Entscheidungsdatum
27.09.2021Norm
BFA-VG §9Spruch
I403 2241095-1/39E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Tschechien, vertreten durch die "BBU GmbH", Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.02.2021, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.06.2021 und am 23.09.2021, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Tschechien, ist seit 09.03.2018 durchgehend in Österreich hauptgemeldet.
Am 28.05.2018 wurde ihr seitens des Magistrats der Landeshauptstadt Linz eine Anmeldebescheinigung zum Aufenthaltszweck "Arbeitnehmer" ausgestellt.
Mit Schriftsatz des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) vom 05.11.2020 ("Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme") wurde der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht, dass beabsichtigt werde, gegen sie eine Ausweisung, in eventu ein Aufenthaltsverbot zu erlassen und ihr ein Fragenkatalog hinsichtlich ihrer persönlichen und familiären Verhältnisse in Österreich übermittelt, wobei ihr eine Frist von vierzehn Tagen ab Zustellung eingeräumt wurde, um diesbezüglich eine Stellungnahme bei der belangten Behörde einzubringen. Die Beschwerdeführerin machte von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch und ließ die Frist zur Einbringung einer Stellungnahme ungenützt verstreichen.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 08.02.2021 wurde die Beschwerdeführerin „gemäß § 66 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF iVm § 55 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (NAG) idgF“ aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.). „Gemäß § 70 Abs. 3 FPG“ wurde ihr ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.). Inhaltlich wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei in Österreich weder Arbeitnehmerin noch Selbständige und verfüge angesichts ihres Bezuges von Notstands- und Überbrückungshilfe über keine ausreichenden Existenzmittel, sodass ihr kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht für mehr als drei Monate zukomme.
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht mit 30.03.2021 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Es wurde vorgebracht, die Behörde hätte richtigerweise feststellen müssen, dass es sich bei Notstandshilfe um keine Sozialhilfeleistung, sondern um eine Versicherungsleistung (aus der Arbeitslosenversicherung) handle und diese somit als Einkommen zu werten sei. Die Beschwerdeführerin lebe mit ihren drei Kindern mietfrei bei ihrer Mutter in Österreich, werde von dieser und ihrer Schwester finanziell unterstützt und verfüge zusammen mit ihrem Bezug von Notstandshilfe sowohl über ausreichende Existenzmittel als auch über einen Krankenversicherungsschutz, sodass ihr nach wie vor ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukomme.
Am 17.06.2021 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit der Beschwerdeführerin sowie ihrer Rechtsvertretung abgehalten und hierbei die gegenständliche Beschwerdesache erörtert. Ihr Lebensgefährte wurde als Zeuge befragt. Die belangte Behörde entsendete keinen Vertreter.
Die Verhandlung wurde am 23.09.2021 nach Einholung einer Stellungnahme der Kinder- und Jugendhilfe fortgesetzt, wobei die Beschwerdeführerin (ebenso wie die belangte Behörde) auf eine Teilnahme verzichtete und nur ihre Rechtsvertretung entsandte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Tschechien und somit EWR-Bürgerin. Ihre Identität steht fest. Sie stammt aus XXXX . Ihre Eltern und sonstige Verwandte leben in Tschechien.
Die Beschwerdeführerin zog im März 2018 in das Bundesgebiet. Sie ging in Österreich von 20.03.2018 bis 19.04.2018, von 23.05.2018 bis 15.06.2018, von 09.07.2018 bis 20.07.2018 sowie für einen Tag am 19.03.2019 jeweils angemeldeten Erwerbstätigkeiten als Arbeiterin nach. Die Beschwerdeführerin konnte allerdings nicht nachhaltig Fuß am österreichischen Arbeitsmarkt fassen. Ab 20.07.2018 war sie (mit Ausnahme des 19.03.2019) nicht mehr erwerbstätig und bezog sie ab Oktober 2018 Arbeitslosengeld und Notstands- bzw. Überbrückungshilfe. Von Dezember 2019 bis Juli 2020 bezog sie Krankengeld, seither wieder Notstands- bzw. Überbrückungshilfe. Seit 21.09.2021 ist sie in einem Ausmaß von 20 Wochenstunden bei einem Reinigungsunternehmen angestellt.
Die Beschwerdeführerin hat Schulden in der Höhe von 10.000 Euro, ihr Lebensgefährte in der Höhe von 4.000 Euro.
Die Beschwerdeführerin hat eine Beinlängendifferenz und unterzog sich deswegen am 12.11.2020 in Prag einer Operation. Sie hinkt beim Gehen.
Einige Monate nach der Beschwerdeführerin kamen ihr Lebensgefährte XXXX und die drei gemeinsamen Kinder (geb. XXXX .2010, XXXX .2013 und XXXX .2017; IFA-Zl.en XXXX , XXXX und XXXX ) im Jahr 2018 nach Wien nach. Die Kinder blieben bei der Beschwerdeführerin, ihr Lebensgefährte, mit dem sie seit 14 Jahren eine Beziehung führt, kehrte aber immer wieder nach Tschechien zurück. Die Beschwerdeführerin und ihre drei Kinder waren ab 13.07.2018 in einer Unterkunft der "Neuen Heimat XXXX " gemeldet, lebten teilweise aber auch bei der Mutter der Beschwerdeführerin, welche inzwischen aber wieder nach Tschechien zurückgekehrt ist. Die Schwester der Beschwerdeführerin (IFA-Zl. XXXX ) und deren Kinder leben ebenfalls im Bundesgebiet.
Mit 31.03.2021 wurde die Beschwerdeführerin aus ihrer Unterkunft der "Neuen Heimat XXXX " delogiert, da sie mit der Miete im Rückstand war.
Die Familie wurde seit 2018 gelegentlich von der Kinder- und Jugendhilfe betreut, seit Jänner 2021 besteht ein regelmäßiges Betreuungsverhältnis mit einem monatlichen Kontakt. Daneben finden ein telefonischer Austausch und ein Austausch per Mail statt. Aufgrund der Delogierung wurde die Familie (zusammen mit dem Lebensgefährten XXXX ) am 14.04.2021 mithilfe der Kinder- und Jugendhilfe in einem betreuten Wohnhaus für Familien in Krisenzeiten untergebracht, wo sie bis 30.09.2022 leben kann. Ein Teil der Wohnkosten wird von Seiten der Kinder- und Jugendhilfe übernommen. Ziel der Maßnahme ist es, eine Fremdunterbringung der drei Kinder zu verhindern.
XXXX hielt sich bereits ab 2018 immer wieder im Bundesgebiet auf: So war er auch bereits vom Juni 2018 bis August 2019 im Bundesgebiet gemeldet gewesen, allerdings größtenteils an einer anderen Adresse als die Beschwerdeführerin. In diesem Zeitraum war er über Personalleasingunternehmen immer wieder für einzelne Tage angestellt gewesen, zuletzt von 07.06.2019 bis 25.10.2019 auch für vier Monate (wobei er in der zweiten Hälfte dieses Zeitraums gar nicht mehr im Bundesgebiet gemeldet war). Tatsächlich scheint er das Bundesgebiet immer nur kurz verlassen zu haben, war er doch von 03.03.2020 bis 25.08.2020 wieder über ein Personalleasingunternehmen angestellt – auch in diesem Zeitraum allerdings größtenteils, ohne einen Wohnsitz in Österreich gemeldet zu haben. Ab 22.06.2020 war er dann wieder im Bundesgebiet gemeldet, jedoch ohne Beschäftigungsverhältnis. Allerdings beging er im Herbst 2020 gemeinsam mit der Beschwerdeführerin Straftaten im Bundesgebiet. In der Folge war er wieder von 22.06.2021 bis 16.07.2021 im Wege eines Personalüberlassungsunternehmens als Schlosserhelfer beschäftigt. Seit 22.09.2021 und damit seit wenigen Tagen befindet er sich wieder in einem Anstellungsverhältnis.
Am 28.05.2018 wurde der Beschwerdeführerin seitens des Magistrats der Landeshauptstadt XXXX eine Anmeldebescheinigung zum Aufenthaltszweck "Arbeitnehmer" ausgestellt. Die Kinder der Beschwerdeführerin halten sich ebenfalls auf Grundlage von Anmeldebescheinigungen rechtmäßig in Österreich auf (zum Aufenthaltszweck "Familienangehöriger"). Die beiden älteren Kinder besuchen in Österreich die Schule und sind gut integriert; sie spielen unter anderem in einem Fußballverein. Ihre jüngste Tochter besucht seit diesem Schuljahr den Kindergarten. Der 2010 geborene Sohn der Beschwerdeführerin leidet an ADHS, einer Entwicklungsstörung und einer niederen Intelligenz. Er zeigt Auffälligkeiten im Verhalten, besonders in der Schule, hat aber mit einer medikamentösen Therapie begonnen. Er hat besonders viel Kontakt mit Cousins, die ebenfalls in Österreich leben. Die Kinder haben als Muttersprache Tschechisch, haben aber durch Kindergarten bzw. Schule Deutsch gelernt. Auch die Beschwerdeführerin spricht ausreichend Deutsch, um sich im Alltag verständigen zu können.
Die Kinder- und Jugendhilfe beschreibt die Beziehung zwischen den Kindern und der Beschwerdeführerin als sehr gut. Allerdings ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin ihre Kinder teilweise in die Begehung strafbarer Handlungen einband, wodurch sich die LPD XXXX zu einer Meldung an die Kinder- und Jugendhilfe veranlasst sah.
1.2. Zur von der Beschwerdeführerin ausgehenden Gefährdung
Die Beschwerdeführerin wurde in ihrem Herkunftsstaat Tschechien insgesamt sechsmal verurteilt: Am 19.11.2007 wegen eines Eigentumsdelikts zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten, am 13.07.2009 wiederum wegen eines Eigentumsdelikts zu einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten, am 25.05.2016 wegen eines Eigentumsdelikts zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten, am 14.07.2015 wegen eines Eigentumsdelikts zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten, am 21.12.2015 wegen Behinderung der Justiz zu einer Geldstrafe und gemeinnütziger Arbeit und am 25.09.2020 wiederum wegen Behinderung der Justiz zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten.
Die Beschwerdeführerin schloss sich in Österreich zwischen dem 15.01.2020 und dem 21.12.2020 mit ihrer Schwester, ihrem Lebensgefährten, der zwischen 2007 und 2020 insgesamt zwölfmal in Tschechien verurteilt worden war, und einem unbekannten Täter zu einer kriminellen Vereinigung zusammen, die sich durch gewerbsmäßigen Ladendiebstahl ein Einkommen zu verschaffen versuchte. Die Diebstähle wurden in den meisten Fällen mit mehreren Tätern begangen. Dazu wurde ein Rollstuhl und/oder Einkaufstrolli benutzt. Diese wurden befüllt und anschließend wurde das Geschäft verlassen ohne zu bezahlen. Es saß nicht immer die gleiche Person im Rollstuhl und wurde dieser von keinem/r der TäterInnen benötigt.
Konkret wurden die folgenden Taten von der Beschwerdeführerin begangen:
Am 15.01.2020 versuchte die Beschwerdeführerin in einem Elektromarkt ein Glätteisen zu stehlen. Die Staatsanwaltschaft XXXX trat am 06.02.2020 vorläufig von der Verfolgung zurück.
Am 14.05.2020 stahl die Beschwerdeführerin Kleidungsstücke, indem sie diese unter ihrer Jacke anzog und das Geschäft verließ.
Danach versuchte sie am 16.06.2020 gemeinsam mit ihrer Schwester und einer unbekannten Mittäterin einen Ladendiebstahl zu begehen, indem die Beschwerdeführerin in einem Rollstuhl saß, gestohlene Waren unter der Decke auf ihren Füßen und in einem am Rollstuhl hängenden Rucksack versteckte und mit diesen gestohlenen Waren durch den Kassabereich geschoben wurde. Trotz der darauf folgenden Anhaltung durch die Polizei versuchte sie bereits wieder am 23.06.2020, wiederum gemeinsam mit einer Schwester und einem Mittäter, und im Beisein zweier ihrer Kinder, einen Ladendiebstahl zu begehen. Sie verhielt sich bei ihrer Anhaltung äußerst unkooperativ und aggressiv. Auch hier benützte die Beschwerdeführerin einen Rollstuhl, den sie eigentlich nicht benötigte, sondern zum Verstecken der Ware benützte. Neben dem Umstand, dass der neuerliche Diebstahlsversuch nur sieben Tage, nachdem sie erwischt und von der Polizei vernommen wurde, erfolgte, kommt erschwerend hinzu, dass beim Diebstahlsversuch am 23.06.2020 auch zwei ihrer Kinder anwesend waren.
Am 30.12.2020 wurde sie von einem Bekannten gemeinsam mit ihren Kindern von Tschechien nach Wien mitgenommen und nahm ohne dessen Erlaubnis die Fahrzeugschlüssel an sich und fuhr mit ihren drei Kindern mit dessen Fahrzeug weg – ohne im Übrigen auch im Besitz eines Führerscheins zu sein. Als sie von der Polizei angehalten wurde, verhielt sich die Beschwerdeführerin auch hier sehr unkooperativ und aggressiv und schrie herum. Sie belog die Beamten zunächst und erklärte, dass das Auto ihrer Schwester gehöre. Zudem behauptete sie, gar nicht gefahren zu sein und beschuldigte sie die Polizeibeamten, welche sie beim Aussteigen gesehen hatten, zu lügen. Insgesamt machte sie sich über das Einschreiten der Polizei lustig bzw. und meinte sie, dass ihr eine Anzeige egal sei.
Am 18.09.2020 und am 02.10.2020 entwendeten die Beschwerdeführerin, ihr Lebensgefährte und ein dritter Täter Spirituosen aus einem Supermarkt. Beim Versuch am 09.10.2020 in einem Supermarkt Lebensmittel zu stehlen, wurden sie vom Marktleiter auf frischer Tat betreten, wobei der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin versuchte, den Marktleiter mit dem Rollstuhl zu „rammen“. Auch am 21.12.2020 versuchten die Beschwerdeführerin und ihr Lebensgefährte Lebensmittel zu stehlen, indem sie die Waren in einem mitgebrachten Rollstuhl „verstauten“. Bei einer darauffolgenden Durchsuchung in der Wohnung der Beschwerdeführerin wurden Gegenstände in Originalverpackungen gefunden, wobei der Verdacht besteht, dass es sich dabei um Diebesgut handelte. Der Rollstuhl wurde ebenso sichergestellt.
Die Beschwerdeführerin wurde mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 09.06.2021, rechtskräftig am 15.06.2021, Zl. XXXX , wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Stgb zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 6 Wochen unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt. Dem lagen die oben geschilderten Diebstähle bzw. versuchten Diebstähle am 15.01.2020, am 16.06.2020 und am 23.06.2020 zugrunde. Bei der Strafbemessung wurden mildernd das Geständnis, der Versuch und die objektive Schadensgutmachung und erschwerend die drei einschlägigen Vorstrafen und die Tatwiederholung gewertet.
Kurz nach dieser Verurteilung entwendete die Beschwerdeführerin am 23.06.2021 gemeinsam mit ihrer Schwester und im Beisein zweier Kinder aus zwei Geschäften insgesamt 4 Bikinis, eine Wasserpistole und zwei Paar Hausschuhe.
Die Beschwerdeführerin wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 21.07.2021, rechtskräftig am 27.07.2021, Zl. XXXX wegen des Vergehens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 (1) erster Fall Stgb, § 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren und zu einer Geldstrafe von 720 Euro verurteilt. Dem lagen die oben geschilderten Diebstähle bzw. versuchten Diebstähle am 18.09.2020, am 02.10.2020, am 09.10.2020 und am 21.12.2020 zugrunde. Bei der Strafbemessung wurden mildernd das Geständnis und die objektive Schadensgutmachung durch Rückgabe der gestohlenen Waren und erschwerend das verwendete Tatmittel, der rasche Rückfall und die einschlägigen Vorstrafen gewertet. Ihr Lebensgefährte wurde im gleichen Verfahren zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 14 Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren und zu einer Geldstrafe von 1.260 Euro verurteilt.
Überdies wurde die Beschwerdeführerin seitens des Strafamtes der LPD XXXX mehr als 30 Mal wegen Verwaltungsstraftaten zur Anzeige gebracht, unter anderem wegen des Lenkens eines Fahrzeuges ohne Lenkerberechtigung oder wegen Ruhestörung und aggressivem Verhaltens gegenüber Beamten.
Das Bild der Beschwerdeführerin als eine notorische Straftäterin ohne Respekt vor Behörden und dem Rechtsstaat ergibt sich einerseits aus der Vielzahl an Verurteilungen, dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin während des laufenden Ausweisungsverfahrens weiterhin straffällig wurde und den konkreten Tatumständen. So schreckte sie etwa nicht davor zurück, im Beisein ihrer Kinder Ladendiebstähle zu begehen oder einen Rollstuhl zur Tatausübung heranzuziehen. Auch die Sicherheitsorgane der LPD XXXX wiesen in ihren Abschlussberichten jeweils auf die Uneinsichtigkeit und das aggressive Verhalten der Beschwerdeführerin hin.
Es ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin innerhalb von kurzer Zeit erneut straffällig werden wird.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Überdies wurde Beweis aufgenommen durch die Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 17.06.2021 in Anwesenheit der Beschwerdeführerin sowie ihrer Rechtsvertretung und ihres Lebensgefährten (als Zeugen) und einer Fortsetzung der Verhandlung am 23.09.2021, zu welcher die Beschwerdeführerin allerdings nicht erschien.
2.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Die Identität der Beschwerdeführerin steht aufgrund ihres vor der Melde- und Niederlassungsbehörde in Vorlage gebrachten tschechischen Personalausweises Nr. XXXX fest.
Die gesundheitlichen Einschränkungen der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung.
Die Feststellungen zum Aufenthalt der Beschwerdeführerin, ihrer drei minderjährigen Kinder, ihrer Mutter und ihrer Schwester im Bundesgebiet auf Grundlage von Anmeldebescheinigungen ergibt sich aus einer Abfrage im Informationsverbund zentrales Fremdenregister.
Die Feststellungen bezüglich der Wohnsitzmeldungen der Beschwerdeführerin, ihrer drei Kinder und ihrer Mutter ergeben sich aus einer Abfrage im zentralen Melderegister der Republik. Dass die Beschwerdeführerin an ihrer Meldeadresse mehrfach behördlich nicht angetroffen werden konnte und entgegen ihrer Wohnsitzmeldung mit den Kindern bei ihrer Mutter gelebt hat, ergibt sich aus einer im Akt enthaltenen Korrespondenz zwischen der örtlichen Polizeiinspektion und er belangten Behörde. Dass die Beschwerdeführerin mit 31.03.2021 aus ihrer Unterkunft der "Neuen Heimat XXXX " delogiert wurde, ergibt sich aus einem E-Mail der "Neuen Heimat XXXX " an das Bundesverwaltungsgericht vom 15.04.2021. Dass die Beschwerdeführerin mit ihren Kindern nicht in ihrer angemieteten Wohnung der "Neuen Heimat XXXX ", sondern – wenngleich sie dort niemals aufrecht gemeldet waren – bei ihrer Mutter gelebt hat, wird überdies ausdrücklich im Beschwerdeschriftsatz eingeräumt.
Die Schulden der Beschwerdeführerin und ihres Lebensgefährten ergeben sich aus dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom 21.07.2021, rechtskräftig am 27.07.2021, Zl. XXXX .
Dass die Kinder der Beschwerdeführerin in Österreich die Schule bzw. eine Kinderbetreuungseinrichtung besuchen, ergibt sich aus den vorgelegten Schulbesuchsbestätigungen bzw. einer Bestätigung des Betreibers der Kinderbetreuungseinrichtung.
Die Feststellungen zur Maßnahme der Kinder- und Jugendhilfe und zu den Betreuungszielen ergeben sich aus einem „Hilfeplan“ vom 23.03.2021. Die Feststellungen zu den Kindern der Beschwerdeführerin ergeben sich aus einer Stellungnahme der Kinder- und Jugendhilfe vom 16.06.2021 und einer ergänzenden Stellungnahme vom 08.09.2021.
Die Diagnosen betreffend den Sohn der Beschwerdeführerin ergeben sich aus einem Befund eines Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie vom 30.04.2021.
Die Versicherungszeiten der Beschwerdeführerin als angemeldete Arbeiterin in Österreich sowie die Zeiten ihres Bezugs von Arbeitslosengeld, Krankengeld sowie Notstands- bzw. Überbrückungshilfe ergeben sich aus einer Abfrage im Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger. Ihre aktuelle Anstellung ergibt sich aus dem vorgelegten Dienstvertrag. Ebenso wurden die entsprechenden Auszüge hinsichtlich ihres Lebensgefährten eingeholt.
Dass die LPD XXXX wegen der Einbindung der Kinder in die strafbaren Handlungen eine Meldung an die Kinder- und Jugendhilfe erstattete, ergibt sich aus dem Abschlussbericht vom 05.02.2021.
2.2. Zur von der Beschwerdeführerin ausgehenden Gefährdung:
Die strafgerichtlichen Verurteilungen der Beschwerdeführerin und ihres Lebensgefährten in Tschechien ergeben sich aus einer ECRIS-Abfrage.
Die strafgerichtlichen Verurteilungen der Beschwerdeführerin und ihres Lebensgefährten im Bundesgebiet ergeben sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich; die den Verurteilungen zugrundeliegenden Straftaten ergeben sich aus den Strafurteilen (hinsichtlich der Beschwerdeführerin das Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 09.06.2021, rechtskräftig am 15.06.2021, Zl. XXXX ; hinsichtlich der Beschwerdeführerin und ihrem Lebensgefährten das Urteil des Landesgerichts XXXX vom 21.07.2021, rechtskräftig am 27.07.2021, Zl. XXXX ). Ihr unkooperatives Verhalten gegenüber den Sicherheitsorganen und die Anwesenheit ihrer Kinder bei der Begehung mancher Straftaten ergeben sich aus den jeweiligen Abschlussberichten.
Dass die Beschwerdeführerin am 15.01.2020 versuchte, in einem Elektromarkt ein Glätteisen zu stehlen, ergibt sich aus einem Abschlussbericht der LPD XXXX vom 18.01.2020; dass die Staatsanwaltschaft Linz vorläufig von der Verfolgung zurücktrat, ergibt sich aus einer Verständigung der StA XXXX vom 06.02.2020, Zl. XXXX .
Dass die Beschwerdeführerin keinen Rollstuhl benötigte, sondern diesen nur zum Verstecken des Diebesguts benützte, ergibt sich unter anderem aus dem Abschlussbericht der LPD XXXX vom 05.02.2021.
Dass die Beschwerdeführerin am 23.06.2021 wieder gemeinsam mit ihrer Schwester einen Diebstahl beging, ergibt sich aus dem Anlassbericht der LPD XXXX vom 24.06.2021, wonach bei dem Diebstahl das Auto ihrer Schwester verwendet wurde und sowohl die Beschwerdeführerin wie auch ihre Schwester durch Zeugen eindeutig identifiziert wurden. Das Bundesverwaltungsgericht bot der Beschwerdeführerin durch die Anberaumung einer weiteren Verhandlung am 23.09.2021 die Gelegenheit dazu Stellung zu nehmen, doch verzichtete die Beschwerdeführerin darauf (indem sie der Verhandlung fernblieb) und konnte ihre Rechtsvertretung dazu nichts sagen. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass die Feststellungen im Anlassbericht der Wahrheit entsprechen.
Dass bei der Beschwerdeführerin kein Gesinnungswandel eingetreten ist, ergibt sich durch die Vielzahl an Straftaten und aus dem Umstand, dass sie in der Verhandlung am 17.06.2021 noch bestritt, die im Urteil des Landesgerichts XXXX vom 21.07.2021 festgestellten Straftaten begangen zu haben. Zudem erklärte sie in der Verhandlung auch, dass sie aus der Verurteilung am 15.06.2021 gelernt habe und keine Straftaten mehr begehen würde – tatsächlich beging sie bereits acht Tage später wieder einen Diebstahl. Für das Bundesverwaltungsgericht steht daher fest, dass die Beschwerdeführerin eine notorische Straftäterin ohne Unrechtseinsicht ist. Dies deckt sich auch mit den Eindrücken der Sicherheitsorgane: So verhielt sich die Beschwerdeführerin bei ihrer Personendurchsuchung am 23.06.2021 laut Abschlussbericht äußerst unkooperativ und aggressiv; so zog sie etwa ihr T-Shirt vor den Beamten aus und schrie: „Ich ficke eure Kollegen.“ Der handelnde Polizeibeamte hielt zur Beschwerdeführerin, ihrer Schwester und dem dritten Täter fest, dass sie alle äußerst uneinsichtig gewesen seien und der Eindruck vermittelt wurde, „dass sie von dem Strafverfahren und in weiterer Folge möglichen Strafverfolgung weitgehend unbeeindruckt waren. Daher hat es jedenfalls den Anschein, dass sich die drei Beschuldigten bis auf weiteres auch künftig nicht von derartigen Straftaten abhalten lassen“. Auch der Abschlussbericht der LPD XXXX vom 12.01.2021 zum unbefugten Gebrauch des Fahrzeugs eines Bekannten am 30.12.2020 zeigt, dass sie erstens bei ihrer Straftat wiederum ihre minderjährigen Kinder dabei hatte und dass sie sich zweitens unkooperativ gegenüber den Behörden verhält: „Die oa. Ausführungen des Vorfalles verdeutlichen, dass (die Beschwerdeführerin) die einschreitenden Beamten bei jeder sich bietenden Gelegenheit belügt und sich offenkundig über deren einschreiten lustig macht. Weiters respektiert (die Beschwerdeführerin) weder die österreichischen Gesetze noch die österreichischen Strafverfolgungsbehörden und tut dies auch offen kund. (Die Beschwerdeführerin) fällt laufend durch Verwaltungsübertretungen sowie durch Eigentumsdelikte auf. Wie schon in vorhergehenden Abschlussberichten angeführt wird abermals angemerkt, dass auch künftig davon ausgegangen werden muss, dass (die Beschwerdeführerin) weitere gerichtlich strafbare Handlungen sowie Verwaltungsübertretungen begehen wird.“
Auch der Aufenthalt ihres Lebensgefährten und ihrer Schwester im Bundesgebiet trägt nicht dazu bei, dass davon auszugehen ist, dass die Beschwerdeführerin in Zukunft von Straftaten absieht, waren doch beide ihre „Partner“ bei der Begehung von Diebstählen. Ihr Lebensgefährte wurde zwischen 2007 und 2020 insgesamt zwölfmal in Tschechien verurteilt, unter anderem wegen Betrug, Körperverletzung oder Behinderung der Justiz; er wurde auch zu Freiheitsstrafen verurteilt.
Dass überdies gegen die Beschwerdeführerin seitens des Strafamtes der LPD XXXX mehr als 30 Verstöße gegen das Verwaltungsstrafgesetz zur Anzeige gebracht wurden, ergibt sich aus den vom Strafamt der LPD XXXX dem Bundesverwaltungsgericht am 21.04.2021 übermittelten „Verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen“.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu den Rechtsgrundlagen:
Der mit "Ausweisung" betitelte § 66 FPG lautet:
„(1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.
(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.“
Der mit "Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate" betitelte § 51 NAG lautet:
„(1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;
2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder
3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.
(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er
1. wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;
2. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;
3. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder
4. eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.
(3) Der EWR-Bürger hat diese Umstände, wie auch den Wegfall der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs. 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen.“
Der mit "Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate" betitelte § 55 NAG lautet:
„(1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.
(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.
(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.
(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.
(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird.“
3.2. Zum Aufenthaltsrecht der Beschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Tschechien und damit EWR-Bürgerin iSd § 2 Abs. 4 Z 8 FPG bzw. des § 2 Abs. 1 Z 4 NAG. Sie hält sich seit dem 09.03.2018 durchgehend im Bundesgebiet auf.
Die belangte Behörde stützte die Ausweisung darauf, dass die Beschwerdeführerin in Österreich weder einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgeht (wodurch sie auf Grundlage des § 51 Abs. 1 Z 1 NAG zum Aufenthalt in Österreich berechtigt wäre) noch der Hauptzweck ihres Aufenthaltes eine Ausbildung iSd § 51 Abs. 1 Z 3 NAG ist noch über ausreichende finanzielle Mittel im Sinne des § 51 Abs. 1 Z 2 NAG verfügt. In der Beschwerde wurde dem entgegengehalten, dass die Beschwerdeführerin durch den Bezug von Notstandshilfe ausreichende Mittel habe, zumal sie von ihrem Lebensgefährten finanziell unterstützt werde. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der aktuellen Rechts- und Sachlage zu entscheiden hat, ist aber zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin seit wenigen Tagen (wenn auch zum ersten Mal seit Jahren) einer Erwerbstätigkeit nachgeht und somit den Tatbestand des § 51 Abs. 1 Z 1 NAG erfüllt.
Allerdings besteht auch dann kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht, wenn durch den Verbleib der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gegeben ist. Wie bereits dargelegt wurde, wurde die Beschwerdeführerin in Tschechien bereits sechsmal, in Österreich zweimal verurteilt. Sie gründete mit ihrem Lebensgefährtin und ihrer Schwester eine kriminelle Vereinigung, um Diebstähle zu begehen und schreckte auch nicht davor zurück, einen Rollstuhl als Werkzeug für die begangenen Taten zu verwenden und ihre minderjährigen Kinder mitzunehmen. Die Beschwerdeführerin zeigt insgesamt keinerlei Respekt vor dem österreichischen Rechtsstaat, was sich durch ihr aggressives Verhalten gegenüber Beamten, aber auch durch ihre Vielzahl an Verwaltungstrafen zeigt; unter anderem fuhr sie – ohne im Besitz eines Führerscheins zu sein – mit einem Auto (ohne Erlaubnis des Autobesitzers) und befanden sich dabei ihre minderjährigen Kinder im Auto. Eine Abwendung von kriminellen Taten ist bei der Beschwerdeführerin in naher Zukunft nicht zu erwarten, täuschte sie doch etwa in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht Reue vor, um nur wenige Tage später wieder gemeinsam mit ihrer Schwester einen Diebstahl zu begehen. Nachdem ihr Lebensgefährte und ihre Schwester die Taten mit der Beschwerdeführerin gemeinsam begingen, ist von dieser Seite keine Stabilisierung zu erwarten. Von der Beschwerdeführerin als notorische Straftäterin geht daher eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit aus.
Zum Entscheidungszeitpunkt liegen somit insgesamt die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht für mehr als drei Monate iSd § 51 NAG nicht vor.
Mangels eines über fünf Jahre rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet hat die Beschwerdeführerin auch kein Daueraufenthaltsrecht iSd § 53a Abs. 1 NAG erworben und erfüllt sie unstreitig auch nicht die Voraussetzungen des Abs. 3 leg. cit. für einen etwaigen Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt vor Ablauf der Fünfjahresfrist.
Die Ausweisung der Beschwerdeführerin nach § 66 Abs. 1 FPG in Verbindung mit § 55 Abs. 3 NAG erfolgte im gegenständlichen Fall somit dem Grunde nach zu Recht.
Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist eine gewichtende Gegenüberstellung der öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung mit dem persönlichen Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen. Dieses Interesse nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist jedoch nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung der besagten persönlichen Interessen ist aber auch auf die Auswirkungen, die eine Ausweisung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2011, 2010/18/0248).
Gemäß § 66 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt, wenn ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden soll, insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.
Eine nachhaltige Integration der Beschwerdeführerin in Österreich ist nicht gegeben bzw. würde eine solche durch ihr straffälliges Verhalten relativiert. Sie befindet sich seit etwa drei Jahren im Bundesgebiet und war in dieser Zeit immer nur für kurze Phasen beschäftigt. Sie spricht zwar Deutsch und hat Freunde im Bundesgebiet, doch reicht dies nicht aus, um ihr Interesse an einem weiteren Aufenthalt maßgeblich zu erhöhen. Auch wenn ihre Schwester im Bundesgebiet lebt, kann diese sie doch jederzeit in Tschechien besuchen, zumal die Beschwerdeführerin aus XXXX stammt, was nur etwa eine Stunde von Linz entfernt ist. Ihrem Lebensgefährten, der ebenfalls verurteilt wurde, steht es frei, die Beschwerdeführerin nach Tschechien zu begleiten.
Allerdings ist auch zu prüfen, welche Folgen eine Ausweisung der Beschwerdeführerin auf ihre drei Kinder hat. Aus Sicht der Kinder- und Jugendhilfe würde eine Ausweisung der Beschwerdeführerin das Kindeswohl gefährden, da die Kinder in XXXX gut integriert sind, hier die Schule besuchen und Freunde haben. Auch die Beschwerdeführerin selbst brachte in der Verhandlung am 17.06.2021 vor, dass eine Rückkehr nach Tschechien insbesondere für ihre Kinder schwer wäre, weil sie hier zur Schule gehen und Freunde gefunden haben. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass sich alle drei Kinder in einem anpassungsfähigen Alter befinden, Tschechisch als Muttersprache sprechen und – laut Stellungnahme der Kinder- und Jugendhilfe – ein enges und positives Verhältnis zu ihrer Mutter und ihrem Vater haben, so dass ihnen eine gemeinsame Rückkehr im Familienverbund zumutbar erscheint.
In diesem Zusammenhang ist auch auf die Rechtsprechung des EGMR im Fall Veljkovic-Jukic gegen die Schweiz vom 21.07.2020 (Nr. 59534/14) zu verweisen: Eine kroatische Staatsbürgerin, welche seit ihrem vierzehnten Lebensjahr gemeinsam mit ihrem Ehemann, einem Serben, und ihren drei Kindern in der Schweiz lebte, wurde wegen Suchtgifthandel zu einer Haftstrafe von 3 Jahren, davon 30 Monate bedingt, verurteilt. Die Schweiz verhängte eine aufenthaltsbeendende Maßnahme und ein Einreiseverbot von sieben Jahren. Dies wurde vom EGMR nicht als eine Verletzung des Art 8 EMRK angesehen, da es der Familie aufgrund des anpassungsfähigen Alters der Kinder (7, 11 und 13 Jahre) möglich sei, sich in Serbien, Bosnien und Herzegowina oder Kroatien ein neues Leben aufzubauen. Der EGMR sah auch unter Berücksichtigung des Kindeswohls keine Art. 8 EMRK Verletzung bei einem Umzug in den Herkunftsstaat, so dass dies gegenständlich auch nicht angenommen werden kann.
Die Kinder- und Jugendhilfe äußert in der Stellungnahme vom 08.09.2021 allerdings auch Bedenken, ob der Sohn der Beschwerdeführerin aufgrund seiner ADHS-Erkrankung in Tschechien medizinisch vom Facharzt begleitet werden könnte bzw. ob er eine eventuell notwendige besondere Unterstützung in der schule bekäme. Dem ist entgegenzuhalten, dass es der Beschwerdeführerin aufgrund der Nähe ihres Heimatortes XXXX zu Österreich möglich wäre, einen Arzt in Österreich aufzusuchen; zudem erhält ihr Sohn in erster Linie eine medikamentöse Unterstützung, welche auch in Tschechien fortgeführt werden könnte. Soweit die Kinder- und Jugendhilfe die Befürchtung äußert, der Sohn würde in Tschechien nicht ausreichend gefördert werden, ist zu bedenken, dass es sich bei Tschechien um einen Staat der Europäischen Union und Nachbarstaat Österreichs handelt, der sich ebenfalls der Inklusion und Förderung von Kindern mit besonderen Bedürfnissen verschrieben hat (vgl. zB Prager Zeitung, Wohlbehütet oder ausgegrenzt?, 08.06.2016, abrufbar unter https://www.pragerzeitung.cz/wohlbehuetet-oder-ausgegrenzt/; Zugriff am 27.09.2021; Lucie Procházková, Entwicklung der Zugänge zu Menschen mit Behinderung in der (heutigen) Tschechischen Republik, abrufbar unter https://soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/view/487/851; Zugriff am 27.09.2021).
In Tschechien verfügen die Beschwerdeführer über Verwandte. Die Mutter der Beschwerdeführerin ist dorthin zurückgekehrt. In der Verhandlung gab die Beschwerdeführerin an, nicht zu wissen, wo ihre Mutter leben würde und keinen Kontakt zu ihr zu haben, dem wurde aber von ihrem als Zeuge einvernommenen Lebensgefährten widersprochen. Selbst wenn die Mutter der Beschwerdeführerin, wie diese gegenüber der Kinder- und Jugendhilfe angab (Stellungnahme der KJH vom 08.09.2021), sich im Krankenstand befindet, kann sie doch bei einer Rückkehr eine Hilfestellung bieten, und sei es emotionaler Natur. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass in Österreich die Schwester der Beschwerdeführerin lebt und der Sohn der Beschwerdeführerin ein enges Verhältnis zu seinen Cousins hat, doch ist dem entgegenzuhalten, dass die Schwester der Beschwerdeführerin in die kriminelle Vereinigung eingebunden war und der Kontakt zu den Cousins durch gegenseitige Besuche aufrechterhalten werden kann. Die Distanz zwischen Linz und XXXX , woher die Beschwerdeführerin stammt, beträgt nur etwa 85 km bzw. eine Fahrzeit von knapp über einer Stunde.
Der mit der Erlassung einer Ausweisung verbundene Eingriff in ihr Privat- und Familienleben erweist sich daher grundsätzlich als verhältnismäßig. Allfällig damit verbundene Schwierigkeiten bei der Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse sind im öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit hinzunehmen.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher abzuweisen.
3.3. Zum Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
Trotz des Umstandes, dass von der Beschwerdeführerin eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgeht, kann in einer Abwägung mit der Notwendigkeit, einen – insbesondere im Interesse ihrer Kinder – geordneten Umzug nach Tschechien zu ermöglichen, ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat als gerechtfertigt angesehen werden.
Insofern war die Beschwerde auch hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Arbeitnehmer Aufenthaltsdauer Aufenthaltsrecht Ausweisung Ausweisung rechtmäßig Ausweisungsverfahren Diebstahl Durchsetzungsaufschub Einkommen Erwerbstätigkeit EU-Bürger EWR-Bürger Existenzminimum Gefährdung der Sicherheit Interessenabwägung Krankenversicherung mündliche Verhandlung Notstandshilfe öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen soziale Bedürftigkeit Straffälligkeit Überbrückungshilfe Unionsbürger Vermögensdelikt Verwaltungsstrafe Wiederholungsgefahr WiederholungstatenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I403.2241095.1.00Im RIS seit
19.01.2022Zuletzt aktualisiert am
19.01.2022