TE Vwgh Beschluss 2021/12/20 Ro 2021/03/0003

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.12.2021
beobachten
merken

Index

E000 EU- Recht allgemein
E3L E07204010
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
93 Eisenbahn

Norm

B-VG Art133 Abs4
EisenbahnG 1957 §70a
EisenbahnG 1957 §73 Abs6
EisenbahnG 1957 §73 Abs7
EURallg
VwGG §25a Abs1
VwGG §33 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwRallg
32012L0034 Eisenbahnraum-RL Art56 Abs10

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Ö AG in W, vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1010 Wien, Schubertring 6, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. August 2020, Zlen. W110 2221147-1/40E, W110 2220588-1/46E, betreffend eine Angelegenheit nach dem Eisenbahngesetz 1957 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Schienen-Control Kommission; mitbeteiligte Partei: W GmbH; weitere Partei: Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionsbeantwortung der P AG wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 5. Juni 2019 hatte die belangte Behörde gemäß § 73 Abs. 6 Z 2 EisbG eine näher ausgestaltete vertragsersetzende Regelung zwischen der Ö AG (der nunmehrigen Revisionswerberin, im Folgenden auch „I“) und der W GmbH (der nunmehr Mitbeteiligten, im Folgenden auch „W“) zur gemeinschaftlichen Nutzung eines Verkaufslokals für Fahrscheinverkauf im Bahnhof Wien Praterstern angeordnet (Spruchpunkt I.).

2        Mit Spruchpunkt II. war zudem gemäß § 73 Abs. 6 Z 1 EisbG der zwischen der I und der P AG bestehende Mietvertrag vom 5. Oktober 2018 für dieses Verkaufslokal - im Sinne der Anordnung - geändert worden.

3        Mit Spruchpunkt III. schließlich war ein näher genannter Antrag der W abgewiesen worden.

4        Gegen diesen Bescheid erhoben sowohl die P AG als auch die I Beschwerde.

5        Mit der nun angefochtenen Entscheidung gab das BVwG den (sich gegen die Spruchpunkte I und II richtenden) Beschwerden teilweise statt und hob Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheids gemäß § 73 Abs. 6 Z 2 EisbG auf. Im Übrigen (also hinsichtlich Spruchpunkt I) wurden die Beschwerden für gegenstandslos geworden erklärt und die Verfahren eingestellt (Spruchpunkt A). Die Revision wurde gemäß § 25a Abs. 1 VwGG iVm Art. 133 Abs. 4 B- VG für zulässig erklärt (Spruchpunkt B).

6        Dem legte das BVwG - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - im Wesentlichen Folgendes zu Grunde: Nachdem die W ihre zweite Linie zwischen Wien Praterstern und Salzburg Hauptbahnhof in der Netzplanperiode 2020 eingestellt und per E-Mail vom 27. Dezember 2019 das Anordnungsverhältnis betreffend die vermietete Fläche gekündigt habe, sei nach einvernehmlicher Beendigung die Fläche am 1. Februar 2020 zurückgestellt worden.

7        Rechtlich führte das BVwG aus, dass das als Prozessvoraussetzung erforderliche Rechtschutzbedürfnis im objektiven Interesse an einer Beseitigung der angefochtenen, beschwerenden Erledigung bestehe. Gehe ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren, habe dies die Einstellung des Verfahrens zur Folge.

8        Da die W das zwischen ihr und der I angeordnete Bestandverhältnis gekündigt habe und das Rechtsverhältnis einvernehmlich beendet worden sei, entfalte der vertragsersetzende Bescheid keine rechtliche Wirkung mehr. Gemäß § 73 Abs. 7 EisbG stehe der vertragsersetzende Bescheid einer späteren einvernehmlichen Vereinbarung, worunter auch die vorliegende einvernehmliche Auflösung des Bestandverhältnisses falle, nicht entgegen. Mit einer privatrechtlichen Einigung „höre der Bescheid auf“. Damit seien die Revisionswerberin und die P AG durch den bekämpften Bescheid nicht mehr beschwert und ihr Rechtsschutzinteresse insoweit weggefallen.

Wenn die P AG auf Art. 56 der RL 2012/34/EU verweise, sei für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen, da gemäß dieser Bestimmung die Mitgliedstaaten die gerichtliche Nachprüfbarkeit von Entscheidungen der Regulierungsstelle gewährleisten, was aber kein allumfassendes Überprüfungsrecht bezüglich sämtlicher Entscheidungen - insbesondere nicht bezüglich jener Entscheidungen, an deren Überprüfung kein Rechtsschutzbedürfnis mehr für die Rechtsmittel erhebenden Parteien bestehe - bedeuten könne.

9        Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das BVwG damit, dass sich die vorliegende Entscheidung zwar hinsichtlich der Gegenstandsloserklärung und Einstellung der Beschwerdeverfahren auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 33 Abs. 1 VwGG stütze, „doch [seien] einzelne Aspekte, wie etwa die Konsequenzen einer privatautonomen Eliminierung eines ‚vertragsersetzenden Bescheides‘ im Hinblick auf ein allfälliges ‚Wiederaufleben‘ - so sehr die Beantwortung dieser Rechtsfragen vor dem Hintergrund der Literatur auf der Hand liegen mag - in der verwaltungsgerichtlichen Judikatur nicht in hinreichendem Maße geklärt“.

10       Die Revisionswerberin erhob zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 24. November 2020, E 3341/2020-5, ablehnte und die Beschwerde mit Beschluss vom 15. Dezember 2020, E 3341/2020-7, dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat.

11       Daraufhin erhob die Revisionswerberin die vorliegende - ordentliche - Revision, die sich ausschließlich gegen den zweiten Satz des Spruchpunktes A der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (mit der „im Übrigen“ - also hinsichtlich Spruchpunkt I des behördlichen Bescheids - die Beschwerde für gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt wurde) richtet.

Die belangte Behörde, nicht aber die Mitbeteiligte, hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

Die P AG hat einen „Revisionsbeantwortung“ genannten Schriftsatz eingebracht, in dem sie der Sache nach der Revision beitritt.

12       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach Art. 133 Abs. 9 B-VG sind diese Bestimmungen auf Beschlüsse sinngemäß anzuwenden.

13       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

14       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

15       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung begrenzt. Wird in der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht dargestellt und auch vom Revisionswerber nicht (gesondert) dargelegt, dass die Entscheidung der Revision von der Beantwortung einer (anderen als der vom Verwaltungsgericht angesprochenen) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt, so ist auch eine ordentliche Revision zurückzuweisen (vgl. VwGH 26.3.2021, Ro 2020/03/0004, mwN).

16       Ein solcher Fall liegt hier vor; es wird weder von der Revisionswerberin noch vom Verwaltungsgericht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die gegenständliche Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte:

17       Das BVwG hat der Einstellung des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich Spruchpunkt I des behördlichen Bescheids (Anordnung der zwischen I und W gemeinschaftlichen Nutzung des Verkaufslokals) zugrunde gelegt, dass nach der auf die Kündigung des Bestandverhältnisses durch die W folgenden einvernehmlichen Beendigung des Rechtsverhältnisses der vertragsersetzende Spruchpunkt I des Bescheids keine Rechtswirkungen mehr entfalte. Gemäß § 73 Abs. 7 EisbG stehe der vertragsersetzende Bescheid einer späteren einvernehmlichen Vereinbarung, worunter auch die vorliegende einvernehmliche Auflösung des Bestandverhältnisses falle, nicht entgegen. Durch die einvernehmliche Beendigung werde der vertragsersetzende Bescheid aus dem Rechtsbestand ausgeschieden (u.a. Verweis auf VwGH 18.3.2004, 2002/03/0247, und VwGH 21.5.2019, Ro 2018/03/0050). Aufgrund der geänderten Umstände sei das Rechtsschutzinteresses der Revisionswerberin weggefallen, die von ihr aufgeworfenen Fragen hätten nur mehr theoretische Bedeutung. Zu einer rein abstrakten Prüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheids sei das Verwaltungsgericht aber nicht berufen.

18       Wenn das BVwG in der Begründung des Zulassungsausspruchs, ungeachtet dessen, dass sich die Einstellung des Beschwerdeverfahrens wegen Wegfalls des rechtlichen Interesses auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs stützen könne, mit dem Argument, einzelne Aspekte, wie etwa die Konsequenzen einer privatautonomen Eliminierung eines vertragsersetzenden Bescheids im Hinblick auf ein allfälliges „Wiederaufleben“, seien in der verwaltungsgerichtlichen Judikatur nicht in hinreichendem Maße geklärt, wird damit keine iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Rechtsfrage aufgezeigt:

19       Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist Prozessvoraussetzung für ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof - wie auch dem Verwaltungsgericht - das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses an der inhaltlichen Erledigung. Ein solches ist immer dann zu verneinen, wenn es (auf Grund geänderter Umstände) für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für ihn keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen somit insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung haben, wenn also durch Änderung maßgeblicher Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art das rechtliche Interesse des Revisionswerbers an der Entscheidung wegfällt. In diesem Fall ist das verwaltungsgerichtliche Verfahren im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden einzustellen. Liegt das Rechtsschutzbedürfnis schon bei Einbringung der Revision nicht vor, ist diese unzulässig, fällt die Voraussetzung erst nach Einbringung einer zulässigen Revision weg, so führt dies zu einer Einstellung des Verfahrens.

Die danach maßgeblichen Kriterien für das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurden auch schon auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht übertragen (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 6.11.2020, Ro 2020/03/0014, mwN).

20       Ausgehend vom Primat der privatautonomen Gestaltung, wie es auch in den Regelungen der §§ 70a ff EisbG und insbesondere in § 73 Abs. 7 EisbG zum Ausdruck kommt, kann ein vertragsersetzender Bescheid der Regulierungsbehörde nicht in Geltung bleiben, wenn er durch eine neue Vereinbarung zwischen den Parteien ersetzt wird (so ausdrücklich VwGH 21.5.2019, Ro 2018/03/0050 [bezogen auf eine Kostentragungsregelung nach § 48 Abs. 3 EisbG], und VwGH 18.3.2004, 2002/03/0247 [bezogen auf eine Zusammenschaltungsanordnung nach dem TKG]).

21       Die aufgrund des Wegfalls des angefochtenen Bescheids vom BVwG vorgenommene Einstellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens entspricht also den Leitlinien der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs.

22       Dass dem entgegen, etwa wegen einer besonderen Konstellation des Revisionsfalles, eine andere Sichtweise geboten wäre, wird auch von der Revision nicht aufgezeigt.

23       Dem Revisionsvorbringen, die angefochtene Entscheidung weiche insofern von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ab, als sich danach die Verwaltungsgerichte im Rahmen der Prüfung des angefochtenen Aktes mit den Beschwerdegründen und dem Begehren inhaltlich auseinandersetzen müssten, was das BVwG unterlassen habe, ist bloß zu entgegnen, dass bei Fehlen einer Beschwer eine inhaltliche Entscheidung nicht in Betracht kommt und damit die von der Revision vermisste weitere „Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen“ nicht geboten ist.

24       Die Revision zeigt aber auch kein Abweichen von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs „zum Vorliegen einer Beschwer“ auf: Soweit die Revision ihrem diesbezüglichen Vorbringen eine Beendigung des durch den behördlichen Bescheid angeordneten Bestandverhältnisses durch „einseitige Kündigung“ seitens der W zugrunde legt, entfernt sie sich von den maßgebenden Feststellungen des BVwG, die von einer einvernehmlichen Beendigung ausgehen. Tatsächlich entspricht diese Prämisse des BVwG auch der Aktenlage: Von der W wurde das Bestandverhältnis per E-Mail vom 27. Dezember 2019 gekündigt, mit dem Hinweis auf den Kündigungstermin 30. Juni 2020 und der Anregung auf eine frühere Beendigung, „falls dies im Einvernehmen möglich ist“. Eine solche - frühere - einvernehmliche Beendigung erfolgte offenkundig auch, wird doch in der Stellungnahme der I vom 12. Februar 2020 selbst ausgeführt, dass „das durch den gegenständlichen vertragsersetzenden Bescheid begründete Rechtsverhältnis zwischen W und I einvernehmlich beendet“ wurde. Auszugehen ist also von einer einvernehmlichen Beendigung.

25       Auch der Hinweis der Revision, die Beendigung sei bloß ex nunc erfolgt, sodass ein Fortbestand der Bescheidwirkungen bis zum Endigungstermin eine Nachverrechnung der der Revisionswerberin gesetzlich zustehenden Entgelte verhindern würde, weshalb ein weiter bestehendes Rechtsschutzinteresse an der Überprüfung und Aufhebung des Bescheids zu bejahen sei, ist nicht zielführend. Von der Revision - die gar nicht behauptet, dass der von der SCK im vertragsersetzenden Bescheid angeordnete Mietzins dem „gesetzlich zustehenden Entgelt“ nicht entsprochen habe und die nur (spekulativ) darauf verweist, dass die W ansonsten etwa einen von der Revisionswerberin angebotenen (flächenmäßig deutlich größeren) Handyshop für ihren Ticketverkauf in Anspruch nehmen hätte müssen - wird nämlich nicht konkretisiert, warum eine Nachverrechnung geboten (gewesen) sei bzw. zu einem höheren Entgeltanspruch geführt hätte.

26       Der von der Revision weiter betonte Umstand, dass das BVwG die von § 84 Abs. 7 EisbG normierte Entscheidungsfrist nicht eingehalten habe und dass bei fristgerechter Entscheidungsfällung das Rechtsschutzinteresse (wegen des damals noch aufrechten Bestandverhältnisses) noch vorgelegen wäre, ändert nichts daran, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. nur etwa VwGH 6.11.2020, Ro 2020/03/0014, mwN) das Verwaltungsgericht seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten hat. Allfällige Änderungen des maßgeblichen Sachverhalts - und damit auch die im Revisionsfall vorgenommene einvernehmliche Beendigung des Bestandverhältnisses - sind daher zu berücksichtigen.

27       Auch mit dem Hinweis auf das unionsrechtliche Gebot der Sicherstellung der gerichtlichen Nachprüfbarkeit von Entscheidungen der Regulierungsbehörde nach Art. 56 Abs. 10 der Richtlinie 2012/34/EU ist für die Revisionswerberin nichts zu gewinnen: Zwar verlangt die angesprochene Norm, dass die Mitgliedstaaten die gerichtliche Nachprüfbarkeit von Entscheidungen der Regulierungsstelle gewährleisten. Aus dieser Bestimmung lässt sich aber kein Anspruch einer beschwerdeführenden Partei darauf ableiten, eine Entscheidung, von der sie nicht mehr betroffen ist, einer inhaltlichen Überprüfung unterziehen zu können (vgl. VwGH 18.3.2004, 2002/03/0247, zu den insoweit vergleichbaren Vorgaben der Richtlinie 90/387/EWG).

28       Dem Argument der Revision, das BVwG sei insoweit von der (näher zitierten) ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, als es das Beschwerdeverfahren ohne Anhörung der Revisionswerberin eingestellt habe, ist bloß zu entgegnen, dass die Revisionswerberin - nicht zuletzt im Rahmen der mündlichen Verhandlung - ohnehin Gelegenheit hatte, sich zu der aufgeworfenen Frage zu äußern und insbesondere der von der SCK ausdrücklich geltend gemachten Auffassung, wegen der Beendigung des Bestandverhältnisses liege kein Rechtsschutzinteresse mehr vor, argumentativ entgegenzutreten, was sie auch getan hat. Der gerügte Verstoß liegt daher nicht vor.

29       Schließlich ist auch das Vorbringen, das BVwG habe gegen die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs verstoßen, wonach ein angerufenes Verwaltungsgericht die Unzuständigkeit der belangten Behörde von Amts wegen wahrnehmen müsse, nicht zielführend.

Die Revisionswerberin verkennt dabei, dass eine Entscheidung in der Sache selbst (und sei es auch eine Aufhebung des behördlichen Bescheids wegen Unzuständigkeit der Behörde) nach dem oben Gesagten den Weiterbestand eines Rechtsschutzbedürfnisses voraussetzt. Fehlt es - wie hier - daran, kommt eine inhaltliche Entscheidung nicht in Betracht. Die vom BVwG vorgenommene Einstellung des Verfahrens entspricht also den maßgebenden Leitlinien der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs. Es ist daher auf die - fragwürdige, auf das angebliche Fehlen einer Beschwerde nach § 73 EisbG gestützte - Prämisse der Unzuständigkeit der SCK nicht näher einzugehen (die mitbeteiligte W hatte, wie von der SCK in der Revisionsbeantwortung ausgeführt, mit Schriftsatz vom 5. Februar 2019 ihre Beschwerde ausdrücklich auf § 73 EisbG gestützt).

30       In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

31       Die P AG hat sich in dem mit „Revisionsbeantwortung“ betitelten Schriftsatz vom 1. März 2021 zur Revision geäußert, sich dabei den Ausführungen der Revision vollinhaltlich angeschlossen und beantragt, der Revision Folge zu geben. Dieser Schriftsatz ist daher als - verspätete - Revision zu werten und war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen (vgl. etwa VwGH 26.6.2019, Ra 2019/03/0012, mwN).

32       Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 20. Dezember 2021

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RO2021030003.J00

Im RIS seit

19.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten