Index
41/02 Melderecht;Norm
AsylG 1991 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des O in H, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 8. September 1994, Zl. III 75/94, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 8. September 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Ghana, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und §§ 19 bis 21 FrG ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
In der Begründung ihres Bescheides ging die belangte Behörde von folgenden Feststellungen aus: Der Beschwerdeführer sei am 1. Februar 1991 (ohne gültiges Reisedokument und ohne entsprechenden Sichtvermerk) über die "Grüne Grenze" von Jugoslawien kommend in das Bundesgebiet eingereist. Bei seiner Aufgreifung durch österreichische Grenzbeamte habe sich der Beschwerdeführer fälschlich als liberianischer Staatsangehöriger namens "A" ausgegeben. Zugleich habe er einen mündlichen Asylantrag gestellt, den er schriftlich bei der Bundespolizeidirektion Wien, Büro für Asyl- und Flüchtlingsangelegenheiten, am 6. Februar 1991 eingebracht habe. Anläßlich seiner niederschriftlichen Vernehmung habe der Beschwerdeführer dann gegenüber Beamten der Bezirkshauptmannschaft Baden im Flüchtlingslager Traiskirchen angegeben, er sei am 2. Februar 1991 als Tourist ohne jegliche Legitimation oder Reisedokumente nach Österreich gelangt und wegen seiner politischen Gesinnung in Liberia einer Verfolgung ausgesetzt. Dem Beschwerdeführer sei erklärt worden, daß er nicht in die Bundesbetreuung übernommen werde; zugleich sei er "erkennungsdienstlich" behandelt worden. Dem Beschwerdeführer sei zwar eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz (1968) nicht zuerkannt worden, jedoch habe der Beschwerdeführer gemäß § 2 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 1954 eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung erteilt bekommen, um den Ausgang des Feststellungsverfahrens abwarten zu können. Mit Bescheid vom 19. Februar 1991 habe die Sicherheitsdirektion für Wien festgestellt, daß der Beschwerdeführer "als liberianischer Staatsangehöriger A" kein Flüchtling sei; dieser Bescheid sei am 5. März 1991 rechtskräftig geworden. Am selben Tag habe der Beschwerdeführer neuerlich, nunmehr unter seinem richtigen Namen, im Flüchtlingslager Traiskirchen (ohne Hinweis auf den ersten Asylantrag) einen "zweiten Asylantrag" gestellt. Er habe nunmehr behauptet, am 5. Februar 1991 in Ghana von zwei Polizisten wegen einer kritischen Bemerkung gegenüber der Regierung "verprügelt worden" zu sein. Er sei daraufhin wegen bevorstehender weiterer Verhöre am 18. Februar 1991 aus Ghana geflohen und illegal über Jugoslawien nach Österreich gelangt. Aufgrund dieses Asylantrages sei der Beschwerdeführer in die Bundesbetreuung übernommen worden und ihm sei neuerlich gemäß § 2 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 1954 eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung bis zum 5. September 1991 erteilt worden, um den Ausgang des Feststellungsverfahrens abwarten zu können. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vom 3. April 1991 sei neuerlich festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer kein Flüchtling sei. Dagegen habe der Beschwerdeführer Berufung erhoben, der mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. Februar 1993 (rechtskräftig seit 8. März 1993) keine Folge gegeben worden sei. In Unkenntnis dieses Umstandes hat der Beschwerdeführer im März 1993 der Behörde mitgeteilt, daß er nunmehr seinen Asylantrag zurückziehe und (im Hinblick auf die vorliegende Beschäftigungsbewilligung) einen Sichtvermerk beantrage. Dem Beschwerdeführer sei laufend die Aufenthaltsberechtigung (angesicht des noch offenen Asylverfahrens) verlängert worden, zuletzt sei ihm von der Bezirkshauptmannschaft Schwaz am 15. April 1993 ein Sichtvermerk auf die Dauer eines Jahres erteilt worden.
Der Beschwerdeführer sei in der Zeit vom 5. Dezember 1991 bis 13. Dezember 1991 im Hotel J als Küchengehilfe beschäftigt, dort allerdings nicht "polizeilich" gemeldet gewesen. Der Z-Bahn sei erstmals am 23. Dezember 1991 für den Beschwerdeführer eine Beschäftigungsbewilligung als Küchengehilfe erteilt worden, die laufend verlängert worden sei. Der Beschwerdeführer habe sich am 6. April 1992 über seine Eltern in Ghana von seinem Heimatland einen Reisepaß ausstellen lassen, den er benötigte, um seine Eltern in der Zeit vom 10. September 1993 bis 9. Oktober 1993 zu Hause zu besuchen. Nachdem der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme durch die Kriminalbeamten der Sicherheitsdirektion für Tirol am 17. August 1993 noch geleugnet habe, unter dem Namen "A" einen Asylantrag gestellt zu haben, habe er dies dann am 2. September 1993 nach Vorhalt entsprechender Erhebungsergebnisse zugestehen müssen.
Obwohl der Beschwerdeführer für die Z-Bahnen bereits ab 2. Jänner 1992 ununterbrochen gearbeitet habe, habe er sich erst am 14. Jänner 1992 bei der zuständigen Gemeinde T angemeldet.
Der Beschwerdeführer sei überdies vom Bezirksgericht Zell am Ziller am 12. Jänner 1994 wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer (bedingt nachgesehenen) Geldstrafe von 50 Tagessätzen verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zugrunde, daß der Beschwerdeführer an seinem Arbeitsplatz einen türkischen Mitarbeiter (den er zunächst mit den Worten "Scheiß Türke" provoziert habe) mit einem Faustschlag ins Gesicht "niedergestreckt" habe, wodurch dieser Prellungen und eine Rißquetschwunde im Bereich des Jochbeines mit einer dadurch verbundenen Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von zehn Tagen erlitten habe.
In rechtlicher Hinsicht ging die belangte Behörde davon aus, daß das Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers (beginnend mit seiner rechtswidrigen Einreise in das Bundesgebiet, seinen mehrfach wiederholten falschen Angaben in beiden Asylverfahren und die dadurch erreichte Inanspruchnahme der Bundesbetreuung, die beiden offenkundigen Übertretungen nach dem Meldegesetz sowie zuletzt die "vollkommen unmotivierte" Körperverletzung zum Nachteil eines Arbeitskollegen) die Annahme rechtfertige, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung, näherhin auf dem Gebiet des Fremdenwesens, und Sicherheit gefährde (§ 18 Abs. 1 Z. 1 FrG). Der Beschwerdeführer halte sich seit 1991 (etwa 3 1/2 Jahren) in Österreich auf, habe hier jedoch keine familiären Bindungen. Das Aufenthaltsverbot stelle deshalb keinen relevanten Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 19 FrG dar, sodaß sich sowohl eine Prüfung, ob das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten sei, als auch eine Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG erübrige.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Ein Aufenthaltsverbot kann ausschließlich auf § 18 Abs. 1 FrG (gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf die §§ 19 und 20 leg. cit.) gestützt werden, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der in § 18 Abs. 2 leg. cit. angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/18/0247, u. v.a.).
Diese Rechtsauffassung wird auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten, der den festgestellten Sachverhalt unbekämpft läßt. Der Beschwerdeführer wendet sich aber gegen die Auffassung der belangten Behörde, daß das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertige. Demgegenüber hat die belangte Behörde aber zutreffend aufgezeigt, daß der grobe Mißbrauch des Asylrechts zur Erreichung der Aufnahme in die Bundesbetreuung und zur Erlangung einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, wodurch der Beschwerdeführer in Österreich eine Beschäftigungsbewilligung erhielt, wodurch er sich wiederum eine Aufenthaltsberechtigung (im Wege der Erteilung eines Sichtvermerkes) verschaffte, nicht weniger verwerflich ist als ein dem § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG subsumierbares Verhalten. Hinzu kommt die illegale Einreise des Beschwerdeführers, die während seines erst ca. 3 1/2jährigen Aufenthaltes gesetzten Übertretungen des Meldegesetzes sowie das begangene Delikt der Körperverletzung gegenüber einem Arbeitskollegen. Unter Zugrundelegung dieses Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers ist die Annahme der belangten Behörde, daß der (weitere) Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung, näherhin das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen, gefährde (§ 18 Abs. 1 leg. cit.), nicht rechtswidrig.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch die Auffassung der Beschwerde, das Aufenthaltsverbot stelle einen im Sinne des § 19 FrG relevanten Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers dar, nicht zu teilen. Ausgehend davon, daß der Beschwerdeführer seine vorläufige Aufenthaltsberechtigung sich nur durch die bewußte und vorsätzliche Vortäuschung eines Asylgrundes erschlichen, somit unter grobem Mißbrauch des Asylrechtes erlangt hatte, durfte er nicht annehmen, daß er sich trotz der erteilten befristeten Erlaubnis zum Aufenthalt im Bundesgebiet rechtmäßig aufhalten durfte. Da auch der Erhalt seiner Beschäftigungsbewilligung auf diesen Asylmißbrauch zurückging, sind die auf überwiegend unrechtmäßigen Grundlagen beruhenden privaten Lebensbeziehungen des Beschwerdeführers nicht als soweit gefestigt anzusehen, daß sie als schutzwürdig im Sinne des § 19 FrG gewertet werden können. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der Beschwerdeführer seine Berufung gegen den seinen Asylantrag abweisenden Bescheid (aufgrund der schon eingetretenen Rechtskraft des abweisenden Bescheides wirkungslos) zurückgezogen hat und danach für die Dauer eines Jahres eine Aufenthaltsberechtigung erhielt.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995210169.X00Im RIS seit
20.11.2000