TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/23 W189 2009449-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.09.2021
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Entscheidungsdatum

23.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs6
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs2
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch


W189 2009449-2/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. ungeklärt, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU-GmbH) und den Verein ZEIGE, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge: die BF) stellte nach illegaler, schlepperunterstützter Einreise in das Bundesgebiet am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am XXXX durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Dabei erklärte sie, in XXXX , Aserbaidschan, geboren zu sein und russische Staatsangehörige zu sein. Sie spreche russisch. Sie habe XXXX Klassen der Grundschule in einem Krankenhaus in XXXX besucht, da sie an Kinderlähmung leide und bis zu ihrem XXXX Lebensjahr im Krankenhaus in XXXX aufhältig gewesen sei. Ihre Eltern seien unbekannten Aufenthalts. Zu ihrem Ausreisegrund gab sie an, nach Österreich gekommen zu sein, da in Russland sehr harte Lebensbedingungen herrschen würden und sie dort nicht mehr überleben hätte können. Sie leide von Geburt an an Kinderlähmung. Ihre Mutter habe sie nach der Geburt von Aserbaidschan in ein Krankenhaus nach XXXX gebracht. Sie sei dort praktisch bis zu ihrem XXXX . Lebensjahr stationär behandelt worden. Im Jahr XXXX habe sie eine schwere Operation gehabt. In diesem Krankenhaus habe sie auch die Grundschule besucht. Ihre Eltern hätten sich scheiden lassen und sie habe ihren Vater zuletzt gesehen, als sie XXXX Jahre alt gewesen sei. Mit ihrer Mutter sei der Kontakt vor XXXX Jahren abgebrochen. Sie habe sonst keine Verwandten und sei auf sich allein gestellt. In XXXX habe sie keine staatliche Unterstützung erhalten, sondern habe mit diversen Schwarzarbeiten für ihren Lebensunterhalt sorgen müssen. Aufgrund ihrer Erkrankung sei sie von der Gesellschaft diskriminiert worden. Sie habe nicht immer Arbeit finden können. Sie habe ausschließlich Schwarzarbeit erhalten. Sie hoffe, in Österreich eine Chance zu erhalten. Sie sei lern- und arbeitswillig. Im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat befürchte sie, dort nicht überleben zu können.

2. Am XXXX wurde die BF durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) zu ihrem Antrag auf internationalen Schutz niederschriftlich einvernommen.

Dabei gab sie zu ihrer Person an, ausschließlich russisch zu sprechen. Sie sei in XXXX , Aserbaidschan, geboren und sei russische Staatsangehörige. Über Dokumente zum Nachweis ihrer Identität verfüge sie nicht. Ihr Reisepass sei ihr vom Schlepper abgenommen worden. Sie habe keine Möglichkeit, sich Dokumente zu beschaffen. Sie habe in Russland keine anderen Dokumente, da sie die ganze Zeit im Krankenhaus gelebt habe. Sie habe nur den russischen Inlandspass. Andere Dokumente habe sie nicht benötigt. Sie sei russische Staatsbürgerin. Sie gehöre der aserbaidschanischen Volksgruppe an und sei Muslimin.

Gesundheitlich gehe es ihr gut, aber sie leide seit Geburt an einer Kinderlähmung, weshalb sie seit ihrer Kindheit in einem Krankenhaus in XXXX behandelt worden sei. Im Jahr XXXX sei sie an beiden Beinen operiert worden. Medizinische Befunde aus Russland habe sie aber nicht mitgenommen. Nach ihren konkreten gesundheitlichen Problemen befragt, erklärte sie, aufgrund der Kinderlähmung Schmerzen am Rücken und an den Beinen zu haben.

In XXXX habe die BF an einer näher genannten Adresse gelebt, wobei sie die Postleitzahl nicht wisse. Dort habe sie die letzten XXXX Monate vor der Ausreise gelebt. Davor habe sie unterschiedliche Mietwohnungen gehabt. Sie lebe seit ihrer Geburt in XXXX . Sie habe sich dort in einem näher genannten Krankenhaus bis zum Jahr XXXX aufgehalten. Sie sei durchgehend behandelt worden, da sie nicht selbständig gehen habe können. Die Behandlung sei zur damaligen Zeit kostenlos gewesen.

Zu ihren Angehörigen im Herkunftsstaat habe sie überhaupt keinen Kontakt. Zu ihrer Mutter habe sie seit XXXX Jahren keinen Kontakt und zum Vater nicht mehr seit ihrem XXXX Lebensjahr. Vielleicht würden sie sie mittlerweile suchen, wobei sie dies nur vermute. Mit ihrer Mutter habe sie bis vor XXXX Jahren an einer näher genannten Adresse in XXXX gelebt.

Die Schule habe sie im Krankenhaus besucht. Sie habe erst nach ihrer Operation im Jahr XXXX gehen können und sei danach aus dem Spital entlassen worden. Abgesehen von der Grundschule habe sie keine Ausbildung absolviert.

Als sie noch mit ihrer Mutter gelebt habe, habe ihre Mutter gearbeitet und für sie gesorgt. Nach der Trennung von ihrer Mutter, habe sie von Schwarzarbeit gelebt. Von ihrer Mutter habe sie sich getrennt, da es dieser gesundheitlich nicht gut gegangen sei. Auf Nachfrage meinte sie, dass ihre Mutter hohen Blutdruck bekommen habe und nicht mehr arbeiten habe können. Daher habe ihre Mutter XXXX verlassen, habe der BF aber nicht gesagt, wohin. Auch ihre Mutter habe schwarzgearbeitet bzw. von Gelegenheitsarbeiten gelebt. Sie habe ein gutes Verhältnis zu ihrer Mutter gehabt. Ihre Mutter sei weggezogen, weil sie nicht arbeitsfähig gewesen sei, man jedoch Geld für Miete benötige. Sie habe dann gearbeitet, um in der Wohnung bleiben zu können. Ihre Mutter sei zu ihren Verwandten gefahren, um sich behandeln lassen zu können. Die Medikamente und Behandlungen seien nämlich sehr teuer. Ihre Mutter sei jetzt glaublich in XXXX , zumal sie in XXXX keine Verwandten hätten. Ihre Mutter sei zu den Verwandten gefahren, um von diesen Unterstützung zu erhalten.

Ihre Mutter habe von der Geburt der BF an bis vor XXXX Jahren in XXXX gelebt. Diese sei aserbaidschanische Staatsbürgerin, zumal diese bis zur Geburt der BF in XXXX gelebt habe. Wegen ihrer Erkrankung seien sie nach XXXX gezogen. Auch ihr Vater sei im Übrigen aserbaidschanischer Staatsbürger. Befragt, wie sie darauf komme, dass sie russische Staatsbürgerin sei, meinte sie, dass sie nicht nach Aserbaidschan gereist sei, sondern durchgehend in XXXX gelebt habe.

Auf Vorhalt des einvernehmenden Referenten, wonach Zweifel an ihrer Staatsangehörigkeit bestehen würden, meinte sie, dass sie mit der Volljährigkeit die russische Staatsbürgerschaft erhalten habe. Ihre Mutter habe diese beantragt, als sie aus dem Spital gekommen sei. Befragt, warum ihre Mutter den Antrag gestellt habe, wenn sie doch volljährig gewesen sei, meinte sie, dass ihre Mutter ja die aserbaidschanische Staatsbürgerschaft gehabt habe. Diese habe die BF nur begleitet, da sie Schwierigkeiten gehabt habe, die Stiegen hochzusteigen.

Zum Grund für das Verlassen des Herkunftsstaates befragt, gab die BF an, dass ihre Mutter sie nach XXXX gebracht habe, damit sie dort behandelt werde. Nach Aufforderung ihr Heimatland anzuführen, nannte sie Aserbaidschan. Dies sei das Land, wo sie geboren worden sei. Befragt, als was sie Russland bezeichnen würde, meinte sie, dort nur gelebt zu haben und behandelt worden zu sein. Russland habe sie auf die Beine gestellt. Auf Aufforderung die Frage zu beantworten, stellte die BF die Gegenfrage, ob es verwirrend sei, wenn sie Aserbaidschan als ihre Heimat bezeichne. Auf neuerliche Nachfrage meinte sie, dass sie die russische Staatsangehörigkeit habe. Dies sei egal, da sie ihre Dokumente verloren habe.

Auf neuerliche Aufforderung ihre Ausreisegründe zu schildern, meinte sie, dass sie in XXXX nicht weiter bleiben habe können. Sie habe dort keine Unterkunft und kein Geld gehabt. Sie sei von den Leuten erniedrigt worden. Niemand habe sie benötigt. Dies sei Grund ihrer Ausreise. Befragt, was sie mit ihren Ausführungen meine, erklärte sie, in Russland schief angeschaut zu werden, wenn man eine Behinderung habe. In Österreich sei das anders. Dies seien alle ihre Gründe. Sie wolle in Österreich die Chance erhalten, ganz gesund zu werden. Sie wolle wieder arbeiten, lachen und überhaupt ein neuer Mensch werden.

Auf Vorhalt, wonach sie aufgrund ihrer Krankheit einen Invaliditätsausweis besitzen müsste, meinte die BF, einen solchen nicht zu haben. Wenn die Leute sie sehen würden, würden sie erkennen, dass sie behindert sei. Nach Aufklärung, wonach in der Russischen Föderation Invalide einen Invalidenausweis erhalten würden, meinte sie, dies nicht gewusst zu haben. Es sei auch nicht schön, etwas zu haben, aus dem hervorgehe, dass sie Invalide sei. Auf weiteren Vorhalt, wonach sie als Invalide zusätzliche staatliche Unterstützung bzw. Ermäßigungen im Alltagsleben erhalten würde, meinte sie, dass sie es nicht gewollt habe, da sie sich selber nicht als Invalide fühle. Außerdem sei diese Pension so niedrig, dass man damit nicht auskommen könne, weshalb sie das erst gar nicht beantragt habe. Auf weiteren Vorhalt, wonach sie sich einerseits nicht als Invalide fühle, andererseits jedoch in Österreich medizinisch behandelt werden wolle, meinte sie, dass dies ein gesunder Mensch nicht verstehen würde. Nur wenn man behindert sei und sich solche Bemerkungen anhören müsse, verstehe man ihre Situation. Man habe ihr einen Invalidenausweis geben wollen, aber sie habe das abgelehnt, da das Geld nicht einmal für ein Brot gereicht habe. In Russland bekomme man einen Invalidenausweis im Übrigen nicht so leicht. Man müsse von einer Behörde zur anderen laufen und es koste viel Geld, nachzuweisen, dass man Invalide sei.

Auf Nachfrage habe ihre Mutter die BF nicht angerufen, da jedes Telefonat Geld koste und sie kein Geld habe. Ihre Mutter habe vor der Geburt der BF die aserbaidschanische Staatsbürgerschaft bekommen.

Sie habe in Russland nicht offiziell gearbeitet, da sie niemand offiziell anstellen habe wollen. Sie habe auch nicht durchgehend gearbeitet. Sie sei als Reinigungskraft und Aufräumerin beschäftigt gewesen.

Für die Schleppung, die von einer Freundin organisiert worden sei, habe sie USD 1.000,- bezahlt, wofür sie ein Jahr lang gespart habe.

Die BF erklärte schließlich, sich zu bemühen, Dokumente aus dem Herkunftsstaat zu erhalten.

Für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat hätte sie Angst vor den Leuten. Sie habe Angst auf der Straße zu landen. Als Behinderte sei sie Mensch zweiter Klasse.

3. Mit dem Bescheid des BFA vom XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz der BF bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf die Russische Föderation (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 wurde der BF nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung gegen sie erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung in die Russische Föderation festgestellt und eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für eine freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt III.).

4. Gegen diesen Bescheid erhob die BF binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde.

5. Am XXXX übermittelte das BFA einen E-Mail-Verkehr mit dem russischen Migrationsdienst (FMS), aus dem hervorgeht, dass die BF unter der von ihr angegebenen Identität seitens der russischen Behörden nicht als russische Staatsangehörige identifiziert habe werden können. Zudem sei auf der von ihr genannten Wohnadresse und auch sonst keine Meldung der BF in der Russischen Föderation eingetragen.

6. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , W189 2009449-1/5E, wurde der angefochtene Bescheid in Erledigung der Beschwerde behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass aus dem nicht nachvollziehbaren Vorbringen der BF vor dem BFA in Verbindung mit dem Schreiben des russischen Migrationsdienstes erhebliche Zweifel an ihrer (russischen) Staatsangehörigkeit bestehen würden und das BFA darauf gerichtete Ermittlungen unterlassen habe. Das BFA habe daher im weiteren Verfahrensgang durch entsprechende Recherchen und einer allfälligen weiteren Befragung der BF die Identität und Staatsangehörigkeit der BF zu klären.

7. Mit Schreiben vom XXXX legte die BF ärztliche Unterlagen aus der Russischen Föderation vor, wonach sie vom XXXX bis XXXX , vom XXXX bis XXXX und vom XXXX bis XXXX in zwei Spitälern in XXXX stationär aufhältig gewesen sei.

8. Am XXXX wurde die BF neuerlich durch das BFA niederschriftlich einvernommen. Darin gab die BF an, lediglich über die vorgelegten ärztlichen Befunde zu verfügen. Das BFA solle selbst weiter recherchieren und könne dann erfahren, dass die BF russische Staatsangehörige sei. Auf Vorhalt des Schreibens des russischen Migrationsdienstes erklärte die BF, dass sie sich in Russland nicht angemeldet habe, da sie so oft die Adresse gewechselt habe. Sie sei meistens in Krankenhäusern gewesen. Sie sei russische Staatsangehörige. Sie habe zusammen mit ihrer Mutter den russischen Pass beantragt, weil sie volljährig gewesen sei und jeder volljährige Mensch einen Pass haben müsse. Sie habe Dokumente gebraucht, um weiterhin in Behandlung zu bleiben. Sie sei als Baby nach Russland gekommen. Sie habe danach nicht mehr Kontakt zu ihrer in Aserbaidschan verbliebenen Familie gehabt. Sie habe auch aktuell keinen Kontakt zu jemanden aus ihrer Familie oder zu jemandem in Russland. Sie habe nie Freunde gehabt. Sie wisse nicht, wo sie in Aserbaidschan gelebt habe. Ihre Mutter habe ihr das nie erzählt. Zum Schluss der Einvernahme erklärte die BF sich mit der Durchführung von Erhebungen in der Russischen Föderation und in Aserbaidschan einverstanden.

9. Am XXXX stellte das BFA eine Anfrage an die Staatendokumentation, ob durch Einsichtnahme in Register oder dergleichen festgestellt werden könne, ob die BF die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit besitze und/oder ob Hinweise über Aufenthalte in Aserbaidschan vorliegen. Mit Anfragebeantwortung vom XXXX erklärte die Staatendokumentation, derartige Recherchen nicht durchführen zu können.

11. Am XXXX wurde die BF erneut durch das BFA niederschriftlich einvernommen und aufgefordert, ihren Lebenslauf chronologisch zu schildern. Die BF gab an, XXXX in XXXX geboren zu sein. Wann genau sie nach XXXX gekommen sei, wisse sie nicht. Nach ihrem ersten dokumentierten Krankenhausaufenthalt vom XXXX bis XXXX sei sie weiterhin mit ihrer Mutter in XXXX gewesen. Sie hätten öfters den Wohnsitz gewechselt. Sie könne nicht sagen, in welchem Stadtteil sie gewohnt hätten und könne sich nicht an die Umgebung erinnern, da sie sich nicht frei bewegen habe können. Auch nach ihrem zweiten dokumentierten Krankenhausaufenthalt vom XXXX bis XXXX sei sie in XXXX gewesen. Auch in dieser Zeit hätten sie ständig die Adresse gewechselt und sie könne sich an keine mehr erinnern. Sie sei oft im Krankenhaus gewesen und nicht auf die Straße gegangen, weshalb sie nicht sehen habe können, wo sie gewesen sei. Die BF könne sich nicht erinnern, wo sie nach ihrem dritten dokumentierten Krankenhausaufenthalt vom XXXX bis XXXX gelebt habe. Sie sei ständig in Krankenhäusern gewesen und könne sich an nichts mehr erinnern. Die BF könne sich nur an ihre letzte Adresse erinnern. Die Adressen davor wisse sie nicht mehr, da sie ständig in Krankenhäusern gewesen sei. An ihrer letzten Adresse in XXXX habe sie ca. XXXX Monate mit einer Bekannten namens XXXX gelebt, deren Familiennamen sie nicht wisse. Die BF habe alleine gewohnt, aber die Bekannte habe ihr bei den alltäglichen Dingen geholfen. Die BF habe in XXXX viele Bekannte und über diese habe sie XXXX kennengelernt. Ihre Mutter sei XXXX Jahre vor ihrer Einreise in Österreich weggegangen. Die BF sei zuletzt am XXXX in einem Krankenhaus gewesen. Auch nachdem ihre Mutter sie verlassen habe, sei die BF noch mehrmals umgezogen. Es habe Menschen gegeben, die für ihre Situation Verständnis gehabt und ihr geholfen hätten. Die BF habe aufgrund ihrer Krankheit keine Schule besuchen können und sei zuhause ohne Lehrer unterrichtet worden. Sie habe keine Zeugnisse bekommen. Sie habe nur einen russischen Inlandspass besessen, den sie mit XXXX Jahren erhalten habe. Den habe sie bei einem Amt bekommen, Genaueres könne sie nicht sagen. Der Schlepper habe ihr diesen Pass abgenommen. Sie habe nie einen Invaliditätsausweise erhalten bzw. beantragt, da dies ein zu langwieriges und kompliziertes Verfahren sei. Sie habe keine Zuwendungen in Russland erhalten. Zunächst habe ihre Mutter sie unterstützt, danach habe die BF selbst arbeiten müssen. Sie habe geputzt und Texte im Computer eingetippt. Sie habe verschiedene Arbeiten erledigt, dies aber nicht offiziell.

12. Mit Schreiben vom XXXX nahm die BF nach Gewährung schriftlichen Parteiengehörs zu ihrem aktuellen Gesundheitszustand Stellung.

13. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom XXXX wurde – unter Feststellung einer unbekannten Staatsangehörigkeit – der Antrag auf internationalen Schutz der BF gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 6 AsylG 2005 bezüglich des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 wurde der BF nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung gegen sie erlassen (Spruchpunkt III.). Schließlich wurde der BF eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für eine freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.).

14. Am XXXX erhob die BF binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde gegen diesen Bescheid und monierte die unterlassene Feststellung der Staatsangehörigkeit der BF.

15. Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Russisch durch, an welcher die BF und ihre Rechtsvertretung teilnahmen. Die BF wurde ausführlich zu ihrer Person, insbesondere zu ihrer Staatsangehörigkeit, und den Fluchtgründen befragt, und es wurde ihr Gelegenheit gegeben, die Fluchtgründe umfassend darzulegen, sich zu ihren Rückkehrbefürchtungen und der Integration im Bundesgebiet zu äußern, sowie zu den im Rahmen der Verhandlung in das Verfahren eingeführten und ihr mit der Ladung zugestellten Länderberichten zur Russischen Föderation Stellung zu nehmen. Die BF legte im Rahmen der mündlichen Verhandlung ein Konvolut an medizinischen Unterlagen (Beilage ./2) und Integrationsunterlagen (Beilage ./3) vor.

16. Mit Schriftsatz vom XXXX stellte das Bundesverwaltungsgericht eine Anfrage an die Botschaft der Republik Aserbaidschan hinsichtlich einer allfälligen aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit der BF.

Mangels Antwort übermittelte das Bundesverwaltungsgericht am XXXX der Botschaft der Republik Aserbaidschan ein Erinnerungsschreiben, das seinerseits unbeantwortet blieb.

17. Mit Schriftsatz vom XXXX gab das Bundesverwaltungsgericht der BF die Möglichkeit zur Stellungnahme binnen Frist zur gleichzeitig übermittelten Aktualisierung der Länderberichte zur Russischen Föderation. Die BF gab keine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Identität der BF steht nicht fest. Ihre Staatsangehörigkeit kann nicht festgestellt werden.

Die BF ist volljährig und im erwerbsfähigen Alter. Sie spricht Russisch. Sie hat XXXX Jahre die Grundschule besucht. Sie hat zumindest zeitweilig als Reinigungskraft gearbeitet und simple Computerarbeiten erledigt.

Die BF ist in XXXX in der ehemaligen aserbaidschanischen SSR als Teilrepublik der UdSSR geboren. Sie wurde vom XXXX bis XXXX , vom XXXX bis XXXX und vom XXXX bis XXXX stationär in verschiedenen Krankenhäusern in XXXX behandelt. Ihre weiteren Aufenthaltsorte können nicht festgestellt werden.

Die Eltern der BF sind geschieden. Der Aufenthaltsort der Familienangehörigen und der Verwandtschaft der BF kann nicht festgestellt werden. Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF keinen Kontakt zu ihrer Mutter hat.

Die BF ist ledig und kinderlos.

Die BF leidet seit ihrer Geburt unter einer beinbetonten spastischen Parese mit entsprechender Gehstörung. Im Jahr XXXX wurde in XXXX eine diesbezügliche Operation im Hüftbereich vorgenommen. Die BF leidet weiters an einer degenerativen Erkrankung der Wirbelsäule und acromioclavicularer Arthritis. Die BF verwendet einen Rollator. Es ist ihr möglich, ohne Rollator zu gehen, jedoch hinkt sie beim Gehen sehr stark und ihr Bewegungsablauf ist angesichts ihrer Behinderung eingeschränkt.

Sie ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Der BF droht keine an asylrelevante Merkmale anknüpfende, aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität und auch keine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität.

1.3. Die BF ist seit XXXX als Asylwerberin in Österreich aufhältig.

Die BF hat im XXXX die Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 bestanden. Die BF ist in der Lage, normale Alltagssituationen auf Deutsch zu meistern, kann sich jedoch nur in einem sehr einfachen Deutsch ausdrücken.

Die BF bezieht seit ihrer Einreise Leistungen aus der Grundversorgung. Die BF geht keiner beruflichen oder ehrenamtlichen Tätigkeit nach. Sie hat am Werte- und Orientierungskurs teilgenommen.

Die BF hat keine Verwandtschaft im Bundesgebiet. Sie ist mit einer österreichischen Familie befreundet, es besteht jedoch keine intensive Bindung. Darüber hinaus bestehen keine weiteren familiären oder sonstig verwandtschaftlichen bzw. familienähnlichen sozialen Bindungen der BF im Bundesgebiet.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Mangels Vorlage von unbedenklichen Dokumenten konnte die Identität der BF nicht bewiesen werden, weshalb hinsichtlich des Namens und des Geburtsdatums Verfahrensidentität vorliegt.

Die Staatsangehörigkeit der BF konnte aufgrund der nicht nachvollziehbaren Angaben der BF in Verbindung mit den amtswegig vorgenommenen Ermittlungen nicht festgestellt werden. Die BF erklärte zwar ihr gesamtes Verfahren hindurch, russische Staatsangehörige sein – obgleich sie in der Einvernahme vom XXXX die Frage nach dem Grund der Ausreise aus ihrem Heimatland offenkundig nicht auf die Russische Föderation, sondern auf Aserbaidschan bezog und in der Folge Aserbaidschan auch als ihr Heimatland bezeichnete (AS 69) – konnte dies jedoch nicht belegen. Sie habe nur einen russischen Inlandspass gehabt, welcher beim Schlepper verblieben sei (AS 7, 55, 433). Zum Erwerb dieses Inlandspasses konnte die BF keine plausiblen Angaben machen. So erklärte sie einerseits, dass sie den Pass mit Volljährigkeit erlangt habe (AS 67, 353), andererseits, dass ihre Mutter ihn für sie beantragt habe (AS 67). Auch gab sie einmal an, ihn mit 18 Jahren erhalten zu haben (AS 547), dann aber wieder schon mit 16 Jahren (AS 431, Verhandlungsprotokoll S. 8). Wie sie den Pass erlangt habe, konnte die BF im Wesentlichen nicht darlegen (AS 431 f). Auch gab die BF nicht an, ihren Inlandspass jemals erneuert zu haben. Die BF konnte ebenso wenig erklären, wann und auf welcher Basis sie die russische Staatsangehörigkeit erlangt habe (AS 67, 353). Insoweit sagte sie zudem aus, dass ihre Eltern aserbaidschanische Staatsangehörige seien (AS 67), meinte dann aber auch, dass ihre Mutter die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit bereits vor ihrer Geburt XXXX erlangt habe (AS 73), was jedoch angesichts der Mitgliedschaft der aserbaidschanischen SSR in der UdSSR zu jenem Zeitpunkt auszuschließen ist. Zwar brachte die BF vor, beinahe ihr gesamtes Leben bis zur Ausreise in XXXX gewohnt zu haben, konnte jedoch nur die letzte Wohnadresse angeben und im Übrigen weder andere Adressen noch sonst irgendwie geartete Angaben über ihre Wohnumgebung machen (AS 427 f). In diesem Zusammenhang brachte die BF zunächst vor, keine Freunde oder sonst Personen gehabt zu haben, die ihr geholfen hätten (AS 355), meinte an anderer Stelle jedoch wiederum, viele Bekannte gehabt zu haben (AS 429), wobei sie nochmals widersprüchlich eine Bekannte namens XXXX (oder XXXX ) durch die Bekannten kennengelernt habe (AS 429), andererseits jedoch umgekehrt die Bekannten durch die genannte Person kennengelernt zu haben (Verhandlungsprotokoll S. 10). Aber selbst zu ihrer letzten Wohnadresse machte die BF widersprüchliche Angaben, indem sie einerseits erklärte, dort die letzten ca. XXXX vor ihrer Ausreise mit ihrer Mutter gemeinsamen gelebt zu haben (AS 61 und 63), andererseits ihre Mutter aber bereits XXXX Jahre vor ihrer Ausreise sie verlassen hätte (AS 11, 61). An anderer Stelle wiederum führte die BF wiederum aus, die letzten ca. XXXX vor der Ausreise an jener Adresse gelebt zu haben – dies nicht mit ihrer Mutter, sondern mit der genannten Bekannten (AS 429). In der mündlichen Verhandlung auf diesen Widerspruch aufmerksam gemacht, meinte die BF letztlich, dass sie sich nicht erinnern könne (Verhandlungsprotokoll S. 9). Auch gab die BF an, bis zu ihrem XXXX . Lebensjahr im Krankenhaus verbracht zu haben (AS 7, 61, 63), konnte aber dem widersprechend nur drei stationäre Aufenthalte vom XXXX bis XXXX , vom XXXX bis XXXX und vom XXXX bis XXXX belegen (AS 361 ff), gab dann an, dass sie zwischendurch öfters den Wohnsitz gewechselt habe, ohne aber genauere Angaben machen zu können (AS 427), um schließlich wieder vorzubringen, dass sie die gesamte Zeit im Krankenhaus gewesen sei (Verhandlungsprotokoll S. 6). Schließlich machte die BF zu ihrem Schulbesuch widersprüchliche Angaben, indem sie zunächst erklärte, im Krankenhaus XXXX Jahre die Grundschule besucht zu haben und Zeugnisse zu besitzen, die sie vorlegen könne (AS 3, 63, 75, 355), dann aber wieder aussagte, zu Hause ohne Lehrer unterrichtet worden zu sein und nie ein Zeugnis bekommen zu haben (AS 431). In Gesamtbetrachtung war damit das Vorbringen der BF über ihre Staatsangehörigkeit und ihren Aufenthalt in keiner Form nachzuvollziehen. Die Auskunft des russischen Migrationsdienstes, dass weder eine russische Staatsangehörigkeit noch ein Wohnsitz der BF in der Russischen Föderation bestätigt werden könne (OZ 4 in W189 2009449-1), bestätigt zweifellos den Eindruck, dass die BF über ihre Staatsangehörigkeit unwahre Angaben machte. Aber auch eine allfällige aserbaidschanische Staatsangehörigkeit der BF qua Abstammung – die BF gab an, in XXXX geboren zu sein (AS 3) und dass, wenn auch unplausibel, ihre Mutter aserbaidschanische Staatsangehörige sei (s. oben) – war nicht zu verifizieren, da eine Antwort der Botschaft der Republik Aserbaidschan auf eine dementsprechende Anfrage des Bundesverwaltungsgerichts trotz Erinnerungsschreibens unbeantwortet blieb (OZ 11 und OZ 12). Ebenso bloße Spekulation wäre eine Staatenlosigkeit der BF infolge des Zerfalls der UdSSR, zumal die BF selbst erklärte, einen russischen Inlandspass besessen zu haben, und nicht ersichtlich ist, weshalb die BF respektive ihre Mutter sich nicht um den Erwerb einer Staatsangehörigkeit entsprechend den Normen der Nachfolgestaaten gekümmert hätten bzw. die BF wiederum auch nichts vorbrachte, was in diese Richtung deuten würde. Vielmehr ist aus dem gesamten Vorbringen der BF – auch in Bezug auf den Verbleib ihrer Mutter, welcher weiter unten noch zu würdigen ist – erkennbar, dass sie nicht wahrheitsgemäße Angaben macht und zumindest Teile ihrer wahren Identität und Lebensumstände zu verschleiern sucht. Da mangels Mitwirkung der BF auch die behördlichen Ermittlungen nicht auf eine bestimmte Staatsangehörigkeit schließen ließen, bzw. insbesondere die behauptete russische Staatsangehörigkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist, konnte die wahre Staatsangehörigkeit der BF nicht festgestellt werden und musste somit ungeklärt bleiben.

Dass die BF die russische Sprache beherrscht, ist angesichts der in dieser Sprache durchführten Befragungen unzweifelhaft. Obgleich die BF unterschiedliche Angaben dazu machte, wie sie die Grundschule besucht hat (s. oben), konnte im Zweifel doch zumindest festgestellt werden, dass sie XXXX Jahre Grundschule absolvierte, zumal dies der Schulpflicht entspricht. Ebenso wird im Zweifel der BF geglaubt, dass sie zumindest zeitweilig erwerbstätig war, indem sie als Reinigungskraft gearbeitet bzw. simple Computerarbeiten erledigt hat (AS 73, 435; Verhandlungsprotokoll S. 14), zumal dies nicht unplausibel ist.

Es hat sich kein Grund ergeben, am Geburtsort der BF in XXXX zu zweifeln, zumal dieser in der vorgelegten Krankengeschichte der BF erwähnt wird (AS 371). Die festgestellten stationären Spitalsaufenthalte der BF in XXXX ergeben sich im Zweifel ebenso aus den vorgelegten, authentisch wirkenden Kopien der ärztlichen Entlassungsberichte (AS 367 ff). Wie schon oben gewürdigt, können aber die weiteren Aufenthaltsorte der BF, zumal auch nach XXXX , aufgrund dieser nicht nachvollziehbaren Angaben nicht festgestellt werden.

Das Vorbringen der BF über die Scheidung ihrer Eltern, als sie noch ein kleines Kind war, wird mangels anderer Anhaltspunkte als glaubhaft betrachtet. Im Übrigen waren die Angaben der BF über ihre Angehörigen und ihre Verwandtschaft, insbesondere über ihre Mutter, nicht nachvollziehbar. So gab sie einerseits an, dass ihre Mutter wahrscheinlich zu ihrer Verwandtschaft nach XXXX gegangen sei (AS 65) und man vermutlich schon nach der BF suche (AS 61 f), andererseits aber, gar keine Verwandtschaft in XXXX zu haben (Verhandlungsprotokoll S. 6 f). Vor allen Dingen ist es völlig lebensfremd, dass ihre Mutter die BF alleine zurückgelassen habe, ohne ihr mitzuteilen, wohin sie gehe und wie sie sie erreichen könne, zumal die BF keinerlei ausschlaggebenden Grund für einen solchen radikalen Schnitt angeben konnte. Vielmehr gab die BF nicht nachvollziehbar an, dass ihre Mutter sie aufgrund ihres hohen Blutdrucks verlassen habe. Soweit die BF meinte, dass ihre Mutter deswegen nicht mehr arbeitsfähig gewesen sei und daher die Miete nicht bezahlen habe können, ist umso weniger nachvollziehbar, weshalb sie die BF nicht mitgenommen, sondern alleine zurückgelassen hätte (AS 63 f und 73). Es ist aus dem Vorbringen der BF augenscheinlich, dass sie auch hierzu nicht die Wahrheit angibt, sodass letztlich mangels Mitwirkung der Aufenthaltsort der Angehörigen und Verwandtschaft der BF ebenso wenig festgestellt werden konnte, wie, dass die BF keinen Kontakt zu ihrer Mutter hätte.

Dass die BF ledig und kinderlos ist, entspricht ihren glaubhaften Angaben.

Die Feststellungen über die körperlichen Erkrankungen der BF folgen aus den von ihr vorgelegten Befunden (AS 379 und 477). Dass sie einen Rollator verwenden, es ihr eingeschränkt aber auch möglich ist, ohne Rollator zu gehen, konnte in der mündlichen Verhandlung wahrgenommen werden (Verhandlungsprotokoll S. 14).

Dass die BF strafgerichtlich unbescholten ist, beruht auf einem eingeholten Auszug aus dem österreichischen Strafregister.

2.2. Die Feststellung, dass der BF keine Verfolgung droht, ergibt sich aus ihrem Vorbringen. So brachte sie in der Erstbefragung im Wesentlichen vor, dass sie nach Österreich gekommen sei, weil in Russland sehr harte Lebensbedingungen herrschen würden und sie dort nicht mehr überleben hätte können. Aufgrund ihrer Erkrankung sei sie von der Gesellschaft diskriminiert worden und habe nicht immer eine Arbeit finden können. Wenn sie eine Arbeit gefunden habe, habe es sich immer um Schwarzarbeit gehandelt (AS 11). In der Einvernahme vom XXXX erklärte sie hierzu, dass sie in XXXX keine Unterkunft und kein Geld gehabt habe und sie von den Menschen erniedrigt worden sei. Das bedeute, dass man in Russland schief angeschaut werde, wenn man eine Behinderung hat. Sonstige Fluchtgründe habe sie nicht. Sie hoffe, in Österreich wieder gesund zu werden (AS 69 f). Dem widersprechend führte die BF aber andererseits aus, dass sie sehr wohl eine Unterkunft gehabt habe und gearbeitet habe (AS 65), wodurch sie in der Lage gewesen sei, binnen eines Jahres einen Betrag von USD 1.000,- anzusparen (AS 73), das Geld somit offenkundig für den Lebensunterhalt ausgereicht hat. Vom einvernehmenden Referenten darauf hingewiesen, dass invalide Personen in Russland einen entsprechenden Ausweis beantragen können und dadurch Anspruch auf staatliche Unterstützung hätten, erklärte die BF in widersprüchlicher Weise einerseits, dass sie davon nicht gewusst habe, andererseits aber, dass sie eine solche Unterstützung nicht in Anspruch nehmen habe wollen respektive die Unterstützungsleistung zu niedrig sei, bzw. wiederum widersprüchlich, dass das Antragsverfahren zu kompliziert sei (AS 71). In der Einvernahme vom XXXX führte die BF sodann aus, dass sie in Russland keine Freunde und zu niemandem Kontakt habe (AS 355), um dem widersprechend in der Einvernahme vom XXXX auszusagen, dass sie in XXXX viele Bekannte gehabt habe (AS 429) und es Menschen gegeben habe, die ihr geholfen hätten, weil sie Verständnis für ihre Situation gehabt hätten (AS 431). In der mündlichen Verhandlung brachte die BF schließlich vor, dass sie weiterhin Bekannte habe, bei denen sie ihre Habseligkeiten hinterlegt habe und die ihr die vorgelegten russischen Krankengeschichten zugeschickt hätten (Verhandlungsprotokoll S. 6). In weiterer Folge bestätigte sie, dass von den Ausreisekosten in Höhe von USD 8.000,- eine dortige Bekannte ihr USD 7.000,- bezahlt habe, da sie selbst nur USD 1.000,- ansparen habe können. Es habe sich dabei nicht um ein Darlehen, sondern um eine Schenkung gehandelt (Verhandlungsprotokoll S. 10).

Auch wenn man das Vorbringen der BF als wahr unterstellt, brachte sie somit weder eine Verfolgung vor, noch konnte sie glaubhaft machen, dass es ihr an jeglicher Lebensgrundlage gefehlt hätte, zumal sie über viele Jahre hinweg Unterkunft und Arbeit hatte, welche ausreichte, um einen höheren Geldbetrag anzusparen, und sie darüber hinaus auch Bekannte hatte, welche sie – zumal mit einem sehr hohen Geldbetrag – unterstützten. Zudem verzichtete sie selbst darauf, staatliche Unterstützungsleistungen in Anspruch zu nehmen.

2.3. Die Feststellung zur Einreise und zum Aufenthalt der BF folgt aus dem insoweit unstrittigen Akteninhalt.

Die BF hat im Verfahren das Zeugnis über eine bestandene Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 vorgelegt (Beilage ./3) und die erkennende Richterin konnte sich in der mündlichen Verhandlung selbst von den festgestellten praktischen Deutschkenntnissen der BF überzeugen (Verhandlungsprotokoll S. 12 f).

Dass die BF seit ihrer Einreise von Leistungen aus der Grundversorgung lebt, stützt sich auf einem eingeholten Auszug aus dem Grundversorgungssystem. Dass sie keiner beruflichen oder ehrenamtlichen Tätigkeit nachgeht, hat sie selbst angegeben (Verhandlungsprotokoll S. 14). Sie hat eine Teilnahmebestätigung am Werte- und Orientierungskurs vorgelegt (Beilage ./3).

Die BF hat ebenso angegeben, in Österreich keine Verwandtschaft zu haben (Verhandlungsprotokoll S. 12) und lediglich mit einer österreichischen Familie befreundet zu sein (Verhandlungsprotokoll S. 15), wobei aus ihrem Vorbringen keine intensive Bindung zu dieser hervorgekommen ist.

Sonstige substantielle Anknüpfungspunkte hat die BF nicht vorgebracht.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt I. A)

3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling iSd. Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist demnach, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.“

Der zentrale Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK somit die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Zu fragen ist daher nicht danach, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

Das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ist ganzheitlich unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens zu würdigen (vgl. VwGH 26.11.2003, Ra 2003/20/0389).

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. VwGH 30.09.2015, Ra 2015/19/0066). Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass die BF bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung („Vorverfolgung“) für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher die BF im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass sie im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. des VwG) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 13.12.2016, Ro 2016/20/0005); die entfernte Gefahr einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr iSd Genfer Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

3.1.2. Wie sich aus den ausführlich gewürdigten Feststellungen ergibt, sind weder die Staatsangehörigkeit bzw. der Herkunftsstaat der BF feststellbar noch ist es ihr – selbst unabhängig davon – gelungen glaubhaft zu machen, ernsthaft von Verfolgung aus Konventionsgründen bedroht zu sein.

Die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten durch das BFA war daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides

3.2.1. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Kann der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden, ist gemäß § 8 Abs. 6 AsylG 2005 der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen. Diesfalls ist eine Rückkehrentscheidung zu verfügen, wenn diese gemäß § 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG nicht unzulässig ist.

Nach den Materialien zu § 8 Abs. 6 AsylG 2005 (vgl. RV 952 BlgNR XXII. GP, 38) wird nach dem Willen des Gesetzgebers für die Anwendung dieser Bestimmung darauf abgestellt, dass der Asylwerber nicht am Verfahren mitwirkt und offensichtlich einen unrichtigen Herkunftsstaat angibt, indem er seine Staatsangehörigkeit verschleiert (vgl. zu diesem Offensichtlichkeitskalkül auch Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 - Kommentar (2006), 281). Ein derart agierender Asylwerber solle keinen Vorteil gegenüber Asylwerbern haben, die ihrer Mitwirkungspflicht nachkommen und wahrheitsgemäß ihren Herkunftsstaat angeben. Die solcherart angesprochene Mitwirkungspflicht findet sich konkret in § 15 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 3 Z 4 AsylG 2005. Nach dieser Bestimmung hat der Asylwerber seine Staatsangehörigkeit bzw. seinen Herkunftsstaat über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. (VwGH 15.01.2009, 2007/01/0443).

Während die Materialien zu § 8 Abs. 6 AsylG 2005 (Hinweis RV 952 BlgNR XXII. GP, 38) lediglich darauf abstellen, dass der Asylwerber offensichtlich einen unrichtigen Herkunftsstaat angibt, und damit seine wahre Staatsangehörigkeit verschleiert, geht der Wortlaut dieser Bestimmung über dieses (allein auf das Vorbringen des Asylwerbers abstellende) Offensichtlichkeitskalkül hinaus. Durch die Wortfolge „Kann der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden“ wird nämlich als Voraussetzung für eine Abweisung nach § 8 Abs. 6 und eine damit verbundene Ausweisung normiert, dass durch die Asylbehörde dessen wahrer Herkunftsstaat nicht festgestellt werden kann. Nach dieser Rechtslage darf sich die Asylbehörde bei Anwendung des § 8 Abs. 6 AsylG 2005 nicht in jedem Fall darauf zurückziehen, dass der Asylwerber offensichtlich einen unrichtigen Herkunftsstaat angibt und somit seine wahre Staatsangehörigkeit verschleiert. Sie hat vielmehr den wahren Herkunftsstaat des Asylwerbers dann von Amts wegen festzustellen, wenn ihr dies auf Grund konkreter Anhaltspunkte im Verfahren auch ohne Mitwirkung des Asylwerbers möglich ist (vgl. hiezu die zu den Grenzen der Mitwirkungspflicht in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), 575ff wiedergegebene Rechtsprechung) (VwGH 15.01.2009, 2007/01/0443).

Um welche Anhaltspunkte für die Ermittlung der Staatsangehörigkeit bzw. des Herkunftsstaates es sich dabei handeln kann, richtet sich vor dem Hintergrund der jeweils einschlägigen völkerrechtlichen und nationalstaatlichen staatsbürgerschaftsrechtlichen Regelungen nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls, wobei neben Personaldokumenten, die einen Aufschluss über die Staatsangehörigkeit geben, insbesondere der Geburtsort und die Abstammung in Betracht kommen (VwGH 18.12.2020, Ra 2020/19/0030).

Wie in den Feststellungen und der Beweiswürdigung ausgeführt, war die Feststellung des wahren Herkunftsstaates der BF nicht möglich. Zwar behauptete die BF durchwegs, russische Staatsangehörige zu sein, doch konnte weder die Staatsangehörigkeit noch der Aufenthalt der BF in der Russischen Föderation durch die russischen Behörden bestätigt werden. Weder legte die BF im Verfahren Dokumente und Urkunden über eine russische Staatsangehörigkeit vor, noch konnte sie deren Beantragung und einen durchgehenden Aufenthalt glaubhaft machen. Auf der anderen Seite war es der erkennenden Richterin auch nicht möglich, eine auf Basis ihrer angegebenen Abstammung nicht auszuschließende, allfällige aserbaidschanische Staatsangehörigkeit der BF zu verifizieren, da zum einen die Angaben der BF auch hierzu unplausibel waren, zum anderen eine Anfrage an die Botschaft der Republik Aserbaidschan bis dato unbeantwortet blieb und in Hinblick auf den verstrichenen Zeitraum auch nicht mit einer Rückmeldung zu rechnen ist. In Gesamtbetrachtung war somit die Staatsangehörigkeit der BF nicht feststellbar, wodurch ihr Herkunftsstaat ungeklärt blieb.

Aus diesem Grund war die vom BFA vorgenommene Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 6 AsylG 2005 nicht zu beanstanden.

3.3. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides

3.3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt (Z 1), wenn dies zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel notwendig ist (Z 2) oder wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z 3).

Der Aufenthalt der BF im Bundesgebiet ist nicht im Sinne der soeben dargelegten Bestimmung geduldet bzw. zur Gewährleistung einer Strafverfolgung erforderlich. Sie ist nicht Zeugin oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor und wurden weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet.

3.3.2. Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Die BF ist mangels geklärter Staatsangehörigkeit keine begünstigte Drittstaatsangehörige und es kommt ihr kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung ihres Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet. Gegenteiliges wurde von der BF auch nicht vorgebracht.

3.3.3. Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen: die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9).

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa wenn ein gemeinsamer Haushalt vorliegt.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden schwerer wiegen würden, als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

Die BF hat keine Verwandten oder sonstigen nahen Angehörigen in Österreich. Die Rückkehrentscheidung bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht der BF auf Schutz des Familienlebens.

Die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen könnten daher allenfalls lediglich in das Privatleben der BF eingreifen.

Unter dem Privatleben sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.6.2005, Fall Sisojeva ua, Appl 60.654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

In der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend zu werten, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (zuletzt etwa VwGH 17.11.2020, Ra 2020/10/0139).

Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Hervorgehoben wird hierbei, dass im Falle eines bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert wurde. Der Verwaltungsgerichtshof argumentierte im Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, „dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [..] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Im Erkenntnis vom 15.03.2016, 2016/19/0031 führte der VwGH aus, dass auch einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zukomme.

Die persönlichen Interessen nehmen zwar mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zu, die bloße Aufenthaltsdauer allein ist jedoch nicht maßgeblich, sondern ist vor allem anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren (VwGH 28.09.2020, Ra 2020/20/0348).

Eine Aufenthaltsdauer des Fremden bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Ausweisungsbescheides von etwa XXXX Jahren erweist sich nicht als so außergewöhnlich, dass ihm deshalb ein direkt aus Art. 8 MRK abgeleitetes Aufenthaltsrecht hätte zugestanden und deshalb von einer Ausweisung hätte Abstand genommen werden müssen (VwGH 23.11.2017, Ra 2015/22/0162).

Freundschaftliche Beziehungen des Fremden zu österreichischen Staatsangehörigen und zu in Österreich lebenden Landsleuten bewirken keine ins Gewicht fallende Verstärkung seiner persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet (VwGH 15.11.2005, 2003/18/0263).

Im konkreten Fall ist die BF seit fast XXXX Jahren in Österreich aufhältig, sodass ihrer Aufenthaltsdauer grundsätzlich bereits eine maßgeblich mitabzuwägende Bedeutung zukommt. Allein dies führt jedoch im Sinne der zitierten Rechtsprechung noch nicht automatisch zu einem Überwiegen der privaten Interessen der BF, sondern ist zu prüfen, inwieweit sie diese Zeit auch genutzt hat, sich zu integrieren.

Wiewohl die BF zuletzt eine Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 absolviert hat, stellt dies angesichts der langjährigen Aufenthaltsdauer – die BF benötigte immerhin rund XXXX Jahre für diese Prüfung – keine zielstrebige Integration dar, sodass insoweit nicht gesagt werden kann, dass sie ihren Aufenthalt in Österreich genutzt hat, um Sprachkenntnisse, welche gleichsam die Voraussetzung für eine soziale und berufliche Integration bilden, zu erwerben. Dies spiegelt sich in den in der mündlichen Verhandlung gezeigten, nur geringen praktischen Fähigkeiten der Verwendung der deutschen Sprache wieder, aus denen hervorgeht, dass die BF zwar wohl in der Lage ist, einfache Alltagssituationen zu meistern, eine – selbst einfache – Konversation mit ihr aber nicht möglich ist. In sozialer Hinsicht konnte die BF folglich lediglich unspezifisch dartun, mit einer österreichischen Familie befreundet zu sein, wobei aber keine besonders intensive Beziehung behauptet wurde. Sonstige Schritte einer sozialen Integration – etwa ehrenamtliche Tätigkeiten, Teilnahme am Dorf- und Vereinsleben, etc. – nahm die BF nicht vor. Die BF besuchte keine sonstigen Ausbildungsprogramme, geht keiner Erwerbstätigkeit nach, sondern bezieht seit ihrer Antragstellung Leistungen aus der Grundversorgung und ist sohin nicht selbsterhaltungsfähig. Wenn auch miteinzubeziehen ist, dass die BF durch ihre Erkrankung in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist, konnte die BF nicht damit überzeugen, ihren Aufenthalt in Österreich zu einer selbst geringen Integration genutzt zu haben, zumal anzumerken ist, dass die BF zum einen – gerade in Hinblick auf den Spracherwerb – geistig völlig gesund ist, zum anderen sie vorgebracht hat, vor ihrer Ausreise selbst durch Arbeiten für ihren Lebensunterhalt gesorgt zu haben, sie somit in ihren Fortbewegungsmöglichkeiten nicht völlig eingeschränkt ist.

Darüber hinaus wird das Privatleben der BF in Österreich im Sinne der zitierten Rechtsprechung dadurch relativiert, dass die BF sich ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste. Sie hat ihren Aufenthalt nur auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantrag gestützt, da sie zum einen schon keine asylrelevanten Fluchtgründe vorbrachte, sondern sich allein ein angenehmeres Leben in Österreich erhoffte, zum anderen nicht maßgeblich an der Klärung ihrer eigenen Identität mitwirkte, weshalb sie nicht auf einen positiven Abschluss des gegenständlichen Verfahrens vertrauen konnte, zumal ihr Antrag bereits im Jahr XXXX in Bezug auf die von ihr behauptete russische Staatsangehörigkeit erstinstanzlich abgewiesen wurde.

Das Ausmaß der Bindungen der BF zu ihrem Herkunftsstaat konnten angesichts der ungeklärten Staatsangehörigkeit wie auch des ungeklärten Aufenthalts der BF vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet in die Interessensabwägung nicht einbezogen werden.

Dass die BF in Österreich strafgerichtlich unbescholten ist, vermag weder ihr persönliches Interesse an einem Aufenthalt in Österreich zu stärken, noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (VwGH 19.04.2012, 2011/18/0253).

Daher ist davon auszugehen, dass die Interessen der BF an einem Verbleib im Bundesgebiet nur ein geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten (VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251).

Der BF kommt auch kein Aufenthaltsrecht nach einem anderen Bundesgesetz zu.

Folglich ist der belangten Behörde beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zulässt, dass der angefochtene Bescheid einen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben darstellt.

Die Verhältnismäßigkeit der Verhängung der seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet ist. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist daher im vorliegenden Fall zulässig, im Hinblick auf die Ziele des Art. 8 EMRK geboten und auch nicht unverhältnismäßig.

Da der Herkunftsstaat der BF nicht festgestellt werden kann, war gemäß § 8 Abs. 6 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung aus dem Bundesgebiet zu verfügen und hatte gleichzeitig ein Ausspruch nach § 52 Abs. 9 FPG zu unterbleiben.

3.3.4. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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