TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/3 95/19/1939

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.10.1996
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/09 Internationales Privatrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1994 §1 Abs1;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995 §1 Abs1;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §2;
AufG 1992 §1 Abs1;
AufG 1992 §12;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1993 §4 Abs1;
IPRG §4;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/19/1940 95/19/1941

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerden 1. der ZG, 2. des SG, 3. des DG, die Zweit- und Drittbeschwerdeführer vertreten durch den Vater BG, dieser und die Erstbeschwerdeführerin vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 3. November 1995, 1. Zl. 110.643/2-III/11/95,

2. 110.643/4-III/11/95 und 3. Zl. 110.643/3-III/11/95, jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern jeweils Aufwendungen in der Höhe von S 12.520,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird jeweils abgewiesen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 3. November 1995 wurden die Anträge der Beschwerdeführer gemäß § 6 Abs. 2 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 des Aufenthaltesgesetzes (AufG) abgewiesen.

Die Beschwerdeführer bekämpfen diese Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen, persönlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen Beschwerden in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Unbestritten ist, daß die Beschwerdeführer am 22. Dezember 1993 ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet "gemäß § 12 Aufenthaltsgesetz" (gemeint aufgrund der gemäß §§ 12, 13 AufG ergangenen Verordnung BGBl. Nr. 402/1993) hatten. Die belangte Behörde vertrat nunmehr die Ansicht, daß die Beschwerdeführer nicht mehr als Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina zu behandeln seien, weil für sie (für die Erstbeschwerdeführerin und für den Drittbeschwerdeführer am 30. Mai 1994, für den Zweitbeschwerdeführer am 2. Juni 1994) Reisepässe des "Staates Jugoslawien" (richtig wohl: der von Österreich nicht anerkannten "MUP Republike Srbje") ausgestellt worden seien. Die Beschwerdeführer hätten somit "Erstanträge gemäß § 6 Abs. 2 AufG" aus dem Ausland zu stellen gehabt.

Die Beschwerdeführer verweisen zutreffend darauf, daß die belangte Behörde es unterlassen hat, Feststellungen über den Verlust der bosnisch-herzegowinischen Staatsbürgerschaft zu treffen. Nach dem Text der Verordnung BGBl. Nr. 402/1993 (insoweit gleichlautend auch die Verordnungen BGBl. Nr. 368/1994, BGBl. Nr. 1038/1994 und BGBl. Nr. 389/1995) gewährt Österreich bestimmten Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet (§ 4 Abs. 1 der erstzitierten Verordnung). Wesentlich für das vorläufige Aufenthaltsrecht ist daher - neben den sonst normierten Voraussetzungen - das Vorliegen der Staatsbürgerschaft von Bosnien-Herzegowina, nicht aber der Erwerb einer anderen Staatsbürgerschaft, falls ein solcher aufgrund der Ausstellung eines Passes namens der "MUP Republike Srbje" am 30. Mai 1994 bzw. am 2. Juni 1994 überhaupt angenommen werden könnte. Schon im Hinblick auf die Möglichkeit der Doppelstaatsbürgerschaft (vgl. dazu näher die Bestimmungen der Republik Bosnien-Herzegowina über die doppelte Staatsbürgerschaft im Amtsblatt der Republik Bosnien-Herzegowina, Jahrgang I, Nr. 18, vom 7. Oktober 1992) bedarf daher der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung dahin, ob die Beschwerdeführer die Staatsbürgerschaft Bosniens und der Herzegowina verloren haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1996, Zlen. 95/19/0912 bis 0915), wobei die belangte Behörde - analog § 4 Abs. 1 IPRG - das zur Beurteilung dieser Frage erforderliche fremde Staatsbürgerschaftsrecht amtswegig zu ermitteln haben wird.

Im Hinblick auf die Zustellung der angefochtenen Bescheide am 15. November 1995 hatte die belangte Behörde die Verordnung BGBl. Nr. 389/1995 anzuwenden. Gemäß deren § 2 konnten Personen, die zum 1. Jänner 1995 gemäß der Verordnung BGBl. Nr. 1038/1994 ein Aufenthaltsrecht hatten, den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung gemäß § 1 Abs. 1 AufG ausnahmsweise im Inland stellen. Unstrittig ist, daß die Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 402/1993 erfüllten. Es bestehen keine Anhaltspunkte für eine Änderung der tatsächlichen Voraussetzungen für das Bestehen des unmittelbar aus der Verordnung abgeleiteten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 94/18/0104) vorübergehenden Aufenthaltsrechtes bis zum 1. Jänner 1995. Das Tatbestandselement "anderweitig keinen Schutz fanden" in § 1 der Verordnung BGBl. Nr. 1038/1994 stellt auf den Einreisezeitpunkt ab (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1996, Zl. 96/21/0313). Bei aufrechtem Bestand der Staatsbürgerschaft Bosnien-Herzegowinas wären die Beschwerdeführer daher aus dem Grunde des § 2 der Verordnung BGBl. Nr. 389/1995 zur Antragstellung im Inland berechtigt.

Die bekämpften Bescheide waren daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung wäre die Einbringung der Beschwerden in zweifacher Ausfertigung ausreichend gewesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995191939.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten