Entscheidungsdatum
20.09.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z5Spruch
W213 2225155-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Albert SLAMANIG als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX StA. Afghanistan, vertreten durch Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, 1020 Wien, Leopold-Moses-Gasse 4, gegen die Spruchpunkte I. bis IV.und VI. bis VIII. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Wien, vom 07.10.2019, Zl. 1076557905-180686955, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste als Minderjähriger illegal in die Republik Österreich ein und stellte am 06.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 28.10.2016, GZ. 1076557905-150799753, wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt, die bereits einmal bis 27.10.2019 verlängert wurde.
3. Im Hinblick auf die mehrmaligen rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers nach dem Suchtmittelgesetz wurde am 10.07.2019 ein Verfahren zur Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten eingeleitet. Im Zuge seiner Einvernahme vor der belangten Behörde gab er im Beisein seiner damaligen gesetzlichen Vertretung (Magistrat der Stadt Wien, Wiener Kinder-und Jugendhilfe, Gruppe Recht-Asylvertretung) im Wesentlichen an, dass er von seinem Vater nach Europa geschickt worden sei, da die Familie von den Taliban bedroht worden sei. Er gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an, sei ledig und habe eine Freundin, die in Österreich geboren und türkischer Abstammung sei. Er habe keine Sorgepflichten und in Österreich keine Verwandten. Seine Freundin gehe noch zur Schule. Seine Familie (Eltern, vier Brüder und drei Schwestern, lebten in Afghanistan, Provinz Nangarhar. Er stehe mit ihnen in regelmäßigem Kontakt. Seine Brüder seien noch klein, weshalb sie von den Taliban nicht behelligt würden. Er wohne allein in einer Betreuungswohnung gehe einkaufen und kümmere sich um den Haushalt. Es bestünden-abgesehen von Besuchen eines Fitnessclubs-keine Mitgliedschaften zu Vereinen bzw. sonstigen Organisationen. Er sei Moslem und halte den Ramadan ein. Er besuche Deutschkurse und habe einen Schulabschluss gemacht. Eine Lehre habe er krankheitsbedingt abgebrochen. Er beabsichtige eine Ausbildung als Koch zu machen und mit dem verdienten Geld einen Führerschein zu erwerben. Da seine Eltern wollten, dass er Geld nach Afghanistan schicke, sei ihm nichts Besseres eingefallen, als Suchtgift zu verkaufen. Sein Vater habe derzeit keine Beschäftigung. Er habe etwa dreimal 200 bis 300 Euro nach Afghanistan geschickt. Von diesem Geld könne man in seinem Dorf ca. zwei Monate leben. Im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan befürchte er umgebracht zu werden. Ungeachtet seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Paschtunen könne er in Afghanistan an keinem Ort in Sicherheit leben. Wenn ihn die Taliban als erwachsene Person sähen, könne es für ihn gefährlich werden.
4. Die belangte Behörde erließ in weiterer Folge den nunmehr bekämpften Bescheid dessen Spruch nachstehenden Wortlaut hat:
„l. Der Ihnen mit Bescheid vom 28.10.2016, Zl. 1076557905/150799753, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wird Ihnen gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005, BGBI I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, von Amts wegen aberkannt.
Il. Die mit Bescheid/Erkenntnis vom 28.10.2016, Zl. 1076557905/150799753, erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wird Ihnen gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen.
III. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt.
IV. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 5 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBI. I Nr. 8712012 (BFA-VG) idgF, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 4 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBI. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen.
V. Ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Herkunftsstaat ist gemäß § 9 Absatz 2 AsylG iVm § 52 Absatz 9 FPG unzulässig.
VI. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
VII. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBI. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wird gegen Sie ein auf die Dauer von 6 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
VIII. Ihr Antrag vom Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird abgewiesen.“
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Identität des Beschwerdeführers nicht feststehe, der afghanischer Staatsbürger, moslemischen Glaubens und der Volksgruppe der Paschtunen zugehörig sei. Er spreche Paschto (Erstsprache), Dari und Deutsch. Er verfüge über Schuldbildung und könne in der Landessprache Dari sowie in Deutsch lesen und schreiben. Er habe keine Lehrausbildung, sei gesund und bedürfe keiner Medikamente. Er stehe in psychologischer Therapie, sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Er sei als Minderjähriger schlepperunterstützt und unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist. Der Beschwerdeführer seinen Österreich straffällig und rechtskräftig verurteilt geworden. Aufgrund seiner Straftaten stelle er eine Gefahr für die Allgemeinheit dar. Der Beschwerdeführer befinde sich spätestens seit seiner Antragstellung auf internationalen Schutz (Juli 2015) in Österreich und sei unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist. Er sei ledig und habe keine Sorgepflichten. In Österreich besuche er Deutschkurse und die Schule. Ferner sei er kurzzeitig als Lehrling beschäftigt gewesen. Er sei kein Opfer von Gewalt und sei in Österreich mehrmals von einem Gerichtshof erster Instanz rechtskräftig verurteilt worden.
In der Beweiswürdigung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Feststellungen zu seiner Person aus seinen Angaben im Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz vom 06.07.2015 ergäben. Da der Beschwerdeführer keine Dokumente zum Nachweis seiner Identität vorgelegt habe, handle es sich bei der festgestellten Identität um eine bloße Verfahrensidentität. Die Feststellungen über die Schuldbildung bzw. Lehre ergäben sich aus den vorliegenden Schulnachrichten bzw. entsprechenden Schreiben seines Arbeitgebers. Die Straffälligkeit des Beschwerdeführers ergebe sich aus den Eintragungen im Strafregister und den zugrundeliegenden rechtskräftigen Urteilen des Landesgerichts für Strafsachen Wien.
Die Feststellungen bezüglich der Gründe für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ergäben sich aus den Urteilen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien. Im Strafregister schienen nachstehend angeführte Verurteilungen auf:
01) LG F. STRAFS.WIEN 144 HV 132/2018i vom 23.11.2018 RK 23.11.2018 § 27 (2a) SMG, §§ 27 (1) Z. 1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG.
Datum der (letzten) Tat: 04.112018
Freiheitsstrafe: 2 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre Jugendstraftat
zu LG F. STRAFS.WIEN 144 HV 132/2018i RK 23.11.2018 Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre (LG F.STRAFS.WIEN 145 HV 35/2019h vom 09.07.2019.
02) LG F. STRAFS.WIEN 145 HV 35/2019h vom 09.07.2019 RK 09.07.2019 §§ 27 (1) Z. 1 1. Fall, 27 (1) Z. 1 2. Fall, 27 (2) SMG, § 27 (2a) SMG
Datum der (letzten) Tat: 26.05.2019
Freiheitsstrafe 10 Wochen, bedingt, Probezeit 3 Jahre Jugendstraftat
Im kriminalpolizeilichen Aktenindex seien sieben Vormerkungen ersichtlich, jedoch würden diese nicht gewürdigt. Dem Beschwerdeführer werde gemäß § 9 Abs. 2 Zif. 2 der subsidiäre Schutz aberkannt. Er sei rechtskräftig von einem Landesgericht wegen mehrerer Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz rechtskräftig verurteilt worden. Zwar seien seine Straftaten, der Qualifikation nach, als Vergehen zu bewerten, allerding werde festgehalten, dass er besonders schändlich gehandelt habe, indem er bereits zweimal Mal wegen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz innerhalb kurzer Zeit verurteilt worden sei. In der letzten Verurteilung (09.07.2019) sei als erschwerend die einschlägige Vorstrafe, der rasche Rückfall, die Tatbegehung bei offener Probezeit und das Zusammentreffen von zwei Vergehen und als mildernd das Geständnis gewürdigt worden.
Die verübten Straftaten seien innerhalb der Probezeit, dh. in sehr kurzen Abständen verübt worden. Es könne daher ausgeschlossen werden, dass er auch in Zukunft gewillt sein werde, sich den geltenden Rechtsvorschriften zu beugen. In seinem Fall könne keine positive Zukunftsprognose gestellt werden. Gerade der Handel mit Suchtgift werde in der Judikatur als besonders abscheulich erachtet.
Hinsichtlich der Feststellungen zur Situation des Beschwerdeführers im Falle seiner Rückkehr wurde angeführt, dass ihm aufgrund seiner Minderjährigkeit der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei. Der Aufenthaltsort seiner Familienangehörigen sei ihm bekannt und er stehe in regelmäßigem Kontakt mit ihnen. Seine Familie sei in der besonders gefährdeten Provinz Nangarhar aufhältig. Da er, aufgrund fehlender Qualifikationen, nicht in der Lage sei im Herkunftsstaat seine persönlichen Bedürfnisse (Nahrung, Unterkunft) zu befriedigen, könne eine Gefährdung seiner Person bei einer Rückkehr nach Afghanistan derzeit nicht ausgeschlossen werden. Zwar sei er Paschtune und könnte der „Paschtunwali" geltend gemacht werden, allerdings habe er keine Schulbildung, keine Fachausbildung und keine Berufserfahrung.
Wie in der Stellungnahme seiner Vertretung angeführt, werde von seiner Familie Druck auf ihn ausgeübt. Es sei von ihm verlangt worden Geld nach Hause zu senden. Festgestellt werde, dass er von einem Druck bzw. einer Drohung bei der niederschriftlichen Einvernahme nichts erwähnt habe.
Die Feststellungen zu seinem Aufenthalt in Österreich ergäben sich aus dem Akteninhalt FA 1076557905, dem EKIS-Ausdruck und seinen strafrechtlichen Verurteilungen.
Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbots werde ausgeführt, dass mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot erlassen werden könne. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes sei das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer sei mehrmals wegen eines einschlägigen Deliktes (Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz) rechtskräftig verurteilt worden sei. Die Straftaten seien innerhalb offener Probezeit verübt worden. Es habe keine Verbesserung seines Verhaltens gegenüber der Rechtsordnung festgestellt werden können. Durch sein Verhalten bestehe der begründete Verdacht, dass er die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde.
Hinsichtlich der Feststellungen zur Lage in seinem Herkunftsstaat stützte sich die belangte Behörde auf eine Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl. Diese sei gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz, BFA-G 2014 zur Objektivität verpflichtet und unterliege der Beobachtung eines Beirates. Es sei daher davon auszugehen, dass alle zitierten Unterlagen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen stammen, ausgewogen zusammengestellt würden und somit keine Bedenken bestünden, sich darauf zu stützen.
In rechtlicher Hinsicht wurde unter Hinweis auf § 9 Abs. 2 AsylG ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bereits mehrmals wegen Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz rechtkräftig verurteilt worden sei. Eine Straftat sei innerhalb offener Probezeit verübt worden. Er gefährde mit dem unerlaubten Umgang mit Suchtgift die Volksgesundheit in Österreich. Er respektiere weder die österreichischen Gesetze noch die Exekutivorgane, welche diese Gesetze ausführten. In seinem Verhalten lasse sich leicht der Unwille erkennen, die in Österreich geltende Rechtsordnung einzuhalten. Erstelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, weshalb eine Außerlandesbringung auf jeden Fall im Interesse der österreichischen Gesellschaft liege.
Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs wurde ferner ausgeführt, dass durch das vom Beschwerdeführer verübte Vergehen seine besondere Gefährlichkeit für die Gesellschaft deutlich zum Ausdruck komme. Dies berühre zweifellos auch ein Grundinteresse der Gesellschaft, weil der Handel mit Suchtgift eine große und manifeste Gefahr für die Volksgesundheit darstelle, da das der Verurteilung zugrundeliegende Verhalten geeignet sei, die Suchtgiftabhängigkeit vieler Personen zu begründen oder zu fördern. Bei der Suchtgiftkriminalität handle es sich um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität, bei der die Wiederholungsgefahr besonders groß sei. Es bestehe nämlich in Bezug auf die Verhinderung der Suchtgift-, Eigentums- und Gewaltkriminalität ein großes öffentliches Interesse, welches sowohl unter dem Blickwinkel des Schutzes der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als auch unter dem Gesichtspunkt anderer im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter öffentlicher Interessen gegeben sei. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und auch des Europäischen Gerichtshofes werde gerade der Handel mit Suchtgift als "Geißel der Menschheit" bezeichnet der eine eminente und dauerhafte Gefährdung für die Gesellschaft und die Gesundheit der Menschen darstelle. Verurteilungen nach dem Suchmittelgesetz seien auch nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte als schwerwiegend anzusehen. Der EGMR habe daher in ständiger Rechtsprechung den staatlichen Behörden grundsätzlich große Härte im Umgang mit Personen zugebilligt, welche an der Verbreitung dieser "scourge" (Geißel) beteiligt seien. Vom Suchtgifthandel geht eine große Gefahr aus, und zwar generell für die "Volksgesundheit" und im Besonderen für Jugendliche. Deshalb ist es dringend gebotenen, gegen dieser Art von Kriminalität, "rigoros vorzugehen".
Auch nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stelle die Suchtgiftdelinquenz auch nach gemeinschaftsrechtlichen Maßstäben - ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben sei und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse bestehe.
Der Beschwerdeführer sei wiederholt, nämlich auch in der Probezeit rückfällig geworden. Wie angeführt, gehe gerade vom Handel mit Suchtgiften eine besonders große Gefahr aus. Eine rechtskräftige Verurteilung habe ihn nicht von einer weiteren Straftat desselben Deliktes abgehalten. Es sei klar ersichtlich, dass durch sein rechtswidriges Handeln eine Gefahr für die Volksgesundheit gegeben sei. Eine positive Zukunftsprognose könne im Fall des Beschwerdeführers nicht abgegeben werden. Es sei ihm daher gem. § 9 Abs. 2 Zif. 2 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen gewesen.
Gem. § 9 Abs. 4 AsylG sei die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Die Behörde sei daher verpflichtet gewesen die noch bestehende Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers zu entziehen.
Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 57 AsylG sei nicht in Betracht gekommen, da der Beschwerdeführer als Minderjähriger illegal in das Bundesgebiet eingereist sei. Er sei wegen mehrmaliger Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz rechtskräftig verurteilt worden und sei kein Opfer von Menschenhandel. Daher sei eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nicht zu erteilen gewesen.
Unter Hinweis auf die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen (§§ 9 Abs. 2, 10 Abs.1 Z.5 AsylG, § 52 Abs. 4 FPG, Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK und Art. 8 EMRK) wurde ausgeführt, dass das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK das Zusammenleben der Familie schütze. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich über keine zum dauernden Aufenthalt berechtigte Verwandtschaft. Es werde somit mit der Rückkehrentscheidung nicht in sein Familienleben eingegriffen. Seine Angehörigen lebten in Afghanistan, deren Aufenthalt sei ihm bekannt. Somit seien keine Hinweise auf ein schützenswertes Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK feststellbar gewesen.
Das Recht auf Achtung des Privatlebens sichere dem Einzelnen zudem einen Bereich, innerhalb dessen er seine Persönlichkeit frei entfalten und erfüllen könne. Er sei entsprechend seiner eigenen Angaben schlepperunterstützt und illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Er führe in Österreich weder eine Lebensgemeinschaft (er habe eine minderjährige Freundin) noch habe er Obsorgepflichten, Kinder oder sei Mitglied eines Vereins bzw. einer Organisation. Im Bundesgebiet habe er kein nennenswertes soziales Netz. Er habe die Schule besucht und sei kurzfristig als Lehrling beschäftigt gewesen. Im Bundesgebiet sei er mehrmals straffällig geworden. Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK sei zu prüfen, ob der Eingriff in sein Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 abs. 2 EMRK gedeckt sei und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK, verfolg. Es sei eine individuelle Abwägung der betroffenen Interessen vorzunehmen, um festzustellen, ob der Eingriff durch Rückkehrentscheidung auch als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig gesehen werden könne.
Der Beschwerdeführer habe in Österreich weder Familienangehörige noch Verwandte. Er sei seit seiner illegalen Einreise spätestens im Juli 2015 in Österreich und beherrsche die deutsche Sprache auf gutem Niveau. Er habe geringe Schulbildung und keinen Beruf erlernt. Ihm sei kein internationaler Schutz gewährt worden, subsidiärer Schutz (aufgrund seiner Minderjährigkeit) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung seien ihm aberkannt worden. Der Beschwerdeführer sei wegen mehrerer Straftaten, die nur vorsätzlich begangen werden können verurteilt worden. Nach höchstgerichtlicher Judikatur sei selbst bei weitreichenden Integrationsschritten (hervorragende Deutschkenntnisse, Hauptschulabschluss, erfolgreicher Besuch einer HTL, österreichischer Freundeskreis und österreichische Freundin) ein etwa dreijähriger Aufenthalt nicht ausreichend sei um eine Ausweisung für dauerhaft unzulässig zu erklären (VfGH vom 12.06.2013, U485/2012).
Zusammenfassend ist anzuführen, dass der Beschwerdeführer weder über ein Privat- noch über ein Familienleben in Österreich verfüge, welches seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet rechtfertigen würde. Sein bisheriges Verhalten und seine strafrechtliche Verurteilung im Hinblick auf die Interessenabwägung im Sinn des Art 8 EMRK seien nicht ausreichend, um daraus abzuleiten, dass sein Interesse, in Österreich zu bleiben, dass öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und somit einer Rückkehrentscheidung überwiege.
Daher sei die Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1-3 BFA-VG zulässig. Eine Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG habe zu unterbleiben, da die Rückkehrentscheidung nicht auf Dauer unzulässig sei (§ 58 Abs. 2 AsylG).
Da dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde und die Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 1-3 BFA-VG zulässig sein, sei gemäß Paragraf 10 Abs. 1 AsylG und § 52 Abs. 2 Z 4 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen.
Gem. § 52 Abs. 9 FPG sei mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gem. S 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig sei. Dies gelte nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden solle, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan sei gem. § 9 Abs. 2 AsylG unzulässig. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet sei gemäß § 46a Abs. 1 Z 2 FPG geduldet. Seine Ausreiseverpflichtung bleibe unberührt.
Gem. § 55 FPG werde mit einer Rückkehrentscheidung gem. § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt werde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
Im vorliegenden Fall seien solche Gründe nicht gegeben. Der Beschwerdeführer habe daher binnen der im Spruch genannten Frist freiwillig auszureisen. Komme er dieser Verpflichtung nicht zeitgerecht nach, so könne er auch unter den in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG sonst genannten Voraussetzungen zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung). Diese Rückkehrentscheidung werde nach ungenütztem Ablauf der Beschwerdefrist oder — im Falle der rechtzeitigen Einbringung einer Beschwerde — mit Zustellung eines abweisenden Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes rechtskräftig.
Mit einer Rückkehrentscheidung könne vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden (§ 53 Abs. 1 FPG). Der Beschwerdeführer sei mehrmals wegen Handels mit Suchtgift rechtskräftig verurteilt worden.
Die Erlassung des Einreiseverbotes sei dringend erforderlich, weil gerade Suchtgiftdelikte enorm schwer zu gewichten seien. Schon im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, insbesondere des Suchtgifthandels, sei die Erlassung eines Einreiseverbots auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden dringend geboten, weil das maßgebliche öffentliche Interesse in diesen Fällen schwerer wiege als das gegenläufige private Interesse des Fremden. Unter Berücksichtigung aller genannten Umstände könne eine Gefährdung von öffentlichen Interessen, insbesondere an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt regelnden Vorschriften sowie an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit, als gegeben angenommen werden. Eine Aufenthaltsbeendigung sei, insbesondere in Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung in Zusammenhang mit Suchtmitteln, auch unter dem Aspekt der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen zu sehen. In Hinblick auf die „verheerende Wirkung von Drogen auf das Leben von Menschen" habe auch der EGMR wiederholt sein Verständnis für die Bestimmtheit der Mitliedstaaten im Vorgehen gegenüber Personen, die an der Verbreitung von Drogen aktiv mitwirken, zum Ausdruck gebracht.
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG sei die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte über Antrag zu verlängern, wenn die Voraussetzungen hierfür vorlägen. Mit Spruchpunkt l. des vorliegenden Bescheides sei dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 AsylG aberkannt worden. Dementsprechend sei auch sein Verlängerungsantrag nach § 8 Abs. 4 AsylG mangels Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung abzuweisen. Unbeschadet dessen komme ihm bis zur Rechtskraft der Entscheidung weiterhin ein Aufenthaltsrecht iSd § 8 Abs. 4 AsylG zu.
5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine damalige gesetzliche Vertretung fristgerecht Beschwerde, wobei die Spruchpunkte I., II., III., IV., VI., VII., VIII. angefochten wurden. Begründend wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass sich die belangte Behörde nicht ausreichend mit dem Umstand, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen unbegleiteten Minderjährigen handle, auseinandergesetzt habe. Nach Art. 24 Charter der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), Art. 3 der UN-Kinderrechtskonvention und Art. 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern müsse bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher oder privater Einrichtungen das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein. Der Vorrang des Kindeswohls gelte für alle Angelegenheiten, die Kinder betreffen — unabhängig davon, ob sie von staatlichen oder privaten, öffentlichen Einrichtungen in Justiz-Verwaltung, Wohlfahrt der Gesetzgebung durchgeführt würden. Auch im Bereich des Strafrechts seien kinderspezifische Maßstäbe anerkannt, welchen insbesondere im Jugendgerichtsgesetz (JGG) Rechnung getragen werde. So sorge insbesondere § 5 Z 10 JGG dafür, dass straffällig gewordenen Jugendlichen nicht durch weitere Konsequenzen ihres Verhaltens die Chancen für den späteren Lebensweg geradezu unmöglich zu machen. Der Gesetzgeber habe mit den Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018 (FRÄG) in das Asylgesetz (§ 2 Abs 4 AsylG) eine speziellere gesetzliche Anordnung eingefügt, dass abweichend von § 5 Z 10 des JGG eine maßgebliche gerichtliche Verurteilung auch vorliege, wenn sie wegen einer Jugendstraftat erfolgt sei.
Das FRÄG 2018 und somit auch die speziellere gesetzliche Anordnung hinsichtlich § 5 Z 10 JGG sei mit 01.09.2018 in Kraft getreten. Der Gesetzgeber habe damit freilich eine wenig nachvollziehbare Rechtslage geschaffen. Insbesondre im Bereich des Asylrechts, seien mit gerichtlichen Verurteilungen doch gravierende Rechtsfolgen wie Verlust des Aufenthaltsrechts bzw. im schlimmsten Fall sogar eine Abschiebung verbunden. Weshalb gerade in diesem Bereich, in dem Jugendliche aus schwierigen Umständen, bürgerkriegsähnlichen Situationen, gänzlich anderen Rechtssystemen und mit oftmals psychischer Vorbelastung betroffen seien, auch Jugendstraftaten Rechtsfolgen in vollem Maße auslösen sollen, gehe aus den Gesetzesmaterialen nicht hervor und sei aus Sicht des gesetzlichen Vertreters unverständlich. Vor allem für minderjährige Jugendliche, die in vielen Fällen unbegleitet nach Österreich kämen und auch im Herkunftsland über keine Familienangehörigen mehr verfügen, bedürfe es einer entsprechenden Berücksichtigung. Das Wohl des Kindes müsse eine vorrangige Erwägung sein, der im Entwurf angeführte § 2 Abs.4 AsylG verstoße gegen diesen Grundsatz, verletze dadurch Art. 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern und sei somit verfassungswidrig.
Zudem sei der belangten Behörde vorzuhalten, dass im Hinblick auf Afghanistan, den Herkunftsstaat des Beschwerdeführers, und der sich dort seit Jahren verschlechternden Situation zu erwarten sei und sogar aus dem angefochtenen Bescheid hervorgehe, dass auch noch in den nächsten Jahren eine Zurückweisung, Zurückschiebungen oder Abschiebung aus rechtlichen Gründen ebenso wie aus faktischen Gründen möglich sein werde. Der Beschwerdeführer sei jedoch durch den angefochtenen Bescheid de facto außer Stande sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren, ganz gleich ob und welche Bemühungen er setze. Für einen noch minderjährigen Jugendlichen bedeute dies aber den Verlust praktisch jeglicher Lebensperspektive. Sogar weitere Ausbildungen, etwa als Lehrling, wären de facto kaum mehr möglich. Ein öffentliches Interesse an einer geradezu proaktiven Desintegration von Menschen deren Aufenthalt im Bundesgebiet auf Jahre hinaus abzusehen sei, könne vor dem Kindeswohl, welchem die belangte Behörde verpflichtet gewesen wäre, dessen Prüfung sie jedoch vollständig unterlassen habe nicht angenommen werden.
Die Beurteilung, ob der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich darstelle, erfordere im jeweiligen Einzelfall eine Gefährdungsprognose, wie sie in ähnlicher Weise auch in anderen asyl- und fremdenrechtlichen Vorschriften zugrunde gelegt sei. Bei dieser Einzelfallprüfung sei das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und in Hinblick auf welche Umstände die Annahme gerechtfertigt sei, dass der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstelle. Dieser Verpflichtung sei die belangte Behörde jedoch nicht nachgekommen. Die Behörde stütze sich in ihrer Prognoseentscheidung ausschließlich auf die Verurteilungen des Minderjährigen Beschwerdeführers und lasse andere Umstände des Einzelfalles vollständig außer Acht.
Anders als von der Behörde behauptet, habe der Beschwerdeführer sehr wohl angegeben unter Stress gestanden zu sein. Sein Vater in Afghanistan sei keiner Beschäftigung nachgegangen und habe deshalb vom Beschwerdeführer dringend Geld für den Lebensunterhalt der Familie benötigt. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass Minderjährige naturgemäß in einem emotionalen Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Eltern stehen. Der Beschwerdeführer habe sich nicht anders zu helfen gewusst und deshalb Suchtgift verkauft, vom Erlös drei Mal EUR 200,- bis EUR 300,- an die Familie geschickt, von der diese jeweils etwa zwei Monate habe leben können. Die Existenzsorgen der Familie hätten den Beschwerdeführer belastet, sodass er regelmäßig Cannabis konsumiert habe, um sich zu beruhigen. Dieser Missbrauch von Suchtmitteln als Selbstmedikation habe beim Beschwerdeführer zu einer Verharmlosung von eben diesen geführt, da sie ihm aus Sicht des Beschwerdeführers ja geholfen und eben nicht geschädigt hätten. Ohne Frage habe es ihm am Problembewusstsein im Umgang mit Suchtmitteln gefehlt.
Bereits im Anschluss an das erste Aberkennungsverfahren im November 2018 habe der Beschwerdeführer eine Lehre als Koch aufgenommen. Ein Rückschlag in Form einer Erkrankung, die einer stationären Behandlung bedurft habe, der darauffolgende Verlust der Lehrstelle und der erneute Geldbedarf der Familie hätten den Minderjährigen jedoch ab Jänner 2019 in alte Verhaltensmuster verfallen lassen. Mittlerweile sei sich der BF bewusst, dass er auch hinsichtlich des Eigenkonsums professioneller Unterstützung bedürfe. Er nehme deshalb Gesprächstermine bei einem Psychologen wahr (vgl. Niederschrift, S. 2). Wenngleich diese Einsicht nach zwei Verurteilungen spät erscheinen möge, so solle. Doch auf die Bedeutung einer realen Zukunftsperspektive -für- junge Menschen hingewiesen-werden. Eine Aberkennung des Schutzstatus hätte den Verlust des Arbeitsmarktzugangs und damit die einzige Möglichkeit für eine legale, eigenständige Existenzsicherung zur Folge. Eine berufliche Beschäftigung sei bei Minderjährigen und jungen Erwachsenen nicht zuletzt auch für die weitere Persönlichkeitsentwicklung von großer Bedeutung. Seit einiger Zeit besuche der Beschwerdeführer regelmäßig das Projekt spacelab, welches neben dem Aufbau einer Tagesstruktur den Jugendlichen und jungen Erwachsenen verschiedene Berufe näherbringen und sich bei ihren Bewerbungen unterstützen wolle. Der Beschwerdeführer sei sichtlich um einen Lebenswandel bemüht, welcher von Seiten der Behörde bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens nicht berücksichtigt worden sei
Ein Einreiseverbot sei vor nur zu verhängen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt sei, dass vom Fremden eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ausgeht. Es bedarf daher zwei Voraussetzungen: Es müsse einerseits eine Tatsache gemäß der Aufzählung in § 53 vorliegen, und andererseits müsse gerechtfertigt angenommen werden, dass vom Fremden eine schwerwiegende Gefahr ausgehe.
Die, gesetzliche Vertretung verkenne nicht, dass es tatsächlich zu zwei Verurteilungen des Beschwerdeführers gekommen ist und dass ein Verstoß gegen die österreichischen Strafgesetze keinesfalls gutgeheißen werden könne.
Es dürfen auch nicht übersehen werden, dass sich der minderjährige Beschwerdeführer im Rahmen der Kleinkriminalität bewegt und nur wegen kleinerer Vergehen zu bedingten Haftstrafen verurteilt worden sei. Der Strafrahmen, der bei der Beurteilung miteinbezogen werden sollte, bewege sich dabei jeweils am absolut untersten Ende des Strafrahmens.
Aufgrund der höheren Eingriffsintensität eines Einreiseverbotes, als Verbot, für einen bestimmten Zeitraum in das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten zurückzukehren, habe die vorzunehmende Interessensabwägung gesondert gegenüber der im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidung bereits vorgenommenen Interessenabwägung zu erfolgen. Dabei sei konkret zu prüfen, inwiefern private oder familiäre Interesse des Fremden in der konkreten Dauer entgegenstünden.
Da sich hier zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung um einen Minderjährigen gehandelt habe, hätte die belangte Behörde auch bei dieser Abwägung vorrangig das Wohl des Kindes berücksichtigen müssen. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen im Zuge einer Interessenabwägung dieses verfassungsrechtliche Gebot berücksichtigen, sowie bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung erkennbar darzulegen, warum gegebenenfalls die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung des minderjährigen Kindes schwerer wiegen als das Interesse des Kindes an der Fortsetzung seines Aufenthalts in Österreich.
Das kindliche Alter des Beschwerdeführers wäre unter anderem im Hinblick auf die Judikatur des EGMR wie auch unionsrechtliche Vorgaben der Rückführungsrichtlinie (RI- 2008/115/EG- insb. Art 5) als eigenes Kriterium bei der Abwägung nach Art 8 EMRK miteinzubeziehen.
Abgesehen davon wäre die Dauer jedenfalls unverhältnismäßig. Unter Berücksichtigung des zumindest minderen bis vernachlässigbaren Gefährdungsgrads des Beschwerdeführers sei ein derart langes Einreiseverbot überschießend.
Es werde daher beantragt,
? eine mündliche Verhandlung anzuberaumen;
? den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben;
in eventu
? den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK in Form einer Aufenthaltsberechtigung PLUS gem. § 55 AsylG 200 erteilt werde;
in eventu
? den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Verfahren zur Ergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
7. Mit hg. Schreiben vom 06.07.2021 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 45 Abs. 3 RVG Parteiengehör gewährt. Der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 02.08.2021 durch seine rechtliche Vertretung Stellung und brachte im Wesentlichen vor, dass der Beschwerdeführer seit über sechs Jahren in Österreich aufhältig sei. Zwar sei er in dieser Zeit straffällig geworden, jedoch habe er sich davon abgesehen vorbildlich integriert. Er habe die Neue Mittelschule erfolgreich abgeschlossen, sprechen hervorragend Deutsch und sei sehr bemüht auf eigenen Beinen zu stehen. Nach Absolvierung der Schule habe der Beschwerdeführer verschiedene Praktika wie etwa bei XXXX , in einer Kfz-Werkstätte und in einem Restaurant absolviert. Der Beschwerdeführer strebe eine Ausbildung als Koch an. Mangels Ausbildungsplatz habe er eine Stelle als Hilfskoch bei einer Pizzeria angenommen, um in der Branche Fuß zu fassen. Der Beschwerdeführer habe bis zuletzt bei der Pizzeria gearbeitet. Nach seiner Entlassung würde er jede Arbeit annehmen, in seine Karriere fortzusetzen. Er habe einen umfangreichen und diversen Freundeskreis in Österreich. Aufgrund seiner Berufsausbildung, Praktika und Mitgliedschaften in diversen Sportvereinen (Ringen, Kampfkunst, Fitness) habe er viele Freunde aus Österreich und anderen Ländern. Er lebe seit geraumer Zeit drogenfrei und sei intensiv darum bemüht ein Mitglied der österreichischen Gesellschaft zu sein.
Der angefochtene Bescheid sei inhaltlich rechtswidrig, die belangte Behörde verkannt habe, dass durch eine Rückkehrentscheidung der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Privatleben gemäß Art. 8 EMRK und seine Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 und 3 EMRK verletzt werde. Die belangte Behörde habe eine mangelhafte Interessensabwägung vorgenommen und sei daher zu Unrecht zu dem Schluss gelangt, dass die Verhängung einer Rückkehrentscheidung zulässig wäre.
Hinsichtlich der aktuellen Länderinformationen wurde ausgeführt, dass diese angesichts des bevorstehenden Abzugs der US-Truppen und der deutlich zugenommenen Gewalt durch die Taliban nicht mehr zutreffend seien. Darüber hinaus sei für den Beschwerdeführer auch keine innerstaatliche Fluchtalternative in Herat gegeben, da der Beschwerdeführer dort über kein soziales Netzwerk und keine sozialen Referenzen verfüge. Angesichts des Vormarsches der Taliban des Truppenabzuges sei nicht davon auszugehen, dass die staatliche Kontrolle mittel-bzw. längerfristig gewahrt bleibe. Darüber hinaus sei zufolge einer aktuellen sozialwissenschaftlichen Studie davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seines längeren Aufenthalts in Europa Gefahr drohe, deswegen Opfer von Gewalt zu werden.
8. Die belangte Behörde brachte mit Schriftsatz vom 14.07.2021 vor, dass die Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Abschiebung eine untrennbare Nebenbestimmung der Rückkehrentscheidung sei, sodass dieser Ausspruch trotz eines gegenteiligen Umfangs der Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung mitangefochten sei. Daher sei auch Spruchpunkt V. des Bescheides als untrennbare Nebenbestimmung (und zwar sowohl zur Rückkehrentscheidung als auch zur Aberkennung nach § 9 Abs. 2 AsylG) von der vorliegenden Beschwerde umfasst.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 07.10.2019 sei der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 AsylG aberkannt worden. Die Aberkennung sei zum damaligen Zeitpunkt nicht nach § 9 Abs. 1 AsylG erfolgt, weil der Beschwerdeführer aufgrund seiner Minderjährigkeit, der besonders gefährdeten Provinz Nangahar und der fehlenden individuellen Qualifikationen nicht in der Lage gewesen wäre, die persönlichen Bedürfnisse zu befriedigen und somit im Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nicht auszuschließen gewesen wäre. Als Minderjähriger wäre es ihm nicht möglich und zumutbar gewesen in einer anderen sicheren Provinz Schutz zu suchen bzw. sich dort allein ein Leben aufzubauen.
Zum aktuellen Zeitpunkt sei jedoch eine grundlegende, dauerhafte und wesentliche Änderung der individuellen Situation eingetreten:
Der Beschwerdeführer habe am 01.01.2021 die Volljährigkeit erreicht. Im Vergleich zu den Zeitpunkten der Zuerkennung des subsidiären Schutzes und der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung sei der Beschwerdeführer damit nicht nur älter geworden, sondern er habe im Verlauf seines fortschreitenden Lebensalters auch Erfahrungen in verschiedenen Lebensbereichen sammeln können, die ihm eine Rückkehr nach Afghanistan ermöglichten. Der Beschwerdeführer habe im Bundesgebiet eine Schulausbildung genossen und eigenen Angaben zufolge den Schulabschluss absolviert. Ferner habe er im Bundesgebiet Berufserfahrung sammeln können und sei kurzfristig als Kochlehrling tätig gewesen. Durch die mittlerweile erlangte Volljährigkeit und den damit verbundenen Zugewinn an Lebenserfahrung, die in Österreich erfahrene Schulausbildung und die gesammelte Berufserfahrung, liege jedenfalls eine grundlegende, dauerhafte und wesentliche Änderung der individuellen Situation des Beschwerdeführers vor.
Wie bereits in den vorangehenden Entscheidungen festgestellt, sei der Beschwerdeführer darüber hinaus gesund, spreche die Landessprachen Dari und Paschtu und sei aufgrund seines Aufwachsens in Afghanistan mit den kulturellen Gepflogenheiten des Landes vertraut. Der Beschwerdeführer verfüge des Weiteren über ein großes intaktes familiäres Netzwerk in Afghanistan. Seine Eltern und sieben Geschwister sowie weitere Verwandte hielten sich in der Herkunftsprovinz Nangarhar auf und es bestehe ein regelmäßiger Kontakt zu den Eltern. Sofern der Beschwerdeführer durch seine eigene Arbeitstätigkeit nicht das Auslangen finden sollte, könne er – zumindest zu Beginn – auf die Hilfe seiner Familie zurückgreifen, welche ihn bereits zuvor in Afghanistan versorgt und ihm auch die Ausreise aus seinem Herkunftsstaat finanziert habe. Als Angehöriger der Volksgruppe der sunnitischen Paschtunen bestehe aufgrund des „Pashtunwali“ auch die Möglichkeit, Unterstützung durch Angehörige seiner Volksgruppe zu erfahren.
Es sei daher davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer nunmehr eine innerstaatliche Fluchtalternative offenstehe und er sich in Mazar-e Sharif und Herat-Stadt niederlassen und sich dort eine Existenz aufbauen könne. Der EASO Country Guidance Afghanistan 2020 zufolge gälten die beiden Provinzhauptstädte als relativ sicher und herrsche ein geringes Level an willkürlicher Gewalt. Auch im Hinblick auf aktuelle Entwicklungen in Afghanistan ergebe sich in Bezug auf Mazar-e Sharif, dass sich die Stadt weiterhin unter Regierungskontrolle befinde und willkürliche Gewalt auf einem geringen Niveau stattfinde. Im Distrikt Herat fänden zwar vermehrt sicherheitsrelevante Vorfälle statt, die Provinzhauptstadt Herat befinde sich aber gleichfalls in Regierungshand und bleibe dort das Level an willkürlicher Gewalt gering (vgl. EASO COI Report: Afghanistan Security Situation 2021; Länderinformation Afghanistan der Staatendokumentation, Stand: 10.6.2021). Dass dem Beschwerdeführer aufgrund der Sicherheitslage eine Art. 3 EMRK Gefährdung in den beiden Städten drohen würde, sei daher auszuschließen. Betreffend die Versorgungslage lasse sich ebenfalls keine generelle Gefährdungslage iSd Art. 3 EMRK erblicken. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, der sowohl in Bezug auch die Sicherheitslage als auch hinsichtlich der aufgrund von Covid-19 verschlechterte Wirtschaftslage keine reale Gefahr der Verletzung von Art. 3 EMRK in Afghanistan erblicke. Individuelle Risikofaktoren des Beschwerdeführers, die eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Herat und Mazar-e Sharif als nicht zumutbar erscheinen ließen, lägen nicht vor.
Der Verwaltungsgerichtshof halte in ständiger Rechtsprechung fest, dass einem gesunden Asylwerber im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrsche, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut sei und die Möglichkeit habe, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern, die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in bestimmten Gebieten Afghanistans zugemutet werden könne, und zwar selbst dann, wenn er nicht in Afghanistan geboren worden sei, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan habe. Diese Einschätzung decke sich mit den Empfehlungen und Berichten von EASO und UNHCR.
Auch UNHCR erachte in seiner Richtlinie zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.8.2018 eine innerstaatliche Fluchtalternative für alleinstehende und leistungsfähige Männer in den beiden Städten – anders als für Kabul – als zumutbar (vgl. UNHCR-Richtlinie, S.119ff).
Die Städte Herat und Mazar-e Sharif seien für den Beschwerdeführer auch sicher, legal und praktisch per Flugzeug erreichbar. Beide Städte verfügten über einen Flughafen, der über einen Anschlussflug von Kabul erreicht werden könne. Darüber hinaus existierten auch internationale Flugverbindungen, beispielsweise von Indien und der Türkei nach Mazar-e-Sharif oder von Saudi-Arabien nach Herat. Aufgrund der im Land herrschenden Bewegungsfreiheit, könne sich der Beschwerdeführer dort auch frei niederlassen.
Gesamtbetrachtet lasse sich festhalten, dass aufgrund der eingetretenen wesentlichen Änderung der Umstände wegen der erlangten Volljährigkeit und der im Laufe des fortschreitenden Alters erworbenen zusätzlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, sowie unter Berücksichtigung der Berichte von EASO und UNHCR sowie der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, dass dem Beschwerdeführer nunmehr eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif zur Verfügung stehe.
Daher lägen die Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vor, sodass der Status gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG abzuerkennen sei. Angesichts des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers im Bundesgebiet liege auch auf der Hand, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zulässig iSd § 9 BFA-VG sei, sodass diese mangels Abschiebehindernis iSd § 50 FPG (vgl auch VwGH 26.6.2019, Ra 2019/21/0146, Rz 12, zum Verhältnis von § 52 Abs 9 FPG zu § 8 AsylG) mit der Feststellung zu verbinden sei, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sein.
Es werde daher beantragt,
1. die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides mit der Maßgabe abzuweisen, dass die Aberkennung gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG erfolge,
2. Spruchpunkt V. des Bescheides dahingehend abzuändern, dass die Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 52 Abs. 9 FPG zulässig sei, und
3. die Beschwerde gegen die weiteren Spruchpunkte des Bescheides abzuweisen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der am XXXX geborene Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsbürger, moslemischen Glaubens und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an, wobei die Identität des Beschwerdeführers mangels Identitätssdokumente nicht feststeht. Er spricht Paschtu (Erstsprache), Dari und Deutsch. Er verfügt über Schuldbildung (Neue Mittelschule) und kann in der Landessprache Dari sowie in Deutsch lesen und schreiben. Er hat keine Berufsausbildung, wobei eine Lehrausbildung zum Koch abgebrochen wurde. Der Beschwerdeführer ist gesund und bedarf keiner Medikamente. Er ist ledig und hat keine Sorgepflichten. Er ist als Minderjähriger schlepperunterstützt und unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist. Der Beschwerdeführer ist in Österreich straffällig geworden, wobei nachstehend angeführte Verurteilungen vorliegen:
1. LG F. STRAFS.WIEN 144 HV 132/2018i vom 23.11.2018 RK 23.11.2018 § 27 (2a) SMG, §§ 27 (1) Z. 1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG.
Datum der (letzten) Tat: 04.112018
Freiheitsstrafe: 2 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre Jugendstraftat
zu LG F. STRAFS.WIEN 144 HV 132/2018i RK 23.11.2018 Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre (LG F. STRAFS.WIEN 145 HV 35/2019h vom 09.07.2019).
Mildernd: Geständige Verantwortung, Unbescholtenheit, Sicherstellung von Suchtgift.
Erschwerend: Zusammentreffen von zwei Vergehen
2. LG F. STRAFS.WIEN 145 HV 35/2019h vom 09.07.2019 RK 09.07.2019 §§ 27 (1) Z. 1 1. Fall, 27 (1) Z. 1 2. Fall, 27 (2) SMG, § 27 (2a) SMG
Datum der (letzten) Tat: 26.05.2019
Freiheitsstrafe 10 Wochen, bedingt, Probezeit 3 Jahre Jugendstraftat.
Mildernd: Geständnis
Erschwerend: Eine einschlägige Vorstrafe, der rasche Rückfall, die Tatbegehung bei offener Probezeit, das Zusammentreffen von zwei Vergehen
3. LG F. STRAFS.WIEN 144 HV 16/20h vom 22.06.2020 RK 22.06.2020 § 127, 131 erster Fall StGB, § 15 StGB i.V.m. §§ 27 Abs. 2a SMG
Datum der letzten Tat: 27.12.2019
Freiheitsstrafe 10 Monate, unbedingt, Jugendstraftat.
Mildernd: Teilweise geständige Verantwortung, dass es teilweise beim Versuch blieb, Sicherstellung von Suchtgift, teilweise Rückausfolgung der Beute.
Erschwerend: Zwei einschlägige Vorstrafen, Begehung innerhalb offener Probezeit, Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen, rascher Rückfall.
Er ist kein Opfer von Gewalt und ist in Österreich mehrmals von einem Gerichtshof erster Instanz rechtskräftig verurteilt worden.
Im Sozialverhalten zeigt sich der Beschwerdeführer kontaktfreudig, manchmal mitunter kindlich lächelnd - er fragt auch nach bei offenen Themen, die ihn betreffen. Er ist zumeist zuverlässig bei der Einhaltung seiner Termine. Mit den in der Betreuung angebotenen finanziellen Mitteln scheint er gut auszukommen, er kann sich das Geld bisher angemessen einteilen.
Der Beschwerdeführer ist sportlich aktiv und ist leidenschaftlicher Ringer. Er nimmt regelmäßig an einem Ringertraining teil - und weil es in Kombination angeboten wird — macht er auch bei einem Boxtraining mit. Er wird dabei körperlich sehr gefordert — aber er vorausgabt sich gerne beim Training. Zuletzt ist er auch immer wieder zur Donauinsel gelaufen, um Kondition zu trainieren.
Der Beschwerdeführer wurde am 18.06.2018 ins betreute Wohnen der Stadt Wien (Magistratsabteilung elf) übernommen und hat seine Schulpflicht im Juni 2018 erfolgreich abgeschlossen.
Er hat im Frühjahr 2018 versucht, eine Lehrstelle als KFZ-Mechaniker zu bekommen. Trotz einiger Probe-Arbeitstage ist es nicht gelungen, eine Zusage für eine Lehrstelle zu erhalten. Vom 07.08.2018 bis 26.09.2018 hat der Beschwerdeführer an dem Kurs "Jugendwerkstatt" auf Vermittlung des AMS teilgenommen. Dabei bekam er Anfang Oktober 2018 die Möglichkeit an Erprobungstagen für den Beruf des Maurers teilzunehmen. Aufgrund mangelnder Grundkenntnisse in Deutsch und Mathematik erhielt er keine Zusage.
Der Beschwerdeführer sprach dann aus Eigeninitiative diverse Restaurants- und Gasthausbesitzer auf eine Lehrstelle als Koch an. Er redet in weiterer Folge eine mündliche Zusage beim Restaurant " XXXX ) und hat dort eine Lehre als Koch begonnen. Nach 6 Wochen Lehrzeit — ohne Fehlzeiten — erkrankte er, wurde stationär im SMZ-Ost aufgenommen und behandelt. Danach schaffte er es nicht mehr, wieder die Lehre fortzusetzen, sie wurde mit 12.01.2019 vom Lehrberechtigten aufgelöst.
Versuche im Einzelhandel eine Lehrstelle zu erlangen blieben erfolglos, da er nicht weiter als zu den Aufnahmetests gekommen ist.
Der Beschwerdeführer erhielt Ende April 2019 wieder die Unterstützung durch das AMS in Form eines Jobcoachings. Da wurden zuerst wieder die Bewerbungsunterlagen aktualisiert und anschließend Bewerbungen initiiert. Ab 25.07.2019 war der Beschwerdeführer beim Jugendbeschäftigungsprojekt "Spacelab" (1200 Wien, Sachsenplatz 4-6) eingebunden Der Schwerpunkt lag zuerst bei der Nachhilfe in Deutsch und Mathematik, damit die vielfach geforderten Aufnahmetests positiv absolviert werden können.
Nach dem Ende seiner Inhaftierung (August 2020 bemühte er selbstständig um eine Wiederaufnahme bei "Spacelab"(mittlerweile im 10. Bezirk) gekümmert und hat es geschafft, Anfang September wieder einen Platz zu erhalten. Trotz Absolvierung mehrerer Praktikumsangebote (Bauarbeiter, Kfz-Mechaniker, Tischlerei, Restaurant) gelang es ihm nicht eine Lehrstelle zu erlangen. Eine Arbeitsstelle als Lagerarbeiter wurde ihm aufgrund seiner Vorstrafen versagt.
Im Frühjahr 2021 hat er mit der Fahrausbildung begonnen, um einen Kfz-Führerschein zu erlangen und so seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Dazu musste er sich einer verkehrspsychologischen Untersuchung unterziehen, um zur Prüfung zugelassen zu werden.
Im Mai 2021 erlangte er eine Teilzeitstelle als Küchenhilfskraft in der XXXX in XXXX
Der Beschwerdeführer befindet sich seit 02.07.2021 wegen Verdachts nach §§ 201 (1,2), 206 (1) StGB zu GZ: 337 HR 40/21p des Landesgerichts für Strafsachen Wien in der XXXX in Untersuchungshaft.
Zur Lage im Herkunftsstaates Beschwerdeführers (Afghanistan) wird festgestellt:
Quelle: Sonderkurzinformation der Staatendokumentation zur aktuellen Lage in Afghanistan vom 17.08.2021
Der afghanische Präsident Ashraf Ghani ist angesichts des Vormarsches der Taliban auf Kabul außer Landes geflohen. Laut al-Jazeera soll das Ziel Taschkent in Usbekistan sein. Inzwischen haben die Taliban die Kontrolle über den Präsidentenpalast in Kabul übernommen. Suhail Schahin, ein Unterhändler der Taliban bei den Gesprächen mit der afghanischen Regierung in Katar, versicherte den Menschen in Kabul eine friedliche Machtübernahme und keine Racheakte an irgendjemanden zu begehen (tagesschau.de 15.8.2021).
Am 15.08.21 haben die Taliban mit der größtenteils friedlichen Einnahme Kabuls und der Besetzung der Regierungsgebäude und aller Checkpoints in der Stadt den Krieg für beendet erklärt und das Islamische Emirat Afghanistan ausgerufen. Man wünsche sich friedliche Beziehungen mit der internationalen Gemeinschaft. Die erste Nacht unter der Herrschaft der Taliban im Land sei ruhig verlaufen. Chaotische Szenen hätten sich nur am Flughafen in Kabul abgespielt, von welchem sowohl diplomatisches Personal verschiedener westlicher Länder evakuiert wurde als auch viele Afghanen versuchten, außer Landes zu gelangen. Den Taliban war es zuvor gelungen, innerhalb kürzester Zeit fast alle Provinzen sowie alle strategisch wichtigen Provinzhauptstädte wie z.B. Kandahar, Herat, Mazar-e Sharif, Jalalabad und Kunduz einzunehmen. In einigen der Städte seien Gefängnisse gestürmt und Insassen befreit worden (BAMF 16.8.2021; vgl. bbc.com o.D., orf.at 16.8.2021).
Die Taliban zeigten sich am Sonntag gegenüber dem Ausland unerwartet diplomatisch. „Der Krieg im Land ist vorbei“, sagte Taliban-Sprecher Mohammed Naim am Sonntagabend dem Sender al-Jazeera. Bald werde klar sein, wie das Land künftig regiert werde. Rechte von Frauen und Minderheiten sowie die Meinungsfreiheit würden respektiert, wenn sie der Scharia entsprächen. Man werde sich nicht in Dinge anderer einmischen und Einmischung in eigene Angelegenheiten nicht zulassen (orf.at 16.8.2021a).
Schätzungen zufolge wurden seit Anfang 2021 über 550.000 Afghanen durch den Konflikt innerhalb des Landes vertrieben, darunter 126.000 neue Binnenvertriebene zwischen dem 7. Juli 2021 und dem 9. August 2021. Es gibt zwar noch keine genauen Zahlen über die Zahl der Afghanen, die aufgrund der Feindseligkeiten und Menschenrechtsverletzungen aus dem Land geflohen sind, es deuten aber Quellen darauf hin, dass Zehntausende von Afghanen in den letzten Wochen internationale Grenzen überquert haben (UNHCR 8.2021).
Der Iran richtete angesichts des Eroberungszugs der militant-islamistischen Taliban im Nachbarland Pufferzonen für Geflüchtete aus dem Krisenstaat ein. Die drei Pufferzonen an den Grenzübergängen im Nord- sowie Südosten des Landes sollen afghanischen Geflüchteten vorerst Schutz und Sicherheit bieten. Indes schloss Pakistan am Sonntag einen wichtigen Grenzübergang zu seinem Nachbarland. Innenminister Sheikh Rashid verkündete die Schließung des Grenzübergangs Torkham im Nordwesten Pakistans am Sonntag, ohne einen Termin für die Wiedereröffnung zu nennen. Tausende Menschen säßen auf beiden Seiten der Grenze fest (orf.at 16.8.2021b).
Mittlerweile baut die Türkei an der Grenze zum Iran weiter an einer Mauer. Damit will die Türkei die erwartete Ankunft von afghanischen Flüchtlingen verhindern (Die Presse 17.8.2021).
Medienberichten zufolge haben die Taliban in Afghanistan Checkpoints im Land errichtet und sie kontrollieren auch die internationalen Grenzübergänge (bisherige Ausnahme: Flughafen Kabul). Seit Besetzung der strategischen Stadt Jalalabad durch die Taliban, wurde eine Fluchtbewegung in den Osten (Richtung Pakistan) deutlich erschwert. Die Wahrscheinlichkeit, dass Afghanen aus dem westlichen Teil des Landes oder aus Kabul nach Pakistan gelangen ist gegenwärtig eher gering einzuschätzen. Es ist naheliegender, dass Fluchtrouten ins Ausland über den Iran verlaufen. Es ist jedoch auch denkbar, dass die mehrheitlich sunnitische Bevölkerung Afghanistans (statt einer Route über den schiitisch dominierten Iran) stattdessen die nördliche, alternative Route über Tadschikistan oder auch Turkmenistan wählt. Bereits vor zwei Monaten kam es laut EU-Kollegen zu einem Anstieg von Ankünften afghanischer Staatsbürger in die Türkei. Insofern ist davon auszugehen, dass eine erste Migrationsbewegung bereits stattgefunden hat. Pakistan gibt laut Medienberichten an, dass der Grenzzaun an der afghanisch-pakistanischen Grenze halte (laut offiziellen Angaben sind etwa 90 Prozent fertiggestellt) (VB 17.8.2021). Laut Treffen mit Frontex, kann zur Türkei derzeit noch keine Veränderung der Migrationsströme festgestellt werden. Es finden täglich nach Schätzungen ca. max. 500 Personen ihren Weg (geschleust) vom Iran in die Türkei. Dies ist aber keine außergewöhnlich hohe Zahl, sondern eher der Durchschnitt. Der Ausbau der Sicherung der Grenze zum Iran mit Mauer und Türmen schreitet immer weiter voran, und nach einstimmiger Meinung von Mig VB und anderen Experten kann die Türkei mit ihrem Militär (Hauptverantwortlich für die Grenzsicherung) und Organisationen (Jandarma, DCMM) jederzeit, je nach Bedarf die illegale Einreise von Flüchtlingen aus dem Iran kontrollieren. Die Türkei ist jedoch - was Afghanistan angeht - mit sehr hohem Interesse engagiert. Auch die Türkei möchte keine neunen massiven Flüchtlingsströme über den Iran in die Türkei (VB 17.8.2021a).
IOM muss aufgrund der aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan die Unterstützung der freiwilligen Rückkehr und Reintegration mit sofortiger Wirkung weltweit aussetzen. Die Aussetzung der freiwilligen Rückkehr erfolgt bis auf Widerruf (IOM 16.8.2021).
Während die radikalislamischen Taliban ihren Feldzug durch Afghanistan vorantreiben, gehören Frauen und Mädchen zu den am meisten gefährdeten Gruppen. Schon in der letzten Regierungszeit der Taliban (1996–2001) herrschten in Afghanistan extreme patriarchale Strukturen, Misshandlungen, Zwangsverheiratungen sowie strukturelle Gewalt und Hinrichtungen von Frauen. Die Angst vor einer Wiederkehr dieser Gräueltaten ist groß. Eifrig sorgten Kaufleute in Afghanistans Hauptstadt Kabul seit dem Wochenende bereits dafür, Plakate, die unverschleierte Frauen zeigten, aus ihren Schaufenstern zu entfernen oder zu übermalen – ein Sinnbild des Gehorsams und der Furcht vor dem Terror der Taliban (orf.at 17.8.2021). (Quellen dieser sonderinformation der Staatendokumentation: • BAMF (16.8.2021): Briefing Notes, per Email; • bbc.com (o.D.): Afghanistan: US takes control of Kabul
airport to evacuate staff from countryhttps://www.bbc.com/news/world-asia-58227029, Zugriff 16.8.2021; • Die Presse (17.8.2021): Die Türkei schottet sich mit Mauer gegen Flüchtlinge ab, https://www.diepresse.com/6021855/die-turkei-schottet-sich-mit-mauer-gegen-fluchtlinge-ab, Zugriff 17.8.2021; • IOM (16.8.2021): Aussetzung der Freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan, per Email; • orf.at (16.8.2021): Krieg in Afghanistan ist vorbei, https://orf.at/stories/3225020/, Zugriff 16.8.2021; • orf.at (16.8.2021a): Verzweifelte Fluchtversuche aus Kabul, https://orf.at/stories/3225106/, Zugriff 17.8.2021; • orf.at (16.8.2021b): Nachbarländer in großer Unruhe, https://orf.at/stories/3225071/, Zugriff 17.8.2021).
Quelle: UNHCR-POSITION ZUR RÜCKKEHR NACH AFGHANISTAN August 2021:
Als Folge des Rückzugs der internationalen Truppen aus Afghanistan hat sich die Sicherheits- und Menschenrechtslage in großen Teilen des Landes rapide verschlechtert. Die Taliban haben in einer schnell wachsenden Anzahl an Provinzen die Kontrolle übernommen, wobei sich ihr Vormarsch im August 2021 nochmals beschleunigte, als sie 26 von 34 Provinzhauptstädten innerhalb von zehn Tagen einnahmen und schließlich den Präsidentenpalast in Kabul unter ihre Kontrolle brachten. Die stark zunehmende Gewalt hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung, einschließlich Frauen und Kindern. UNHCR ist besorgt über die Gefahr von Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung, einschließlich Frauen und Kindern, sowie an Afghan*innen, bei denen die Taliban davon ausgehen, dass sie mit der afghanischen Regierung oder den internationalen Streitkräften in Afghanistan oder mit internationalen Organisationen im Land in Verbindung stehen oder standen. Aufgrund des Konflikts sind seit Anfang 2021 Schätzungen zufolge über 550.000 Afghan*innen innerhalb des Landes neu vertrieben worden, davon 126.000 neue Binnenvertriebene allein zwischen 7. Juli und 9. August 2021. Während es bis dato noch keine genauen Zahlen gibt, wie viele Afghan*innen das Land aufgrund der Kampfhandlungen und Menschenrechtsverletzungen verlassen haben, haben Berichten zufolge zehntausende Afghan*innen in den letzten Wochen die Landesgrenzen überschritten.
Da die Situation in Afghanistan instabil und unsicher bleibt, fordert UNHCR alle Länder dazu auf, der aus Afghanistan fliehenden Zivilbevölkerung Zugang zu ihrem Staatsgebiet zu gewähren und die Einhaltung des Non-Refoulement-Grundsatzes durchgehend sicherzustellen. UNHCR weist auf die Notwendigkeit hin zu gewährleisten, dass das Recht, Asyl zu beantragen, nicht eingeschränkt wird, dass Grenzen offengehalten werden und dass Personen, die internationalen Schutzbedarf haben, nicht in Gebiete innerhalb ihres Herkunftslands zurückgedrängt werden, die möglicherweise gefährlich sind. In diesem Zusammen