TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/12 W124 2247286-1

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Veröffentlicht am 12.11.2021
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Entscheidungsdatum

12.11.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W124 2247286-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesh, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt VII. lautet:

„Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung“.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden BF) ist Staatsangehöriger von Bangladesh, gehört der Volksgruppe der Bengalen an, ist sunnitischer Muslim und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX gab der BF als Fluchtgrund an, dass die Lage in seinem Heimatland sehr schlecht sein würde. Er hätte dort keine Arbeit gehabt und wolle ein schönes Leben haben, Geld verdienen und seine Familie in Bangladesh versorgen. In Bangladesh habe er die Grundschule besucht und zuletzt als Verkäufer gearbeitet. In Bangladesh würden noch seine Ehefrau, Eltern, seine beiden Brüder und seine Schwester leben.

Im Jahr XXXX habe er den Entschluss gefasst Bangladesh zu verlassen. Mit dem Schlepper, der die Reise für ihn nach Europa organisiert habe, habe er sich in seinem Heimatstaat persönlich getroffen. Insgesamt habe ihm die Reise 3.500,- Euro gekostet, welcher dieser dem Schlepper persönlich übergeben habe. Er habe von Freunden erfahren, dass dieser Schleppungen organisiere und habe deshalb Kontakt mit diesem aufgenommen. Sein Heimatland habe er legal verlassen und sei ihm ein Reisepass vom Passamt XXXX ausgestellt worden. In der Türkei habe er diesen dann verloren.

In Griechenland habe es der BF nicht gut gefunden und habe dort keine Arbeit gehabt. Er hätte sich immer wieder verstecken müssen, da er Angst vor der Polizei gehabt habe. Er habe keine Papiere gehabt, weshalb er Angst gehabt habe, erwischt zu werden. Zu den Ländern Rumänien und Ungarn könne er nichts sagen, als er sich dort immer im Wald zum Zwecke der Durchreise aufgehalten habe.

2. Am XXXX wurde der BF durch einen Vertreter des Bundesasylamtes mit Hilfe eines Dolmetschers für die Sprache Bengali einvernommen. Zu seinen persönlichen Verhältnissen führte er aus, dass er verheiratet sei und keine Kinder haben würde. Seine Ehefrau, Eltern und Geschwister würden noch in Bangladesh leben. Die Familie des BF würde vom Geld des Vaters, welcher dieser aus dem Erwerb in der Landwirtschaft erwirtschafte, leben. Der BF selbst sei Verkäufer gewesen. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse beschrieb er als sehr schlecht, als er nur ein geringes Gehalt gehabt habe, wenn er gearbeitet hätte.

Den Grund für seine Ausreise aus seinem Heimatland habe er in der schlechten wirtschaftlichen Lage gesehen, als es keine Arbeit geben würde. Er wolle in Österreich arbeiten, ein schönes Leben führen, mit dem verdienten Geld seiner Familie helfen. Ansonsten würde er keine weiteren Fluchtgründe haben. Er sei weder erkennungsdienstlich von den Behörden behandelt worden noch habe er jemals persönlich Probleme mit den heimatlichen Behörden (Polizei, Militär oder sonstigen Behörden) gehabt bzw. würde gegen ihn kein Haftbefehl bestehen. Aus eigenem Antrieb heraus habe er keine Sicherheitsdienststelle, Politeidienststelle oder Staatsanwaltschaft bzw. Gericht aufgesucht.

Er sei sunnitischer Moslem, sei aber weder aus religiösen noch ethnischen Gründen verfolgt worden. Ebenso sei er keiner Verfolgung aus politischer Überzeugung ausgesetzt gewesen. Er habe Angst davor seine Familie nicht ernähren zu können, andere Befürchtungen würde er nicht haben.

Sie würden sehr arme Leute sein und würden alle Probleme gelöst sein, wenn er Arbeit bekommen würde. Bangladesh würde ein sehr armes Land sein, als es dort große wirtschaftliche Probleme geben würde. Er habe sich sehr viel Geld ausgeborgt, um nach Österreich zu kommen. Würde er nach Bangladesh zurückkehren müssen, so hätte er dieses Geld zurückzugeben. Er wolle nicht mehr nach Bangladesh zurück.

3. In der mit dem BF am XXXX aufgenommenen Niederschrift gab dieser an, dass er durch die Rechtsberatung beraten worden sei. Seine bisherig gemachten Angaben würde er aufrecht halten. Er habe auch von einer Anzeige erzählt, es sei ihm aber gesagt worden nur von einem Problem und nicht von zwei Problemen zu reden. Deshalb sei wohl nur ein Problem und nicht auch das zweite Problem protokolliert worden.

Von seinem Heimatland sei er legal nach Dubai ausgereist. Die Frage nach Problemen bei der Ausreise aus Bangladesh beantwortete dieser damit, dass dies der Schlepper organisiert habe. Bei der Kontrolle habe dieser seinen Reisepass vorgezeigt. Dies sei am XXXX gewesen. Die Ausreise habe er mit einem Flugzeug vorgenommen.

Einmal habe er sich in seinem Heimatland an die Polizei gewandt. Er habe Hilfe erbeten, diese aber nicht bekommen. Es habe einen Streit gegeben, weil er als „Fahrerhilfe“ gearbeitet habe. Er sei bei dieser Tätigkeit kontrolliert worden und habe ihm die Polizei gesagt, dass dies nicht erlaubt sei und hätte deswegen Geld von ihm gewollt, welches sie nicht bezahlen hätten wollen. Aus diesem Grunde sei er verhaftet worden. Eine Nacht habe er dort bleiben müssen. Sein Bruder habe sie dann befreit. Er sei Präsident vom Gewerkschaftsverein ihrer Arbeit und habe sich für sie eingesetzt. So seien sie freigekommen. Im Ort habe es bereits vorher solche Vorfälle gegeben, doch sei er nur dieses eine Mal betroffen gewesen.

Es hätte zwei Anzeigen gegeben, weswegen er nicht zu Hause bleiben habe können und untergetaucht sei. Die Anzeige würde bei ihm zu Hause sein, doch würde er dafür Zeit brauchen. Auf Vorhalt, dass sich der BF bereits eine Woche in Österreich befinden würde, gab dieser an dies bisher nicht machen haben zu können. Wenn er es benötigen würde, dann würde es ihm geschickt werden. Auf Vorhalt, dass der BF bereits von der Polizei und auch vom BFA einmal befragt worden sei, er seither nichts unternommen habe, nachdem bereits eine Woche vergangen sei, gab dieser an wirtschaftliche Gründe und auch die Anzeige angegeben zu haben. Es sei ihm aber gesagt worden, er könne nur eines angeben. Auf Vorhalt, dass ihm das Protokoll rückübersetzt worden sei und er keine Einwände gegen das Protokoll erhoben und ausdrücklich lediglich die wirtschaftlichen Gründe angeführt habe, gab dieser an, dass er sich festlegen habe müssen, weshalb die wirtschaftlichen Gründe erfasst worden wären. Die Anzeigen würden aus dem Jahr XXXX stammen. Auf Vorhalt weshalb der BF erst XXXX ausreisen hätte müssen, gab dieser an wegen der Verfolgung nicht einmal einen Pass beantragen haben können. Den Vorhalt, soeben erzählt zu haben, mit dem Pass nach Dubai geflogen zu sei, bestätigte der BF. Dieser sei ihm im Jahre XXXX oder XXXX ausgestellt worden. Auf die Frage, weshalb sich der BF einen Pass ausstellen habe lassen, wenn er gar nicht ausreisen haben wollen, gab dieser an sich im Jahr XXXX einen Reisepass ausstellen zu lassen, den er sich XXXX verlängern habe lassen. Bei der Passverlängerung habe es keine Probleme gegeben.

Die Anzeige hätten die Leute von seinem Ort und die Nachbarn gemacht. Grund sei ein Grundstückstreit gewesen. Jemand habe die Bäume abgeschnitten, als der BF nicht dort gewesen sei. Es sei versucht worden seinen Namen in eine andere Anzeige zu schreiben, was aber nicht gegangen sei, weshalb diese Anzeige erfolgt sei. Der Besitzer des Grundstückes sei dieselbe Person, die ihn angezeigt habe. Dem BF sei vorgeworfen worden, dass er die Bäume abgeschnitten bzw. dabei geholfen habe. Wenn der BF zu Hause gewesen wäre, hätte der Kläger ihn festgenommen und zur Polizei gebracht. Die Frage, ob in dem Verfahren in den letzten 7 Jahren nichts weitergegangen wäre, als die Anzeige XXXX erfolgt sei, beantwortete dieser damit, dass sie zweimal bei Gerichtsverhandlungen gewesen seien. Weitere Verhandlungstermine habe der BF nicht wahrgenommen, da er befürchtet habe wegen weiterer unbegründeter Anzeigen festgenommen zu werden. Inwieweit der BF noch weitere Behördenkontakte gehabt habe, beantwortete dieser damit, dass er nicht erwischt worden sei. Sein jüngerer Bruder sei in Haft, als er dreimal angezeigt worden sei, obwohl er nicht dabei gewesen sei. Er habe eines Nachts Stimmen vor dem Haus gehört, weshalb er dann durch den Hinterausgang weggelaufen sei. Wenn sie gemerkt hätten, dass sie anwesend gewesen seien, wäre gegen sie vorgegangen worden. Sie würden mit der Polizei zusammenarbeiten. Insofern habe er keine Möglichkeiten, weshalb er sich dazu entschieden habe sein Heimatland zu verlassen.

Politische Probleme habe er nicht gehabt. Er sei auf einer Koranschule gewesen, die man wegen Corona geschlossen habe. Die jetzige Regierung habe viele Probleme gemacht. Wegen ihm sei die ganze Familie zerstört worden.

Seine Familie würde Druck bekommen, wenn er das ausgeborgte Geld nicht zurückzahlen könne. Bei einer Rückkehr nach Bangladesh würde er nochmals angezeigt werden. Es könne auch sein, dass ihm auf der Strasse etwas passieren könnte.

Er wolle nicht zurückkehren. Wenn er sterben würde, würde er nicht zurückgehen. Er würde nicht freiwillig nach Bangladesh zurückkehren. Wegen seiner Probleme wolle er nicht abgeschoben werden. Die allgemein politische Lage würde nicht gut sein. Es würde keine Freiheit und keine Meinung geben. Wenn man etwas sagen wolle, würde man geschlagen werden.

Er wolle abschließend sagen, dass seine Familie wegen ihm Probleme bekommen habe. Er wolle nicht nach Hause zurück.

4. Mit dem nunmehr angefochtenen oben angeführten Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesh (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bangladesh ausgewiesen.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF ausschließlich wirtschaftliche Gründe genannt habe.

Probleme mit Behörden oder Institutionen seien zunächst verneint worden. In der Einvernahme vom XXXX habe der BF letztlich versucht ein Problem mit der Polizei zu konstruieren, welches auf einer ungerechtfertigten Anzeige aus dem Jahr XXXX basieren würde. Der BF habe dazu weder Beweismittel vorgelegt, noch konnte dieser glaubwürdig und nachvollziehbar darlegen, weshalb er anlässlich der Erstbefragung bzw. der Einvernahme vor dem BFA am XXXX dezidiert dazu befragt worden sei und dies nicht entsprechend schildern habe können. So habe der BF ausdrücklich ausgeführt mit den heimatlichen Behörden (darunter der Polizei) keine Probleme gehabt zu haben und auch nie inhaftiert gewesen zu sein. Gegensätzlich dazu habe der BF am XXXX eine ungerechtfertigte Anzeige und Inhaftierung geschildert.

Zudem habe der BF auf konkretes Befragen ausdrücklich angegeben, dass ausschließlich wirtschaftliche Beweggründe zum Verlassen des Herkunftsstaates ausschlaggebend gewesen seien. Insofern stelle sein nunmehriges Vorbringen eine erhebliche und damit unglaubwürdige Steigerung seines Vorbringens dar und diene wohl einzig dem Versuch, doch noch irgendwelche Verfolgungen im Herkunftsstaat zu konstruieren, um die Asylerlangung in Österreich zu erreichen. Der BF habe angegeben vor bzw. nach der Anzeige Kontakt mit den Behörden des Herkunftsstaates gehabt zu haben. Für die Behörden seines Herkunftsstaates wäre es daher ein leichtes gewesen seiner habhaft zu werden. Der BF habe ausdrücklich angeführt, dass keinerlei Fahndungsmaßnahmen gegen ihn bestehen würden. Dagegen wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben und ausgeführt, dass der Bescheid in seinem gesamten Umfang angefochten werde. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass das BFA ihre Feststellung, dass der BF seinen Herkunftsstaat aus wirtschaftlichen Gründen verlassen hätte, dass dies auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung und einer mangelhaften Beweiswürdigung basieren würde.

Dass der BF durch zahlreiche sichere Länder gereist sie und in keinem dieser Länder um Asyl angesucht habe, sei ein weiteres Indiz dafür, dass ihm in Bangladesh keine Verfolgung drohen würde. Von einer Person, die aus Angst um ihr Leben ihr Heimatland verlassen habe, wäre zu erwarten gewesen, dass diese im ersten sicheren Land um Schutzangesucht habe. Der BF habe erst nach Aufgriff durch die österreichische Exekutive einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

5. In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde wurde im Wesentlichen Die belangte Behörde habe es unterlassen weitere Nachforschungen im Herkunftsstaat des BF anzustellen. Sie würde sich in ihrer Entscheidung auf die im angefochtenen Bescheid erwähnten Länderfeststellungen zu Bangladesh stützen. Es komme zu willkürlichen Verhaftungen und die Unabhängigkeit der Justiz würde durch Überlastung, überlange Verfahrensdauern, Korruption behindert sein, sodass von einem funktionierenden und sicheren Rechtsstaatsystem nicht die Rede sein könne und die Angst des Bf vor ungerechtfertigten Verhaftungen bzw. keinem fairen Verfahren begründet sein würde.

Insofern sei es zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung gekommen. Hätte die Behörde im Zuge ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht weiter Nachforschungen zum Vorbringen des BF angestellt, hätte diese zum Schluss kommen müssen, dass das Vorbringen asylrelevant sei bzw. hätte dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigen zuerkannt werden müssen.

Aus diesem Grunde hätte die von der Erstbehörde getroffene Rückkehrentscheidung und die Feststellung, dass eine Abschiebung nach Bangladesh zulässig sei, zu Unrecht erfolgt.

Da dem BF bei einer Abschiebung in das Herkunftsland eine asylrelevante Verfolgung bzw. zumindest eine unmenschliche erniedrigende Behandlung iSd Art 2 und 3 EMRK drohe, würde begehrt dem BF die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:

1.1 Zur Person und zum individuellen Vorbringen des BF:
Aufgrund der der Entscheidung zugrundeliegenden Akten des Bundesamtes sowie des Bundesverwaltungsgerichtes steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:
Der BF ist Staatsangehöriger von Bangladesh, ist sunnitischer Muslim und war in Bangladesh zuletzt in XXXX wohnhaft. Seine Identität kann nicht festgestellt werden. Der BF reiste illegal ins Bundegebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er hat im Herkunftsland eine Grundschule besucht und hat in Bangladesh seinen Lebensunterhalt als Verkäufer bestritten. Er verfügt im Herkunftsland über ein familiäres Netzwerk. In Bangladesh leben unter anderem seine Ehefrau, die Eltern, eine Schwester und zwei Brüder des BF. Die Familie des BF lebt vom Geld des Vaters, welcher dieser aus der Arbeit in der Landwirtschaft bestreitet.

Der BF hält sich seit etwa zweieinhalb Monaten im Bundesgebiet auf. Er verfügt über keine Deutschkenntnisse. Er geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Er bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Es ist nicht hervorgekommen, dass der BF Mitglied eines Vereins, Club, Organisation oder dgl. ist. Strafrechtlich ist der BF unbescholten. In Österreich halten sich keine Familienangehörigen oder Verwandten des BF auf.

Das Vorbringen des BF, das Herkunftsland aus Furcht wegen einer Anzeige verlassen zu haben, ist nicht glaubwürdig. Die Ausführungen des BF in der Niederschrift vom XXXX , dass dieser ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen sein Heimatland verlassen hat, sind glaubwürdig.

Es kann zudem nicht festgestellt werden, dass der BF bei einer Rückkehr ins Herkunftsland mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung aufgrund einer gegen ihn erlassenen Anzeige einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre.

1.2. Zur Situation in Bangladesh:

Länderspezifische Anmerkungen

Letzte Änderung: 08.06.2021

Hinweis:

Die vorliegende Länderinformation geht nur eingeschränkt auf die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie sowie auf eventuelle Maßnahmen dagegen ein. Solche Informationen werden, soweit vorhanden, in einem eigenen Kapitel (COVID-19) oder in den jeweiligen folgenden Kapiteln zur Verfügung gestellt; sind jedoch aufgrund der Möglichkeit sich diesbezüglich rasch verändernder Entwicklungen im Land nur als Momentaufnahme zu sehen.

Zur aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Websites der WHO: https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports oder der John Hopkins-Universität: https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6 mit täglich aktualisierten Zahlen zu kontaktieren.

COVID-19

Letzte Änderung: 08.06.2021

Der Regierung wird vorgeworfen, dass die Vorbereitung auf die Viruserkrankung im Inland inadäquat gewesen sind. COVID-19-Testungen waren zunächst nur in der Hauptstadt Dhaka möglich gewesen. Anfang April 2020 nahmen Diagnostikeinrichtungen am Rajshahi Medical College und am Cox's Bazar Medical College ihre Tätigkeiten auf und testen seitdem Bewohner ihrer jeweiligen Regionen auf eine Infektion mit COVID-19. Mit Ende März 2020 erließ die Regierung weitreichende Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Das Transportwesen, Einkaufsmöglichkeiten, behördliche Dienste und anderes wurden auf das nötigste reduziert. Von den erlassenen Kontakt- und Arbeitsbeschränkungen ist ein Großteil der bangladeschischen Bevölkerung betroffen. Viele stehen dadurch vor unmittelbar existenzbedrohenden finanziellen Risiken. Viele Großaufträge beispielsweise im Bereich der Textilindustrie wurden zurückgezogen. Diese Maßnahmen bedeuteten einen Wegfall der Einkommensgrundlage von 4,1 Millionen Textilarbeitern, die zu den Geringverdienern in Bangladesch zählen. Einige Textilfabriken stellten jedoch ihre Produktion teilweise auf die Herstellung von Atemschutzmasken und Schutzanzügen um. Lokale Initiativen von einkommensstärkeren Personen versuchen, die Grundversorgung von einkommensschwächeren Familien durch die Verteilung von Lebensmitteln in den jeweiligen Anwohnergebieten aufrecht zu erhalten. Auch die Regierung hat erste staatliche Entlastungsprogramme in die Wege geleitet. Darunter Programme zur finanziellen Unterstützung der in der Landwirtschaft Tätigen oder für Personen, die in extremer Armut leben (GIZ 11.2020; vgl. ÖB 9.2020). Im Zuge der COVID-Krise 2020 verloren nach Schätzungen der Bangladesh Economic Association etwa 36 Millionen Menschen während des Lockdowns ihre Arbeit, 25 Millionen rutschen zurück in die absolute Armut (ÖB 9.2020).

Die bangladeschische Regierung hat im April 2020 Hilfspakete mit einem Volumen in Höhe von 12 Milliarden USD beschlossen. Die Konjunkturmaßnahmen zielen unter anderem auf eine Stützung von für die Wirtschaft bedeutende Industriezweige wie die Textil- und Bekleidungsherstellung sowie den Agrar- und Nahrungsmittelsektor ab (GTAI 21.9.2020a). Der durch die Regierung verhängte umfassende Lockdown war de facto jedoch immer brüchig und wurde einmal mehr und einmal weniger eingehalten. Am 30.5.2020 wurde der Lockdown wieder aufgehoben, da eine weiter Fortsetzung wirtschaftlich nicht mehr vertretbar war (ÖB 9.2020).

Das ohnehin schwache Gesundheitssystem Bangladeschs ist mit der Pandemie völlig überlastet (ÖB 9.2020). Angesichts der historisch niedrigen Ausgaben für die öffentliche Gesundheitsversorgung im Land erwiesen sich die Einrichtungen als unzureichend, schlecht vorbereitet und schlecht ausgerüstet, um die Krise zu bewältigen (AI 7.4.2021). Die Versorgung von Covid-19-Patienten stößt an ihre Grenzen. Landesweit sind etwas mehr als knapp 1.000 Intensivbetten verfügbar. Davon sind 400 für die Behandlung von Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen ausgerüstet. Während es in der Hauptstadt Dhaka 400 Intensivbetten gibt, stehen in 47 der insgesamt 64 Verwaltungsbezirke überhaupt keine zur Verfügung (GTAI 21.9.2020b).

Eine weitere Problemstellung für das Land stellen die zahlreichen Rückkehrer aus den Ländern des Nahen Ostens aufgrund des mit COVID verbundenen weltweiten Wirtschaftsabschwungs dar. Viele bringen so das Virus auf ihrem Heimweg mit ins Land. Da viele Migranten aus Bangladesch im Nahen Osten im Zuge der COVID-Krise ihre Arbeit verloren haben und ausgewiesen wurden, ist in den kommenden Jahren mit einem vermehrten Aufkommen von AsylwerberInnen aus Bangladesch in (West-)Europa zu rechnen (ÖB 9.2020).

COVID-19 erhöht Risiken im Zusammenhang mit geschlechtsspezifischer Gewalt und setzen Frauen und Kinder zusätzlichen Bedrohungen aus (iMMAP 3.2021).

Die Behörden gehen gegen Journalisten und Medien vor, die kritisch über die Reaktion der Regierung auf die COVID-19-Pandemie berichten (HRW 20.5.2021; vgl. AI 19.5.2021). Kritische Journalisten sehen sich systematischen Verleumdungsklagen ausgesetzt (ÖB 9.2020). Eine Überwachung von Personen, die "Gerüchte" über die Covid-19-Pandemie verbreiten könnten, wird verstärkt, die Medienzensur verschärft (HRW 20.5.2021).

Nachdem die Zahl der Neuinfektionen im April 2021 Tagen stark angestiegen, wurden die Anfang April 2021 eingeführten Abriegelungsmaßnahmen, die auch die Schließung von Geschäften beinhaltet, aufgrund der sich verschlechternden Situation weiter verschärft (BAMF 12.4.2021).

Das Außenministerium des Landes bestätigt Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Massenimpfprogrammes wegen einem Fehlen an den dafür notwendigen Impfstoff-Dosen. Bisher hat Bangladesch erst 7 Millionen Dosen (darüber hinaus schenkte Indien 3,2 Millionen Dosen separat) einer vertraglich mit Indien vereinbarten Menge von 30 Millionen Dosen des vom Serum Institute of India hergestellten Oxford AstraZeneca-Impfstoffs erhalten (AnAg 22.5.2021).

Um eine Übertragung von den als ansteckender eingestuften Varianten des COVID-19-Virus aus Indien zu verhindern, wurden Flüge abgesagt und Grenzen geschlossen (TG 5.5.2021).

Quellen:

?        AnAg – Anadolu Agency (22.5.2021): Bangladesh extends border lockdown with India, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-extends-border-lockdown-with-india/2251062, Zugriff 25.5.2021

?        AI – Amnesty International (19.5.2021): Bangladesh: Rozina Islam must not be punished for her journalistic work, Zugriff 19.5.2021
https://www.ecoi.net/de/dokument/2051859.html, Zugriff 1.6.2021

?        AI – Amnesty International (7.4.2021): Bangladesh 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048635.html, Zugriff 18.5.2021

?        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (12.4.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/EN/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw15-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 17.5.2021

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2020a): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 17.5.2021

?        GTAI - Germany Trade and Invest (21.9.2020a): Covid-19: Maßnahmen der Regierung, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/bangladesch/covid-19-massnahmen-der-regierung-260866, Zugriff 5.11.2020

?        GTAI - Germany Trade and Invest [Deutschland] (21.9.2020b): Covid-19: Gesundheitswesen in Bangladesch: https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/bangladesch/bangladeschs-wirtschaft-behauptet-sich-trotz-coronakrise-260868, Zugriff 5.11.2020

?        HRW – Human Rights Watch: Bangladesh (20.5.2021): Arrest of Journalist Investigating Corruption, https://www.ecoi.net/de/dokument/2052025.html, Zugriff 1.6.2021

?        iMMAP – Information Management and Mine Action Programs (Autor), veröffentlicht von ReliefWeb (3.2021): COVID-19 Situation Analysis , https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/iMMAP_COVID-19_Bangladesh_Analysis%20Report_032021.pdf, Zugriff 17.5.2021ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        TG – The Guardian (5.5.2021): India’s neighbours close borders as Covid wave spreads across region, https://www.theguardian.com/world/2021/may/05/indias-neighbours-close-borders-as-covid-wave-spreads-across-region, Zugriff 25.5.2021

Politische Lage

Letzte Änderung: 08.06.2021

Bangladesch ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Die Unabhängigkeit und der Übergang zur Demokratie brachten ein Einparteiensystem, mehrere Militärputsche (1975 und 1982), zwei Übergangsregierungen, Ausnahmezustände und Machtkämpfe zwischen den beiden großen Parteien, der Bangladesh Nationalist Party (BNP) und der Awami-Liga (AL). Die beiden Parteien regieren Bangladesch seit 1991 abwechselnd (OMCT 7.2019).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch. Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 9.2020). Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300 direkt gewählten Abgeordneten (ÖB 9.2020) sowie zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 30.3.2021; vgl. GIZ 11.2019a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der BNP und der AL als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 9.2020).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien AL und BNP bestimmt (ÖB 9.2020; vgl. AA 21.6.2020, BS 29.4.2020). Klientelismus und Korruption sowie mafiöse Strukturen sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 21.6.2020). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit um die Führung des Landes konkurriert haben. Unterstützt werden die beiden Parteien von einem kleinen Kreis von Beratern (FH 3.3.2021). Wie in der Region üblich, geht es bei politischen Parteien weniger um Ideologie, als um einzelne Persönlichkeiten und deren Netzwerke, die im Falle eines Wahlsieges auch finanziell profitieren, in dem sie mit wichtigen Staatsposten versorgt werden (ÖB 9.2020).

Bei den Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die "Große Allianz" um die regierende AL einen überragenden Sieg (ÖB 9.2020) mit 96 Prozent der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitzen (Guardian 30.12.2018; vgl. DT 27.1.2019, DW 14.2.2019). Diese waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist. Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a). Die rivalisierenden Parteien AL und BNP dominieren die Politik und schränken die politischen Handlungsmöglichkeiten für diejenigen ein, die parteiinterne Strukturen oder Hierarchien in Frage stellen oder alternative Parteien oder politische Gruppierungen gründen wollen, Animositäten zwischen den Parteispitzen von AL und BNP die sich bis in die Kader der unteren Ebenen ziehen, haben zu andauernder politischer Gewalt beigetragen (FH 3.3.2021).

Da die Politik in Bangladesch generell extrem korrupt ist, sind die Grenzen zwischen begründeter Strafverfolgung und politisch motivierter Verfolgung fließend. Sicherheitskräfte sind in jüngster Vergangenheit sowohl bei Demonstrationen von Anhängern der beiden Großparteien, als auch bei islamistischen oder gewerkschaftlichen Protesten mit Brutalität vorgegangen. Im Zuge des Wahlkampfes Ende 2018 wurden gegen Anhänger und KandidatInnen der oppositionellen BNP durch die Sicherheitsbehörden falsche Anzeigen verfasst (ÖB 9.2020).

Mehrere Menschenrechtsgruppen haben seit Anfang 2018 einen dramatischen Anstieg von fingierten Klagen gegen Gegner der Regierungspartei festgestellt. Unter den Verhafteten befinden sich prominente Führer des Oppositionsbündnisses (FIDH 29.12.2018). Die BNP-Vorsitzende, Khaleda Zia, war von März 2018 bis März 2020 aufgrund von Korruptionsvorwürfen im Gefängnis (AA 21.6.2020; vgl. NAU 25.3.2020). Seit diese auf freiem Fuß ist, sind praktisch keine Aktivitäten der BNP mehr wahrnehmbar (ÖB 9.2020).

Nachdem die oppositionelle BNP nunmehr nicht existent ist und im politischen Prozess kaum bis gar keine Rolle mehr spielt, ist eine Verfolgung, bzw. Unterdrückung ihrer AnhängerInnen aus Sicht der Regierung offenbar nicht mehr nötig. Anzumerken ist, dass seit März 2020 das politische Geschehen vollständig von der COVID-Krise überlagert wird (ÖB 9.2020; vgl. HRW 13.1.2021).

Von einer staatlichen Überwachung der politischen Opposition ist auszugehen (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020

?        BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029402/country_report_2020_BGD.pdf, Zugriff 10.11.2020

?        DT – Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 10.11.2020

?        DW – Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 10.11.2020

?        FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html, Zugriff 28.5.2021)

?        FIDH - International Federation for Human Rights (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 10.11.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2019a): Bangladesch – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 10.11.2020

?        OMCT – World Organisation Against Torture (7.2019): Cycle of Fear - Combating Impunity for Torture and Strengthening the Rule of Law in Bangladesh, https://www.omct.org/files/2019/07/25475/cycleoffear_bangladesh_report_omct.pdf, Zugriff 1.6.2021

?        HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043519.html, Zugriff 28.5.2021

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 11.11.2020

?        NAU – Schweizer Nachrichtenportal (25.3.2020): Bangladeschs Oppositionsführerin Zia aus Haft entlassen, https://www.nau.ch/politik/international/bangladeschs-oppositionsfuhrerin-zia-aus-haft-entlassen-65684195, Zugriff 10.11.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048142.html, Zugriff 28.5.2021

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 08.06.2021

Die Sicherheitslage in Bangladesch ist volatil und kann sich kurzfristig deutlich verschlechtern (EDA 27.5.201; vgl. DFAT 22.8.2019). Zwischen religiösen beziehungsweise ethnischen Gemeinschaften bestehen latente Spannungen, die sich teilweise ohne grosse Vorwarnung in lokalen, gewaltsamen Zusammenstössen entladen können (EDA 27.5.2021). Terroristische Anschläge islamistischer Extremistengruppen verfügen über ein Gefährdungspotential gegenüber dem Staat (DFAT 22.8.2019). 2017 kam es im Land zu mehreren Selbstmordattentaten (SATP 26.5.2021a). Der "Islamische Staat" ruft zu weiteren Attentaten auf (BMEIA 27.5.2021).

Die Regierungen Bangladeschs stehen vor der Herausforderung, mit extremistischen islamistischen Gruppen umzugehen, die Gewalt gegen eine Vielzahl von staatlichen und zivilen Zielen planen oder ausführen können. Von den Behörden wurde auf solche Angriffe stets robust reagiert. Wichtige militante Gruppen wurden verboten und Hunderte von Kämpfern verhaftet. Menschenrechtsgruppen berichten, dass Sicherheitsoperationen gegen militante Gruppen zu einer hohen Zahl von außergerichtlichen Tötungen führen (DFAT 22.8.2019).

Es wird davon ausgegangen, dass Operationen gegen terroristische Gruppen, zusammen mit der sich allmählich verbessernden Koordination der Regierung bei der Terrorismusbekämpfung, die Fähigkeiten militanter Gruppen verringert haben. Trotzdem kann das Risiko weiterer Anschläge nicht ausgeschlossen werden (DFAT 22.8.2019). Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). Das South Asia Terrorism Portal (SATP) verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2019 insgesamt 99 Vorfälle terrorismusrelevanter Gewalt im Land. Im Jahr 2020 wurden 88 solcher Vorfälle, bis zum 26.5.2021 wurden insgesamt 35 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 28.5.2021b).

Bangladesch hat seine Ansprüche an den Seegrenzen zu Myanmar und Indien an den Internationalen Seegerichtshof herangetragen; der Besuch des indischen Premierministers Singh im September 2011 in Bangladesch führte zur Unterzeichnung eines Protokolls zum Landgrenzenabkommen zwischen Indien und Bangladesch von 1974, das die Beilegung langjähriger Grenzstreitigkeiten über nicht abgegrenzte Gebiete und den Austausch von territorialen Enklaven vorsah, aber nie umgesetzt wurde (CIA 4.5.2021). An der Grenze zu Indien kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzsicherungsorganen. Regelmäßig werden dabei Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren oder sich im Nahbereich der Grenze befinden (DT 22.12.2020).

Der inter-ethnische Konflikt in Myanmar wirkt sich auf Bangladesch aus. Er hat politische und soziale Spannungen, insbesondere aufgrund der Ankunft von rund einer Million Rohingya-Flüchtlingen seit August 2017 verstärkt (EDA 27.5.2021; vgl. CIA 4.5.2021). Die Rohingya werden von den Behörden Bangladeschs als zusätzlichen Sicherheitsbedrohung in Cox's Bazar mit möglichen Auswirkungen auf kommunale Gewalt, Menschenschmuggel, Drogen- und Menschenhandel und einhergehenden möglichen Radikalisierungen wahrgenommen (DFAT 22.8.2019). Durch die myanmarischen Grenzbehörden wurde eine 200 km langer Drahtsperranlage, der illegale Grenzübertritte und Spannungen durch die militärische Aufrüstung entlang der Grenze verhindern soll, errichtet (CIA 24.5.2021).

Potential für Bedrohungen mit Bezug auf die Sicherheitslage haben ebeno politisch motivierte Gewalt (insbesondere im Vorfeld von Wahlen) (DFAT 22.8.2019). Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere der Awami League (AL) und der Bangladesh Nationalist Party (BNP), ist für den größten Teil der Gewalt im Land verantwortlich. Die Animositäten zwischen den beiden Parteien sowie zwischen den Kadern der unteren Ebenen haben zu andauernder politischer Gewalt beigetragen (HRW 13.1.2021; vgl. ACLED 9.11.2018). Die regierende AL hat ihre politische Macht durch anhaltende Schikanen gegenüber der Opposition und den als mit ihr verbündet wahrgenommenen Personen sowie gegenüber kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft gefestigt (FH 3.3.2021). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018). Im Jahr 2020 wurden 73 Tote und 2.883 Verletzte aufgrund politischer Gewalt sowie 2.339 Verletzte bei innerparteilichen Zusammenstößen registriert. Gewaltsame politische Proteste und wahlbezogene Gewalt hielten auch 2020 an (HRW 13.1.2021; vgl. ODHIKAR 25.1.2021).

Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere der Opposition, Islamisten, Studenten) geht in vielen Fällen nach wie vor Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene "Studentenorganisationen". Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 21.6.2020).

Es kommt zu Fällen krimineller Gewalt, sowie zu sporadische Zusammenstößen in den Chittagong Hill Tracts (CHT) zwischen indigenen Gruppen und bengalischen Siedlern wegen Landbesitz und -nutzung (DFAT 22.8.2019). Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden und sich in gewalttätige Auseinandersetzungen entladen (UKFCO 27.5.2021; vgl. AA 28.7.2020, AI 1.4.2021). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie etwa Racheakte oder Landraub, Grund für solche Vorfälle sind (AA 21.6.2020).

Die Schutzfähigkeit staatlicher Behörden ist grundsätzlich gering. Die Behörden sind in der Regel keine neutralen Akteure, sondern unterstützen die politischen Ziele der jeweiligen Machthaber (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (28.7.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 9.11.2020

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020

?        ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 5.11.2020

?        AI – Amnesty International (1.4.2021): Bangladesh authorities must conduct prompt, thorough, impartial, and independent investigations into the death of protesters and respect people’s right to peaceful assembly, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048271.html, Zugriff 27.4.2021

?        BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres [Österreich] (27.5.2021) (Unverändert gültig seit: 26.05.2021): Bangladesch (Volksrepublik Bangladesch) – Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 27.5.2021

?        CIA – Central Intelligence Agency [USA] (24.5.2021): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/bangladesh/, Zugriff 28.5.2021

?        DT – DhakaTribune (22.12.2020): Bangladesh sees highest border deaths in 10 years, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/2020/12/22/bangladesh-sees-highest-border-deaths-in-10-years, Zugriff 25.5.2021

?        EDA - Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (27.05.2021) (publiziert am 14.08.2020): Bangladesch, Spezifische regionale Risiken, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/bangladesch/reisehinweise-fuerbangladesch.html#par_textimage, Zugriff 27.5.2021

?        FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html, Zugriff 19.5.2021

?        HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043519.html, Zugriff 28.5.2021

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        ODHIKAR (25.1.2021): Annual Human Rights Report 2020, Bangladesh, https://www.fidh.org/IMG/pdf/annual-hr-report-2020_eng.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        SATP – South Asia Terrorism Portal (26.5.2021a): Yearly Suicide Attacks, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/suicide-attacks/bangladesh, Zugriff 28.5.2021

?        SATP – South Asia Terrorism Portal (26.5.2021b): Data Sheet – Bangladesh, Yearly Sucide Attacks, Advance Search 2000 - 2021, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 28.5.2021

?        UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office [UK] (27.5.2021) (erstellt am: 24.5.2021): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, Political violence, Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 27.5.2021

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 16.06.2021

Die Politisierung der Justiz und der Druck auf sie halten an (FH 3.3.2021). Seit die Awami-Liga (AL) im Jahr 2009 an die Macht kam, hat die von ihr geführte Regierung begonnen, erheblichen Einfluss auf die Justiz auszuüben (FIDH 25.1.2021). Vorwürfe des politischen Drucks auf Richter sind üblich, ebenso wie der Vorwurf, dass unqualifizierte AL-Loyalisten in Gerichtspositionen berufen werden (FH 3.3.2021). Wie die meisten Beobachter übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 8.2019). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom Dezember 2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 29.12.2018). Strafanzeigen gegen Mitglieder der Regierungspartei werden regelmäßig aus "politischer Rücksichtnahme" zurückgezogen (FH 3.3.2021).

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court). Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen Common Law. Die erstinstanzlichen Gerichte bestehen aus "Magistrates", die der Exekutive zuzurechnen sind, sowie Session und District Judges, die der Judikative angehören. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem High Court, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem Appellate Court, dessen Entscheidungen alle übrigen Gerichte, einschließlich des High Court, binden. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 9.2020).

Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden. Dennoch wird diese Unabhängigkeit der Justiz durch Überlastung, überlange Verfahrensdauern, Korruption und politische Einflussnahme behindert (ÖB 9.2020). Die Einflussnahme der Regierungspartei auf Parlament und Justiz haben deren Unabhängigkeit inzwischen weitgehend beseitigt (AA 21.6.2020).

Auf Grundlage des "Public Safety Act", des „Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act”, “Women and Children Repression Prevention Act” sowie des "Special Powers Act" wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen – es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Speedy Trial Tribunals haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Personen zu Tode verurteilt (ÖB 9.2020).

Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden (ÖB 9.2020). In ländlichen Gebieten kommt es zu Verurteilungen durch unbefugte Dorfälteste oder Geistliche nach traditionellem, islamischem "Scharia Recht". Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 9.2020). Nicht immer greifen die Behörden ein (AA 21.6.2020). Obwohl diese "Gerichte" eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html, Zugriff 19.5.2021

?        FIDH -International Federation for Human Rights (Autor), ODHIKAR (Autor) (25.1.2021): Annual Human Rights Report 2020 Bangladesh, https://www.fidh.org/IMG/pdf/annual-hr-report-2020_eng.pdf, Zugriff 19.5.2021

?        FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 3.4.2020

?        ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 08.06.2021

Das Militär hat sich seit der Unabhängigkeit mehrfach in die Politik eingemischt (DFAT 22.8.2019) und ist für die Landesverteidigung zuständig, jedoch auch für einige Aufgaben im Bereich der inneren Sicherheit verantwortlich (USDOS 30.3.2021). Nach einem gescheiterten Putschversuch im Jahr 2012 hat die Awami League (AL) Berichten zufolge das Militär von Regierungskritikern, Anhängern der Oppositionsparteien und Offizieren mit engen Kontakten zum pakistanischen Militär gesäubert. Die Regierung hat Berichten zufolge auch die Gehälter erhöht, mehr hochrangige Positionen geschaffen, hochrangigen Offizieren wertvolles Land zugewiesen und dem Militär erlaubt, seine Kontrolle über die Chittagong Hill Tracts (CHT) und die dort lebenden indigene Bevölkerung zu konsolidieren (DFAT 22.8.2019). Die Streitkräfte sind gegenwärtig mit UN-Einsätzen sowie lukrativen Wirtschaftsverflechtungen ruhig gestellt (AA 21.6.2020). Das Militär untersteht dem Verteidigungsministerium (USDOS 30.3.2021).

Die Sicherheitskräfte, die die nationale Polizei, den Grenzschutz und Antiterroreinheiten wie das Rapid Action Battalion umfassen, halten die innere und die Grenzsicherheit aufrecht. Zivilen Behörden behielten eine effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte (USDOS 30.3.2021).

Die Polizei von Bangladesch ist die wichtigste Strafverfolgungsbehörde des Landes und spielt eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung im Land. Der Innenminister ist für das Ressort zuständig (DFAT 22.8.2019; vgl. USDOS 30.3.2021)

Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 21.6.2020). Die Regierung unternimmt Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern (ÖB 9.2020). Trotz dieser Bemühungen kommt es weiterhin zu Machtmissbrauch und unangebrachter Gewaltanwendung von Sicherheitskräften, insbesondere durch die Rapid Action Batallions (RAPs), die in weiterer Folge ungestraft bleiben (ÖB 9.2020).

Es gibt Hinweise auf willkürliche Festnahmen durch die Polizeikräfte, obwohl dies gesetzlich verboten ist, sowie auf willkürliche Nutzung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen. Die Festnahme ohne Angabe von Gründen ist für bis zu 30 Tagen zur Verhinderung von Taten, die die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden, erlaubt. Die Arretierten haben kein Recht auf einen Verteidiger. Die hauptsächlich Betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben. Nach wie vor problematisch ist auch die in vielen Fällen unverhältnismäßig lange Untersuchungshaft. Als Gründe hierfür werden bürokratische Ineffizienz, limitierte Ressourcen und Korruption genannt. Gegenwärtig geht man von über zwei Millionen ausständigen Zivil- und Strafverfahren aus (ÖB 9.2020).

Die Sicherheitsbehörden bestehen zum Hauptteil aus der dem Innenministerium unterstellten "Bangladesch Police", die ca. 116.000 Mann zählt. Zur Unterstützung der Polizei stehen weitere Einheiten zur Verfügung (ÖB 9.2020).

Rapid Action Batallions (RABs): Es gibt etwa 15 RABs mit insgesamt ca. 9.000 Mann, die ebenfalls dem Innenministerium unterstellt sind. Ihre Aufgabe ist der Kampf gegen bewaffnete kriminelle Organisationen. Die RABs sind hauptsächlich in urbanen Zentren stationiert, rekrutieren sich hauptsächlich aus Polizei und Armee, sind gut ausgebildet und mit moderner Ausrüstung versehen (ÖB 9.2020). Ihnen werden schwere Menschenrechtsverstöße wie z.B. außergerichtliche Tötungen zugeschrieben (AA 21.6.2020). Die RABs verfolgen eine aggressive Strategie gegen bewaffnete "Gang"-Mitglieder, was zu zahlreichen Toten durch Schießereien führt. Sie werden auch bei Demonstrationen eingesetzt, wobei exzessive Gewalt, Gummigeschosse aber auch scharfe Munition gegen Demonstranten zum Einsatz kam, welche wiederholt Todesopfer forderten. Es kam trotz zahlreicher Verhaftungen noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen gegen Mitglieder der RABs (ÖB 9.2020).

Bangladesh Ansar: Gegründet im Jahr 1948 und ebenfalls dem Innenministerium unterstellt, gibt es aktuell ca. 23.000 leicht bewaffnete Ansars, die zur Unterstützung der Polizei im ländlichen Raum eingesetzt werden und auch Zivilschutz-Aufgaben übernehmen (ÖB 9.2020).

Border Guard Bangladesh (BGB) – ehem. Bangladesh RiflesRifles (BDRs): Diese ca. 40.000 Mann starke paramilitärische Truppe untersteht dem Home Ministry [Innenministrium], wird aber hauptsächlich von Armee-Offizieren geführt und dient in erster Linie dem Grenzschutz. Die BGB ist auch für die Verhinderung von Schmuggel und Menschenhandel zuständig (ÖB 9.2020).

Village Defence Parties (VDP): Gegründet 1976, sollte es in jedem Dorf des Landes je ein männliches und weibliches "Platoon" [Zug] mit jeweils 32 Personen geben, die der Unterstützung der Polizei bei der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie der Unterstützung der zivilen Behörden bei sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbauprogrammen und bei Naturkatastrophen dienen sollen. In Städten gibt es analog dazu sog. Town Defence Parties (ÖB 9.2020).

Special Branch of Police (SB): Sie ist beauftragt, die nationale Sicherheit zu gewährleisten, erfüllt die Funktion, nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln und ist mit der Spionageabwehr betraut. Die SB ist überall in Bangladesch vertreten und besitzt die Fähigkeit, innerhalb und außerhalb des Landes zu agieren (AA 21.6.2020).

Die Sicherheitskräfte lassen Personen weiterhin routinemäßig „verschwinden“ (AI 30.1.2020). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, sodass diese straflos bleiben. Auch im Falle einer Beschwerde herrscht weitestgehend Straffreiheit. Wenn allerdings die Medien Polizeiversagen öffentlich anprangern, werden durch die politische Ebene die zuständigen Polizisten oft bestraft (AA 21.6.2020). Die Regierung streitet weiterhin das Verschwindenlassen von Personen und andere Verstöße durch Sicherheitskräfte, sowie außergerichtliche Tötungen ab (ODHIKAR 25.1.2021). Die Sicherheitskräfte versuchen, unrechtmäßige Tötungen zu vertuschen, indem sie behaupteten, dass es bei einem Schusswechsel oder im Kreuzfeuer zu Todesfällen gekommen ist. Hunderte Menschen wurden angeblich in solchen "Kreuzfeuern" getötet (ODHIKAR 25.1.2021).

Die Sicherheitskräfte exekutieren nahezu ungestraft außergerichtliche Tötungen. Nach der Tötung eines pensionierten Militäroffiziers, sahen sich die Behörden jedoch gezwungen, Maßnahmen zu ergreifen, und die Zahl der "Opfer von Kreuzfeuern, Schießereien oder Begegnungsgefechten" - Euphemismen für außergerichtliche Tötungen - ging in einem hohen Ausmaß zurück. Dieser Faktor deutet darauf hin, dass die Behörden diesen Tötungen jederzeit ein Ende setzen können (HRW 13.1.2021).

Die Professionalität variiert innerhalb der Polizei. Das nationale System der Polizeiarbeit kann effektiv sein und die Polizei hat oftmals ihre Fähigkeiten unter Beweis gestellt, Verdächtige im ganzen Land aufzuspüren. Politische und bürokratische Einmischung stellen jedoch große Hindernisse für die Effizienz der Polizei dar. Mit der Regentschaft betraut, haben sowohl Awami League (AL) als auch die Bangladesh Nationalist Party (BNP) die Polizei benutzt, um oppositionelle Kräfte zu untergraben. Viele Politiker haben das stark bürokratisch geprägte Polizeiystem für die Durchsetzung ihrer eigenen Interessen missbraucht. Während leitende Beamte relativ gut ausgebildet und gut bezahlt werden und wichtige Positionen innerhalb der Bürokratie einnehmen, sind die unteren Ränge oftmal schlecht bezahlt, nur in einem geringen Maß ausgebildet und mangelhaft ausgestattet. Die niedrigen Gehälter ermutigen einige Polizisten, ihr Einkommen durch die Forderung von Bestechungsgeldern von Bürgern aufzubessern. Das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der Polizei und den Sicherheitsdiensten hält viele Bürger des Landes davon ab, sich an die staatlichen Stellen zu wenden, um Hilfe zu suchen oder kriminelle Vorfälle zu melden. Ermittlungen zu polizeilichem Fehlverhalten sind intern und es mangelt ihnen im Allgemeinen an Transparenz und Glaubwürdigkeit. Es wird davon ausgegangen, dass die meisten Bangladeschis, insbesondere diejenigen mit Verbindungen zu Op

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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