TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/21 W156 2243690-1

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Veröffentlicht am 21.12.2021
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Entscheidungsdatum

21.12.2021

Norm

AuslBG §2 Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W156 2243690-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Alexander Wirth als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz vom 29.04.2021, Zl. ABA-Nr: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.11.2021 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Mail vom 25.03.2021 beantragte XXXX (in Folge als BF bezeichnet) die bescheidmäßige Feststellung gemäß § 2 Abs. 4 AuslBG wegen Ausübung des wesentlichen Einflusses auf die Geschäftsführung der „ XXXX KG“ (im Folgenden als KG bezeichnet). Dem Antrag beigelegt waren die Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG 2005, E-card, Firmenbuchauszug der KG, Auszug aus dem GISA, Gesellschaftsvertrag.

2. Mit Parteiengehör vom 30.03.2021 wurde der BF aufgefordert, darzulegen, aus welchen Gründen die Eintragungen des Firmenbuches nicht mit dem Gesellschaftsvertrag übereinstimmen.

3. Mit Schriftsatz vom 13.04.2021 wurde mitgeteilt, dass es sich um eine atypische Kommanditgesellschaft handle, in der XXXX (in Folge als Komplementär bezeichnet) zwar als Komplementär und persönlich haftender Gesellschafter zur Vertretung der Gesellschaft nach außen befugt sei. Im Innenverhältnis sei aber aufgrund des Ausmaßes der Gesellschaftsbeteiligung des BF vertraglich vereinbart, dass sämtlich Entscheidung der Gesellschaft der Mitwirkung des BF bedürfen.

4. Mit Bescheid vom 29.04.2021 wurde der Antrag des BF abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass aufgrund des Umstandes, dass der BF laut Firmenbuchauszug lediglich Kommanditist und nicht zur Vertretung nach außen befugt sei, das Erfordernis, dass ein wesentlicher Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft durch den BF tatsächlich ausgeübt werde, nicht erfüllt. Dass im Gesellschaftsvertrag anderes vereinbart sei, betreffe nur das Innenverhältnis, maßgeblich sei aber die Eintragung im Firmenbuch, da nur diese im Außenverhältnis wirksam sei.

5. Mit Schreiben vom 25.05.2021 wurde fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben und vorgebracht, dass laut Gesellschaftsvertrag sämtliche Geschäftsführungshandlungen des Komplementärs der Zustimmung des BF bedürfen. Die Gesellschaft sei gegründet worden, um dem BF die Möglichkeit einer legalen Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Da dem BF als Asylwerber die Erlangung einer Gewerbeberechtigung nicht möglich sei, sei sein Bruder zum Komplementär und gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellt worden. Der BF habe jedoch aufgrund des Gesellschaftsvertrages einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung und erfülle daher die Voraussetzungen des § 2Abs. 4 AuslBG.

6. Mit Schreiben vom 23.06.23021 wurde gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

7. Am 05.11.2021 fand im Beisein der belangten Behörde, des BF und des Komplementärs als Zeuge eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF, ein am XXXX geborener iranischer Staatsbürger, stellte am 25.03.2021 einen Antrag auf bescheidmäßige Feststellung gemäß §2 Abs4. AuslBG, dass er als Kommanditist der KG einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung habe.

Der BF hält sich zumindest seit August 2015 in Österreich auf. Das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurde mit Bescheid vom 10.09.2020, zugestellt am 16.09.2020, negativ abgeschlossen und befindet sich derzeit im Beschwerdestadium vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Aufgrund zweier rechtskräftigen Verurteilungen ist der BF vom Erwerb einer Gewerbeberechtigung ausgeschlossen.

Die KG wurde aufgrund des Gesellschaftsvertrages vom 05.10.2020 am 14.10.2020 in das Firmenbuch eingetragen. Als Geschäftszweig ist „Kleintransport“ angegeben, der Firmensitz ist an der Adresse des Komplementärs.

Unbeschränkt haftender Gesellschafter und selbständig vertretungsbefugt ist der Komplementär, der auch am 27.10.2020 die für den Betrieb der KG nötige Gewerbeberechtigung „Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhänger, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt“ erwarb.

Der Gesellschaftsvertrag lautet auszugsweise:

„§3 Unternehmensgegenstand:

Gegenstand des Unternehmens der Gesellschaft ist Servicestation (Autoreinigung).

(…)

§5 Stellung der Gesellschafter

XXXX ist der persönlich haftender Gesellschafter. Den übrigen Gesellschaftern kommt die Stellung von Kommanditisten zu. Die Haftung der Kommanditisten gegenüber den Gesellschaftsgläubiger ist mit folgenden Summen beschränkt:

a) XXXX EUR 10.000 oder 90% in Summe

§ 6 Geschäftsführung und Vertretung

Die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft obliegt dem BF.

§ 7 Gesellschafterbeschlüsse:

Gesellschafterbeschlüsse bedürfen der Zustimmung aller Gesellschafter.

§12 Gewinn und Verlust:

Der Gewinn der Verlust der Gesellschaft ist aufgrund der nach steuerrechtlichen Vorschriften zu führenden Aufzeichnungen (Einnahme-Ausgaben-Rechnung) zu ermitteln.

Der Anteil jedes Gesellschafters am Gewinn oder Verlust eines Geschäftsjahres bestimmt sich Folgendes:

A) XXXX 10%

B) XXXX 90%“

Der Unternehmensgegenstand des Gesellschaftsvertrages stimmt nicht mit dem im Antrag an das Firmenbuch genannten Unternehmensgegenstand und dem im Firmenbuch eingetragenen Unternehmensgegenstand überein.

Der BF ist Kommanditist und Arbeitsgesellschafter mit einer Haftsumme von EUR 100, die er auch erlegt hat.

Die im Gesellschaftsvertrag genannte Höhe der Pflichteinlage wurde vom BF nicht mitbestimmt, sondern vom Komplementär vorgegeben. Diese wurde vom BF mangels Vermögen auch nicht entrichtet.

Der BF gestaltete den Inhalt des Gesellschaftsvertrages nicht wesentlich mit. Die Befugnisse des BF sowie die Höhe der Pflichteinlage wurden vom Komplementär vorgegeben.

Der BF soll im Rahmen der KG auch Liefertätigkeiten übernehmen und übte bisher keine Geschäftsführertätigkeit aus. Die KG hatte im Jahr 2021 keinen Umsatz und entfaltete keine Geschäftstätigkeit.

Der BF kann keine Gesellschafterbeschlüsse ohne Zustimmung des Komplementärs fassen.

Der BF ist nicht zur selbständigen Vertretung nach außen befugt, verfügt über keine Prokura und wird ohne gesonderte Vollmacht des Komplementärs keine diesbezüglichen Entscheidungen treffen.

Dem BF sind die Betriebsmittel der KG nicht bekannt, ebensowenig ist ihm bekannt, in welchem Lieferbereich die KG tätig werden soll. Dem BF ist nicht bekannt, dass die KG im Jahr 2020 bereits Umsätze gemacht hat.

Die Gesellschaft wurde unter Vorschiebung des Komplementärs errichtet, um dem BF eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt, das Firmenbuch, das Strafregister, das ZMR, Auszug aus dem Gewerberegister sowie durch Einvernahme des BF und des Komplementärs als Zeugen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Dass der BF Liefertätigkeiten übernehmen soll, ergibt sich aus den Angaben des BF und des Zeugen in der mündlichen Verhandlung (arg. BF: Wenn ich arbeiten darf, werde ich für ihn Essen ausliefern …. Dass ich Essen ausliefern darf und jemanden einstellen (Protokoll S 5), Zeuge: 2021 konnte ich nicht arbeiten. Mein Bruder auch nicht. Deswegen läuft dieses Geschäft nicht. Bis heute warten wir auf eine Beschäftigungsbewilligung. Wenn er arbeiten darf und dieses Geschäft weitergeht, sind wir sicher zwischen 1500-2500 Umsatz pro Monat. R: Wissen Sie auch, wie viel von dem Umsatz Gewinn ist? Z: Das hängt vom Wetter ab. Wenn er mehr mit dem E-Bike fährt, verdienen wir mehr, weil es keine Benzinkosten gibt. 60-70% muss Gewinn sein. (Protokoll S 15)).

Dass der BF an der inhaltlichen Gestaltung des Gesellschaftsvertrages nicht wesentlich mitwirkte, ergibt sich aus den Angaben in der mündlichen Verhandlung (BF: Warum mein Bruder im Firmenbuch als Vertreter der Gesellschaft eingetragen ist, weiß ich nicht, ich kenne mich was das Firmenbuch betrifft nicht aus. Mein Bruder hat alles gemacht, weil er besser Deutsch kann. R: Hat Ihr Bruder auch den Gesellschaftsvertrag gemacht? BF: Ja. Nachgefragt gebe ich an, dass er auch meine Befugnisse aufgenommen hat und wie viel ich zu zahlen habe (Protokoll S6); BF: Ich habe diese Summe nicht eingetragen, mein Bruder hat mir gesagt, wir müssten diese Summe hineinschreiben als Deckung, als Sicherheit (Protokoll S7). Sofern der Zeuge angibt, dass alles gemeinsam besprochen worden sei, vermag dies die Angaben des BF nicht zu entkräften, zumal dieser auch bestätigte, dass er, wenn er etwas nicht verstanden habe, seinen Bruder gefragt habe, er habe ihm vertraut (Protokoll S 14). Daraus ist für das Bundesverwaltungsgericht ersichtlich, dass der BF mangels eigenen Wissen seinem Bruder die Ausformung des Gesellschaftsvertrages zur Gänze überließ.

Dass der BF weder über die Betriebsmittel der KG noch über den Umfang des Unternehmensgegenstandes Bescheid weiß, ergibt sich aus den widersprüchlichen Angaben des BF und des Zeugen in der mündlichen Verhandlung. So gab der BF an, dass als Betriebsmittel lediglich ein E-Bike vorhanden sei (Protokoll S8), der Zeuge gab jedoch an, es gäbe ein E-Bike und ein Auto (Protokoll S14).

Auch über den Umfang der geplanten Liefertätigkeit ist BF nicht informiert. So gibt dieser an, dass sie auf Essenslieferung beschränkt sein soll (zB Protokoll S6), der Zeuge gab jedoch an, jeden Auftrag zu machen, egal welchen (Protokoll S10).

Dass der BF die Pflichteinlage nicht entrichtet hat und diese Summe auch nicht aufbringen kann, ergibt sich aus seinen Angaben (Protokoll S 6).

Dass der BF keine Geschäftsführung ausübt, ergibt sich aus seinen Angaben (Protokoll S 5). Dass der BF keine eigenen Entscheidungen ohne Vollmacht des Komplementärs treffen kann, ergibt sich aus den Angaben des BF und des Zeugen in der mündlichen Verhandlung (Protokoll S16).

Dass das Unternehmen lediglich gegründet wurde, um dem BF eine Erwerbsmöglichkeit zu ermöglichen, ergibt sich aus den übereinstimmenden Angaben des BF und des Zeugen in der mündlichen Verhandlung als auch dem Beschwerdevorbringen.

Sowohl vom BF als auch vom Zeugen wurde zugestanden, dass die KG gegründet wurde, da der BF aufgrund seiner strafrechtlichen Verurteilung vom Erwerb einer Gewerbeberechtigung und somit Gründung eines Einzelunternehmens ausgeschlossen ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3. 1. Materiellrechtliche Bestimmungen:

§ 2 Abs. 2 lit a und b sowie Abs. 3 AuslBG lauten:

Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Als Ausländer im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt, wer nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt.

(2) Als Beschäftigung gilt die Verwendung

a) in einem Arbeitsverhältnis,

b) in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis,

(4) Für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 liegt insbesondere auch dann vor, wenn

1. ein Gesellschafter einer Personengesellschaft zur Erreichung des gemeinsamen Gesellschaftszweckes oder

2. ein Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Geschäftsanteil von weniger als 25%

Arbeitsleistungen für die Gesellschaft erbringt, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden, es sei denn, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice stellt auf Antrag binnen drei Monaten fest, daß ein wesentlicher Einfluß auf die Geschäftsführung der Gesellschaft durch den Gesellschafter tatsächlich persönlich ausgeübt wird. Den Nachweis hiefür hat der Antragsteller zu erbringen. Nach Ablauf dieser Frist darf die Tätigkeit auch ohne den erforderlichen Feststellungsbescheid aufgenommen werden. Wird der Antrag nach Ablauf der Frist abgewiesen, ist die bereits begonnene Tätigkeit umgehend, spätestens jedoch binnen einer Woche nach Zustellung des Bescheides, zu beenden.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

In seinem Erkenntnis vom 12.07.2011, Zl. 2009/09/0123 hat sich der Verwaltungsgerichtshof ausführlich mit § 2 Abs. 4 zweiter Satz AuslBG auseinandergesetzt und führt dazu aus:

„§ 2 Abs. 4 zweiter Satz AuslBG soll die Umgehung des AuslBG durch Vortäuschen von Gesellschaftsverhältnissen verhindern (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. April 2002, Zl. 98/09/0174, und vom 24. Jänner 2008, Zl. 2006/09/0023). Die Bestimmung zieht jene Grenze nach, die für die Unterscheidung von Gesellschaftsverhältnis und Arbeitsverhältnis auch sonst maßgebend ist. Es ist eine Prognoseentscheidung auf Grund der vorgelegten Vereinbarung und den gegebenen objektiven Begleitumständen zu treffen.

Die am Gesamtbild (den tatsächlichen Gesamtumständen) und den wirtschaftlichen Verhältnissen orientierte Abgrenzung des Gesellschaftsvertrages zum Dienstvertrag stellt im Wesentlichen auf die zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter bestehende Abhängigkeit ab. Dabei wird etwa eine zwischen Arbeitsleistung und Entlohnung bestehende (vom Gesellschaftsanteil unabhängige) Äquivalenz in der Regel für ein Dienstverhältnis sprechen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. April 2002, Zl. 98/09/0174).

§ 2 Abs. 4 AuslBG enthält eine gesetzliche Vermutung für das Vorliegen einer Beschäftigung iSd § 2 Abs. 2 AuslBG, die nur dann nicht Platz greift, wenn mittels Feststellungsbescheides ausgesprochen wird, dass der Gesellschafter, von dessen Angaben auszugehen ist, nach der wahren Absicht der Parteien einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft tatsächlich persönlich ausübt. Nach dem letzten Satz des § 2 Abs. 4 AuslBG obliegt abweichend von der sonst im Verwaltungsverfahren herrschenden Offizialmaxime hier dem Antragsteller die Beweislast, dass die Voraussetzungen für einen Feststellungsbescheid vorliegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2004, Zl. 2003/09/0141).

Ein Feststellungsbescheid gemäß § 2 Abs. 4 AuslBG zur Widerlegung der Vermutung des Vorliegens einer nach dem AuslBG bewilligungspflichtigen Beschäftigung stellt aber lediglich die Bestätigung darüber dar, dass der Ausländer im Hinblick auf Arbeitsleistungen für die Gesellschaft, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden, nach der auf Basis der Angaben des Antragstellers anzustellenden Prognose einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft tatsächlich persönlich ausübt, woraus folgt, dass Tätigkeiten von Ausländern, die nicht in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der leistungsempfangenden Gesellschaft oder nicht für diese Gesellschaft erbracht werden, nicht automatisch bewilligungsfrei sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 2010, Zl. 2008/09/0135, mwN). Die Voraussetzung des wesentlichen Einflusses auf die Geschäftsführung ist konsequenterweise nur dann zu prüfen, wenn es sich bei den vom Gesellschafter für die Gesellschaft beabsichtigten Tätigkeiten um Arbeitsleistungen handelt, die "typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden" - weshalb etwa bloße (beabsichtigte) Geschäftsführungstätigkeiten nicht darunter fallen (vgl. wieder das hg. Erkenntnis Zl. 2006/09/0023).

Im Zusammenhalt mit dem Gebot, nicht auf die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes, sondern auf seinen wahren Gehalt zu sehen (§ 2 Abs. 4 erster Satz leg. cit.), bringt das Erfordernis einer "tatsächlichen" Ausübung eines Einflusses auf die Geschäftsführung der Gesellschaft durch den Gesellschafter nur die Voraussetzung zum Ausdruck, dass die beabsichtigte Tätigkeit nicht nur nach den formellen rechtlichen Gegebenheiten des (vielleicht nur vorgeschobenen) Gesellschaftsvertrages, sondern nach der wahren Absicht der Parteien wirklich als Ausfluss der Gesellschafterstellung in Verbindung mit der hiefür typischen Einflussmöglichkeit auf die Geschäftsführung ausgeübt werden soll. Bei der Prüfung des wahren wirtschaftlichen Gehaltes einer vorgelegten und der Arbeitsleistung eines Ausländers zu Grunde gelegten vertraglichen Vereinbarung ist eine Prognoseentscheidung auf Grund derselben unter Einbeziehung der tatsächlich gegebenen objektiven Begleitumstände zu treffen. Ein wesentlicher Einfluss des Ausländers auf die Geschäftsführung einer Gesellschaft iSd § 2 Abs. 4 AuslBG kann etwa dann in Frage gestellt werden, wenn konkrete Umstände für eine dem Gesellschaftsvertrag zuwiderlaufende tatsächliche Praxis sprechen (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2006/09/0023). Die rechtliche Möglichkeit eines wesentlichen Einflusses auf die Geschäftsführung etwa auf Grund eines Gesellschaftsvertrages allein ist nicht geeignet, den Nachweis eines wesentlichen Einflusses auf die Geschäftsführung der Gesellschaft zu erbringen, weil nach
§ 2 Abs. 4 AuslBG gerade der bestimmende (gestaltende, positive) tatsächliche Einfluss auf die (laufende) Geschäftsführung das maßgebende Element zur Abgrenzung bildet (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2003/09/0141).

Voraussetzung dafür, dass ein wesentlicher Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft die genannte Vermutung widerlegt, ist zunächst, dass die Personengesellschaft (§ 2 Abs. 4 Z. 1 AuslBG) Dienstleistungen an Dritte erbringt, die nicht selbst lediglich als Beschäftigung ihrer Gesellschafter bei diesem Dritten iSd § 2 Abs. 2 lit. a, b oder e AuslBG zu qualifizieren sind (vgl. zum sog. Gruppenarbeitsvertrag die hg. Erkenntnisse vom 25. Jänner 1994, Zl. 92/08/0264, vom 23. Oktober 2002, Zl. 99/08/0157, und vom 20. Februar 2008, Zl. 2007/08/0053).

Im gegenständlichen Verfahren wird vorgebracht, dass Liefertätigkeiten als Dienstleistung der KG an Dritte erbracht werden sollen. Diese sollen vorerst durch den BF ausgeübt werden. Dabei handelt es sich bei den vom BF für die Gesellschaft zu erbringenden Tätigkeiten um Arbeitsleistungen, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden.

Um bezügliche dieser – grundsätzlich bewilligungspflichtigen - Tätigkeit von den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetztes ausgenommen werden zu können, bedürfte es eines wesentlichen Einflusses auf die Geschäftsführung der KG durch den BF.

Es ist daher die tatsächliche Stellung des BF als Kommanditist und Geschäftsführer der in Rede stehenden Personengesellschaft und sein tatsächlich persönlich ausgeübter Einfluss auf die Geschäftsführung im Sinne des § 2 Abs. 4 AuslBG zu prüfen.

Erster Anhaltspunkt für die tatsächliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses zwischen der Gesellschaft und dem BF ist in der Regel der Inhalt des Gesellschaftsvertrages. Im vorliegenden Fall sind nach dem abgeschlossenen Gesellschaftsvertrag der BF und der persönlich haftende Komplementär Gesellschafter. Gemäß § 6 des Gesellschaftsvertrages soll der BF Geschäftsführer sein und zur Vertretung der KG befugt. Gemäß § 12 dieses Vertrages ist der BF an Gewinn und Verlust mit 90 %, der Komplementär mit 10% beteiligt. Gemäß § 7 des Gesellschaftsvertrages sind sämtliche Gesellschaftsbeschlüsse einstimmig zu treffen.

Im gegenständlichen Fall bestehen für das Bundesverwaltungsgericht jedoch Zweifel, dass der Inhalt des vorgelegten Gesellschaftsvertrages dem "wahren wirtschaftlichen Gehalt" im Sinne des ersten Satzes des § 2 Abs. 4 AuslBG entspricht.

Zum einen ist unbestritten, dass die KG lediglich gegründet wurde, um dem BF eine – so vorgebracht - Erwerbsmöglichkeit zu bieten. Trotz seiner vertraglich bestimmten Mehrheitsbeteiligung und der damit eingeräumten Befugnisse zur Vertretung und Geschäftsführung deuten die ermittelten Umstände auf eine Umgehung ausländerbeschäftigungsrechtlicher Bestimmungen hin, insbesondere vor dem Hintergrund, dass im Gesellschaftsvertrag eine Pflichteinlage in Höhe von EUR 10.000 und die damit verbundene die Gewinn- und Verlustzuweisung willkürlich vom Komplementär vorgegeben wurde, im Wissen, dass eine Entrichtung dieser Summe mangels Vermögen des BF nicht realistisch ist.

Sofern dem BF im Gesellschaftsvertrag die Vertretung der KG eingeräumt wird, widerspricht dies § 170 UGB, wonach ein Kommanditist von der Vertretung ausgeschlossen ist. Dass dem BF eine Prokura eingeräumt worden wäre, wurde nicht vorgebracht und ist aus dem Firmenbuch auch nicht ersichtlich.

Zudem fehlt der im Sinne der obgenannten Judikatur geforderte bestimmende (gestaltende positive) tatsächliche Einfluss, der das maßgebende Element bildet.

Der BF konnte im gesamten Verfahren nicht nachvollziehbar darlegen, wie sich sein wesentlicher Einfluss auf die KG gestalten soll, sondern gab er vage an, dass er das mache, was ein Geschäftsführer von einem Kleintransport und Lieferservice mache, zB Verträge zwischen Firmen und ihm abschließen und Personaleinstellen. Dazu steht aber seine Angabe im Widerspruch, dass er ohne Vollmacht des Komplementärs keine gesonderten Entscheidungen treffen dürfe.

Im vorliegenden Fall stimmen der BF und der Komplementär widerspruchslos überein, dass der BF ohne gesonderte Vollmacht keine gesonderten Entscheidungen, wie Unterfertigung von Dienstverträgen oder Bilanzen, im Bereich Steuer, Sozialversicherung, arbeitsrechtlichen Angelegenheiten, Behördengängen vornehmen kann. Zudem kann der BF nicht selbständig nach außen vertreten und keinen Gesellschafterbeschluss ohne Zustimmung des Komplementär fällen.

Unter dem Gesichtspunkt, dass die Geschäftsführung einer Gesellschaft im allgemeinen umfassende Führungs- und Entscheidungskompetenz in den Angelegenheiten der inneren Organisation einer Gesellschaft (so z.B. im Bereich der Investition, Produktion, Finanzierung oder Personalwesen) voraussetzt (vgl. VwGH vom 26.09.1996, Zl.94/09/0175), konnte der BF durch seine eingeschränkten Befugnisse keine nennenswerte unternehmerische Dispositionsfreiheit und keine eigene wesentliche Gestaltungs- und Einflussmöglichkeit aufzuzeigen.

Auch dass der Komplementär den Inhalt des Gesellschaftsvertrages weitgehend bestimmt hat, insbesondere die Befugnisse des BF und die Höhe der Pflichteinlage, sprechen gegen einen wesentlichen Einfluss des BF auf die Geschäftsführung. Zudem ist davon auszugehen, dass der BF nicht Gesellschafter in der vertraglichen Höhe wurde, da kein Geldfluss über den Kauf der KG mittels Erlag der vertraglich vereinbarten Pflichteinlage erfolgte und dies auch – wie oben ausgeführt – mangels Vermögen des BF nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden konnte.

Auf Grund der in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben, die ein wesentlich anderes Bild vermittelten, als im Gesellschaftsvertrag dargestellt wurde, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der BF einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft ausüben wird, hängt doch die Tätigkeit des BF im Rahmen der Gesellschaft völlig vom Komplementär ab, der unter anderem auch die für den Betrieb der Gesellschaft notwendige Gewerbeberechtigung innehat.

Es kann daher der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, dass der Feststellungsantrag des BF abgewiesen wurde.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Einflussnahme Feststellungsantrag Firmenbuch - Eintragung Geschäftsführung Kommanditist wahrer wirtschaftlicher Gehalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W156.2243690.1.00

Im RIS seit

20.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

20.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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