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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/19/0106 95/19/0107Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerden der 1.) DR, 2.) MR, und 3.) SR, alle in W, 1.) und 2.) vertreten durch die Eltern JR und LR, diese vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in P, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 4. April 1995, zu 1.) Zl. 300.717/4-III/11/95, zu 2.) Zl. 300.717/5-III/11/95, und zu 3.) Zl. 300.717/3-III/11/95, jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von je S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 4. April 1995 wurden die Anträge der Beschwerdeführer vom 1. März 1994 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, die Erst- und Zweitbeschwerdeführer betreffend gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 3 Abs. 1 Z. 2, § 4 Abs. 4 und § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufG) und die Drittbeschwerdeführerin betreffend gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 5 Abs. 1 AufG, abgewiesen.
Die belangte Behörde begründete die Abweisung der Anträge der Erst- und Zweitbeschwerdeführer damit, daß gemäß § 5 Abs. 1 AufG eine Bewilligung nur erteilt werden dürfe, wenn der Lebensunterhalt für die Dauer der Aufenthaltsbewilligung gesichert sei. Da sowohl der Antrag der Mutter als auch der des Vaters der Beschwerdeführer abgewiesen worden seien und somit jene Personen, von denen sie auch wirtschaftlich abhingen, keine Aufenthaltsberechtigungen hätten, sei der Lebensunterhalt nicht gesichert. Durch die Abweisung der Anträge der Eltern sei auch nicht eine auf § 3 Abs. 1 Z. 2 iVm § 4 Abs. 4 AufG gegründete Aufenthaltsbewilligung zu erteilen.
Den die Drittbeschwerdeführerin betreffenden Bescheid begründete die belangte Behörde damit, daß es notwendig sei, in einem ohnedies sensiblen Bereich die weitere Zuwanderung sorgfältig zu steuern, weshalb strenge Maßstäbe an die Beurteilung der gesicherten Unterhaltsmittel von Zuwanderern anzulegen seien. Gemäß § 5 Abs. 1 AufG dürfe eine Bewilligung nicht erteilt werden, wenn der Unterhalt für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert sei. Diese Beurteilung zeige, daß einem grundsätzlichen Mindestbedarf von öS 13.824,-- gemäß des Sozialhilferichtsatzes des Bundeslandes Niederösterreich und unter Einbeziehung der Mietkosten, tatsächlich öS 11.200,-- (brutto) gegenüberstünden, welche von der Beschwerdeführerin aufgebracht werden könnten. Angesichts dieser Differenz könne eine Aufenthaltsbewilligung nicht erteilt werden. Zuschläge und Sonderzahlungen gälten nicht als sicheres Einkommen, das einen auf Dauer gesicherten Lebensunterhalt gewährleiste. Deshalb könnten die diesbezüglichen beigebrachten Nachweise nicht berücksichtigt werden. Im übrigen werde dazu bemerkt, daß auch der in der Berufung angeführte Bruttolohn von öS 15.799,80 nicht ausreiche.
Gegen diesen Bescheid richten sich die vorliegenden, Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Verbindung der Beschwerden auf Grund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die Beschwerdeführer rügen, daß bereits im Verwaltungsverfahren bekanntgegeben worden sei, daß die Drittbeschwerdeführerin einen monatlichen Bruttolohn von öS 11.200,--, durch Zuschläge bzw. Sonderzahlungen insgesamt aber öS 15.799,80 ins Verdienen brächte. Die Berechnungsgrundlage der belangten Behörde, welche nur von öS 11.200,-- ausgehe, sei inhaltlich rechtswidrig. Zudem sei die belangte Behörde nicht darauf eingegangen, daß in der Berufung der Drittbeschwerdeführerin ausgeführt worden sei, daß sie Familienbeihilfe beziehe, weshalb die angefochtenen Bescheide auch rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften seien.
Dieses Beschwerdevorbringen findet sich durch den vorgelegten Verwaltungsakt bestätigt. Darüberhinaus erliegt im Verwaltungsakt eine Lohnabrechnung für den Monat Oktober 1994 (die von den Beschwerdeführern genannten Zahlen betreffen die Lohnabrechnung für den Monat Dezember 1994), nach welchem die Drittbeschwerdeführerin inklusive von Zuschlägen (Überstundenzuschlag, Feiertagszuschlag, Nachtzuschlag und Prämie) brutto öS 16.882,40 bezog, was nach Abzug des Sozialversicherungsbeitrages und der Lohnsteuer eine Nettosumme von öS 13.621,-- ergab.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkennt, sind sämtliche Ressourcen des privaten und des öffentlichen Rechtes, die einer Verwertung für die Bestreitung des Lebensunterhaltes zugänglich sind - mit Ausnahme jener, die aus der Fürsorge erfließen könnten - in die Berechnung der Gesamteinkünfte, welche zur Sicherung des Lebensunterhaltes zur Verfügung stehen, einzubeziehen. Dies trifft auch auf Einkünfte zu, welche etwa durch eigene Arbeit erwirtschaftet werden oder auf die ein Rechtsanspruch besteht (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1994, Zl. 93/18/0549). Selbstverständlich sind daher Einkünfte aus Arbeit, welche über die Normalarbeitszeit hinaus bzw. in der Nacht geleistet wird, zur Sicherung des Lebensunterhaltes geeignet. Gleiches gilt für die Berücksichtigung von "Sonderzahlungen" (im gegenständlichen Fall ist damit offensichtlich die monatliche Prämie von öS 300,-- gemeint).
Auf den Bezug der Familienbeihilfe besteht ein Rechtsanspruch bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (vgl. zB. das bereits zitierte Erkenntnis vom 10. Februar 1994, Zl. 93/18/0549, ua.). Die belangte Behörde hat sich jedoch nicht damit auseinandergesetzt, daß die Drittbeschwerdeführerin in der Berufung den Bezug von Familienbeihilfe behauptet hat. Träfe diese Behauptung zu, läge das tatsächliche Familieneinkommen über der von der belangten Behörde zitierten Summe von öS 13.824,-- - der Richtigkeit dieser Summe treten die Beschwerdeführer nicht entgegen -, sodaß diesfalls nicht vom Vorliegen des Versagungsgrundes des nicht gesicherten Unterhaltes der Beschwerdeführer für die Geltungsdauer der Bewilligung ausgegangen werden könnte.
Darüberhinaus erweisen sich die angefochtenen Bescheide aber auch mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 16. März 1995, B 2259/94, und vom 12. Juni 1995, B 1599/94, dargetan hat, ist die Behörde bei Heranziehung des im § 5 Abs. 1 AufG enthaltenen Versagungstatbestandes der für die Dauer der Bewilligung nicht ortsüblichen Unterkunft oder des nicht gesicherten Lebensunterhaltes in Fällen, in denen durch die Versagung der Bewilligung in das durch Art. 8 MRK gewährleistete Recht auf Achtung des Privatlebens und des Familienlebens eingegriffen würde, verhalten, die Notwendigkeit der Versagung der Bewilligung aus den im Art. 8 Abs. 2 MRK umschriebenen öffentlichen Interessen zu prüfen und dabei auch auf die privaten und familiären Interessen des Bewilligungswerbers Bedacht zu nehmen. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich dieser Rechtsauffassung angeschlossen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. September 1995, Zl. 95/18/0936).
Im gegenständlichen Fall haben die Erst- und Drittbeschwerdeführer dargelegt, in Österreich seit 21. März 1989, die Zweitbeschwerdeführerin seit 27. Februar 1990 (das ist ein Tag nach ihrer Geburt) aufhältig zu sein (vgl. jeweils Blatt 2 der Verwaltungsakten). Die Beschwerdeführer machen familiäre Interessen durch die Anwesenheit der gesamten Familie in Österreich, sowie persönliche Interessen durch Besuch der Volksschule (Erstbeschwerdeführer), bzw. Ausübung einer legalen Erwerbstätigkeit (Drittbeschwerdeführerin) geltend.
Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK eine Interessenabwägung zwischen den privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführer und den öffentlichen Interessen an der Versagung einer Bewilligung vorzunehmen. Indem sie dies unterließ, hat sie ihre Bescheide mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, deren Wahrnehmung der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht, sodaß die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben waren.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da die jeweils vorgelegte "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in Ansehung der Beschwerde diente.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995190104.X00Im RIS seit
01.06.2001