TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/29 W180 2241560-1

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Veröffentlicht am 29.12.2021
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Entscheidungsdatum

29.12.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch


W180 2241560-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Georg PECH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Belarus (Weißrussland), vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.02.2021, Zl. XXXX , sowie gegen die Anhaltung in Schubhaft von 17.02.2021 bis 05.03.2021 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG stattgegeben, der Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.02.2021, Zl. XXXX aufgehoben, sowie die Anhaltung in Schubhaft von 17.02.2021 bis 05.03.2021 für rechtswidrig erklärt.

II. Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden BF), ein Staatsangehöriger von Belarus, lenkte am 16.02.2021 einen in Polen zugelassenen Mietwagen von Österreich in Richtung Italien. Bei einer an der Grenzkontrollstelle Thörl-Maglern in Kärnten durchgeführten Fahrzeug- und Personenkontrolle befanden sich im Fahrzeug, abgesehen vom BF, eine ukrainische Staatsangehörige als Beifahrerin, sowie zwei moldawische Staatsangehörige. Während der BF und die Beifahrerin beide über gültige Reisepässe sowie ein gültiges polnisches Visum D für den Schengenraum verfügten, wiesen die jeweils gültigen moldawischen Reisepässe der Mitfahrer keine gültigen Sichtvermerke auf, sondern nur einen ungarischen Einreisestempel vom 21.09.2020 sowie bis dato keinen Ausreisestempel aus dem Schengenraum.

2. Nach einer Identitätsfeststellung wurden gegen den BF und die beiden moldawischen Staatsangehörigen durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden Bundesamt) Festnahmeaufträge erlassen, da der Verdacht der Schlepperei gemäß § 120 Abs. 3 FPG sowie des unrechtmäßigen Aufenthalts im Schengenraum bestand. Alle drei wurden festgenommen, durch die Landespolizeidirektion Kärnten, Fremden- und Grenzpolizeiliche Abteilung (im Folgenden LPD) im Auftrag des Bundesamtes niederschriftlich vernommen und in ein polizeiliches Anhaltezentrum überstellt. Gegen die ukrainische Staatsangehörige wurden keine Maßnahmen eingeleitet und sie setzte ihre Fahrt nach Italien fort. Das Bundesamt leitete gegen den BF ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot ein.

3. Mit dem angefochtenen Mandatsbescheid vom 17.02.2021 verhängte das Bundesamt über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die gegenständliche Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung.

Der BF wurde von 17.02.2021 bis 05.03.2021 in Schubhaft angehalten.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 23.02.2021, Zl. XXXX , wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gegen den BF wurde gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Belarus (Weißrussland) festgestellt (Spruchpunkt III.). Gegen den BF wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 „Ziffer 0“ FPG ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.), es wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt V.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

5. Der BF wurde am 05.03.2021 aus der Schubhaft entlassen und reiste am selben Tag mit organisatorischer Unterstützung durch die BBU freiwillig auf dem Luftweg aus dem Bundesgebiet in seinen Herkunftsstaat aus.

6. Am 30.03.2021 wurde seitens der LPD gegen den BF eine Anzeige gemäß § 120 Abs. 3 Z 1 FPG nach entsprechender vorheriger Urgenz durch das BFA erstattet.

7. Mit Schreiben seiner bevollmächtigten Rechtsvertretung vom 23.03.2021 erhob der BF Beschwerde gegen den Bescheid vom 23.02.2021. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der BF sei mit einem gültigen Reisepass und mit einem bis drei Tage nach seiner Festnahme gültigen Visum legal nach Österreich eingereist. Aus den äußeren Umständen des Falles und dem Vorbringen der einvernommenen Personen könne nicht geschlossen werden, dass der BF die Mitreisenden im vollen Wissen über die Rechtswidrigkeit dieser Handlung über die Grenze befördert habe bzw. habe befördern wollen. Der BF habe die in § 120 Abs. 3 Z 1 FPG geforderte Wissentlichkeit nicht erfüllt und sein Aufenthalt sei daher nicht illegal gewesen. Da Voraussetzung für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes sei, dass sich ein Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, diese Voraussetzung im Falle des BF aber fehle, könnten alle Spruchteile des angefochtenen Bescheides keinen Bestand haben.

8. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (im Folgenden BVwG) vom 15.04.2021, Zl. W280 2241225-1/6E, wurde dieser Beschwerde stattgegeben und der Bescheid vom 23.02.2021 ersatzlos behoben.

Begründend wurde entscheidungswesentlich ausgeführt, die belangte Behörde vertrete im angefochtenen Bescheid die Auffassung, der BF hätte zwei moldawische Staatsbürger von Deutschland nach Österreich geschleppt. Der BF hätte sich somit durch die Verwirklichung des Tatbestandes der Schlepperei gemäß § 120 Abs. 3 Z 1 FPG nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Das BVwG hielt fest, der BF habe beabsichtigt, mit seiner ukrainischen Freundin nach Frankreich zu fahren und habe in Deutschland zwei aus Moldawien stammenden Männern auf deren Ersuchen eine Mitfahrgelegenheit nach Frankreich eingeräumt. Die beiden moldawischen Staatsbürger seien aufgrund eines fehlenden Sichtvermerks und der Überschreitung des visumfreien Aufenthalts im Schengenraum unrechtmäßig in das österreichische Staatsgebiet eingereist und der BF habe durch deren Mitnahme in seinem Fahrzeug deren Einreise nach Österreich und die geplante Durchreise nach Frankreich unterstützt. Der BF habe jedoch keine Kenntnis von der Überschreitung der erlaubten Aufenthaltsdauer im Schengenraum seiner beiden moldawischen Mitfahrer gehabt. Eine Verpflichtung zur Treffung aller erforderlichen Maßnahmen im Hinblick auf das Vorliegen der erforderlichen Reisedokumente bzw. des Aufenthaltsstatus bestehe für Privatpersonen – im Gegensatz zu Beförderungsunternehmen – nicht. Die von § 120 Abs. 3 FPG geforderte Verschuldensform der Wissentlichkeit liege nicht vor und der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet zum Zeitpunkt der Erlassung der Rückkehrentscheidung sei als rechtmäßig zu qualifizieren. Da die Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 sowie die Erlassung einer Rückkehrentscheidung jedoch einen nicht rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetzen würden, fehle die rechtliche Grundlage für die Entscheidung des Bundesamtes und diese sei – einschließlich der mit der Rückkehrentscheidung untrennbar im Zusammenhang stehenden Aussprüche (Zulässigkeit der Abschiebung, Einreiseverbot, keine Ausreisefrist, Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) – vollinhaltlich aufzuheben.

9. Gegen den Mandatsbescheid vom 17.02.2021 erhob der BF, vertreten durch die eingangs genannte Rechtsvertretung, die gegenständliche Beschwerde vom 16.04.2021, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, dass die Anordnung der Schubhaft über den BF sowie die Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig seien. Der BF sei nie vom Bundesamt einvernommen worden, dieses beziehe sich lediglich auf Polizeiberichte, die zudem unrichtig ausgewertet würden. Der BF habe die im Schleppereitatbestand des § 120 Abs. 3 Z 1 FPG geforderte Wissentlichkeit nicht erfüllt, die Verwirklichung dieses Tatbestands sei nicht erwiesen und sein Aufenthalt in Österreich sei daher entgegen der Ansicht des Bundesamtes nicht illegal gewesen bzw. geworden. Doch selbst wenn der Aufenthalt des BF illegal geworden wäre und er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe – was bestritten werde – hätte das Bundesamt dem BF die Rückreise nach Polen ermöglichen müssen. Dies ergebe sich aus § 52 Abs. 6 FPG, wonach die Behörde den BF, dessen polnisches Visum bis drei Tage nach seiner Festnahme gültig gewesen sei, hätte verpflichten müssen, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet Polens zu begeben. Dies sei jedoch nachweislich nicht erfolgt und die Behörde setze sich im Bescheid überhaupt nicht mit dieser Thematik auseinander. Auch sei im Fall des BF keine sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich gewesen. Zudem sei der Sicherungszweck der Abschiebung mangels Bestehen einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung nicht erreichbar gewesen. Beantragt wurde, den angefochtenen Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung der Schubhaft und die Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgten.

10. Das Bundesamt legte am 17.04.2021 den Verfahrensakt vor und gab am selben Tag eine Stellungnahme zur Beschwerde ab. Beantragt wurde die Abweisung bzw. Zurückweisung der Beschwerde, die Feststellung, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen, sowie die Verpflichtung des BF zum Ersatz der Verfahrenskosten der Behörde. In der Stellungnahme wurde u.a. ausgeführt, aus Sicht der Behörde sei der BF – zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft am 17.02.2021 wie auch der Zustellung der Rückkehrentscheidung am 23.02.2021 – illegal aufhältig gewesen und daher seien die Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens und der Abschiebung vorgelegen. Es sei jedenfalls auch Fluchtgefahr vorhanden gewesen, durch die voneinander abweichenden Zeugenaussagen sei auch der Verdacht der verwaltungsrechtlich strafbaren Schlepperei gegeben gewesen und es habe auch eine entsprechende Verwaltungsanzeige gegeben. Durch die Behebung der Rückkehrentscheidung durch das BVwG am 15.04.2021 mit der Begründung, dass kein illegaler Aufenthalt gegeben gewesen sei, ändere sich natürlich nachträglich die Sachlage. Nachdem vom BVwG festgestellt worden sei, dass sich der BF legal im Bundesgebiet aufgehalten habe, brauche auf die Anmerkungen zu § 52 Abs. 6 FPG nicht eingegangen zu werden.

11. Nach einer entsprechenden Anfrage des BVwG teilte die LPD mit E-Mail vom 23.08.2021 mit, dass das Verwaltungsstrafverfahren gegen den BF wegen Verdachtes der Übertretung nach § 120 Abs. 3 Z 1 FPG am 25.05.2021 gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt worden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist volljähriger Staatsangehöriger der Republik Belarus. Seine Identität steht fest. Er besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.2. Der BF besitzt einen bis 28.08.2022 gültigen Reisepass seines Herkunftsstaates. Zudem verfügte der BF im Zeitpunkt seiner Einreise nach Österreich über ein für den Zeitraum von 24.08.2020 bis 19.02.2021 gültiges polnisches Schengen-Visum D.

1.3. Der BF räumte zwei moldawischen Staatsbürgern auf deren Ersuchen eine Mitfahrgelegenheit in einem PKW nach Frankreich ein und wurde nach der Einreise nach Österreich am 15.02.2016 auf der Durchreise am 16.02.2021 beim Versuch des Grenzübertritts von Österreich zu Italien angehalten und festgenommen. Er hatte keine Kenntnis von der Überschreitung der zulässigen Aufenthaltsdauer im Schengenraum seiner beiden moldawischen Mitfahrer.

1.4. Er hatte im Zeitpunkt seiner niederschriftlichen Befragung ein Barvermögen von EUR 594,40 bei sich.

1.5. Mit dem angefochtenen Mandatsbescheid vom 17.02.2021 verhängte das Bundesamt über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung.

1.6. Der BF wurde von 17.02.2021 bis 05.03.2021 in Schubhaft angehalten und reiste am 05.03.2021 nach der Entlassung aus der Schubhaft freiwillig auf dem Luftweg aus dem Bundesgebiet in seinen Herkunftsstaat aus.

1.7. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 23.02.2021 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Belarus zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde dem BF nicht gewährt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

1.8. Einer vom BF gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.04.2021, Zl. W280 2241225-1/6E, stattgegeben und der Bescheid vom 23.02.2021 ersatzlos behoben. Dieses Erkenntnis wurde nicht angefochten.

1.9. Am 30.03.2021 wurde seitens der zuständigen LPD gegen den BF eine Anzeige wegen des Verdachtes der Übertretung nach § 120 Abs. 3 Z 1 FPG erstattet. Das Verwaltungsstrafverfahren gegen den BF betreffend § 120 Abs. 3 Z 1 FPG wurde am 25.05.2021 gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.

1.10. Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt (im Folgenden als Akt 1 bezeichnet) und in das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.04.2021 zu Zl. W280 2241225-1/6E sowie in den zu dem genannten Erkenntnis geführten Verwaltungs- (im Folgenden als Akt 2 bezeichnet) und Gerichtsakt. Einsicht genommen wurde ferner in das Zentrale Melderegister, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

2.1. Die Staatsangehörigkeit und Identität sowie die Volljährigkeit des BF stehen aufgrund des von ihm vorgelegten, in Kopie im Akt einliegenden gültigen Reisepasses fest. Hinweise, dass der BF die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist, haben sich im Verfahren nicht ergeben, weshalb die entsprechende Feststellung zu treffen war.

2.2. Betreffend den Reisepass des BF ist auf die bereits genannte vorliegende Kopie zu verweisen. Dass der BF zum fraglichen Zeitpunkt über ein noch gültiges polnisches Schengen-Visum D verfügte, ergibt sich ebenfalls zweifelsfrei aus der im Akt befindlichen Kopie der betreffenden Seite des Reisepasses, auf der das Visum angebracht ist. Das Bestehen eines (gültigen) polnischen D-Visums wurde vom Bundesamt auch nicht angezweifelt und im gegenständlich angefochtenen Schubhaftbescheid festgestellt (S. 3).

2.3. Bezüglich der Angaben des BF und seiner beiden moldawischen Mitfahrer zu den näheren Umständen ihrer Reise ist vorauszuschicken, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht verkennt, dass sich der BF und die anderen zwei Personen in verschiedenen Punkten erheblich widersprochen haben, wie sich aus den polizeilichen Befragungsprotokollen ergibt. Unterschiedliche Angaben gab es etwa dazu, wo der BF die beiden kennengelernt haben soll und von wo aus sie ihre Reise gemeinsam angetreten haben sollen: Der BF gab an, er sei von den beiden moldawischen Staatsbürgern bei einer Tankstelle in Österreich angesprochen worden (Befragung des BF S. 4), während der erste Mitfahrer angab, er habe den BF in einer Gruppe im Internet getroffen und sie hätten sich zwei Tage zuvor in Deutschland getroffen; die zwei Mitfahrer seien vorher gemeinsam mit einem Taxi von Tschechien nach Deutschland eingereist (Befragung A von XXXX S. 3). Der zweite Mitfahrer gab wiederum an, er habe den BF ca. eine Woche zuvor in Polen über direkte private Kontakte kennengelernt und sie seien alle zusammen zwei Tage zuvor von Polen über Tschechien und Deutschland nach Österreich gekommen (Befragung B von XXXX S. 3). Auch dazu, ob der BF von den beiden Mitfahrern Geld verlangt haben soll, waren die Angaben nicht einheitlich. Allerdings sind die aufgetretenen Widersprüche im gegenständlichen Fall nicht entscheidungsrelevant, weshalb auch von weiterführenden Erhebungen Abstand genommen werden konnte. Fest steht aufgrund übereinstimmender Angaben zunächst, dass der BF den beiden moldawischen Staatsbürgern auf deren Ersuchen eine Mitfahrgelegenheit nach Frankreich einräumte, weshalb dies festgestellt werden konnte (wenn auch nicht geklärt ist, von wo aus sie gemeinsam weggefahren sind): Der BF gab an, er sei von den beiden Männern gebeten worden, sie nach Frankreich mitzunehmen (Befragung BF S. 4). Der erste Mitfahrer gab ebenfalls an, er habe nach einer Mitfahrgelegenheit nach Frankreich gefragt (Befragung A S. 3). Auch der zweite Mitfahrer gab an, das Ziel sei Frankreich gewesen (Befragung B S. 3). Das Datum der Einreise nach Österreich ergibt sich aus den Angaben des BF (Befragung BF S. 4), die Anhaltung und Festnahme beim Grenzübertritt ergibt sich aus dem Akteninhalt, u.a. aus dem Polizeibericht vom 16.02.2021.

Die im vorliegenden Fall entscheidende Feststellung, dass der BF keine Kenntnis von der Überschreitung der zulässigen Aufenthaltsdauer im Schengenraum seiner beiden moldawischen Mitfahrer hatte, ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Auch die Reisepasskopien der beiden Mitfahrer befinden sich im Akt. Darin ist ersichtlich, dass die beiden Personen Staatsangehörige der Republik Moldau sind und weiters befindet sich in beiden Pässen ein Grenzkontrollstempel – mit welchen Ein- und Ausreisen in den und aus dem Schengen-Raum dokumentiert werden –, wonach die beiden am 21.09.2020 mit dem Auto nach Ungarn eingereist sind. Ausreisestempel aus dem Schengen-Raum sind im Akt nicht dokumentiert. Inhaber eines biometrischen Reisepasses der Republik Moldau sind nach Art. 4 Abs. 1 iVm Anhang II der Visumpflicht-Verordnung (EU) 2018/1806 für einen Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Schengener Vertragsstaaten, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, von der Visumpflicht befreit. Gerechnet von der Einreise nach Ungarn an durften sich die beiden Personen 90 Tage, also bis 19.12.2020, im Schengenraum aufhalten. Als der BF am 16.02.2021 an der österreichischen Grenze angehalten wurde, hatten die beiden Mitfahrer die erlaubte sichtvermerksfreie Aufenthaltsdauer überschritten (vgl. dazu auch den Polizeibericht S. 2) und reisten somit unrechtmäßig in das österreichische Staatsgebiet ein. Davon wusste der BF jedoch nicht: Er gab in seiner polizeilichen Befragung an, er habe die beiden Mitfahrer „nicht nach irgendwelchen Reisedokumenten gefragt“ (Befragung BF S. 4). Damit übereinstimmend gab der zweite Mitfahrer an, der BF habe „keine Dokumente von uns verlangt“ (Befragung B S. 3 f). Der erste Mitfahrer wurde zu diesem Punkt nicht befragt bzw. gab nichts Gegenteiliges an. Zu diesem Aspekt wurde im Polizeibericht (S. 2) festgehalten, der BF habe Kenntnis von der Staatsangehörigkeit der Mitfahrer gehabt. Dies ist aufgrund der Angaben der Personen anzunehmen und wird gegenständlich nicht in Zweifel gestellt. Im Polizeibericht wird an derselben Stelle weiter ausgeführt, der BF habe sich vor dem Grenzübertritt nicht nach dem Vorhandensein von Reisedokumenten erkundigt. Dies entspricht insoweit den Angaben des BF und seines Mitfahrers. Zu hinterfragen ist, ob der BF verpflichtet war, Reisedokumente zu überprüfen, dazu wird auf die rechtliche Beurteilung verwiesen. Hinzuweisen ist auf die Tatsache, dass das Bundesamt in den beiden angefochtenen Bescheiden (Rückkehrentscheidung sowie gegenständliche Schubhaft) nie festgestellt hat, dass der BF von der Überschreitung der zulässigen Aufenthaltsdauer im Schengenraum seiner beiden moldawischen Mitfahrer Kenntnis hatte. Dieses Faktum ist jedoch entscheidend für das Tatbestandsmerkmal der Wissentlichkeit im Schleppereitatbestand des § 120 Abs. 3 Z 1 FPG. Das Bundesamt stellte in den beiden Bescheiden schlichtweg fest, der BF habe zwei moldawische Staatsangehörige von Deutschland nach Österreich bzw. nach/durch Österreich „geschleppt“, somit sei sein Aufenthalt im Bundesgebiet nicht mehr rechtmäßig gewesen bzw. illegal geworden (Rückkehrentscheidungsbescheid S. 4, Schubhaftbescheid S. 3). Warum das Bundesamt davon ausgeht, dass der Tatbestand der Schlepperei erfüllt gewesen wäre, wird nicht näher dargelegt. In der Beweiswürdigung zum Einreiseverbot wird ausgeführt, der BF finanziere seinen Aufenthalt „augenscheinlich durch Schlepperei“. Auch wenn er dies in seinen Angaben nicht bestätigt habe, so sei für die Behörde in Zusammenschau mit den Angaben der von ihm geschleppten Personen „der Tatbestand zweifelsfrei erfüllt“. In der rechtlichen Beurteilung zum Einreiseverbot wird nochmals erwähnt, der BF habe „aus Sicht der Behörde“ den ihm zur Last gelegten „Tatbestand der Schlepperei von 2 moldawischen Staatsangehörigen verwirklicht“ (Rückkehrentscheidungsbescheid S. 48 und 56). Ähnlich wird in der rechtlichen Beurteilung im Schubhaftbescheid ausgeführt, der BF finanziere seinen Aufenthalt „offensichtlich durch Schlepperei“, da er „auf Frischer Tat bei der Schleppung von 2 moldavischen StAng von der Polizei betreten“ worden sei (Schubhaftbescheid S. 6). Für weitere Ausführungen zum – aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes durch den BF nicht erfüllten – Tatbestand der Schlepperei wird auf die rechtliche Beurteilung verwiesen. Festzuhalten ist, dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis vom 15.04.2021 zu Zl. W280 2241225-1/6E – rechtskräftig – festgestellt hat (die belangte Behörde ist dem in der Folge auch nicht entgegen getreten), dass der BF keine Kenntnis von der Überschreitung der erlaubten Aufenthaltsdauer im Schengenraum seiner beiden moldawischen Mitfahrer hatte. Aufgrund der soeben dargestellten Erwägungen geht auch der erkennende Richter von ebendieser Annahme aus, sodass die entsprechende Feststellung zu treffen war.

2.4. Das vom BF mit sich geführte Barvermögen ergibt sich aus seinen Angaben in seiner niederschriftlichen Befragung (Befragung BF S. 3).

2.5. Die Verhängung der Schubhaft ergibt sich aus dem gegenständlich angefochtenen Bescheid.

2.6. Die Anhaltung des BF in Schubhaft im genannten Zeitraum ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei. Die Feststellungen zu seiner freiwilligen Ausreise ergeben sich aus dem Verwaltungsakt bzw. der darin befindlichen Ausreisebestätigung.

2.7. Die Feststellungen zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme durch das BFA ergeben sich aus dem entsprechenden Bescheid vom 23.02.2021.

2.8. Die ersatzlose Behebung des soeben genannten Bescheides ergibt sich aus dem bereits mehrfach erwähnten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.04.2021 zu Zl. W280 2241225-1/6E, welches mit seiner Erlassung am selben Tag rechtskräftig wurde.

2.9. Die Erstattung einer Anzeige gegen den BF wegen des Verdachtes der Übertretung nach § 120 Abs. 3 Z 1 FPG ergibt sich aus dem Akteninhalt. Bereits im polizeilichen Bericht anlässlich der Festnahme des BF und seiner beiden moldawischen Mitfahrer wird auf S. 2 erwähnt, dass gegen den BF „Anzeige nach § 120/3 FPG erstattet“ wurde. Diesbezüglich ist jedoch darauf hinzuweisen, dass – wie das Bundesverwaltungsgericht bereits im Erkenntnis vom 15.04.2021 (S. 5) ausgeführt hat – eine Anzeige gegen den BF erst am 30.03.2021 nach entsprechender vorheriger Urgenz durch das Bundesamt erstattet wurde. Dies ist aus dem im Akt befindlichen E-Mail-Verkehr zwischen der belangten Behörde und der Landespolizeidirektion Kärnten ersichtlich (AS 185, 199 von Akt 2), wo das Bundesamt zunächst am 23.03.2021 anlässlich der gegen die Rückkehrentscheidung erhobenen Beschwerde bei der Landespolizeidirektion anfragte, ob gegen den BF bereits ein Straferkenntnis bezüglich der Anzeige wegen Schlepperei erlassen worden sei. Die Landespolizeidirektion antwortete am 25.03.2021, dass von ihrer Seite mangels bisheriger Anzeigenlegung noch kein Straferkenntnis ergangen sei. Daraufhin erkundigte sich das Bundesamt ebenfalls am 25.03.2021 bei der zuständigen Polizeiinspektion, ob die Anzeige gegen den BF eingebracht worden sei. Die zuständige Polizeiinspektion verfasste daraufhin die im Akt einliegende, mit 30.03.2021 datierte Anzeige. Nach nunmehriger Nachfrage durch das Bundesverwaltungsgericht teilte die Landespolizeidirektion Kärnten, Fremden- und Grenzpolizeiliche Abteilung mit E-Mail vom 23.08.2021 mit, dass das Verwaltungsstrafverfahren gegen den BF wegen Verdachtes der Übertretung nach § 120 Abs. 3 Z 1 FPG am 25.05.2021 gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt worden sei (OZ 4 Akt 1). Demnach erging gegen den BF in der gegenständlichen Angelegenheit kein Straferkenntnis wegen Schlepperei.

2.10. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft:

3.1.1. §§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG) lauten:

Schubhaft (FPG)

„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG)

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) lautet:

„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1.       er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2.       er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3.       gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Zur Judikatur:

3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043).

Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft:

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG, und weiters Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich war. Zum Zeitpunkt der Verhängung der gegenständlichen Schubhaft mit dem angefochtenen Bescheid vom 17.02.2021 war gegen den BF ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung anhängig. Die gegenständliche Schubhaft wurde vom Bundesamt über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zum Zwecke der Sicherung dieses Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Voraussetzung für die Anordnung einer Schubhaft gemäß der von der Behörde herangezogenen Bestimmung des § 76 Abs. 2 Z 2 FPG sind Fluchtgefahr, die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und das Nichtvorliegen eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG.

Im vorliegenden Fall ist aber vorgelagert zu prüfen, ob der Aufenthalt des BF im österreichischen Bundesgebiet rechtmäßig war. Eine Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG nämlich nur zu erlassen, wenn sich der Drittstaatsangehörige nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Eine Abschiebung nach § 46 FPG ist gemäß Abs. 1 leg. cit. nur gegen Fremde möglich, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 Z 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben.

Gemäß Art. 19 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) können sich Drittausländer, die Inhaber eines einheitlichen Sichtvermerks sind und rechtmäßig in das Hoheitsgebiet einer der Vertragsparteien eingereist sind, frei in dem Hoheitsgebiet aller Vertragsparteien bewegen, und zwar während der Gültigkeitsdauer des Sichtvermerks und soweit sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c, d und e aufgeführten Einreisevoraussetzungen – bzw. die nunmehr im Schengener Grenzkodex vorgesehenen Einreisevoraussetzungen – erfüllen.

Für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, wobei der Zeitraum von 180 Tagen, der jedem Tag des Aufenthalts vorangeht, berücksichtigt wird, gelten für einen Drittstaatsangehörigen die in Art. 6 Abs. 1 Schengener Grenzkodex, VO (EU) 2016/399, genannten Einreisevoraussetzungen. So muss der Drittstaatsangehörige im Besitz eines gültigen Reisedokuments und, falls dies in der (nunmehr) Visumpflicht-Verordnung, VO (EU) 2018/1806, vorgesehen ist, im Besitz eines gültigen Visums sein, außer wenn er Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels oder eines gültigen Visums für den längerfristigen Aufenthalt ist. Er muss weiters den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben. Er darf nicht im SIS (Schengener Informationssystem) zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein und schließlich keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaates darstellen und darf insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein.

Als Staatsangehöriger der Republik Belarus musste der BF gemäß Art. 3 Abs. 1 iVm Anhang I der Visumpflicht-Verordnung (EU) 2018/1806 beim Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten im Besitz eines Visums sein. Er verfügt über einen gültigen biometrischen Reisepass seines Herkunftsstaates, in den ein für den Zeitraum von 24.08.2020 bis 19.02.2021 gültiges von Polen ausgestelltes Schengen-Visum D eingetragen war, das ihn dazu berechtigte, sich bis zu 90 Tagen in einem Zeitraum von 180 Tagen frei im Hoheitsgebiet der übrigen Schengen-Mitgliedstaaten zu bewegen. Er war im Zeitpunkt seiner Einreise in das Bundesgebiet aufgrund dieses Visums berechtigt, in andere EU-Mitgliedsstaaten, somit auch nach Österreich, einzureisen und ist somit rechtmäßig eingereist. Er war in Österreich lediglich auf der Durchreise nach Frankreich und verfügte über einen Euro-Betrag, der jedenfalls dazu ausreichte, durchzureisen bzw. in den Herkunftsstaat zurückzureisen. Im SIS schien gemäß einer Abfrage vom 19.02.2021 keine Vormerkung auf (Akt 2 AS 32). Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Das Bundesamt vertritt im angefochtenen Schubhaftbescheid die Auffassung, dass sich der BF unrechtmäßig in Österreich aufgehalten hätte: Er sei zwar im Besitz eines Visums D für Polen gewesen, doch habe er zwei moldawische Staatsangehörige nach bzw. durch Österreich geschleppt, somit sei sein Aufenthalt illegal geworden. Wie oben ausgeführt, ging das Bundesamt davon aus, dass der BF den Tatbestand der Schlepperei gemäß § 120 Abs. 3 Z 1 FPG erfüllt hätte, ohne dies jedoch, wie ebenfalls bereits ausgeführt, näher zu begründen.

Nach dieser Bestimmung begeht jemand eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen, der wissentlich die rechtswidrige Einreise oder Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs fördert.

Somit müssen drei Tatbestandsmerkmale kumulativ vorliegen, damit der Tatbestand der Schlepperei bejaht werden kann: Die Einreise oder Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs muss rechtswidrig sein, der Täter muss die rechtswidrige Einreise oder Durchreise mit einer Tathandlung gefördert, also unterstützt haben und er muss dies wissentlich getan haben.

Wie oben in der Beweiswürdigung ausgeführt, hatten die beiden Mitfahrer des BF zwar einen gültigen Reisepass, jedoch die erlaubte sichtvermerksfreie Aufenthaltsdauer überschritten und reisten somit unrechtmäßig in das österreichische Staatsgebiet ein bzw. durch. Der BF räumte seinen beiden Passagieren auf deren Ersuchen eine Mitfahrgelegenheit nach Frankreich ein, somit kann auch die Förderung einer (rechtswidrigen) Einreise bzw. Durchreise bejaht werden.

Der Straftatbestand erfordert allerdings den qualifizierten Vorsatz der Wissentlichkeit. Setzen die anzuwendenden Strafbestimmungen die Schuldform der Wissentlichkeit voraus, so handelt der Täter dann wissentlich, wenn er den Tatumstand oder Erfolg nicht bloß für möglich hält, sondern sein Vorliegen oder Eintreten für gewiss hält (VwGH 17.02.1988, 87/01/0202, vgl. auch § 5 Abs. 3 StGB). Der BF hätte es also nicht für möglich, sondern für gewiss halten müssen, dass er die rechtswidrige Einreise oder Durchreise der beiden Passagiere fördert. Der BF hatte jedoch, wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, keine Kenntnis von der Überschreitung der zulässigen Aufenthaltsdauer im Schengenraum seiner beiden moldawischen Mitfahrer, da er sich vor Fahrtantritt nicht nach dem Vorhandensein von Reisedokumenten erkundigte.

Die Frage, ob der BF dazu verpflichtet war, die Reisedokumente seiner Mitfahrer zu überprüfen, ist nach der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes zu verneinen: Gemäß § 111 Abs. 1 FPG sind Beförderungsunternehmer, die Personen mit einem Luft- oder Wasserfahrzeug oder im Rahmen des internationalen Linienverkehrs mit einem Autobus über die Außengrenze nach Österreich bringen, verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sich zu vergewissern, dass die Person über das für die Einreise in das Bundesgebiet erforderliche Reisedokument und erforderlichenfalls eine Berechtigung zur Einreise verfügt. Diese Bestimmung basiert auf Art. 26 Abs. 1 lit. b des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ), wonach die Vertragsparteien des Übereinkommens die Regelung erlassen müssen, dass der Beförderungsunternehmer verpflichtet ist, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sich zu vergewissern, dass der auf dem Luft- oder Seeweg beförderte Drittausländer über die für die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien erforderlichen Reisedokumente verfügt. Eine derartige Verpflichtung ist für Privatpersonen jedoch nicht vorgesehen. Der BF musste sich demnach nicht vergewissern, dass seine Mitfahrer über Reisedokumente bzw. Einreiseberechtigungen verfügten.

Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits im Erkenntnis vom 15.04.2021 (S. 8) ausgeführt hat, erscheint es auch dem nunmehr erkennenden Richter selbst bei einem Verlangen der Vorlage der Reisedokumente und einer Einsichtnahme in die Ein- und Ausreisevermerke im Reisepass fraglich, ob einer nicht mit den einschlägigen Bestimmungen vertrauten Person aus den Datierungen der Einreisestempel eine Überschreitung des visumfreien Aufenthalts im Sinne der geforderten Wissentlichkeit bewusst werden hätte müssen.

Im gegenständlichen Fall ist demnach das Vorliegen der erforderlichen Schuldform der Wissentlichkeit für den BF zu verneinen, sodass der Tatbestand der Schlepperei nicht verwirklicht wurde.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt somit, wie bereits im Erkenntnis vom 15.04.2021 festgestellt, auch im vorliegenden Verfahren zu dem Schluss, dass sich der BF rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat bzw. sein Aufenthalt nach der rechtmäßigen Einreise nicht illegal wurde.

Nachdem der BF rechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet aufhältig war, waren die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und die damit verbundenen Aussprüche nicht gegeben (weshalb der entsprechende Bescheid auch mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.04.2021 ersatzlos behoben wurde).

Somit lagen aber auch nicht die Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor. Mangels der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung kam auch eine Abschiebung nicht in Betracht und die Schubhaft war auch nicht zur Sicherung der Abschiebung notwendig.

Der Beschwerde war daher gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG stattzugeben und der angefochtene Schubhaftbescheid aufzuheben.

War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0114). Die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung des BF in Schubhaft von 17.02.2021 bis 05.03.2021 war daher rechtswidrig.

3.2. Zu Spruchpunkt II. – Kostenbegehren:

3.2.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

3.2.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden. Gemäß Abs. 7 ist Aufwandersatz auf Antrag der Partei zu leisten.

3.2.3. Im gegenständlichen Verfahren wurde sowohl gegen den im Spruch genannten Schubhaftbescheid als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben. Der Beschwerdeführer hätte als (vollständig) obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz im gesetzlich vorgesehenen Umfang, hat diesen jedoch nicht beantragt. Dem Bundesamt gebührt als unterlegener Partei kein Kostenersatz.

3.3. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Eine mündliche Verhandlung wurde weder vom BF noch vom Bundesamt beantragt. Der gegenständlichen Beschwerde wurde vollinhaltlich stattgegeben. Hinsichtlich der Unkenntnis des BF von der Überschreitung der zulässigen Aufenthaltsdauer seiner beiden Mitfahrer im Schengenraum ist auf die dezidierte, rechtskräftige Vorentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu verweisen. Dieser festgestellten Tatsache wurde vom Bundesamt nicht substantiiert entgegengetreten. Hinweise auf einen möglicherweise unvollständig ermittelten entscheidungswesentlichen Sachverhalt haben sich nicht ergeben. Im vorliegenden Fall konnte daher auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde von einem geklärten Sachverhalt ausgegangen werden.

Zu B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt A. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Einreiseverbot aufgehoben Kostenersatz rechtmäßiger Aufenthalt Rechtswidrigkeit Reisedokument Rückkehrentscheidung behoben Schlepperei Schubhaft Strafverfahren - Einstellung Tatbestand

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W180.2241560.1.00

Im RIS seit

19.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

19.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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