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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des F in S, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 4. Juli 1996, Zl. 03-12.10 L 36-96/11, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. J in L, 2. Marktgemeinde L, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem beigelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit Bescheiden des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 21. Dezember 1989 bzw. 11. Jänner 1990 wurde dem Erstmitbeteiligten die Widmungs- bzw. Baubewilligung für die Errichtung eines Wirtschaftsunterstandes auf einem bestimmten Grundstück in der mitbeteiligten Marktgemeinde unter Auflagen erteilt. Der Verwendungszweck war mit der Lagerung von Futtermitteln, Unterbringung von Geräten und Zaunmaterial sowie als Notunterstand festgelegt worden. Diesem Verfahren war der Beschwerdeführer als Nachbar beigezogen worden.
Mit Schriftsatz vom 2. Juli 1992 suchte der Erstmitbeteiligte um eine Änderung des Verwendungszweckes der Unterstandshütte in eine Hütte zur Erzeugung von Almkäse und Milchprodukten an. Mit Eingabe vom 20. Mai 1994 gab er die Bauvollendung bekannt. Mit Schreiben vom 26. Juli 1994 hat der Beschwerdeführer die mitbeteiligte Marktgemeinde auf Baumaßnahmen auf dem genannten Grundstück aufmerksam gemacht.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 30. September 1994 wurde dem Erstmitbeteiligten die Benützungsbewilligung sowie eine "geänderte Baubewilligung" für eine "Wirtschaftshütte" erteilt. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 2. Oktober 1995 zugestellt, der gegen diesen Bescheid eine Berufung erhoben hat, die mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 1. Dezember 1994 mit der Begründung zurückgewiesen wurde, daß die Berufung keinen begründeten Berufungsantrag enthalte. Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 30. Jänner 1995 abgewiesen, aufgrund der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 14. September 1995, Zl. 95/06/0071, den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 30. Jänner 1995 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß auch die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides vom 30. Jänner 1995 davon ausgegangen sei, daß die Berufung des Beschwerdeführers einen begründeten Berufungsantrag enthalten habe. Bei einem derartigen Fall sei aber Gegenstand des aufsichtsbehördlichen Verfahrens ausschließlich die Frage gewesen, ob die Berufungsbehörde die Berufung des Beschwerdeführers mit Recht zurückgewiesen habe. Vertrete die belangte Behörde aber die Ansicht, daß die Berufung den Voraussetzungen des § 63 Abs. 3 AVG entsprochen habe, so hätte sie den Bescheid des Gemeinderates aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen gehabt, um dem Gemeinderat Gelegenheit zu geben, die Berufung inhaltlich zu erledigen.
In der Folge hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 10. Mai 1996 die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 30. September 1994 als unbegründet abgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Prüfungsbefugnis der Aufsichtsbehörde sei im Fall der Vorstellung einer Partei des Verwaltungsverfahrens mit beschränktem Mitspracherecht, wie dies auf die Nachbarn nach § 61 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 (BO) zutreffe, auf jene Fragen beschränkt, hinsichtlich derer dieses Mitspracherecht, also ein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne des § 61 Abs. 2 leg. cit., bestehe. Der Beschwerdeführer sei als im erstinstanzlichen Verfahren übergangene Partei anzusehen, durch die Zustellung des Bescheides sei ihm die Möglichkeit eingeräumt worden, in der Berufung sämtliche Nachbarrechte geltend zu machen. Diese Vorgangsweise entspreche der höchstgerichtlichen Judikatur. Der Beschwerdeführer habe in der Berufung eingewendet, daß "entsprechende Änderungsverfahren" durchzuführen gewesen wären. Obwohl in der Berufung nicht konkret die Durchführung eines Widmungs-(Änderungs-)Bewilligungsverfahrens angesprochen worden sei, könnte diese Einwendung auch dahin verstanden werden, daß es dem nun verfahrensgegenständlichen Projekt an der (erforderlichen) Widmungs-(Änderungs-)Bewilligung mangle. In der Vorstellung sei diese Einwendung in diesem Sinn verdeutlicht worden. Eine Verletzung von weiteren subjektiv-öffentlichen Rechten sei aber weder in der Berufung noch in der Vorstellung geltend gemacht worden. Beim gegenständlichen (nachträglichen) Baubewilligungsverfahren handle es sich um bauliche Maßnahmen im Zuge einer Änderung des Verwendungszweckes, verbunden mit Umbaumaßnahmen. Neu- und Zubauten im Rahmen dieses geänderten Verwendungszweckes (Käserei) seien nicht vorgenommen worden. Wenn man die Einwendung, daß entsprechende Änderungsverfahren durchzuführen gewesen wären, als Einwendung im Sinne des § 61 Abs. 2 lit. a BO werte, sei für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, da gemäß § 58 Abs. 2 BO beim vorliegenden Bauvorhaben der Nachweis der Widmung entfalle, da es sich lediglich um eine Änderung des Verwendungszweckes handle und nicht um einen Neu- oder Zubau.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Das Mitspracherecht des Nachbarn ist im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Hinsicht beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als die betreffende Bauordnung dem Nachbarn subjektiv-öffentliche Rechte einräumt, und andererseits nur insoweit, als der Nachbar durch rechtzeitige Einwendungen eine Verletzung seiner ihm eingeräumten subjektiv-öffentlichen Rechte geltend macht. An die Präklusion sind sowohl die Berufungsbehörde, die Aufsichtsbehörde, als auch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes gebunden.
Der Beschwerdeführer ist dem erstinstanzlichen Verfahren, in welchem gleichzeitig mit der Benützungsbewilligung auch eine Baubewilligung erteilt wurde, nicht zugezogen worden. Es wurde ihm aber der Bescheid des Bürgermeisters vom 30. September 1994, mit dem dem Erstmitbeteiligten die (nachträgliche) Baubewilligung für die geänderte Hüttenbauführung erteilt wurde, zugestellt. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer berufen, wobei er in der Berufung lediglich ausführte, daß die erforderlichen Änderungsbewilligungen nicht erteilt worden seien.
Gemäß § 61 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung, LGBl. Nr. 149/1968 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 14/1989 (BO), kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen. Diese Bestimmungen sind in der Folge unter lit. a bis k taxativ aufgezählt, dazu gehört nach lit. a das Verbot der Erteilung der Baubewilligung vor Rechtskraft der Widmungsbewilligung. Daß seine Einwendung in der Berufung in dem Sinn zu verstehen sei, daß die erforderliche Widmungsbewilligung nicht erteilt wurde, gehe nach der Begründung des angefochtenen Bescheides aus der Vorstellung des Beschwerdeführers hervor, in der Beschwerde wurde nichts Gegenteiliges behauptet. Wenn in der Beschwerde ausgeführt wird, die belangte Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß weder Neu- noch Zubauten durchgeführt wurden, es seien doch nachweislich ein Rauchfang gebaut, Geländeveränderungen durchgeführt, eine Senkgrube errichtet, ein Ofen und Kesseleinsatz eingebaut sowie ein WC errichtet worden, so ergibt sich daraus nicht, daß Neu- oder Zubauten durchgeführt wurden. Die in der Beschwerde genannten baulichen Herstellungen sind weder Neubauten noch Zubauten im Sinne des § 57 Abs. 1 lit. a und b BO.
Dem Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer habe noch weitere subjektiv-öffentliche Rechte geltend gemacht, insbesondere den Rechtsanspruch auf widmungsgemäße Verwendung der betreffenden Grundfläche, ist zu entgegnen, daß die Steiermärkische Bauordnung dem Nachbarn nur insofern ein Mitspracherecht einräumt, als die Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan und den Bebauungsrichtlinien gefordert werden kann, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist. Da mit der Widmung "Freiland" im Sinne des § 25 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 kein Immissionsschutz verbunden ist, kommt dem Nachbarn auch kein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der Widmung zu.
Ein Recht des Beschwerdeführers als Nachbar auf Parteiengehör ist kein durch die Bauordnung eingeräumtes subjektiv-öffentliches Recht, es ist ein Recht, das aus dem AVG erfließt, wobei aber zu berücksichtigen ist, daß die Verfahrensrechte des Nachbarn nicht weiter reichen, als seine inhaltlichen Rechte. Insbesondere hat der Nachbar kein Recht auf Durchführung einer neuerlichen Verhandlung (vgl. die bei Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 4. Auflage, auf Seite 300 zitierte hg. Judikatur).
Gemäß § 58 Abs. 1 BO ist dem Ansuchen um Erteilung der Baubewilligung der Nachweis der Widmungsbewilligung anzuschließen. Nach Abs. 2 leg. cit. entfällt die Pflicht zum Nachweis der Widmung unter anderem bei Bauführungen nach § 57 Abs. 1 lit. c bis h BO. § 57 Abs. 1 lit. c BO lautet wie folgt:
"(1) Einer Bewilligung der Baubehörde bedürfen ...
c) Umbauten, Bauveränderungen und Änderungen des Verwendungszweckes von Bauten oder Teilen derselben, die auf die Festigkeit, den Brandschutz, die Sicherheit, die äußere Gestaltung und die gesundheitlichen Verhältnisse von Einfluß sein können oder auf welche die Bestimmungen dieses Gesetzes in Ansehung der Rechte der Nachbarn anzuwenden sind oder wenn Bestimmungen des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, des Flächenwidmungsplanes oder des Bebauungsplanes berührt werden können."
Aus der Bestimmung des § 57 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 58 Abs. 2 BO ergibt sich somit, daß Änderungen des Verwendungszweckes von Bauten oder Teilen derselben, selbst wenn diese Änderungen auf die Festigkeit, den Brandschutz, die Sicherheit, die äußere Gestalt oder die gesundheitlichen Verhältnisse von Einfluß sein können, oder auf welche die Bestimmungen dieses Gesetzes in Ansehung der Rechte der Nachbarn anzuwenden sind, keines Nachweises der Widmungsbewilligung bedürfen. Mit Recht ist daher die belangte Behörde davon ausgegangen, daß der Erstmitbeteiligte weder zum Nachweis einer Widmungs-(Änderungs-)Bewilligung aufzufordern war, noch daß es für die beantragte Baubewilligung einer solchen Widmungsänderungsbewilligung bedurft hätte.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996060195.X00Im RIS seit
03.05.2001