TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/23 W284 2190179-1

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Veröffentlicht am 23.11.2021
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Entscheidungsdatum

23.11.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §7 Abs2

Spruch


W284 2190179-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. WAGNER-SAMEK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. IRAK, vertreten durch: BBU, Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.12.2017, Zl. 1081528103-151029476,

A)

I. beschlossen:

Nach Zurückziehung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird das Verfahren in diesem Umfang eingestellt.

II. zu Recht erkannt:

In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der nunmehrige Beschwerdeführer, ein am XXXX in XXXX gebürtiger, irakischer Staatsangehöriger stellte am 06.08.2015 seinen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 12.12.2017 wurde sein Asylantrag sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Ihm wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt und eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen. Festgestellt wurde, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei und wurde ihm eine 14-tägige Frist zur freiwilligen Ausreise gesetzt.

3. Dagegen richtete er am 20.03.2018 seine gegen sämtliche Spruchpunkte fristgerecht eingebrachte Beschwerde.

4. Am XXXX 02.2020 schloss der Beschwerdeführer am Standesamt XXXX die Ehe mit einer ungarischen Staatsangehörigen.

5. Am 20.02.2020 stellte der Beschwerdeführer bei der zuständigen Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde, MA 35, einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte als Angehöriger einer EWR- oder Schweizer Bürgerin.

6. Auf Grund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.02.2021 wurde die gegenständliche Rechtssache der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung W284 neu zugewiesen.

7. Mit Stellungnahme vom 03.06.2020 beantragte der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung betreffend sein Asylverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und führte zudem aus, dass er im Februar 2020 eine ungarische Staatsangehörige, welche ihr unionsrechtliches Recht auf Arbeitnehmerinnenfreizügigkeit ausübe, geehelicht habe, weshalb auch er, ex lege, zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sei.

8. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte mit Blick auf das anhängige Asylverfahren eine mündliche Verhandlung für Freitag, den 26.11.2021 an, zu welcher der Beschwerdeführer als Partei geladen wurde.

9. Mit Schriftsatz vom 19.11.2021 zog der Beschwerdeführer jedoch seine Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides – unter ausdrücklicher Aufrechterhaltung der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung sowie die Zulässigkeit der Abschiebung – zurück und führte hierzu aus, dass er als Familienangehöriger eines Unionsbürgers über einen aufrechten Aufenthaltstitel verfüge, weshalb die mündliche Verhandlung infolge Zurückziehung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides seitens des Bundesverwaltungsgerichtes abberaumt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer stellte im August 2015 seinen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für fremdenwesen und Asyl vom Dezember 2017 vollumfänglich negativ beschieden wurde. Die Behörde erkannte dem Beschwerdeführer weder den Status des Asyl- (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides) noch des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides) zu.

Die dagegen erhobene Beschwerde zog der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 19.11.2021 zurück, weshalb asylrechtliche Erwägungen nicht mehr verfahrensgegenständlich sind.

Die Behörde erteilte dem Beschwerdeführer weiters keinen Titel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides), stellte die Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak fest (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides) und forderte ihn auf, binnen Frist aus dem Bundesgebiet auszureisen (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides).

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer am XXXX 2020 – während seines anhängigen Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht – die ungarische Staatsangehörige XXXX , geb. XXXX in Ungarn, ehelichte. Diese übt in Österreich ihr unionsrechtliches Recht auf Arbeitnehmerinnenfreizügigkeit aus.

Am 20.02.2020 richtete der Beschwerdeführer an die zuständige Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde, MA 35, einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte als Angehöriger einer EWR-Bürgerin. Eine solche Aufenthaltskarte wurde dem Beschwerdeführer mit Gültigkeit vom 11.09.2020 bis 11.09.2025 ausgestellt, sein fremdenrechtliches Verfahren somit positiv abgeschlossen.

2. Beweiswürdigung:

Die Identität des Beschwerdeführers konnte bereits vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einer positiven Feststellung zugeführt werden. Ein entsprechendes Dokument (irakischer Personalausweis XXXX , ausgestellt am XXXX ) wurde der belangten Behörde in Vorlage gebracht (AS 87) und liegt im Akt ein (AS 31).

Die Heiratsurkunde, ausgestellt vom Standesamt XXXX am Tag der Eheschließung des XXXX 2020, belegt die gültig geschlossene Ehe zwischen dem Beschwerdeführer und einer (ungarischen) Unionsbürgerin.

Der aktenkundigen „Einreichbestätigung“ der MA 35 vom 20.02.2020 zu Zl. MA35/3282571- 01 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer die Ausstellung einer Aufenthaltskarte als Angehöriger einer EWR-Bürgerin am selben Tag beantragte.

Aufgrund der Nachfrage der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes wurde mit E-Mail vom 27.10.2021 von der MA 35, Referat 5.1., mitgeteilt, dass das Verfahren des Beschwerdeführers positiv abgeschlossen wurde und ihm eine Aufenthaltsberechtigungskarte mit der festgestellten Gültigkeitsdauer ausgestellt/ausgehändigt wurde.

Dass die Ehegattin des Beschwerdeführers in Österreich ihr Recht auf Arbeitnehmerinnenfreizügigkeit ausübt und daher zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist, legte der Beschwerdeführer mit Stellungnahme vom 03.06.2020 dar. Dementsprechend stellte auch die zuständige Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde, MA 35, dem Beschwerdeführer seine Aufenthaltskarte für Angehörige von EWR-Bürgerinnen aus.

Die Zurückziehung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides beruht auf dem Schriftsatz der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom 19.11.2021, dem die erteilte Vollmacht sowie eine Kopie der Aufenthaltskarte beigefügt sind.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Zu Spruchteil A)

I. Einstellung des Verfahrens (Beschluss):

Gemäß § 7 Abs 2 VwGVG ist eine Beschwerde nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat. Eine Zurückziehung der Beschwerde durch den Beschwerdeführer ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 7 VwGVG, K 6). Dasselbe erfolgt sinngemäß aus § 17 VwGVG iVm § 13 Abs 7 AVG.

Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Berufung zurück, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offenlässt. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl zB VwGH 22.11.2005, 2005/05/0320, zur insofern auf die Rechtslage nach dem VwGVG übertragbaren Judikatur zum AVG).

In welchen Fällen "das Verfahren einzustellen" ist (§ 28 Abs 1 VwGVG), regelt das VwGVG nicht ausdrücklich. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht, worunter auch der Fall der Zurückziehung der Beschwerde zu subsumieren ist (vgl Fister/Fuchs/Sachs, Das Verwaltungsgerichtsverfahren2 [2018] § 28 VwGVG, Anm 5).

Die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers erklärte in ihrem Schreiben vom 19.11.2020 an das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich und zweifelsfrei, die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. zurückzuziehen. Aufgrund der Zurückziehung der Beschwerde wurde der bekämpfte Bescheid hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. rechtskräftig. Einer Sachentscheidung ist damit jede Grundlage entzogen, weshalb mit Beschluss die Einstellung des gegenständlichen Verfahrens in diesem Umfang auszusprechen war.

II. Ersatzlose Behebung der Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides (Erkenntnis):

Auszug aus den relevanten Rechtsvorschriften:

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 20c AsylG bzw § 2 Abs. 4 Z 11 FPG ist begünstigter Drittstaatsangehöriger unter anderem der Ehegatte einer EWR-Bürgerin oder Schweizer Bürgerin oder Österreicherin, die ihr unionsrechtliches oder das ihr auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen hat.

Gemäß § 54 Abs. 5 AsylG 2005 gelten die Bestimmungen des 7. Hauptstückes (darin normiert sind Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen) nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige (vgl. auch VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0014). Nach der Rechtsprechung kommt eine amtswegige Prüfung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG im Fall eines begünstigten Drittstaatsangehörigen von vornherein nicht in Betracht (VwGH 25.09.2017, Ra 2017/20/0293; 23.03.2017, Ra 2016/21/0349).

Gemäß § 52 Abs. 2 letzter Satz FPG ist gegen begünstigte Drittstaatsangehörige keine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

Gemäß § 55 Abs. 1 NAG kommt EWR-Bürgern und ihren Angehörigen das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

Gemäß § 54 Abs. 1 NAG sind Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen.

Gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind.

Für das gegenständliche Verfahren bedeutet das Folgendes:

Der Beschwerdeführer ist seit XXXX 2020 mit einer ungarischen Staatsangehörigen verheiratet, die ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch nimmt. Der Beschwerdeführer ist damit gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 und Z 15 FPG begünstigter Drittstaatsangehöriger.

Gemäß § 54 Abs. 5 AsylG gelten die Bestimmungen des 7. Hauptstückes – und damit auch die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nach § 57 AsylG – nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige. Eine inhaltliche Prüfung hat daher zu unterbleiben. Mangels rechtlicher Möglichkeit zur Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG kommt ein Abspruch darüber somit nicht in Frage. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides war deswegen ersatzlos zu beheben.

Im Hinblick auf den Status der begünstigten Drittstaatsangehörigen ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG gleichfalls unzulässig und ist deshalb im vorliegenden Fall auch nicht darüber zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist (VwGH 15.03.2018, 2018/21/0014).

Die ausgesprochene Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) sowie die Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak (Spruchpunkt V.) waren daher ebenso zu beheben. In Ermangelung des Vorliegens einer Rückkehrentscheidung kommt auch die Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 FPG nicht mehr in Betracht, sodass auch Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos aufzuheben war.

Das dem Beschwerdeführer infolge Eheschließung zustehende unionsrechtliche Aufenthaltsrecht als begünstigter Drittstaatsangehöriger wurde ihm seitens der hierfür zuständigen Behörde, MA 35, womit der Beschwerdeführer in die Systematik des NAG übergeleitet wurde, durch Erteilung einer Aufenthaltskarte als Angehöriger einer EWR-Bürgerin, gültig vom 11.09.2020 bis 11.09.2025, bereits eingeräumt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere VwGH vom 15.03.2018, Zl. 2018/21/0014, zurückgegriffen werden kann.

Schlagworte

Aufenthaltsrecht begünstigte Drittstaatsangehörige Behebung der Entscheidung ersatzlose Teilbehebung Rückkehrentscheidung behoben Teileinstellung teilweise Beschwerderückziehung Unionsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W284.2190179.1.00

Im RIS seit

20.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

20.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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