TE Vwgh Erkenntnis 1957/3/6 0570/54

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Veröffentlicht am 06.03.1957
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren
62 Arbeitsmarktverwaltung
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

AlVG 1949 §44
AlVG 1949 §6
AlVG 1958 §49
AlVG 1958 §7
AVG §59 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsidenten Dr. Mahnig und die Räte Dr. Strau, Dr. Koprivnikar, Dr. Mathis und Penzinger als Richter, im Beisein des Landesgerichtsrates Dr. Linzmeier als Schriftführer, über die Beschwerde der JW in W gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Oberösterreich vom 9. Februar 1954, G. Zl. IV/9-Gr. Nr. 9685/Wels, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Das Arbeitsamt Wels hatte mit dem Bescheide vom 15. Dezember 1952 das auf Gewährung von Arbeitslosengeld gerichtete Begehren der Beschwerdeführerin vom 24. November 1952 abgewiesen, weil die Tätigkeit der Beschwerdeführerin nicht arbeitslosenversicherungspflichtig gewesen sei und die Beschwerdeführerin mithin die Anwartschaft gemäss § 13 Abs. 1 AlVG nicht erfüllt habe. Der gegen den Bescheid des Arbeitsamtes Wels erhobenen Berufung hatte das Landesarbeitsamt Oberösterreich mit dem Bescheide vom 20. Februar 1953 aus dem gleichen Grunde nicht Folge gegeben. Der Bescheid des Landesarbeitsamtes Oberösterreich vom 20. Februar 1953 wurde jedoch mit dem Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 1953 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben, weil das Landesarbeitsamt Oberösterreich die Arbeitslosenversicherungspflicht der Beschwerdeführerin zu Unrecht verneint hatte. Daraufhin gab das Landesarbeitsamt Oberösterreich mit dem Bescheide vom 9. Februar 1954 der Berufung gegen den Bescheid des Arbeitsamtes Wels vom 15. Dezember 1952 Folge und sprach über das Begehren der Beschwerdeführerin auf Gewährung von Arbeitslosengeld ab, wie folgt: „Das Arbeitslosengeld wird ab Anfallstag (Antrag vom 24. November 1952) zuerkannt und die Nachzahlung der Unterstützung bewilligt, falls die im § 6 Pkt. 1 und 3 geforderten Voraussetzungen erfüllt sind und in der Zwischenzeit die Kontrollmeldungen eingehalten wurden.“ In der Begründung des Bescheides führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei in der Zeit vom 1. April 1947 bis 22. November 1952 arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen und habe daher bei Stellung ihres Antrages vom 24. November 1952 die Anwartschaft erfüllt gehabt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Über die Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Im Beschwerdefalle war das Begehren der Beschwerdeführerin auf die Gewährung von Arbeitslosengeld gerichtet. Gegenstand des Verwaltungsverfahrens war somit der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Arbeitslosengeld. Nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz ist der Anspruch auf Arbeitslosengeld von Voraussetzungen abhängig, die im § 6 des Gesetzes zusammengefasst sind. Nach § 6 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer 1.) arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist, 2.) wir die Anwartschaft erfüllt und 3.) die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat. Die Arbeitsfähigkeit wird im § 7, die Arbeitswilligkeit in den §§ 8 bis 10, die Arbeitslosigkeit in den §§ 11 und 12 die Anwartschaft in den §§ 13 und 14 und die Bezugsdauer im § 17 AlVG geregelt.

Wie sowohl dem Spruche als auch der Begründung des angefochtenen Bescheides entnommen werden kann, ist die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung von der Auffassung ausgegangen, es sei ihr erlaubt, das Verfahren über die in Verhandlung stehende Angelegenheit dergestalt in Abschnitte zu zerlegen, dass zunächst darüber entschieden werde, ob die Anspruchsvoraussetzungen der Anwartschaft gegeben sei, während die Entscheidung darüber, ob die übrigen im Arbeitslosenversicherungsgesetz festgelegte Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt seien, einer weiteren Entscheidung - offenbar des Arbeitsamtes - vorbehalten werden dürfe. Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden.

Gemäss § 59 Abs. 1 AVG hat der Spruch die in Verhandlung stehende Angelegenheit in der Regel zur Gänze zu erledigen. Lässt dem Gegenstand der Verhandlung eine Trennung nach mehreren Punkten zu, so kann über jeden dieser Punkte, sobald er spruchreif ist gesondert abgesprochen werden.

Die Voraussetzungen des zweiten Satzes des § 59 Abs 1 AVG, bei deren Vorliegen eine Trennung des Gegenstandes der Verhandlung nach mehreren Punkten zulässig wäre, waren hier gegeben. Denn der in sich geschlossen, ein einheitliches Ganzes bildende Gegenstand des Verfahrens - der Anspruch auf Arbeitslosengeld - lässt eine Entscheidung nur über den Gesamtinhalt des Gegenstandes zu, die entweder bei Nichtvorliegen auch nur einer der im Gesetze festgelegten Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld eine Abweisung des Begehrens auf Arbeitslosengeld oder aber bei Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen eine Stattgebung beinhalten kann.

Dass die Vorgangsweise der belangten Behörde nicht dem Gesetze entsprach, kann im übrigen auch aus dem Berichte des Verfassungsausschusses über die Vorlage der Bundesregierung zu § 59 AVG (360 der Beilagen zu den stenographischen Protollen des Nationalrates - II. Gesetzgebungsperiode - der Republik Österreich) entnommen werden, der ausführt: „Der 2. Satz des Absatzes bezieht sich nur auf solche Fälle, denen sich das Endziel der ganzen Verhandlung nach mehreren Punkten trennen lässt. Zum Beispiel: Eine Partei sucht um Verleihung mehrerer Berechtigungen an; die Verhandlung über dieses Gesuch kann zweckmässigerweise einheitlich durchgeführt, über jedes darin enthaltene Petit aber gesondert abgesprochen werden. Eine Trennung der Verhandlung in einzelne Stadien oder Abschnitte etwa derart, dass über einzelne Sachverhaltsfeststellungen gesondert entschieden würde, ist selbstverständlich nicht gemeint.“

Da die belangte Behörde somit entgegen der Vorschrift des § 39 Abs. 1 AVG die in Verhandlung stehende Angelegenheit nicht zur Gänze erledigt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als seinem Inhalte nach rechtswidrig. Er war deshalb gemäss § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1952 aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich veranlasst, zu der von der belangten Behörde geäusserten Auffassung, eine Nachzahlung des Arbeitslosengeldes könne nur bewilligt werden, wenn in der Zwischenzeit die Kontrollmeldungen eingehalten worden seien, auf folgendes hinzuweisen:

Nach § 44 AlVG, der mit der Überschrift „Kontrollmeldungen“ versehen ist, hat sich der Arbeitslose zur Sicherung des Anspruches auf den Bezug des Arbeitslosengeldes wöchentlich mindestens zweimal bei dem nach seinem Wohnort zuständigen Arbeitsamt unter Vorweisung der Meldekarte persönlich zu melden.

In einem gleichgelagerten Falle hat der Verwaltungsgerichtshof unter der Geltung des Gesetzes vom 24. März 1920, BGBl. Nr. 153, über die Arbeitslosenversicherung, dessen § 13 eine im wesentlichen gleiche Regelung wie § 44 AlVG enthielt, in dem Erkenntnisse vom 29. November 1933, Slg. Nr. 17.776 (A), die Auffassung vertreten, dass eine Nachzahlung der Arbeitslosenunterstützung an eine Partei nicht aus dem Grunde abgelehnt werden könnte, weil die Partei die Kontrollmeldungen nicht eingehalten hat, da es der Partei nicht zum Nachteile gereichen könne, wenn sie Kontrollmeldungen nach § 13 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes in einer Zeit unterlassen hat, für die nach Ansicht der Behörde ein Unterstützungsanspruch nicht gebührt hat.

An dieser Rechtsauffassung hält der Verwaltungsgerichtshof auch für den Bereich des Arbeitslosenversicherungsgesetzes fest.

Wien, am 6. März 1957

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1957:1954000570.X00

Im RIS seit

19.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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