährt. Den AW wurde keine Aufenthaltstitel gewährt, und es wurde eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung getroffen.
Im Erkenntnis wurde festgestellt, dass sich das Vorbringen der AW, als nicht glaubhaft erwiesen hätte und den AW im Lichte der Berichtslage zu Armenien im Falle einer Rückkehr zukünftig jedenfalls keine Gefahr drohe, zumal es sich bei der Republik Armenien um einen sicheren Herkunftsstaat handle und daher – schon im Lichte des hier mangels des Fehlens eines entsprechenden substantiierten Vorbringens nicht erschütterten Grundsatzes der normativen Vergewisserung Armeniens – davon auszugehen sei, dass die armenischen Behörden eine entsprechende Gefahr von den AW abwenden würden, wenn sie hiervon Kenntnis erlangten. In Bezug auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der AW wurde darauf hinzuweisen, dass den AW in Armenien eine ausreichende medizinische Behandlung zur Verfügung stehe.
Auch im gegenständlichen zweiten Asylverfahren sind – im Lichte der eben getroffenen Erwägungen – keine Risiken für die AW im Sinne von § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden, die eine abermalige umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden.
Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der AW in ihren Herkunftsstaat stellt für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar bzw. ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für sie als Zivilpersonen auch keine ernsthafte Bedrohung ihres Lebens und ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.
5.2.4. Im Verfahren zur Aberkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG durch das Bundesamt ist ein Ermittlungsverfahren durchzuführen (vgl. § 18 AsylG), wobei auch der Grundsatz der Einräumung von rechtlichem Gehör (§§ 37, 45 Abs. 3 AVG) zu beachten ist.
Ein solches Ermittlungsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt, den AW wurde Parteiengehör eingeräumt und wurden sie am 19.10.2021 und 25.10.2021 vor dem Bundesamt einvernommen.
5.2.5. Gemäß § 22 Abs. 1 2. Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der geltenden Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.
Schlagworte
aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag non-refoulement PrüfungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W241.2247696.1.00Im RIS seit
20.01.2022Zuletzt aktualisiert am
20.01.2022