Entscheidungsdatum
22.12.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W213 2245471-1/2Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Albert SLAMANIG in der Beschwerdesache von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Inneres vom 02.08.2021, GZ. 00030260/001-EKO/COBRA DSE/2021, betreffend Neufestsetzung des Besoldungsdienstalters (§ 169f GehG) beschlossen:
A)
Das Verfahren über die Beschwerde wird gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28.10.2021, GZ. Ra 2020/12/0068, eingebrachte Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Das Besoldungsdienstalter des Beschwerdeführers wurde amtswegig gemäß § 169f ff. GehG neu festgesetzt. Diese Bestimmungen wurden mit BGBl. I 58/2019 am 08.07.2019 im Bundesgesetzblatt kundgemacht worden und rückwirkend in Kraft getreten. Mit diesen soll die Richtlinie 2000/78/EG umgesetzt und der Rechtsprechung des EuGH Rechnung getragen werden.
Demnach hatte die belangte Behörde gemäß § 169f Abs. 3 iVm § 169g GehG 1956 nun einen Vergleichsstichtag zu ermitteln und die besoldungsrechtliche Stellung durch Feststellung des Besoldungsdienstalters zum Ablauf des 28.02.2015 neu festzusetzen.
Der Beschwerdeführer begründet seine Beschwerde im Wesentlichen damit, dass als relevanter Sachverhalt für die Berechnung des Vergleichsstichtages Zeiten eingerechnet würden, die vor der Einstellung in den Bundesdienst/Exekutivdienst in einer anderen Tätigkeit für den Bund verrichtet worden seien. Dabei seien jetzt im allgemeinen nur die ehemaligen Polizeipraktikanten, Postbediensteten, ÖBB-Bediensteten usw. berücksichtigt worden, deren Lehrzeiten vor dem 18. Geburtstag Geltung bekommen hätten. Dies stelle für alle jene Beamten eine rechtswidrige Ungleichbehandlung vor einem Gesetz dar, welcher vor dem 18. Lebensjahr (also vom 14. Lebensjahr bis zum 18. Lebensjahr) eine allgemein bildende höhere Schule des Bundes besucht hätten und diese im Vergleich zu der Ausbildung als Polizeipraktikant nicht zur Gänze angerechnet bekommen würden. Obwohl eine Ausbildung an einer allgemein bildenden höheren Schule des Bundes (AHS, Realgymnasium etc.) für eine spätere Ausübung des Berufes als Exekutivbeamter der Verwendungsgruppe E1 ein Ernennungserfordernis sei und somit einer ehemaligen Ausbildung als „Polizei/Gendarmerie-Lehrling“ für die Verwendungsgruppe E2b mindestens gleichzusetzen sei. Eine schulische Ausbildung an einer allgemein bildenden höheren Schule des Bundes, die als Vorbereitung und Erfordernis für eine höhere Führungsausbildung (E1) im Bereich des Exekutivdienstes gelte, dürfe nicht schlechter gestellt sein als eine 3-jährige Ausbildung zum „ehemaligen Polizei/Gendarmerie-Praktikanten“. Die Matura oder Berufsreifeprüfung an einer höheren Schule des Bundes sei dem zufolge eben immer noch ein Ernennungserfordernis für den Exekutivbeamteneintritt und höhere Führungsfunktionen.
Weiters stelle die Ermittlung des Vergleichsstichtages eine weitere „Ungleichbehandlung durch ein Gesetz dar“ indem sie nur Zeiten die ein Ausmaß von 4 Jahren übersteigen zur Hälfte anrechne. Wieder komme all jenen Beamten, die vorher ab dem 14. Lebensjahr in eine höhere Schule des Bundes gegangen seien und anschließend weniger als 4 Jahre im privaten Bereich gearbeitet hätten eine Schlechterstellung zu, obwohl es nach mehreren Änderungen der Vorschriften einen „Exekutivberuf als Polizeipraktikant“ nicht mehr gebe. Trotz unterschiedlicher Änderungen sei eine schulische Ausbildung oder „ein erlernter ‚Beruf“ für den Eintritt in den Exekutivdienst Voraussetzung. Damit würden die derzeitigen Vorschriften für eine Neuberechnung eines Vergleichsstichtages ebenso eine „Ungleichbehandlung“ durch ein Gesetzt darstellen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A)
Gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ein Verfahren über eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG mit Beschluss aussetzen, wenn
1. vom Verwaltungsgericht in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist und gleichzeitig beim Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren über eine Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss eines Verwaltungsgerichtes anhängig ist, in welchem dieselbe Rechtsfrage zu lösen ist, und
2. eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Lösung dieser Rechtsfrage fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gleichzeitig hat das Verwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof das Aussetzen des Verfahrens unter Bezeichnung des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens mitzuteilen. Eine solche Mitteilung hat zu entfallen, wenn das Verwaltungsgericht in der Mitteilung ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu bezeichnen hätte, das es in einer früheren Mitteilung schon einmal bezeichnet hat. Mit der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes an das Verwaltungsgericht gemäß § 44 Abs. 2 VwGG ist das Verfahren fortzusetzen. Das Verwaltungsgericht hat den Parteien die Fortsetzung des Verfahrens mitzuteilen.
Aus den Erläuterungen (vgl. RV 2009 BlgNR 24. GP, 8) zu § 34 VwGVG geht hervor, dass ein Verfahren ausgesetzt werden kann, wenn bei einem Verwaltungsgericht in einer erheblichen Zahl von anhängigen oder zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist, die in einem - gleichzeitig anhängigen - Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu lösen ist. Zweck dieser Bestimmung ist daher, aus Gründen der Prozessökonomie zu vermeiden, dass die gleiche Rechtsfrage nebeneinander in mehreren Verfahren erörtert werden muss. Die Aussetzung soll eine Maßnahme der Vereinfachung des Verfahrens sein und auch die Parteien vor der Einbringung unnötiger Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof bewahren.
Wenn daher ein Verwaltungsgericht, während vor dem Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren zur Klärung einer bestimmten Rechtsfrage anhängig ist, Verfahren, bei denen die gleiche Rechtsfrage strittig sind, aussetzt (und nicht durch Erlassung weiterer Entscheidungen mehrfache Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof „verursacht“), dient die Aussetzung auch Parteiinteressen (Wegfall des Kostenrisikos in Bezug auf allfällig zu ergreifende Rechtsmittel an den Verwaltungsgerichtshof) sowie letztlich auch der Entlastung des Verwaltungsgerichtshofs.
Durch die Aussetzung eines Verfahrens soll die Funktionsfähigkeit des Verwaltungsgerichts bei einer großen Zahl gleichgelagerter Beschwerden gewährleistet sein, indem auf einen beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen „leading case“ gewartet und so dessen Rechtsansicht eingeholt werden kann. Darüber hinaus wird der Verwaltungsgerichtshof selbst vor einer potentiell massenhaften Revisionseinbringung geschützt (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2, 2018, Anm 14 zu § 34 VwGVG).
Beim Bundesverwaltungsgericht sind etwa 300 gleichgelagerte Verfahren zur Klärung derselben Rechtsfrage anhängig.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Fall (W128 2151136-1) bereits entsprechend der aktuellen Rechtslage entschieden und das Besoldungsdienstalter des betreffenden Beamten um einen Tag verbessert. Beim Verwaltungsgerichtshof ist zu diesem Erkenntnis das im Spruch genannte Verfahren, dem dieselbe Rechtsfrage wie in dem hier vorliegenden Verfahren zugrunde liegt, anhängig.
In der im genannten Verfahren erhobenen Revision argumentiert der Beschwerdeführer im Wesentlichen, dass der Abzug von vier Jahren zur Hälfte iSd § 169g Abs. 4 GehG 1956 unter Berücksichtigung des unionsrechtlichen Anwendungsvorranges unangewendet zu bleiben hat. Die Klärung dieser Rechtsfrage ist auch für den vorliegenden Fall relevant.
Eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bezüglich dieser Rechtsfrage liegt bislang nicht vor. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 28.10.2021, GZ. Ra 2020/12/0068, 0077 (EU 2021/0005, 0006) ein diesbezügliches Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet.
Die Voraussetzungen für die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG sind daher gegeben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig.
Schlagworte
Aussetzung Besoldungsdienstalter EuGH Unionsrecht VorabentscheidungsersuchenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W213.2245471.1.00Im RIS seit
19.01.2022Zuletzt aktualisiert am
19.01.2022