TE Vwgh Erkenntnis 2021/12/17 Ra 2019/17/0033

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Veröffentlicht am 17.12.2021
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §59 Abs1
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
GSpG 1989 §52 Abs2
VStG §44a Z2
VStG §44a Z3
VStG §44a Z5
VStG §64
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §52

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner und den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des M D in U, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 27. August 2018, LVwG-S-1467/001-2017, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Gmünd),

Spruch

1. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruches über die verhängte Strafe und die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmünd vom 15. Mai 2017 wurde der Revisionswerber als gemäß § 9 VStG nach außen vertretungsbefugtes Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft der zweifachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 Glücksspielgesetz - GSpG schuldig erkannt. Es wurden über ihn zwei Geldstrafen in der Höhe von je EUR 10.000,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Die Kosten des Strafverfahrens wurden mit EUR 2.000,-- bestimmt.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) der vom Revisionswerber dagegen erhobenen Beschwerde unter Neubemessung der Ersatzfreiheitsstrafe statt (Spruchpunkt 1.). Weiters sprach das LVwG aus, dass unter Beibehaltung der Kostenbeitragsbestimmung des behördlichen Strafverfahrens dem Revisionswerber für das verwaltungsgerichtliche Verfahren kein Kostenbeitrag zur Last falle (Spruchpunkt 2.). Das LVwG wies einen in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag ab (Spruchpunkt 3.) und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei (Spruchpunkt 4.).

3        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, sind gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof nur im Rahmen der dafür in der Revision - gesondert - vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Liegen - wie hier - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu überprüfen (vgl. z.B. VwGH 15.2.2019, Ra 2018/17/0190, mwN).

8        Zum Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision ist zunächst festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Die angefochtene Entscheidung steht daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12.

9        Entgegen dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen steht auch das in § 14 Abs. 3 GSpG enthaltene Erfordernis eines inländischen Sitzes für den Erhalt einer Konzession nicht mit Unionsrecht im Widerspruch. Da § 14 Abs. 3 dritter Satz GSpG von diesem Erfordernis bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auch eine Ausnahme enthält, werden mit dieser Bestimmung keine der unionsrechtlichen Vorgaben verletzt: Zwar stellt auch das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Nachsicht von der Sitzverpflichtung - nämlich eine vergleichbare Lotterienkonzession und eine vergleichbare staatliche Glücksspielaufsicht in dem Mitgliedstaat (der EU bzw. des EWR), in dem der Konzessionswerber seinen Sitz hat - eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar. Diese Beschränkung in § 14 Abs. 3 GSpG ist jedoch durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt und genügt den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit, die sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergeben (vgl. dazu näher VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048, 0049, Rn. 34 ff).

10       Soweit sich das Zulässigkeitsvorbringen gegen den Schuldspruch richtet, zeigt es somit keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf, sodass sich die Revision in diesem Umfang als nicht zulässig erweist. Dasselbe gilt auch im Zusammenhang mit Spruchpunkt 3. des angefochtenen Erkenntnisses, zu dem die Revision kein Zulässigkeitsvorbringen enthält.

11       Die Revision erweist sich jedoch mit ihrem Vorbringen zur unterbliebenen Anführung der korrekten Strafsanktionsnorm im Spruch als zulässig und begründet:

12       Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Beschuldigte ein Recht darauf, dass im Spruch die richtige und nur die richtige verletzte Verwaltungsvorschrift aufscheint. Gleiches gilt für die Anführung der Strafnorm nach § 44a Z 3 VStG. Darunter ist jene Verwaltungsvorschrift zu verstehen, die bei der Festlegung des Strafmittels und des Strafausmaßes heranzuziehen ist. Das Verwaltungsgericht hat daher, wenn der Spruch des behördlichen Strafbescheids unvollständig ist, diesen in seinem Abspruch zu ergänzen (vgl. VwGH 27.3.2020, Ra 2018/17/0168, mwN).

13       Im vorliegenden Fall kommt bei Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG die Strafsanktionsnorm des § 52 Abs. 2 GSpG in Betracht. Im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wurde aber als Strafsanktionsnorm § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG angeführt.

14       Das LVwG hat durch seine abweisende Entscheidung im angefochtenen Erkenntnis den Spruch des Straferkenntnisses übernommen (vgl. VwGH 17.5.2019, Ra 2018/17/0246) und die Strafsanktionsnorm trotz des fehlerhaften Abspruchs im Straferkenntnis nicht korrigiert. Es hat überdies in Verkennung der Rechtslage auch unterlassen, zum Zweck der Ermittlung des im Revisionsfall anzuwendenden Strafsatzes Feststellungen über das allfällige Vorliegen von im Tatzeitraum formell rechtskräftigen Vorstrafen zu treffen (vgl. dazu etwa VwGH 8.6.2020, Ra 2020/17/0029, mwN).

15       Damit hat das Verwaltungsgericht das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb das Erkenntnis im Umfang des Ausspruches über die verhängte Strafe sowie des damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Ausspruches über die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war (vgl. VwGH 22.3.2021, Ra 2019/17/0114, mwN).

16       Im Übrigen war die Revision nach § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

17       Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 17. Dezember 2021

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019170033.L00

Im RIS seit

19.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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