Entscheidungsdatum
22.12.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W213 2245607-1/2Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Albert SLAMANIG in der Beschwerdesache von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch RA Dr. Victoria TREBER-MÜLLER, 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5, gegen den Bescheid des Amtes der Bundesimmobilien vom 20.05.2021, GZ. 3107/1-PZ/2021, betreffend Neufestsetzung des Besoldungsdienstalters (§ 169f GehG) beschlossen:
A)
Das Verfahren über die Beschwerde wird gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28.10.2021, GZ. Ra 2020/12/0068, eingebrachte Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Das Besoldungsdienstalter der Beschwerdeführerin wurde amtswegig gemäß § 169f ff. GehG neu festgesetzt. Diese Bestimmungen wurden mit BGBl. I 58/2019 am 08.07.2019 im Bundesgesetzblatt kundgemacht worden und rückwirkend in Kraft getreten. Mit diesen soll die Richtlinie 2000/78/EG umgesetzt und der Rechtsprechung des EuGH Rechnung getragen werden.
Demnach hatte die belangte Behörde gemäß § 169f Abs. 3 iVm § 169g GehG 1956 nun einen Vergleichsstichtag zu ermitteln und die besoldungsrechtliche Stellung durch Feststellung des Besoldungsdienstalters zum Ablauf des 28.02.2015 neu festzusetzen.
Die Beschwerdeführerin begründet ihre Beschwerde im Wesentlichen damit, dass was die Vordienstzeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahres bzw. bis zum 1.7.1975 betreffe, entspreche die Anrechnung von 81 Tagen § 169g GehG, soweit man die unionsrechtlichen Aspekte und Auswirkungen außer Betracht lasse. Grundsätzlich sei die neue Rechtslage anzuwenden, jedoch seien unter Berücksichtigung des unionsrechtlichen Anwendungsvorranges jene Teile unangewendet zu lassen, welche dem Unionsrecht (Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78/EG) widersprechen würden. Die Beschwerdeführerin sei daher der Ansicht, dass jene Teile der zweiten Dienstrechtsnovelle 2019 unangewendet zu bleiben hätten, welche die Anrechnung der Vordienstzeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahres regeln und dazugewonnene Zeiträume minimieren bis neutralisieren. Konkret handele es sich dabei in erster Linie um den Abzug laut § 169g Abs. 4 GehG. Aus welchen Gründen der Abzug von zwei bzw. vier Jahren zur Hälfte zu erfolgen habe, gehe weder aus dem Gesetz noch aus den Erläuterungen hierzu hervor, weshalb davon auszugehen sei, dass damit die zwischen 2010 und 2015 entstandenen Rechtsansprüche (vgl. BGB1.1 Nr. 82/2010 iVm den RS Schmitzer, C-530/13; Starjakob, C-417/13), die durch die aktuellen Entscheidungen in den RS 0GB C-24/17 und Leitner c-396/17 bestätigt worden seien, tatsächlich erneut minimiert bis neutralisiert werden sollen.
In ihrem Fall sei ihr bei der Ermittlung ihres Vergleichsstichtages iSd § 169g GehG ausgehend vom 14. Geburtstag insgesamt 18 Jahre, neun Monate und 21 Tage (zur Hälfte somit neun Jahre, vier Monate und 26 Tage) an sonstigen Zeiten angerechnet worden und gleichzeitig zwei Jahre wieder in Abzug gebracht worden. Dies bedeute nach der aktuellen Gesetzeslage eine Gesamtanrechnung an sonstigen Zeiten von sieben Jahren, vier Monaten und 26 Tagen. Daraus werde ersichtlich, dass sich die der zweiten Dienstrechtsnovelle 2019 entsprechende zusätzliche Anrechnung von sonstigen Zeiten (von rund dreieinhalb Jahren zur Hälfte) unter gleichzeitigem Wiederabzug überhaupt nicht auf ihre Besoldungsdienstalter und die daraus resultierende besoldungsrechtliche Stellung auswirke. Zwar sei ihr das letzte Schuljahr an der höheren Schule entsprechend der aktuellen Rechtslage zur Gänze angerechnet worden; völlig auswirkungslos sei die zweite Dienstrechtsnovelle 2019 jedoch im Hinblick auf die übrigen Schulzeiten, weil diese in der Regel nur als sonstige Zeiten zur Hälfte angerechnet werden und diese wiederum dem Abzug gemäß § 169g Abs. 4 GehG unterliegen würden. Mit der zweiten Dienstrechtsnovelle 2019 sei die Altersdiskriminierung fortgeschrieben worden.
Darüber hinaus sei zutreffend, dass sie ihr letztes Schuljahr vom 1.9.1974 bis 30.6.1975 durchlaufen habe. Dieser Zeitraum werde ihr nunmehr auch zur Gänze aufs Besoldungsdienstalter angerechnet. Hierbei verkenne die belangte Behörde jedoch, dass ihr im ursprünglichen Bescheid über den Vorrückungsstichtag vom 12.2.1997 die Zeit des Schulbesuchs vom 6.2.1974 bis 30.6.1974 im Ausmaß von vier Monaten und 25 Tagen zur Gänze berücksichtigt worden sei. Dieser Zeitraum werde nunmehr lediglich als „sonstige Zeit" gewertet, was mit dem ursprünglichen Bescheid im Widerspruch stehe. Richtigerweise wäre der Zeitraum vom 6.2.1974 bis 30.6.1975 zur Gänze für das Besoldungsdienstalter zu berücksichtigen gewesen.
Außerdem weise sie zusätzliche Vordienstzeiten nach Vollendung des 18. Lebensjahres auf, welche ihr fälschlicherweise lediglich als „sonstige Zeiten" zur Hälfte angerechnet werden würden. Konkret handele es sich um ihre Vordienstzeiten bei den Verkehrsbetrieben der Stadt Leipzig, sohin um Beschäftigungszeiten bei einer Gebietskörperschaft. Dort sei sie von XXXX bis XXXX als Teilkonstrukteurin sowie vom XXXX bis XXXX als Baumgenieurin angestellt gewesen. Diese Zeiten seien ihr bislang nur deshalb nicht zur Gänze angerechnet worden, weil sie im Ausland zurückgelegt worden seien. Ihre Ausbildungen und Tätigkeiten in der DDR seien im Deutschen Einigungsvertrag denen in der BRD (damals EWG) gleichgestellt worden, sodass es sich hierbei um Erwerbszeiten im EU-Ausland bei einer Gebietskörperschaft handele, welche nach ständiger Rechtsprechung (vgl. EuGH iS SALK, C-514/12; Österreichischer Gewerkschaftsbund, C-24/17 uvm.) zur Gänze auf ihr Besoldungsdienstalter anzurechnen seien.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A)
Gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ein Verfahren über eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG mit Beschluss aussetzen, wenn
1. vom Verwaltungsgericht in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist und gleichzeitig beim Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren über eine Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss eines Verwaltungsgerichtes anhängig ist, in welchem dieselbe Rechtsfrage zu lösen ist, und
2. eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Lösung dieser Rechtsfrage fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gleichzeitig hat das Verwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof das Aussetzen des Verfahrens unter Bezeichnung des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens mitzuteilen. Eine solche Mitteilung hat zu entfallen, wenn das Verwaltungsgericht in der Mitteilung ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu bezeichnen hätte, das es in einer früheren Mitteilung schon einmal bezeichnet hat. Mit der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes an das Verwaltungsgericht gemäß § 44 Abs. 2 VwGG ist das Verfahren fortzusetzen. Das Verwaltungsgericht hat den Parteien die Fortsetzung des Verfahrens mitzuteilen.
Aus den Erläuterungen (vgl. RV 2009 BlgNR 24. GP, 8) zu § 34 VwGVG geht hervor, dass ein Verfahren ausgesetzt werden kann, wenn bei einem Verwaltungsgericht in einer erheblichen Zahl von anhängigen oder zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist, die in einem - gleichzeitig anhängigen - Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu lösen ist. Zweck dieser Bestimmung ist daher, aus Gründen der Prozessökonomie zu vermeiden, dass die gleiche Rechtsfrage nebeneinander in mehreren Verfahren erörtert werden muss. Die Aussetzung soll eine Maßnahme der Vereinfachung des Verfahrens sein und auch die Parteien vor der Einbringung unnötiger Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof bewahren.
Wenn daher ein Verwaltungsgericht, während vor dem Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren zur Klärung einer bestimmten Rechtsfrage anhängig ist, Verfahren, bei denen die gleiche Rechtsfrage strittig sind, aussetzt (und nicht durch Erlassung weiterer Entscheidungen mehrfache Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof „verursacht“), dient die Aussetzung auch Parteiinteressen (Wegfall des Kostenrisikos in Bezug auf allfällig zu ergreifende Rechtsmittel an den Verwaltungsgerichtshof) sowie letztlich auch der Entlastung des Verwaltungsgerichtshofs.
Durch die Aussetzung eines Verfahrens soll die Funktionsfähigkeit des Verwaltungsgerichts bei einer großen Zahl gleichgelagerter Beschwerden gewährleistet sein, indem auf einen beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen „leading case“ gewartet und so dessen Rechtsansicht eingeholt werden kann. Darüber hinaus wird der Verwaltungsgerichtshof selbst vor einer potentiell massenhaften Revisionseinbringung geschützt (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2, 2018, Anm 14 zu § 34 VwGVG).
Beim Bundesverwaltungsgericht sind etwa 300 gleichgelagerte Verfahren zur Klärung derselben Rechtsfrage anhängig.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Fall (W128 2151136-1) bereits entsprechend der aktuellen Rechtslage entschieden und das Besoldungsdienstalter des betreffenden Beamten um einen Tag verbessert. Beim Verwaltungsgerichtshof ist zu diesem Erkenntnis das im Spruch genannte Verfahren, dem dieselbe Rechtsfrage wie in dem hier vorliegenden Verfahren zugrunde liegt, anhängig.
In der im genannten Verfahren erhobenen Revision argumentiert der Beschwerdeführer im Wesentlichen, dass der Abzug von vier Jahren zur Hälfte iSd § 169g Abs. 4 GehG 1956 unter Berücksichtigung des unionsrechtlichen Anwendungsvorranges unangewendet zu bleiben hat. Die Klärung dieser Rechtsfrage ist auch für den vorliegenden Fall relevant.
Eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bezüglich dieser Rechtsfrage liegt bislang nicht vor. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 28.10.2021, GZ. Ra 2020/12/0068, 0077 (EU 2021/0005, 0006) ein diesbezügliches Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet.
Die Voraussetzungen für die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG sind daher gegeben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig.
Schlagworte
Aussetzung Besoldungsdienstalter EuGH Unionsrecht VorabentscheidungsersuchenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W213.2245607.1.00Im RIS seit
19.01.2022Zuletzt aktualisiert am
19.01.2022