Entscheidungsdatum
16.12.2021Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W200 2246264-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (SMS) vom 05.08.2021, OB: 54520636600045, mit welchem der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 42 und 47 des Bundesbehindertengesetzes (BBG) iVm § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen idgF als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 von Hundert (vH).
Mit Bescheid vom 04.11.2019 wurde ihr Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ abgewiesen. Begründend wurde auf das eingeholte Sachverständigengutachten eines Allgemeinmediziners und dessen Stellungnahme verwiesen.
Die Beschwerdeführerin stellte am 24.12.2020 gleichzeitig mit dem Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung (StVO) erneut einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“.
Mit Schreiben vom 17.02.2021 reichte sie medizinische Unterlagen nach.
Das vom Sozialministeriumservice (belangte Behörde) eingeholte Sachverständigengutachten einer Allgemeinmedizinerin vom 09.06.2021, basierend auf einer Begutachtung am 20.04.2021, ergab Folgendes:
„Anamnese:
Antrag auf Gewährung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" bei fehlender Funktion der linken Hand.
Der Erstantrag auf Gewährung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" wurde abgelehnt.
Keine relevanten Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten Dr Gründorfer vom 8.10.2019.
Angeborene Missbildung der linken oberen Extremität, leichte Skoliose, Allergie gegen Pollen und Gräser.
Gutachten vom 29.6.2004 mit 50 % bei angeborener Missbildung im Bereiche des linken Armes.
Antrag auf Bezug von Pflegegeld Stufe 1 (laufende Klage wegen Ablehnung).
Der Führerschein konnte erworben werden. Die Fahrzeugadaptierung sei kostspielig gewesen (es wurde eine Lenkhilfe eingebaut). Milde Neurodermitis rechte Ellenbeuge, Kostanpassungserfordernis bei Histaminintoleranz.
Kein Hinweis auf psychische Instabilität.
Derzeitige Beschwerden:
Fallweise Rückenschmerz, lumbal, Diagnose einer Skoliose, Heilgymnastik erforderlich.
Es werden keine sonstigen Beschwerden angegeben.
Der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel sei aufgrund der gleichzeitig notwendigen Erfordernis des Tragens von Gegenständen (Unterlagen für den Schulbesuch) im gesunden Arm nicht möglich. Es sei ein Wechsel des Ausbildungsortes ab 09/2021 geplant, Jennifer möchte nach dem Schulabschluß ein Kolleg in Wien besuchen, das tägliche Pendeln mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei nicht möglich, sodaß die (kostspielige) Übersiedelung in eine Wohngemeinschaft überlegt werden müsse.
Ohne Prothesenversorgung (seit letztem Sommer) seien sämtliche Alltagsabläufe deutlich erschwert.
Eine komplett neue Prothesenversorgung sei sehr teuer, immer wieder seien aufgrund des Wachstums Adaptierungen notwendig gewesen, die Bewilligung einer myoelektrischen Prothese habe bisher nicht "geklappt"-im Arztbrief Dr XXXX vom 8.2.2021 wird ein laufendes Bewilligungsverfahren bestätigt.
Aufgrund der einseitigen Belastung sei es zu einer Skoliose gekommen, nach radiologischer Kontrolle habe Jennifer durch den Orthopäden eine Wirbelsäulengymnastik verordnet bekommen.
Jennifer übe den Bogensport (Spezialanfertigung) aus; wegen der fehlenden Myoprothese habe sie aber Schwierigkeiten dabei, sie übe auch mit dem Theraband.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel: Pille, Aerius b. Bedarf, Brille
Sozialanamnese: Schülerin, Matura steht bevor, lebt im Elternhaus, Einzelkind
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Dr XXXX , Orthopäde, 8.2.20!1: .. Peromelie linker Unterarm, laufende Kontrollen bei Doz XXXX bzgl myoelektrischer Prothese, hatte bereits 3, derzeit wieder in Bewilligung... Schmerzen im LWS Bereich, Physiotherapie wurde durchgeführt. Becken gerade, geringer Lendenwulst, minimaler Rippenbuckel, Skoliose, Lumbalgie, ad Wirbelsäulen-Heilgymnastik...
KH Speising, Ambulanzbesuch, 28.1.2021: .. der Pat. geht es weitestgehend gut, abgesehen von zunehmenden Rückenschmerzen, die sich kontinuierlich eingestellt haben. Momentan stabile psychische Verhältnisse...eingeschränkte Alltagsbewältigung ohne Prothese...Führerschein wurde absolviert, Lenkhilfe installiert...keine Hygieneprobleme im Stumpfbereich, freie Beweglichkeit im Ellbogengelenk.. die Prothesenversorgung soll über Kontaktaufnahme mit Hr. XXXX , Fa OTH Döbling eingeleitet werden.
Befundbericht Dr XXXX , FA Orthopädie, 21.1.2021:...Frau XXXX kann öffentliche Verkehrsmittel nur erschwert benützen, sie ist auf die Benützung ihres eigenen Fahrzeuges angewiesen..
Hausbesuch Dr XXXX , 24.3.2021, allgemeinmedizinische SV Begutachtung über LK Korneuburg, Arbeits-und Sozialgericht: .. kann Lasten nur rechts tragen, leidet unter Rückenschmerzen wegen der Fehlbelastung... benötige Hilfe beim Kochen, Körperpflege, Duschen, Aus-und Ankleiden, bei kleinen Knöpfen...habe den Führerschein gemacht, das Automatikauto sei für sie adaptiert worden... trägt seit einem 3/4 Jahr keine Prothese mehr, da die myoelektrische Prothese nicht finanziert werden kann..70 Pflegestunden seit 8.9.2020
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: gut, Ernährungszustand: sehr schlank Größe: 164,00cm Gewicht: 47,00 kg
Klinischer Status – Fachstatus:
17 Jahre, 4 Monate altes Mädchen, zarter Körperbau, blandes Hautbild, kommt ohne Prothese, der linke Unterarm fehlt, einzelne Fingerknospen vorhanden, keine Hygieneprobleme im Stumpfbereich, freie Beweglichkeit im Ellbogengelenk, Schulter-und Beckengeradstand, milde Skoliose mit Rippenbuckel mittlerer Brustwirbelsäule links, Lendenwulst rechts, sonst keine Auffälligkeiten
Gesamtmobilität – Gangbild: unauffällig
Status Psychicus: altersentsprechend
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd.Nr. Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1 Peromelie linker Unterarm
2 Rückenschmerzen, milde Skoliose
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Neue Befunde, aber keine neuen Erkenntnisse, keine relevanten Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten objektivierbar.
Dauerzustand
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine. Bei fehlendem linken Unterarm mit Berücksichtigung der damit verbundenen Funktionsausfälle ist das Anhalten mit dem gesunden, rechten Arm ausreichend gut möglich; unter Verwendung eines Handlaufes/Haltegriffes sind somit sowohl das selbständige Ein-und Aussteigen als auch der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel gewährleistet.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten?
Nein.“
In der im Rahmen des Parteiengehörs gewährten Stellungnahme vom 08.07.2021 führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten nicht den nach der ständigen Judikatur des VwGH geltenden Anforderungen entspreche. Die Auswirkungen der Gesundheitsschädigungen der Beschwerdeführerin auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel würden nicht in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Zudem stellte sie den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Bereich der Orthopädie.
Daraufhin holte die belangte Behörde eine Stellungnahme der Allgemeinmedizinerin, die das Sachverständigengutachten erstellt hatte, ein. In dieser Stellungnahme der Allgemeinmedizinerin vom 03.08.2021 wird Folgendes ausgeführt:
„[…] Es wurden keine neuen Befunde vorgelegt.
Die im Schreiben der Anwaltskanzlei Reiffenstuhl & Reiffenstuhl vom 8.7.2021 im Rahmen eines Einspruchs angeführten Argumentationen ergeben keine neuen Erkenntnisse und führen zu keiner Änderung der getroffenen Beurteilung.
Es liegt keine maßgebliche Einschränkung der selbständigen Mobilität vor, es sind weder das Ein-und Aussteigen, noch der sichere Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln in erheblichem Ausmaß erschwert.
Die medizinischen Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" sind nicht gegeben.“
Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 05.08.2021 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde auf das eingeholte Gutachten vom 09.06.2021 und die Stellungnahme vom 03.08.2021 verwiesen, wonach die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorlägen.
In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen jene Gründe, die sie bereits in der Stellungnahme vom 08.07.2021 angeführt hatte, vor. Zudem ergänzte sie, dass aus medizinischer Sicht zu klären gewesen wäre, inwieweit die konkreten Umstände, insbesondere auch in Bezug auf ihre rezidivierenden Beschwerden im Bereich ihrer Wirbelsäule, für sie derzeit und in Zukunft mit Schmerzen verbunden seien. Die belangte Behörde hätte zur Erforschung der materiellen Wahrheit zumindest ein Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Orthopädie (primär bzw. ergänzend) einholen müssen.
Am 10.09.2021 legte die belangte Behörde die Beschwerde sowie den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die nunmehr volljährige Beschwerdeführerin ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 50 vH.
1.2. Der Beschwerdeführerin ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
1.2.1. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:
Klinischer Status – Fachstatus:
zarter Körperbau, blandes Hautbild, der linke Unterarm fehlt, einzelne Fingerknospen vorhanden, keine Hygieneprobleme im Stumpfbereich, freie Beweglichkeit im Ellbogengelenk, Schulter-und Beckengeradstand, milde Skoliose mit Rippenbuckel mittlerer Brustwirbelsäule links, Lendenwulst rechts, sonst keine Auffälligkeiten
Gesamtmobilität – Gangbild: unauffällig
Status Psychicus: Altersentsprechend
Funktionseinschränkungen: Peromelie linker Unterarm; Rückenschmerzen, milde Skoliose;
1.2.2. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Die festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels gegebenen Bedingungen zu.
Die Beschwerdeführerin kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und eine kurze Wegstrecke (ca. 300 bis 400 Meter) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen.
Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich – auch im Zusammenwirken – nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus. Es besteht keine erhebliche Einschränkung der Mobilität. Es besteht auch keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, es besteht keine schwere Erkrankung des Herz-Kreislaufsystems oder der Lunge. Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Ausstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen.
Bei fehlendem linken Unterarm mit Berücksichtigung der damit verbundenen Funktionsausfälle ist das Anhalten mit dem gesunden rechten Arm ausreichend gut möglich. Unter Verwendung eines Handlaufes/Haltegriffes sind sowohl das selbständige Ein- und Aussteigen als auch der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel gewährleistet. Die Greif- und Haltefunktionen (des gesunden rechten Armes) sind ausreichend erhalten. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit der Beschwerdeführerin sowie die Möglichkeit, Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten, sind ausreichend.
Das Erreichen eines Sitzplatzes, das Stehen in einem fahrenden Verkehrsmittel und das Festhalten beim Ein- und Aussteigen sind der Beschwerdeführerin möglich und zumutbar. Auch die Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen können von der Beschwerdeführerin überwunden werden. Eine maßgebliche Einschränkung der selbstständigen Mobilität liegt bei der Beschwerdeführerin nicht vor.
Bei der Beschwerdeführerin liegen auch keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel (in erheblichem Ausmaß) beeinträchtigen.
Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Behindertenpass ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt.
Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Zur Klärung des Sachverhaltes war von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten einer Allgemeinmedizinerin vom 09.06.2021, basierend auf einer Untersuchung am 20.04.2021, eingeholt worden.
Dem Gutachten ist eine „Gesamtmobilität – Gangbild: unauffällig“ zu entnehmen.
Weiters geht aus dem Gutachten hervor, dass der Beschwerdeführerin bei fehlendem linken Unterarm mit Berücksichtigung der damit verbundenen Funktionsausfälle das Anhalten mit dem gesunden rechten Arm ausreichend gut möglich ist und unter Verwendung eines Handlaufes/Haltegriffes sowohl das selbständige Ein-und Aussteigen als auch der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel gewährleistet sind. Ein Immundefekt liegt bei der Beschwerdeführerin nicht vor.
Aufgrund des Vorbringens der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 08.07.2021 holte die belangte Behörde eine Stellungnahme der bereits befassten Allgemeinmedizinerin ein.
Dieser Stellungnahme ist zu entnehmen, dass die in der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 08.07.2021 im Rahmen eines Einspruchs angeführten Argumentationen keine neuen Erkenntnisse ergeben und zu keiner Änderung der getroffenen Beurteilung führen. Es liegt keine maßgebliche Einschränkung der selbständigen Mobilität vor, es sind weder das Ein-und Aussteigen, noch der sichere Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln in erheblichem Ausmaß erschwert. Die medizinischen Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ sind nicht gegeben.
Die Allgemeinmedizinerin konnte in ihrem Gutachten und der Stellungnahme jedenfalls nachvollziehbar schildern, dass der Beschwerdeführerin das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels gegebenen Bedingungen möglich ist.
An dieser Beurteilung vermochte auch das Beschwerdevorbringen der Beschwerdeführerin nichts zu ändern. Denn sie erstattete kein konkretes Vorbringen, das die Beurteilungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen entkräften hätte können; sie legte der Beschwerde auch keine weiteren Befunde bei, die geeignet wären, die durch die medizinische Sachverständige getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden im Sinne nachhaltiger, zumindest sechs Monate dauernder Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates zu belegen bzw. eine wesentliche Verschlimmerung bestehender Leiden zu dokumentieren und damit das Vorliegen erheblicher Einschränkungen im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.
Wenn bei der Beschwerdeführerin auch unbestritten eine nicht unbeträchtliche Funktionseinschränkung ihres linken Armes vorliegt, die (in Zusammenschau mit den Rückenschmerzen bzw. der vorliegenden milden Skoliose) die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eventuell erschweren mag, konnten die in der Beschwerde vorgebrachten, subjektiv empfundenen Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Ergebnis nicht in entsprechendem Ausmaß – im Sinne des Vorliegens erheblicher Einschränkungen nach dem Maßstab des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen – objektiviert werden.
Die Beschwerdeführerin ist dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem/der Antragsteller/in, so er/sie der Auffassung ist, dass seine/ihre Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner/ihrer Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Zum Beschwerdevorbringen, wonach die Beschwerdeführerin (künftig) nicht in der Lage wäre, die erforderlichen Schulutensilien in einem öffentlichen Verkehrsmittel mitzutransportieren, ist auszuführen, dass dieser Umstand nicht geeignet ist, eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu begründen. Maßgeblich ist nicht, ob die Beschwerdeführerin Gepäck mit sich führt, sondern vielmehr die festgestellten gesundheitlichen Funktionseinschränkungen und deren etwaige Auswirkung auf die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln.
Zum Beschwerdevorbringen hinsichtlich etwaiger künftiger Schmerzen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt. Im gegenständlichen Verfahren sind etwaige künftige Schmerzen jedenfalls nicht Beurteilungsgegenstand.
Hinsichtlich des Vorbringens, dass von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten der Fachrichtung der Orthopädie einzuholen gewesen wäre, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den vergleichbaren Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) zu verweisen, wonach die Behörde iZm der Einschätzung des Grades der Behinderung verpflichtet ist, zur Klärung medizinischer Fachfragen ärztliche Gutachten einzuholen. Das Gesetz enthält aber keine Regelung, aus der erschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten einer bestimmten Richtung bestünde. Es besteht demnach kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit der eingeholten Gutachten an (vgl. VwGH 24.06.1997, Zl. 96/08/0114).
Seitens des erkennenden Senates bestehen jedenfalls keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des Gutachtens der Allgemeinmedizinerin vom 09.06.2021, ergänzt durch die Stellungnahme vom 03.08.2021. Schließlich hatte die Gutachterin auch die von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Unterlagen und das Vorbringen in der Stellungnahme vom 08.07.2021 mitberücksichtigt. Das Sachverständigengutachten inklusive Stellungnahme vom 03.08.2021 wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Zu A)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).
Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:
Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen (kurz: VO über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen), BGBl II 495/2013, zuletzt geändert durch BGBl II 263/2016, ist die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, auf Antrag des Menschen mit Behinderung einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
– erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
– erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
– erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
– eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
– eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
In den Erläuterungen zur Stammfassung der VO über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen wird betreffend § 1 Abs. 2 Z 3 (in der geltenden Fassung geregelt in § 1 Abs. 4 Z 3) ausgeführt:
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Alle therapeutischen Möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.
- Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),
- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
- selten auftretende chronische Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
Gemäß § 1 Abs. 5 der VO über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigten.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung“ regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der/die Antragsteller/in dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers/der Beschwerdeführerin zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080).
Betreffend das Kalkül „kurze Wegstrecke“ wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer – unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse – durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 bis 400 m ausgeht (vgl. u.a. Ro 2014/11/0013 vom 27.05.2014, 2012/11/0186 vom 27.01.2015).
Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt – wurde in dem im gegenständlichen Verfahren von der belangten Behörde eingeholten, auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin beruhenden medizinischen Sachverständigengutachten vom 09.06.2021 und der Stellungnahme vom 03.08.2021 – unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunde – nachvollziehbar verneint, dass im Fall der Beschwerdeführerin – trotz der bei ihr unzweifelhaft vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und unter Berücksichtigung dieser – die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass vorliegen. Bei der Beschwerdeführerin sind ausgehend davon aktuell keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der oberen und unteren Extremitäten, aber auch keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit – diese betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen –, keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen und auch nicht das Vorliegen einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der VO über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen objektiviert.
Die Beschwerdeführerin brachte in der Beschwerde im Wesentlichen vor, ihr sei – unter Berücksichtigung des (künftigen) Mitführens von Gepäck – die Benützung von verschiedenen öffentlichen Verkehrsmitteln aufgrund ihrer Funktionseinschränkungen nicht zumutbar. Zudem wäre ein Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Orthopädie einzuholen gewesen. Wie im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt, ist die Beschwerdeführerin mit ihrem – von ihr nicht durch aussagekräftige (neue) medizinische Unterlagen belegten – Vorbringen den Ausführungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen, denen das Bundesverwaltungsgericht folgt, nicht substantiiert und insbesondere nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten; die Beschwerdeführerin hat kein Sachverständigengutachten bzw. keine sachverständige Aussage vorgelegt, in welcher ausreichend substantiiert die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Annahmen und Schlussfolgerungen des beigezogenen medizinischen Sachverständigen unzutreffend oder unschlüssig seien.
Wiewohl unzweifelhaft eine Funktionsbeeinträchtigung vorliegt, welche auch die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren mag, vermag die Beschwerdeführerin aktuell nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der VO über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun. Es ist bei der Beschwerdeführerin jedenfalls von einer ausreichenden Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates auszugehen. Die vorgebrachte Einschränkung ihrer Wirbelsäule konnte (auch in Zusammenschau mit der Peromelie des linken Unterarms) nicht in einem Ausmaß festgestellt werden, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren würde.
Es wird daher im Beschwerdefall zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass nicht vorliegen.
Zum Vorbringen hinsichtlich des beantragten Gutachtens aus dem Fachbereich der Orthopädie ist auch an dieser Stelle nochmals auf die bereits in der Beweiswürdigung angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Behörden im Zusammenhang mit der Einschätzung des Grades der Behinderung verpflichtet sind, zur Klärung medizinischer Fachfragen ärztliche Gutachten einzuholen. Das Gesetz enthält aber keine Regelung, aus der geschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten einer bestimmten Fachrichtung bestünde. Es besteht demnach kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes (vgl. VwGH 24.06.1997, Zl. 96/08/0114). Zudem steht der Sachverhalt aufgrund des von der belangten Behörde eingeholten Gutachtens (inkl. Stellungnahme der Sachverständigen) fest. Ein weiteres Gutachten war somit jedenfalls nicht mehr einzuholen.
Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid war daher abzuweisen.
Der Vollständigkeit halber wird zudem festgehalten, dass in weiterer Folge auch nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO vorliegen, zumal die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ im Behindertenpass nach dem Bundesbehindertengesetz Voraussetzung für die Ausstellung eines Ausweises gemäß
§ 29b StVO ist.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).
Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG).
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden (§ 24 Abs. 3 VwGVG).
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, entgegenstehen (§ 24 Abs. 4 VwGVG).
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden (§ 24 Abs. 5 VwGVG).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Zur Klärung des Sachverhaltes war von der belangten Behörde ein Gutachten einer Allgemeinmedizinerin sowie eine Stellungnahme dieser Allgemeinmedizinerin eingeholt worden. Darin wurde der Zustand der Beschwerdeführerin nachvollziehbar dargelegt und (übereinstimmend) das Nichtvorliegen der Voraussetzungen – konkret das Nichtvorliegen erheblicher Funktionseinschränkungen – für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung festgestellt.
Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde das Sachverständigengutachten in Zusammenschau mit der Stellungnahme der Sachverständigen als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit der Beschwerdeführerin mündlich zu erörtern gewesen wäre. Eine Verhandlung konnte angesichts der plausiblen Beschreibung des medizinischen Zustandes der Beschwerdeführerin unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass öffentliche Verkehrsmittel Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W200.2246264.1.00Im RIS seit
19.01.2022Zuletzt aktualisiert am
19.01.2022