TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/21 I404 2247407-1

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Veröffentlicht am 21.10.2021
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Entscheidungsdatum

21.10.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §53
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §53 Abs3 Z2
FPG §55 Abs4
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I404 2247407-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Alexandra JUNKER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch die BBU GmbH, gegen die Spruchpunkte IV. bis VI. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 14.09.2021, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV. und V. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird teilweise Folge gegeben und die Dauer des Einreiseverbotes auf drei Jahre reduziert.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste im August 2021 ins österreichische Bundesgebiet ein, wurde am 13.08.2021 festgenommen und mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 13.09.2021 wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Die bedingte Entlassung aus der Untersuchungshaft erfolgte am selben Tag und wurde der Beschwerdeführer anschließend unmittelbar in Schubhaft genommen.

2.       Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: belangte Behörde) verständigte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 17.08.2021 über das „Ergebnis der Beweisaufnahme“ und räumte ihm betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot und die eventuelle Erlassung eines Schubhaftbescheides die Möglichkeit ein, dazu Stellung zu nehmen und ersuchte ihn, die an ihn gerichteten Fragen zu beantworten. Von dieser Gelegenheit machte er keinen Gebrauch. Im Rahmen des Verfahrens betreffend die Verhängung der Schubhaft erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers am 13.09.2021. Dabei gab er zusammengefasst an, dass er am 05.08.2021 aus Griechenland zur Arbeitssuche eingereist sei und seine Frau und vier Kinder in Griechenland leben würden. Er habe keine Arbeit gefunden, weshalb er Drogen verkauft habe.

3.       Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14.09.2021 erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt I.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.), stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.), gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.), erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.) und erließ gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI.).

4.       Am 01.10.2021 reiste der Beschwerdeführer im Wege der unterstützten freiwilligen Rückkehr nach Nigeria aus.

5.       Gegen den Bescheid vom 14.09.2021 richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 08.10.2021, mit welcher die Spruchpunkte IV., V. und VI. des bekämpften Bescheides angefochten wurden. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer über einen griechischen Aufenthaltstitel verfüge und in Griechenland ein Familienleben mit seiner Lebensgefährtin und seinen vier minderjährigen Kindern führe. Die belangte Behörde habe sich nicht in gebotener Weise mit den Auswirkungen des Einreiseverbotes auf das Familienleben in Griechenland auseinandergesetzt, weshalb das Einreiseverbot wegen Rechtswidrigkeit zu beheben, in eventu die Dauer des verhängten Einreiseverbotes herabzusetzen sei.

6.       Die Beschwerde und der Verwaltungsakt des Bundesamtes wurden dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt und langten am 19.10.2021 bei der zuständigen Gerichtsabteilung ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der volljährige Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht fest.

1.2. Der Beschwerdeführer reiste am 05.08.2021 nach Österreich und wurde am 13.08.2021 beim Verkauf von Suchtgift betreten und festgenommen.

1.3. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 13.09.2021, XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, welche unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde, rechtskräftig verurteilt.

Der Verurteilung lag spruchgemäß zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 13.08.2021 auf einer öffentlichen Verkehrsfläche einem Anderen vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich eine Kugel mit 0,2 Gramm brutto Kokain, gegen Entgelt überlassen hat.

Bei der Strafbemessung berücksichtigte das Strafgericht den bisher ordentlichen Lebenswandel, die Sicherstellung des Suchtgiftes und das Geständnis als mildernd, erschwerend fiel kein Umstand ins Gewicht.

1.4. Der Beschwerdeführer wurde am Tag seiner Verurteilung in Schubhaft genommen und reiste am 01.10.2021 im Wege der unterstützten freiwilligen Rückkehr nach Nigeria aus.

1.5. Einer legalen Beschäftigung ist er in Österreich nicht nachgegangen und verfügt er auch sonst über keinerlei Anbindungen in privater, familiärer oder integrativer Hinsicht an Österreich.

1.6. Der Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers liegt in Griechenland. Er verfügt über einen griechischen Aufenthaltstitel, gültig von XXXX 2016 bis XXXX 2026. Er lebte in Griechenland bis zu seiner Ausreise im gemeinsamen Haushalt mit seiner Lebensgefährtin und seinen drei minderjährigen Kindern. Ein weiteres Kind lebt mit der Exfrau des Beschwerdeführers ebenfalls in Griechenland.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Volljährigkeit, Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers stehen aufgrund der im Verwaltungsakt einliegenden Kopie seines nigerianischen Reisepasses (AS 394) zweifelsfrei fest.

2.2. Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer am 05.08.2021 nach Österreich eingereist ist, entspricht seinen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 13.09.2021. Dass er am 13.09.2021 festgenommen wurde, geht aus dem Anhalteprotokoll der Landespolizeidirektion XXXX (AS 408 ff) hervor.

2.3. Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung, der begangenen Straftat und den Milderungsgründen ergeben sich aus der im Verwaltungsakt einliegenden Urteilsausfertigung (AS 490 ff). Dass dieses Urteil in Rechtskraft erwachsen ist, geht aus dem eingeholten Strafregisterauszug hervor.

2.4. Dass der Beschwerdeführer am 13.09.2021 in Schubhaft genommen wurde, ist aus dem eingeholten Melderegisterauszug ersichtlich. Seine Ausreise am 01.10.2021 ist durch die vorliegende Ausreisebestätigung (AS 535) belegt.

2.5. Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer keiner legalen Beschäftigung in Österreich nachgegangen ist, ergibt sich aus dem eingeholten Sozialversicherungsauszug. Dass er auch sonst über keinerlei Anbindungen an Österreich verfügt, geht aus seinen Angaben in der Einvernahme am 13.09.2021 zweifelsfrei hervor. Auch im Beschwerdeschriftsatz wurde kein gegenteiliges Vorbringen erstattet.

1.7. Die Feststellungen zum Lebensmittelpunkt in Griechenland und seinen dort lebenden Familienmitgliedern entsprechen den übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor der belangten Behörde am 13.09.2021 und im Beschwerdeschriftsatz. Eine Kopie seines griechischen Aufenthaltstitels liegt im Verwaltungsakt ein (AS 394).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A):

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass sich die gegenständliche Beschwerde ausdrücklich nur gegen die Spruchpunkte IV., V. und VI. richtet.

3.1.    Zur Abweisung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV. (Nichterteilung einer Frist für die freiwillige Ausreise) und V. (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) des angefochtenen Bescheides:

3.1.1.  Rechtslage

Gemäß § 55 Abs. 4 FPG 2005 hat das Bundesamt von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

Gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung vom Bundesamt abzuerkennen, wenn

1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,

2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder

3. Fluchtgefahr besteht.

3.1.2.  Anwendung der Rechtslage auf den vorliegenden Fall

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde einer Beschwerde gegen den bekämpften Bescheid vom 14.09.2021 die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die belangte Behörde hat daher in weiterer Folge richtigerweise § 55 Abs. 4 FPG zur Anwendung gebracht und keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt.

Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erfordert demnach das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind. Derartige Umstände, die nicht nur ein öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung begründen, sondern darüber hinaus ihren sofortigen Vollzug erfordern, hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im angefochtenen Bescheid mit dem Verweis auf das strafgerichtliche Fehlverhalten des Beschwerdeführers und die auch zur Begründung des gegen seine Person erlassenen Einreiseverbotes getroffenen Gefährdungsprognose zutreffend aufgezeigt.

Zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides war der Beschwerdeführer noch in Österreich aufhältig.

Die sofortige Durchsetzbarkeit der von der belangten Behörde getroffenen Rückkehrentscheidung war im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich, weil eine negative Zukunftsprognose, die sich aus dem bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ergibt, die Annahme rechtfertigt, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt und das Interesse an einer sofortigen Aufenthaltsbeendigung schwerer wiegt, als die privaten Bindungen des Beschwerdeführers, weshalb sich die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung als rechtmäßig erwiesen hat. Über familiäre Bindungen verfügt der Beschwerdeführer in Österreich nicht.

Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV. und V. des angefochtenen Bescheides war daher als unbegründet abzuweisen.

3.2.    Zur teilweisen Stattgabe der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides (Verhängung eines Einreiseverbotes):

3.2.1   Rechtslage:

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann vom Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis. 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn 
         1.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;  
         2.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist; 
         3.       ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;
         4.       ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist; 
         5.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist; 
         6.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);
         7.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder 
         8.       ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder 
         9.       der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

3.2.2.  Anwendung der Rechtslage auf den vorliegenden Fall

Der Beschwerdeführer wurde während seines Aufenthaltes von einem österreichischen Strafgericht wegen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach dem SMG rechtskräftig verurteilt.

Die belangte Behörde hat das Einreiseverbot zu Recht auf § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 2 FPG gestützt, da der Beschwerdeführer bereits acht Tage nach seiner Einreise nach Österreich bei der Begehung einer vorsätzlichen Straftat betreten wurde und in späterer Folge rechtskräftig verurteilt worden ist. Überdies erfüllt die Verurteilung des Beschwerdeführers den Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG, da aus der Verurteilung eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von sechs Monaten resultierte.

Damit liegen die zuvor genannten Voraussetzungen mehrfach vor, was sich auch auf die Dauer eines Einreiseverbots auswirkt. Die Rechtmäßigkeit des Einreiseverbots steht somit dem Grunde nach außer Zweifel, sodass dessen Dauer auf ihre Angemessenheit zu prüfen ist.

Die belangte Behörde hat die verhängte Dauer des ausgesprochenen Einreiseverbots nicht nur auf die Tatsache der Verurteilungen bzw der daraus resultierenden Strafhöhen, sohin gerade nicht auf eine reine Rechtsfrage abgestellt. Vielmehr hat sie unter Berücksichtigung des Systems der abgestuften Gefährdungsprognosen, das dem FPG inhärent ist, (vgl. VwGH 20.11.2008, 2008/21/0603; VwGH 22.11.2012, 2012/23/0030) sowie unter Würdigung des individuellen, vom Beschwerdeführer seit seiner Einreise durch sein persönliches Verhalten im Bundesgebiet gezeichneten Charakterbildes eine Gefährdungsprognose getroffen und diese Voraussage ihrer administrativrechtlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

Der Beschwerdeführer wurde nahezu unmittelbar nach seiner Einreise straffällig, weshalb naheliegt, dass er sich nicht in Österreich aufhielt, um einer legalen Erwerbstätigkeit nachzugehen, sondern die Einreise bereits in der Absicht erfolgte, Suchtgift zu verkaufen. Auch der unrechtmäßige Aufenthalt in Österreich ist ihm negativ anzulasten, da er straffällig wurde und damit rechnen musste, eine Freiheitsstrafe zu verbüßen. Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher aufgrund der Delinquenz des Beschwerdeführers, des sich hieraus ergebenden Persönlichkeitsbildes und der getroffenen Gefährdungsprognose zu der Überzeugung, dass vom Beschwerdeführer permanent eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht, welche die Verhängung eines mehrjährigen Einreiseverbotes zu rechtfertigen vermag, zumal Suchtgiftdelinquenz ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr besteht (vgl. VwGH 08.04.2020, Ra 2020/14/0108). Es kann nicht von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit ausgegangen werden. Dazu bedarf es grundsätzlich eines längeren Zeitraums des Wohlverhaltens, wobei in erster Linie das gezeigte Wohlverhalten in Freiheit - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - maßgeblich ist (vgl. VwGH 20.12.2018, Ra 2018/21/0112). Im konkreten Fall liegt ein längerer Zeitraum des Wohlverhaltens in Freiheit nicht vor und die begangenen Straftaten liegen zudem noch nicht lange zurück. Dem Beschwerdeführer kann daher keine positive Zukunftsprognose gegeben werden.

Im gegenständlichen Fall ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer über einen griechischen Aufenthaltstitel verfügt und in Griechenland ein Familienleben mit seiner Partnerin und vier minderjährigen Kindern führt. In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf zu verweisen, dass es für die Einschränkung des räumlichen Geltungsbereichs des Einreiseverbots auf Österreich keine gesetzliche Grundlage gibt (vgl. VwGH 28.05.2015, Ra 2014/22/0037).

Mit einer Rückkehrentscheidung kann jedoch auch dann ein Einreiseverbot verbunden werden, wenn der Betroffene über einen Aufenthaltstitel oder eine Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaats verfügt (Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht II, Anm. 3 zu § 53 FPG), wobei mit „Mitgliedstaaten“ jene gemeint sind, für welche die Rückführungs-RL gilt (VwGH 22.05.2013, 2013/18/0021). Zu diesen zählt Griechenland.

Im Hinblick auf die Reichweite eines Einreiseverbotes hat der Verwaltungsgerichtshof aber schon in seinem grundlegenden Erkenntnis vom 15.12.2011, 2011/21/0237, VwSlg. 18.295 A, in Punkt 3. der Entscheidungsgründe darauf hingewiesen, dass die Frage nach dem durch eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot bewirkten Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Drittstaatsangehörigen nicht allein im Hinblick auf seine Verhältnisse in Österreich beurteilt werden dürfe, sondern dass auch die Situation in den anderen Mitgliedstaaten „in den Blick“ zu nehmen sei. Das folge unzweifelhaft daraus, dass diese aufenthaltsbeendenden Maßnahmen grundsätzlich auf das gesamte Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten bezogen sein sollen. Familiären Bindungen in einem anderen Mitgliedstaat ist daher dadurch Rechnung zu tragen, dass die bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes zu beantwortende Frage nach einem - zulässigen - Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Drittstaatsangehörigen nicht allein im Hinblick auf seine Verhältnisse in Österreich beurteilt werden darf, sondern dass auch die Situation in dem anderen „Schengen-Staat“ zu berücksichtigen ist (vgl. VwGH 22.01.2021, Ra 2020/21/0349).

Dennoch ist auch bei Berücksichtigung des Familienlebens des Beschwerdeführers in Griechenland kein Entfall des Einreiseverbotes denkbar.

Der Beschwerdeführer brachte zwar vor, in einer Lebensgemeinschaft zu leben und vier minderjährige Kinder zu haben, jedoch ließ er sich dadurch nicht davon abhalten, nach Österreich zu reisen und straffällig zu werden. Das Wohlergehen seiner Lebensgefährtin und die Verantwortung für sie und seine Kinder bezog er in seine Überlegungen bei der Begehung der Straftat nach dem SMG nicht mit ein. Auf Grund der von ihm zu verantwortenden Suchtmitteldelinquenz ist die Erlassung des Einreiseverbotes auch bei Berücksichtigung der von ihm geltend gemachten privaten und familiären Interessen in Griechenland zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen) dringend geboten. Die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wiegen keinesfalls schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Zudem wäre auch eine durch die aufenthaltsbeendende Maßnahme bewirkte Trennung von Familienangehörigen im großen öffentlichen Interesse an der Verhinderung von Suchtgiftkriminalität in einer Konstellation wie der vorliegenden in Kauf zu nehmen (vgl. VwGH 15.04.2020; Ra 2019/18/0270).

Im Übrigen steht es dem jeweiligen Mitgliedsstaat zu, einen Aufenthaltstitel oder eine sonstige Aufenthaltsberechtigung für Drittstaatsangehörige auszustellen, gegen die ein Einreiseverbot eines anderen Mitgliedsstaates besteht (vgl. VwGH 13.09.2012, 2011/23/0413). Ob die griechischen Behörden somit den Aufenthaltstitel einziehen, auslaufen lassen oder neuerlich erteilen, werden sie unter Wahrung des Art. 8 EMRK entscheiden können, auch wenn das Einreiseverbot in Kraft treten sollte, sodass nicht zwangsläufig von einer Trennung des Beschwerdeführers und seinen Familienmitgliedern auszugehen ist.

Dem Familienleben des Beschwerdeführers in Griechenland ist jedoch insoweit Rechnung zu tragen, als es von der belangten Behörde bei der Bemessung des Einreiseverbotes nicht berücksichtigt wurde.

So ist das dargestellte Verhalten des Beschwerdeführers zwar unbestritten den Grundinteressen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit massiv zuwidergelaufen, es ist aber auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer erstmalig in Österreich verurteilt wurde und das Strafgericht die verhängte Freiheitsstrafe bedingt nachsah. Zudem ist auf das Familienleben des Beschwerdeführers in Griechenland und die Auswirkungen einer möglichen Trennung von seinen Familienangehörigen bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes Bedacht zu nehmen. Aufgrund dieser Überlegungen ist die von der belangten Behörde verhängte Dauer des Einreiseverbotes im Ausmaß von vier Jahren zu hoch angesetzt und war daher in einer Gesamtbetrachtung die Dauer des Einreiseverbots auf drei Jahre herabzusetzen. Eine Herabsetzung des Einreiseverbotes auf weniger als drei Jahre erweist sich im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der Delinquenz des Beschwerdeführers und der fehlenden Anknüpfungspunkte in Österreich als nicht angemessen.

4.       Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs. 7 BFA-VG erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn – wie im vorliegenden Fall – deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Dem Beschwerdevorbringen sind keine maßgeblichen neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen und wurde das Vorbringen des Beschwerdeführers der Entscheidung zugrunde gelegt. Es lagen keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und waren auch keine Beweise aufzunehmen.

Das Bundesverwaltungsgericht musste sich im vorliegenden Fall auch keinen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen, da selbst unter Berücksichtigung aller zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Fakten auch dann für den Beschwerdeführer kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht von ihm einen persönlichen Eindruck verschafft, weshalb eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233; 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 bis 0423, Ra 2017/19/0424).

Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden und die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Angemessenheit aufschiebende Wirkung - Entfall Einreiseverbot Einreiseverbot rechtmäßig freiwillige Ausreise Frist Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Haftstrafe Interessenabwägung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung strafrechtliche Verurteilung Straftat Suchtgifthandel Suchtmitteldelikt Vergehen Verhältnismäßigkeit Wiederholungsgefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I404.2247407.1.00

Im RIS seit

19.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

19.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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