Entscheidungsdatum
06.12.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W136 2234366-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch RAST & MUSLIU Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Heerespersonalamtes vom 14.07.2020, Zl. P1517727/2-HPA/2020 (1), betreffend Pauschalentschädigung für die Dauer des außerordentlichen Zivildienstes, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wegen Unzuständigkeit der Behörde behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) leistete seinen ordentlichen Zivildienst vom 01.07.2019 bis 31.03.2020 ab.
2. Mit Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 22.03.2020 wurde er gemäß § 8a Abs. 6 ZDG zum außerordentlichen Zivildienst zugewiesen und die Verpflichtung zur Leistung des Zivildienstes bis 30.06.2020 verlängert.
3. In der Folge beantragte der BF für die Dauer des außerordentlichen Zivildienstes eine Pauschalentschädigung.
4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14.07.2020 wies das Heerespersonalamt den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 34b Zivildienstgesetz 1986 (ZDG) iVm § 36 Abs. 1 Heeresgebührengesetz 2001 (HGG) ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das ZDG unterscheide zwischen außerordentlichem Zivildienst gemäß § 8a Abs. 6 ZDG unmittelbar nach Abschluss eines ordentlichen Zivildienstes, und dem außerordentlichen Zivildienst gemäß § 21 Abs. 1 ZDG. Eine Entschädigung oder Fortzahlung der Dienstbezüge, wie sie dem Wehrpflichtigen zustehe, der gemäß § 2 Abs. 1 lit. a Wehrgesetz 2001 einen Einsatzpräsenzdienst leiste, gebühre nach § 34b ZDG jedoch nur Anspruchsberechtigten, die einen außerordentlichen Zivildienst gemäß § 21 Abs. 1 ZDG leisten würden.
5. Die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 02.09.2020, W221 2234366-1/2E, als unbegründet ab.
6. Daraufhin erhob der BF Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes durch das angefochtene Erkenntnis.
7. Aus Anlass dieser und einer Vielzahl weiterer Beschwerden leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 04.03.2021, E 3310/2020-18 u.a., gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. b B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Zeichenfolge „51 Abs. 1,“ in § 34b Abs. 2 ZDG, BGBl Nr. 679/1986 (WV), idF BGBl. I Nr. 16/2020 ein.
8. Daraufhin hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 17.06.2021, G 47-75/2021-8 u.a., die in Prüfung gezogene Zeichenfolge als verfassungswidrig auf. Begründend wurde ausgeführt, dass sich der im Verfassungsrang stehende § 1 Abs. 5 ZDG, wonach der Zivildienst außerhalb des Bundesheeres zu leisten ist, nicht nur auf das Verbot beschränken dürfe, Zivildienstleistende zu einer Dienstleistung innerhalb des Bundesheeres heranzuziehen. Der Norm sei – angesichts der vom Verfassungsgesetzgeber angestrebten Entflechtung des Zivildienstes vom Wehrdienst – die Bedeutung zuzumessen, dass grundsätzlich auch die Vollziehung der damit in Zusammenhang stehenden Verwaltungsaufgaben dem für militärische Angelegenheiten zuständigen Bundesminister entzogen sein müssten. Die Zuständigkeit des Heerespersonalamtes – eines dem Bundesminister für militärische Angelegenheiten organisatorisch untergeordnete Behörde – zur Erlassung von Bescheiden betreffend die Pauschalentschädigung und den Verdienstentgang außerordentlicher Zivildienstleistender stehe mit dem vom Verfassungsgesetzgeber implementierten System nicht in Einklang.
9. In der Folge gab der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 24.06.2021, E 3310/2020-23 u.a., der Beschwerde des BF statt und hob das o.a. Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung auf.
10. Nach einer Unzuständigkeitsanzeige der aufgrund einer Änderung der Geschäftsverteilung nicht mehr zuständigen Gerichtsabteilung vom 05.07.2021 wurde die gegenständliche Rechtssache der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen (eingelangt am 07.07.2021).
11. Mit Berichtigung gemäß § 42 der Geschäftsordnung des Verfassungsgerichtshofes vom 06.07.2021, G47-75/2021-11, G 184/2021-7, G 194/2021-7, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass es im Erkenntnis vom 17.06.2021, G 47-75/2021-8 u.a., im Spruchpunkt II. anstatt „31. Dezember 2022“ „31. August 2021“ zu lauten habe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der im Punkt I. angeführte Sachverhalt steht fest. Insbesondere steht fest, dass der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 17.06.2021 zu G 47-75/2021-8, G184/2021-4 und G 194/2021-4, die Zeichenfolge „51 Abs. 1,“ in § 34b Abs. 2 ZDG, BGBl. Nr. 679/1986 (WV), idF BGBl. I Nr. 16/2020 als verfassungswidrig aufgehoben hat.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen konnten unmittelbar aufgrund der Aktenlage getroffen werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels entsprechender Sonderregelung liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verwaltungsgericht hat gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht. Das ist hier der Fall.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid zu beheben war.
Zu Spruchpunkt A):
3.2. Gesetzliche Grundlagen
§ 51 Abs. 1 Heeresgebührengesetz 2001 (HGG 2001) lautet:
„Zuständigkeiten und verfahrensrechtliche Sonderbestimmungen
§ 51. (1) Die Zuständigkeit zur Erlassung von Bescheiden nach diesem Bundesgesetz obliegt, sofern nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, dem Heerespersonalamt.“
§ 34b Zivildienstgesetz 1986 – (ZDG), idF BGBl. I Nr. 16/2020, lautete:
„§ 34b. (1) Der Zivildienstpflichtige, der einen außerordentlichen Zivildienst gemäß § 21 Abs. 1 leistet, hat für die Dauer eines solchen Dienstes Anspruch auf Entschädigung oder Fortzahlung der Dienstbezüge, wie er einem Wehrpflichtigen zusteht, der gemäß § 2 Abs. 1 lit. a WG 2001 einen Einsatzpräsenzdienst leistet.
(2) Auf die Entschädigung und die Fortzahlung der Dienstbezüge sind die Bestimmung des 6. Hauptstückes des HGG 2001 sowie dessen §§ 50, 51 Abs. 1, 54 Abs. 1 bis 5 und 55 anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle der in § 44 Abs. 2 Z 1 HGG 2001 genannten militärischen Dienststelle die Zivildienstserviceagentur.
(Anm.: Abs. 3 aufgehoben durch Art. 81 Z 11, BGBl. I Nr. 32/2018)“
§ 34b ZDG, idgF BGBl. I Nr. 169/2021, lautet nunmehr:
„§ 34b. (1) Der Zivildienstpflichtige, der einen außerordentlichen Zivildienst gemäß § 21 Abs. 1 leistet, hat für die Dauer eines solchen Dienstes Anspruch auf Entschädigung oder Fortzahlung der Dienstbezüge, wie er einem Wehrpflichtigen zusteht, der gemäß § 2 Abs. 1 lit. a WG 2001 einen Einsatzpräsenzdienst leistet.
(Anm.: Abs. 2 mit Ablauf des 31.8.2021 außer Kraft getreten) (Anm. 1)
(Anm.: Abs. 3 aufgehoben durch Art. 81 Z 11, BGBl. I Nr. 32/2018)
Anm. 1: Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 17. Juni 2021, G 47-75/2021-8, G 184/2021-4, G 194/2021-4, dem Bundeskanzler zugestellt am 19. Juli 2021, zu Recht erkannt:
‚I. Die Zeichenfolge „51 Abs. 1,“ in § 34b Abs. 2 ZDG, BGBl. Nr. 679/1986 (WV), in der Fassung BGBl. I Nr. 16/2020 wird als verfassungswidrig aufgehoben.
II. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. August 2021 in Kraft.
III. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.‘“
Gemäß Art 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG sind vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetzes- bzw. Verordnungsbestimmungen im Anlassfall nicht mehr anzuwenden. Dem in Art 140 Abs. 7 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren. Im Fall einer Beschwerde gegen eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes, der ein auf Antrag eingeleitetes Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, muss dieser verfahrenseinleitende Antrag überdies vor Bekanntmachung des zugrundeliegenden Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes eingebracht worden sein (vgl. VfGH 26.11.2018, E 3711/2017).
3.3. Beurteilung des konkreten Sachverhalts
Der Verfassungsgerichtshof hat mit der Entscheidung vom 17.06.2021 zu G 47-75/2021-8 u.a. die Zeichenfolge „51 Abs. 1,“ in § 34b Abs. 2 ZDG, BGBl. 679/1986(WV), idF BGBl. I Nr. 16/2020 als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31.08.2021 in Kraft (lt. Berichtigung vom 06.07.2021, G 47-75/2021-11 u.a.).
Die gegenständliche Beschwerde ist eine von einer Vielzahl von Beschwerden aus deren Anlass das Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet wurde. Es ist daher die (mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17.06.2021 zu G 47-75/2021-8 u.a., berichtigt am 06.07.2021 durch G 47-75/2021-11 u.a.) bereinigte Rechtslage anzuwenden.
Da auf den gegenständlichen Fall die bereinigte Gesetzeslage – wonach der Verweis auf § 51 Abs. 1 HGG 2001 als verfassungswidrig aufgehoben wurde – anzuwenden ist, besteht für die Erlassung von Bescheiden hinsichtlich Entschädigung und Fortzahlung der Dienstbezüge nach § 34b Abs. 2 ZDG keine Zuständigkeit des Heerespersonalamtes.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde zu beheben. Diese Unzuständigkeit der belangen Behörde ist vom BVwG auch dann aufzugreifen, wenn sie in der Beschwerde nicht geltend gemacht wird (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren § 27 VwGVG Anm. 4).
In Stattgebung der Beschwerde ist der angefochtene Bescheid daher zu beheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die oben dargestellte Judikatur sowie auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 17.06.2021 zu G 47-75/2021-8 u.a., in der berichtigten Version vom 06.07.2021, G 47-75/2021-11 u.a., wird verwiesen.
Schlagworte
außerordentlicher Zivildienst Bescheidbehebung Ersatzentscheidung Pauschalentschädigung Rechtsanschauung des VfGH unzuständige Behörde verfassungswidrigEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W136.2234366.1.00Im RIS seit
20.01.2022Zuletzt aktualisiert am
20.01.2022