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40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §34Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsidenten Ehrhart und die Räte Dr. Höslinger, Dr. Borotha, Dr. Vejborny und Dr. Hrdlitzka als Richter, im Beisein des Landesregierungsrates Dr. Riemer als Schriftführer, über die Beschwerde der LA in W gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau vom 30. Juni 1951, Zl. 302.087 - IV - 26/51, betreffend die Verhängung einer Ordnungsstrafe gemäss § 67 Handelskammergesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird. als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist auf Grund ihrer Gewerbeberechtigung für die fabriksmässige Erzeugung von Metallguss jeglicher Art ausser Eisen Mitglied der Sektion Industrie der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien. Nach der Aktenlage wurde sie mit vier getrennten Schreiben vorn 24. August 1950 aufgefordert, die Brutto-Lohn- und Gehaltssummen ihrer Unternehmung sowie die durchschnittlichen „Beschäftigungszahl“ aufgegliedert nach Arbeitern und Angestellten für die Jahre 1947 und 1948 (zerlegt in vier Teilabschnitte) bekannt zu geben. Aus den Schreiben war zu entnehmen, dass sie vom Umlagebüro der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien ausgesendet worden waren und zur Feststellung der Grundumlage für die Jahre 1947 und 1948 dienten. Mit weiteren Schreiben vorn 6. Oktober und 24. November 1950 sowie 19. Februar 1951 wurde die Beschwerdeführerin gemahnt. Nachdem auch diese Schreiben unbeantwortet geblieben waren, belegte die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien mit Bescheid vom 19. April 1951 die Beschwerdeführerin gemäss § 67 Abs. 1 des Handelskammergesetzes (BGBl. Nr. 182/1946, in der Fassung des Gesetzes BGBl. Nr. 21/1948) mit einer Ordnungsstrafe von 200,-- S. Der dagegen von der Beschwerdeführerin ergriffenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid keine Folge.
Die vorliegende Beschwerde bekämpft diesen Bescheid unter dem Gesichtspunkt der Gesetzwidrigkeit seines Inhaltes, weil eine Ordnungsstrafe wegen Verweigerung von Auskünften mangels einer Vorschrift, in der die Auskunftspflicht gesetzlich verankert sei, nicht verhängt werden dürfe. Die Beschwerdeführerin steht auf dem Standpunkt, dass § 67 Handelskammergesetz schon nach seiner Ueberschrift nur von Ordnungsstrafen handle, somit nichts weiter als eine Strafbestimmung darstelle, deren Anwendungsmöglichkeit davon abhänge, ob in anderen Vorschriften die Verpflichtung festgelegt ist, deren Nichterfüllung die Verhängung einer Strafe nach sich ziehen könne. Eine Strafbestimmung, die, ohne sich auf eine verpflichtende Norm stützen zu können, die Ermächtigung zur Verhängung von Geldstrafen verleiht, verstosse aber auch gegen das Grundrecht der Unverletzlichkeit des Eigentums, weswegen verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Bestimmung bestünden.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung des § 67 Handelskammergesetz sind schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil die Tatbestände, welche zur Belegung mit einer Ordnungsstrafe ermächtigen, im Gesetz genau aufgezählt sind, die Frage aber, ob eine bestimmte Auskunft abverlangt und deren Verweigerung mit der Verhängung einer Ordnungsstrafe geahndet werden darf, für die Beurteilung der Gesetzmässigkeit des Verwaltungsaktes, nicht aber der Verfassungsmässigkeit der gesetzlichen Bestimmung bedeutsam sein kann.
Im übrigen ist zu sagen: Die Beschwerdeführerin verkennt das Wesen der Ordnungsstrafen. Hiebei handelt es sich nicht um Strafen für Verwaltungsübertretungen, sondern um Massnahmen disziplinärer Art. Mit anderen Worten: Ordnungsstrafen gehören dem Bereich des Verfahrensrechtes an, da ihr ausschliesslicher Zweck darin besteht, Ordnungswidrigkeiten hintanzuhalten, bezw. zu beseitigen. Was nun im einzelnen eine solche Ordnungswidrigkeit darstellt, die mit der Verhängung einer Ordnungsstrafe geahndet werden darf, ist in aller Regel in der gesetzlichen Vorschrift umschrieben, welche die Ermächtigung zur Verhängung von Ordnungsstrafen enthält (z.B. § 34 AVG). Eine solche Umschreibung der Tatbestände, die die Verhängung einer Ordnungsstrafe durch die Kammer der gewerblichen Wirtschaft rechtfertigen, enthält auch § 67 Handelskammergesetz. Dort sind als Ordnungswidrigkeiten aufgezählt: Die Unterlassung der Lieferung von Auskünften, Nachweisungen oder Meldungen, die von einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft, einer Fachgruppe oder einem Fachverband abverlangt worden sind, weiters deren verspätete, unvollständige oder unrichtige Lieferung. Es handelt sich somit durchwegs um Formen der Mitwirkung der einzelnen Mitglieder an der Gebarung der gewerblichen Interessenvertretungen, welche erforderlich sind, damit die einzelnen Gliederungen der Organisation der gewerblichen Wirtschaft überhaupt in die Lage kommen können, die ihnen gesetzlich obliegenden Aufgaben zu erfüllen. Abgesehen davon, dass § 67 Abs. 2 Handelskammergesetz ausdrücklich von einer unbeschadet der Verhängung von Ordnungsstrafen weiter bestehenden Auskunftspflicht spricht, folgt aus obigen Darlegungen, dass diese Verpflichtung nur einen Teil jener Pflichten darstellt, die sich aus der Mitgliedschaft zu einer mit öffentlichen Aufgaben betrauten Körperschaft ergeben. In dieser Ableitung der Auskunftspflicht liegt aber auch ihre Beschränkung, denn es versteht sich von selbst, dass sich diese demnach nicht auf Dinge erstrecken kann, die mit dem Aufgabenbereich der gewerblichen Interessenvertretung nichts zu tun haben. In diesem Falle wäre entgegen der Auffassung der belangten Behörde die Verhängung einer Ordnungsstrafe auch dann nicht gerechtfertigt, wenn das Kammermitglied auf die Aufforderung überhaupt nicht geantwortet hätte.
Im vorliegenden Falle hat es sich um einen Verfahrensgang zur Ermittlung der im § 57 Abs. 1 Handelskammergesetz festgelegten Grundumlage gehandelt. § 3 Abs. 3 der Umlagenordnung, BGBl. Nr. 215/47, spricht ausdrücklich davon, dass im Bereich der Sektion Industrie - der nach Angabe der belangten Behörde die Beschwerdeführerin auch in dem Jahr 1947 und 1948 angehört haben soll - die Grundumlage in einem Tausendsatz von der Lohn- und Gehaltssumme festgelegt werden kann. Dies ist auch gemäss § 1 Abs. 1 der auf Grund des § 57 Abs. 11 des Handelskammergesetzes von der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft erlassenen Rahmenbestimmung für den Bereich der Sektion Industrie geschehen. Demnach besteht kein Zweifel, dass die Beschwerdeführerin verpflichtet war, die von ihr verlangten Auskünfte zu erteilen und die Verhängung der Ordnungsstrafe nicht gesetzwidrig ist.
Der Einwand der Beschwerdeführerin, dass in dem Bescheid der Kammer der gewerblichen Wirtschaft vom 19. April 1951 die Vorschreibung von Mahnspesen ungesetzlich vorgenommen worden sei, erledigt sich mit dem Hinweis darauf, dass mit dem angefochtenen Bescheid nur die Verhängung der Ordnungsstrafe bestätigt worden ist, der Ordnungsstrafbescheid somit keinen Exekutionstitel zur Hereinbringung der Mahngebühr darstellt.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet; sie war abzuweisen (§ 42 Abs. 1 VwGG)
Wien, am 24. März 1952
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1952:1951001580.X00Im RIS seit
19.01.2022Zuletzt aktualisiert am
19.01.2022