Entscheidungsdatum
07.10.2021Norm
ASVG §293Spruch
I403 2246483-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Kroatien, vertreten durch die "BBU GmbH", Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.08.2021, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Kroatien, ist seit 09.10.2017 durchgehend im Bundesgebiet hauptgemeldet.
Am 02.02.2018 stellte sie beim Amt der XXXX Landesregierung einen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung zur Dokumentation ihres unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts.
Mit Schreiben des Amtes der XXXX Landesregierung vom 14.11.2018 wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) zur Kenntnis gebracht, dass die Beschwerdeführerin ausgehend von ihren in Vorlage gebrachten Unterlagen eine monatliche Pension von umgerechnet 191,07 Euro erhalte und daher aufgefordert worden sei, Nachweise über weitere Existenzmittel sowie über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz zu erbringen. Es seien bislang lediglich Nachweise über ein bestehendes Aufenthaltsrecht ihrer Tochter sowie über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz nachgereicht worden, jedoch keine weiteren Einkommens- bzw. Vermögensnachweise. Da die Tochter der Beschwerdeführerin überdies ihren Lebensunterhalt über den Bezug der Mindestsicherung bestreite und daher offensichtlich nicht in der Lage sei, der Beschwerdeführerin Unterhalt zu leisten, würden die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nach § 51 NAG im Falle der Beschwerdeführerin nicht vorliegen und werde daher das BFA mit einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst.
Mit Schriftsatz der belangten Behörde vom 15.04.2020 ("Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme") wurde der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht, dass die Erlassung einer gegen sie gerichteten Ausweisung geprüft werde und ihr die Möglichkeit eingeräumt, hierzu sowie zu einem umfassenden Fragenkatalog hinsichtlich ihrer persönlichen und familiären Verhältnisse schriftlich Stellung zu beziehen.
Via E-Mail vom 14.05.2021 brachte die Beschwerdeführerin eine schriftliche Stellungnahme bei der belangten Behörde ein. Darin führte sie aus, sie halte sich seit Oktober 2017 in Österreich auf, wobei der einzige Zweck ihrer Einreise ihr „Familienkreis“ gewesen sei, insbesondere ihr Sohn sowie ihre Tochter, welche überdies alleinerziehende Mutter sei. Sie habe bislang in Tuzla im heutigen Bosnien und Herzegowina gelebt und dort im Jahr 1970 die Berufsschule für Elektrotechnik abgeschlossen, seit 01.10.2009 befinde sie sich in Altersrente. Ihren Lebensunterhalt bestreite sie durch den Bezug ihrer Altersrente sowie die finanzielle Unterstützung einer weiteren Tochter, welche in Frankreich lebe. Auch sei sie krankenversichert. Sie lebe nunmehr bei ihrer Tochter in XXXX in einer von dieser angemieteten Wohnung. Sie werde in ihrem Herkunftsstaat weder strafrechtlich noch politisch verfolgt. Sie strebe einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet an, da sich ihr Gesundheitszustand in den letzten Jahren verschlechtert habe. Auch benötige ihre Tochter als alleinerziehende Mutter ihre Unterstützung, während die Beschwerdeführerin ihrerseits auf die Unterstützung ihrer Tochter angewiesen sei. Dem Schreiben angeschlossen waren ein Kontoauszug der Beschwerdeführerin vom 07.05.2020, welcher einen Eingang in Höhe von 800 Euro von ihrer Tochter in Frankreich ausweist; ein Kontoauszug der Beschwerdeführerin vom 08.05.2020, welcher einen Eingang ihrer Rente aus Bosnien und Herzegowina in Höhe von 209,73 Euro ausweist; mehrere Kontoauszüge ihrer Tochter bezüglich der Entrichtung des Mietzinses an die Stadt XXXX ; der Mietvertrag ihrer Tochter mit der Stadt XXXX ; eine Kopie der E-Card der Beschwerdeführerin; sowie ihr Meldezettel.
Via E-Mail vom 19.03.2021 brachte die in Österreich lebende Tochter der Beschwerdeführerin der belangten Behörde zur Kenntnis, dass nach der letzten Stellungnahme im Verfahren nunmehr annähernd ein Jahr vergangen sei, sich die Beschwerdeführerin „derzeit“ nach einer Operation in einem Spital befinde und so bald wie möglich zur Reha müsse. Es werde um eine „schnellere Bearbeitung und Erledigung“ des gegenständlichen Verfahrens ersucht.
Mit Schriftsatz der belangten Behörde vom 01.06.2021 ("Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme") wurde der Beschwerdeführerin erneut zur Kenntnis gebracht, dass die Erlassung einer gegen sie gerichteten Ausweisung geprüft werde und ihr die Möglichkeit eingeräumt, hierzu sowie zu einem umfassenden Fragenkatalog hinsichtlich ihrer persönlichen und familiären Verhältnisse schriftlich Stellung zu beziehen.
Mit Schriftsatz vom 17.06.2021 brachte die Beschwerdeführerin eine weitere schriftliche Stellungnahme bei der belangten Behörde ein. Darin führte sie ergänzend im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand aus, dass sie am 15.02.2021 an der Hüfte operiert worden sei und sich „derzeit in weiterer physiotherapeutischer Behandlung“ befinde. Die Schmerzen hätten sich nach der Reha verschlechtert und sei der Beschwerdeführerin eine längere Physiotherapie anempfohlen worden. Neben einem Medikament gegen Bluthochdruck nehme sie auch verschiedene Schmerztabletten ein. Sie habe einen Deutsch-Kurs für das Sprachniveau A1 „mit Zertifikat abgeschlossen“ und viele Freunde in XXXX , sei jedoch nicht Mitglied in einem Verein oder in einer Organisation. In Bosnien und Herzegowina würden sich noch ihre Schwester und ihr Bruder aufhalten, zu welchen sie in telefonischem Kontakt stehe. Sie sei als Pensionistin krankenversichert und werde ihr Lebensunterhalt von ihrer älteren Tochter, welche in Paris lebe, finanziert, wobei diese aufgrund der eingeschränkten Bewegungsfähigkeit der Beschwerdeführerin das Geld mittlerweile vereinbarungsgemäß auf das Konto der jüngeren Tochter, bei welcher die Beschwerdeführerin wohne, überweise. In den letzten Jahren habe sich der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin sehr verschlechtert, weshalb sie die Unterstützung ihrer Tochter benötige und zugleich in der Nähe ihres Enkelkindes sein könne. Dem Schreiben angeschlossen waren ein Bestätigungsschreiben eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 17.06.2021, wonach die Beschwerdeführerin an akuten Depressionen, Lumbago, CVS und Hypothyreose leide und aufgrund dessen drei unterschiedliche Medikamente einnehme, überdies stehe sie in fachärztlicher Behandlung; Kopien ihrer E-Card und ihres Reisepasses; zudem neuerlich ein Konvolut an Kontoauszügen, welche Eingänge von insgesamt sechs Überweisungen im Zeitraum von Jänner bis Mai 2021 in Gesamthöhe von 3.980 Euro seitens der älteren Tochter der Beschwerdeführerin auf deren Konto sowie das Konto ihrer jüngerer Tochter, überdies monatliche Eingänge der Rente der Beschwerdeführerin von Jänner bis Juni 2021 in leicht variierender Höhe zwischen 215,84 und 252,93 Euro ausweisen.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 04.08.2021 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde ihr ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin beziehe lediglich eine monatliche Pension von 256 Euro und verfüge weder über ein weiteres Einkommen noch über Ersparnisse. Auch würde keine Unterhaltsleistung bzw. Haftungsvereinbarung seitens ihrer in Österreich lebenden Tochter vorliegen, vorgelegte Auszüge würden lediglich einen Geldtransfer der älteren, in Frankreich lebenden Tochter auf das Konto ihrer in Österreich lebenden Tochter belegen. Die Beschwerdeführerin habe keinesfalls ausreichende Existenzmittel und unterschreite „sämtliche Richtsätze und Vorgaben deutlich“. Ohne den Bezug der Ausgleichszulage sei sie wohl nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und habe sie aufgrund ihres Alters kaum noch die Möglichkeit, einer Arbeit nachzugehen. Sie erfülle daher nicht die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nach § 51 NAG bzw. die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung nach § 53 NAG.
Gegen den gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 09.09.2021 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Inhaltlich wurde darin insbesondere ausgeführt, entgegen der Ansicht der belangten Behörde komme der Beschwerdeführerin sehr wohl ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zu, da sie auf ausreichende finanzielle Mittel zurückgreifen könne und auf keine Sozialleistungen angewiesen sei. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die belangte Behörde zum Schluss gelangt sei, die finanziellen Unterstützungsleistungen der in Frankreich lebenden Tochter seien unregelmäßig und unzureichend. Vielmehr ergebe sich aus den vorgelegten Kontoauszügen, dass die Überweisungen regelmäßig stattgefunden hätten. Auch habe es die belangte Behörde unterlassen, die in Österreich lebende Tochter der Beschwerdeführerin „zur Intensität der jeweiligen Bindungen“ einzuvernehmen und würde eine Ausweisung einen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin zeitigen. Auch habe es die belangte Behörde verabsäumt zu ermitteln, wie die Beschwerdeführerin durch ihren Ehemann, welcher ihr gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet sei, unterstützt werde. Dem Beschwerdeschriftsatz angeschlossen waren eine Unterhaltserklärung samt notarieller Beglaubigung der in Frankreich lebenden Tochter der Beschwerdeführerin, wonach sie aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung die Lebenshaltungskosten der Beschwerdeführerin und ihrer jüngeren Tochter finanziere; weitere Kontoauszüge vom Juli und vom September 2021 mit insgesamt vier Überweisungseingängen seitens der älteren Tochter auf das Konto der Beschwerdeführerin in Gesamthöhe von 5.000 Euro; ein Kontoauszug der Beschwerdeführerin vom 08.09.2021 bezüglich des Eingangs einer Ausgleichszahlung der bosnischen Pensionskasse in Höhe von 2.396,92 Euro; überdies eine Kopie der Heiratsurkunde der Beschwerdeführerin samt Unterhaltserklärung mit notarieller Beglaubigung ihres Ehemannes vom 01.09.2021, wonach dieser die Beschwerdeführerin aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung monatlich mit 700 Euro unterstütze.
Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 17.09.2021 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.
Die volljährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Kroatien und verheiratet. Ihre Identität steht fest.
Sie stammt aus Tuzla im heutigen Bosnien und Herzegowina, wo sie bis zu ihrer Einreise in das Bundesgebiet gelebt hat. Seit 01.10.2009 befindet sie sich in Alterspension.
Seit 09.10.2017 ist die Beschwerdeführerin durchgehend im Bundesgebiet in einem gemeinsamen Haushalt mit ihrer in Österreich lebenden Tochter I.S. und deren im Jahr 2013 in Österreich geborenen Sohn L.M. hauptgemeldet, welche beide in Österreich daueraufenthaltsberechtigt sind. I.S. ist Doppelstaatsbürgerin von Kroatien und Bosnien und Herzegowina, während L.M. lediglich kroatischer Staatsangehöriger ist. Bei der Unterkunft handelt es sich um eine seitens I.S. angemietete Gemeindewohnung.
Der Ehemann der Beschwerdeführerin, der kroatische Staatsangehörige N.S., ist seit 04.02.2021 ebenfalls im Bundesgebiet hauptgemeldet und stellte am 14.06.2021 beim Amt der XXXX Landesregierung einen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung für den Aufenthaltszweck "Familienangehöriger", welcher nach wie vor anhängig ist.
Die Beschwerdeführerin ging in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nach, verfügt jedoch über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz. Ihre in Österreich lebende Tochter I.S. ging zuletzt bis April 2010 einer Erwerbstätigkeit als geringfügig beschäftigte Arbeiterin nach. Von 12.02.2015 bis 08.09.2019 bezog I.S. zuletzt bedarfsorientierte Mindestsicherung.
Die Beschwerdeführerin bezog in Österreich bislang weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage. Sie bezieht aus Bosnien und Herzegowina eine monatliche Rente in Höhe von 252,93 Euro, überdies werden sie und I.S. regelmäßig von ihrer in Frankreich lebenden, älteren Tochter A.S. finanziell unterstützt. Darüber hinaus unterstützt der in Österreich lebende Ehemann der Beschwerdeführerin, N.S., sie monatlich mit 700 Euro.
Die Beschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten.
2. Beweiswürdigung:
Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.
Auskünfte aus dem zentralen Melderegister, dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister, dem Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger und dem Strafregister wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
Die Identität der Beschwerdeführerin steht aufgrund ihres vor den österreichischen Behörden in Vorlage gebrachten – sowie sich in Kopie im Akt befindlichen und im zentralen Melderegister und Informationsverbund zentrales Fremdenregister vermerkten – kroatischen Reisepasses Nr. XXXX fest.
Die Feststellungen zu ihrer Herkunft sowie zu ihren Lebensumständen ergeben sich aus ihren diesbezüglich glaubhaften Angaben im Verfahren. Dass sie verheiratet ist, ergibt sich überdies aus ihrer dem Beschwerdeschriftsatz in Kopie angeschlossenen Heiratsurkunde, ergänzend aus einer Abfrage im zentralen Melderegister.
Dass die Beschwerdeführerin seit 09.10.2017 durchgehend im Bundesgebiet in einem gemeinsamen Haushalt mit ihrer in Österreich lebenden Tochter I.S. und deren im Jahr 2013 in Österreich geborenen Sohn L.M. hauptgemeldet ist, ergibt sich aus einer Abfrage im zentralen Melderegister. Dass es sich bei der Unterkunft um eine seitens I.S. angemietete Gemeindewohnung handelt, ergibt sich aus einem in Vorlage gebrachten Mietvertrag in Zusammenschau mit vorgelegten Kontoauszügen hinsichtlich der Überweisung des Mietzinses durch I.S. an die Stadt XXXX . Die Feststellungen bezüglich der Staatsangehörigkeit sowie dem Daueraufenthaltsrecht von I.S. und L.M. in Österreich ergeben sich aus einer Abfrage im Informationsverbund zentrales Fremdenregister.
Dass der Ehemann der Beschwerdeführerin, N.S., seit 04.02.2021 im Bundesgebiet hauptgemeldet ist, ergibt sich ebenfalls aus einer Abfrage im zentralen Melderegister. Seine kroatische Staatsangehörigkeit sowie der Umstand, dass er am 14.06.2021 beim Amt der XXXX Landesregierung einen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung für den Aufenthaltszweck "Familienangehöriger" gestellt hat, welcher nach wie vor anhängig ist, ergibt sich aus einer Abfrage im Informationsverbund zentrales Fremdenregister.
Dass die Beschwerdeführerin in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nachging, während I.S. zuletzt bis April 2010 einer Erwerbstätigkeit als geringfügig beschäftigte Arbeiterin nachging und von 12.02.2015 bis 08.09.2019 bedarfsorientierte Mindestsicherung bezog, ergibt sich aus Abfragen im Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger, ebenso wie der umfassende Krankenversicherungsschutz der Beschwerdeführerin, welcher sich ergänzend aus ihrer in Kopie in Vorlage gebrachter E-Card ergibt.
Dass die Beschwerdeführerin in Österreich bislang weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage bezog, ergibt sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt. Dass sie aus Bosnien und Herzegowina eine Rente in Höhe von 252,93 Euro bezieht, ergibt sich aus einem Konvolut an in Vorlage gebrachter Kontoauszüge (ausgewiesene Eingänge vom 08.05.2020 iHv 209,73 Euro; vom 07.01.2021 iHv 215,84 Euro; vom 09.02.2021 iHv 220,84 Euro; vom 09.03.2021 iHv 220,84 Euro; vom 08.04.2021 iHv 220,84 Euro; vom 07.05.2021 iHv 252,93 Euro; vom 09.06.2021 iHv 252,93 Euro; überdies wohl eine einmalige Ausgleichszahlung vom 08.09.2021 iHv 2.396,92 Euro).
Dass die Beschwerdeführerin und I.S. von der in Frankreich lebenden, älteren Tochter der Beschwerdeführerin, A.S., finanziell unterstützt werden, ergibt sich aus einer dem Beschwerdeschriftsatz angeschlossen Unterhaltserklärung von A.S. samt notarieller Beglaubigung, wonach sie aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung die Lebenshaltungskosten der Beschwerdeführerin und ihrer jüngeren Tochter finanziere, in Zusammenschau mit einem Konvolut an in Vorlage gebrachter Kontoauszüge sowohl von der Beschwerdeführerin als auch von I.S. (ausgewiesene Eingänge vom 07.05.2020 iHv 800 Euro; vom 27.01.2021 iHv 900 Euro; vom 24.03.2021 iHv 1.000 Euro; vom 14.04.2021 iHv 800 Euro; zweimal vom 07.05.2021 iHv 300 Euro und 600 Euro; vom 18.05.2021 iHv 380 Euro; vom 21.07.2021 iHv 1.000 Euro; vom 02.09.2021 iHv 2.000 Euro; vom 03.09.2021 iHv 1.000 Euro; vom 07.09.2021 iHv 1.000 Euro).
Dass die Beschwerdeführerin darüber hinaus von ihrem in Österreich lebenden Ehemann N.S. monatlich mit 700 Euro unterstützt wird, ergibt sich aus einer diesbezüglich dem Beschwerdeschriftsatz angeschlossenen Unterhaltserklärung von N.S. samt notarieller Beglaubigung.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu den Rechtsgrundlagen:
§ 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF BGBl. I Nr. 54/2021 regelt die Ausweisung:
„(1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.
(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.“
Gemäß § 70 Abs. 1 FPG werden die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.
Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
§ 51 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) regelt in Umsetzung der Richtlinie 2004/38 Fälle der Freizügigkeit von EWR-Bürgern aus anderen EWR-Staaten, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehmen und sich länger als drei Monate in Österreich aufhalten.
Der mit "Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate" überschriebene § 51 NAG idgF BGBl. I Nr. 110/2021 lautet:
„(1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;
2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder
3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.
(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er
1. wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;
2. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;
3. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder
4. eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.
(3) Der EWR-Bürger hat diese Umstände, wie auch den Wegfall der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs. 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen.“
Gemäß § 53 Abs. 1 NAG haben EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nach §§ 51 oder 52 zukommt, wenn sie sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, dies binnen vier Monaten ab Einreise der Behörde anzuzeigen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen (§§ 51 oder 52) ist von der Behörde auf Antrag eine Anmeldebescheinigung auszustellen.
Gemäß § 55 Abs. 1 NAG kommt EWR-Bürgern und ihren Angehörigen das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
Art. 7 ("Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate") Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 („Freizügigkeitsrichtlinie“) lautet:
„(1) Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er
a) Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist oder
b) für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen oder
c) bei einer privaten oder öffentlichen Einrichtung, die von dem Aufnahmemitgliedstaat aufgrund seiner Rechtsvorschriften oder seiner Verwaltungspraxis anerkannt oder finanziert wird, zur Absolvierung einer Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung als Hauptzweck eingeschrieben ist und
- über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügt und der zuständigen nationalen Behörde durch eine Erklärung oder durch jedes andere gleichwertige Mittel seiner Wahl glaubhaft macht, dass er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, oder
d) ein Familienangehöriger ist, der den Unionsbürger, der die Voraussetzungen des Buchstaben a, b oder c erfüllt, begleitet oder ihm nachzieht.“
3.2. Zum Aufenthaltsrecht der Beschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Kroatien und damit EWR-Bürgerin iSd § 2 Abs. 4 Z 8 FPG bzw. des § 2 Abs. 1 Z 4 NAG.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen darauf verwiesen, dass ihr kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukomme, da sie keine der in § 51 Abs. 1 NAG genannten Voraussetzungen erfülle.
Das Bundesverwaltungsgericht hat seiner Entscheidung sämtliche aktenkundigen bzw. im Beschwerdeverfahren hervorgekommenen Sachverhaltselemente zugrunde zu legen (vgl. VwGH 28.05.2019, Ra 2019/22/0036, mwN) und grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage in seinem aktuellen Entscheidungszeitpunkt abzustellen (vgl. VwGH 25.06.2019, Ra 2019/10/0012, mwN).
Da die Beschwerdeführerin in Österreich allseits unbestritten keiner selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgeht (wodurch sie auf Grundlage des § 51 Abs. 1 Z 1 NAG zum Aufenthalt in Österreich berechtigt wäre), ist gegenständlich zu prüfen, ob sie den Tatbestand des § 51 Abs. 1 Z 2 NAG erfüllt. Im Rahmen dieser Prüfung ist zu beurteilen, ob sie über ausreichende Existenzmittel sowie über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügt, sodass sie während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen muss.
Wie das Ermittlungsverfahren ergab, wohnt die Beschwerdeführerin bei ihrer jüngeren Tochter I.S. in einer von dieser angemieteten Gemeindewohnung und bezieht aus Bosnien und Herzegowina eine monatliche Alterspension in Höhe 252,93 Euro. Darüber hinaus werden die Beschwerdeführerin und I.S. regelmäßig durch A.S., die in Frankreich lebende, ältere Tochter der Beschwerdeführerin, finanziell unterstützt. Diese hat diesbezüglich eine notariell beglaubigte Unterstützungserklärung unterfertigt und die Beschwerdeführerin sowie I.S. – ausgehend von im Verfahren in Vorlage gebrachter Kontoauszüge – alleine im Jahr 2021 bislang mit Zuwendungen in Gesamthöhe von knapp 9.000 Euro unterstützt. Darüber hinaus hat auch der in Österreich lebende Ehemann der Beschwerdeführerin, N.S., eine notariell beglaubigte Unterstützungserklärung unterfertigt, wonach er die Beschwerdeführerin mit 700 Euro monatlich unterstütze. Unstreitig verfügt die Beschwerdeführerin zudem über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz.
Bei der Beurteilung, ob ein Unionsbürger über ausreichende Existenzmittel verfügt, um ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 lit. b der Freizügigkeitsrichtlinie - in Österreich umgesetzt durch § 51 Abs. 1 Z 2 NAG - in Anspruch nehmen zu können, ist eine konkrete Prüfung der wirtschaftlichen Situation jedes Betroffenen vorzunehmen, ohne die beantragten Sozialleistungen zu berücksichtigen, was notwendigerweise impliziert, dass selbst die Beantragung von Sozialleistungen nicht schon per se bedeutet, dass keine ausreichenden Existenzmittel vorhanden sind (vgl. EuGH 11.11.2014, Dano, C-333/13; EuGH 19.09.2013, Brey, C-140/12; überdies VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0047). Darüber hinaus hat der Gerichtshof der Europäischen Union ausgesprochen, dass die in Art. 7 Abs. 1 lit. b enthaltene Formulierung "über die erforderlichen Mittel verfügen" dahingehend auszulegen sei, dass es ausreichend ist, wenn dem Unionsbürger diese Mittel zur Verfügung stehen, ohne dass die Bestimmung Anforderungen an die Herkunft der Mittel stellt, sodass diese etwa auch von einem Drittstaatsangehörigen stammen können (vgl. EuGH 16.7.2015, K. Singh u.a., C-218/14, Rn. 74). Folglich schließt der Umstand, dass die Existenzmittel, über die die Beschwerdeführerin verfügt, primär aus privaten Zuwendungen einer Tochter sowie ihres Ehemannes stammen, es nicht aus, dass die in Art. 7 Abs. 1 lit. b der Freizügigkeitsrichtlinie enthaltene Voraussetzung der ausreichenden Existenzmittel als erfüllt anzusehen ist (vgl. EuGH aaO., Rn. 76; VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0080).
Sofern die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausführt, dass die Existenzmittel der Beschwerdeführerin „sämtliche Richtsätze und Vorgaben deutlich“ unterschreiten würden und im gegebenen Zusammenhang auf die ASVG Richtsätze gemäß § 293 ASVG verweist, ist festzuhalten, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 8 Abs. 4 der Freizügigkeitsrichtlinie keinen festen Betrag für die Existenzmittel festlegen dürfen, die sie als ausreichend betrachten, sondern ist die persönliche Situation des Betroffenen zu berücksichtigen. Demgemäß ist bei der Beurteilung, ob ein Unionsbürger über ausreichende Existenzmittel verfügt, um ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 lit. b der Freizügigkeitsrichtlinie in Anspruch nehmen zu können, eine konkrete Prüfung der wirtschaftlichen Situation jedes Betroffenen vorzunehmen (vgl. EuGH (Große Kammer) 11.11.2014, Dano, C-333/13). Die Mitgliedstaaten können zwar einen bestimmten Betrag als Richtbetrag angeben, sie können aber nicht ein Mindesteinkommen vorgeben, unterhalb dessen ohne eine konkrete Prüfung der Situation des einzelnen Betroffenen angenommen würde, dass er nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt (vgl. EuGH 19.9.2013, Brey, C-140/12). Es bedarf also bei der Frage, ob ausreichende Existenzmittel zur Verfügung stehen, einer konkreten Einzelfallbeurteilung (vgl. VwGH 18.03.2021, Ra 2020/21/0532, mwN).
Im Rahmen einer Gesamtschau ist gegenständlich von einer Erfüllung der Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht iSd § 51 Abs. 1 Z 2 NAG (ausreichende Existenzmittel und umfassender Krankenversicherungsschutz) durch die Beschwerdeführerin auszugehen. Wenngleich das Bundesverwaltungsgericht nicht verkennt, dass sie lediglich eine Pension aus Bosnien und Herzegowina in Höhe 252,93 Euro monatlich bezieht, so erscheint ihr Lebensunterhalt dennoch aufgrund ihrer Wohnsituation in der von ihrer jüngeren Tochter angemieteten Gemeindewohnung sowie durch die finanziellen Zuwendungen seitens ihrer älteren, in Frankreich lebenden Tochter und ihres Ehemannes gewährleistet. Nicht zuletzt ist im gegebenen Zusammenhang hervorzuheben, dass sich die Beschwerdeführerin nunmehr seit etwa vier Jahren durchgehend in Österreich aufhält und offenkundig - mit der Unterstützung ihrer Angehörigen - bislang ohne den Bezug von Sozialhilfeleistungen oder der Ausgleichszulage zur Selbsterhaltung fähig war. Somit steht fest, dass sie die Tatbestandsvoraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 2 NAG zum Entscheidungszeitpunkt erfüllt und kommt ihr demzufolge gemäß §§ 51 Abs. 1 Z 2 iVm 55 Abs. 1 NAG ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zu. Auch geht von der strafgerichtlich unbescholtenen Beschwerdeführerin keine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit aus, welche gemäß § 55 Abs. 3 NAG einem unionsrechtlichen Aufenthaltsrecht entgegenstehen würde.
Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin bislang über keine Anmeldebescheinigung gemäß § 53 NAG zur Dokumentation ihres unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts verfügt, schadet ebenfalls nicht, da einer solchen lediglich deklarativer Charakter zukommt (vgl. VwGH 10.03.2021, Ra 2020/22/0256).
Die Ausweisung der Beschwerdeführerin mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides erfolgte daher nicht zu Recht, was auch die Gegenstandslosigkeit des der Beschwerdeführerin mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gewährten Durchsetzungsaufschubes bedingt.
In Stattgabe der Beschwerde war der angefochtene Bescheid daher ersatzlos aufzuheben.
4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Die Beschwerdeführerin beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2). Diese Bestimmung ist auch in den vom Anwendungsbereich des BFA-VG erfassten Verfahren anwendbar, weil § 21 Abs. 7 BFA-VG nur hinsichtlich von § 24 Abs. 4 VwGVG eine Spezialregelung trifft, im Übrigen aber die Anwendung von § 24 Abs. 1 bis 3 und 5 VwGVG unberührt lässt (vgl. VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017; VwSlg. 18.966 A/2014).
Da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
aufenthaltsbeendende Maßnahme Aufenthaltsrecht Ausweisung Ausweisung aufgehoben Ausweisung nicht rechtmäßig Ausweisungsverfahren Behebung der Entscheidung Durchsetzungsaufschub Einkommen ersatzlose Behebung EU-Bürger EWR-Bürger Existenzminimum Interessenabwägung Kassation Krankenversicherung öffentliche Interessen Pension Pensionshöhe Privat- und Familienleben private Interessen Unionsbürger wirtschaftliche SituationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I403.2246483.1.00Im RIS seit
19.01.2022Zuletzt aktualisiert am
19.01.2022