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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Engel, in der Rechtssache der Revision der A S in W, vertreten durch Rast & Musliu, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alser Straße 23/14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juli 2021, W220 2195952-1/14E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige von Indien, stellte am 6. Juni 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 13. April 2018 ab, erteilte der Revisionswerberin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Indien zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem Erkenntnis vom 6. Juli 2021 als unbegründet abgewiesen. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 22. September 2021, E 3111/2021-7, die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis an ihn erhobenen Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die Revisionswerberin macht geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe gegen Verfahrensvorschriften verstoßen. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sei angesichts dessen, dass sie zwischenzeitig mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet gewesen sei, sowie wegen ihrer fortgeschrittenen Integration zu Unrecht erfolgt.
9 Mit dem Vorbringen, das Bundesverwaltungsgericht habe keine ordnungsgemäßen und hinreichenden Ermittlungen (zum Sachverhalt) getätigt, macht die Revisionswerberin einen Verfahrensmangel geltend. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht es nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 20.10.2021, Ra 2021/20/0365, mwN). Dem kommt die Revisionswerberin mit der unsubstantiierten Behauptung, das Bundesverwaltungsgericht hätte zum Ergebnis kommen können, dass sie über ein schützenswertes Privat- und Familienleben verfüge, nicht nach.
10 Eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. etwa VwGH 3.8.2021, Ra 2021/20/0266, mwN).
11 Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass die Revisionswerberin seit Jänner 2020 nicht mehr mit ihrem Ehemann im gemeinsamen Haushalt lebe und ein - im August 2020 eingeleitetes - Scheidungsverfahren anhängig sei. Die Niederlassungsbehörde, bei der die Revisionswerberin die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz beantragt habe, hege zudem den Verdacht, dass es sich bei dieser Ehe um eine Aufenthaltsehe im Sinn des § 117 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 gehandelt habe. Vor diesem Hintergrund kam das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis, dass zwischen der Revisionswerberin und ihrem Ehemann - jedenfalls seit Jänner 2020 - kein aufrechtes Familienleben bestehe und somit mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in ein solches nicht eingegriffen werde. Dem wird in der Revision (in der darauf hingewiesen wird, dass die Revisionswerberin mittlerweile von ihrem früheren Ehemann geschieden sei) nicht entgegengetreten. Dass anhand der fallbezogen im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigenden weiteren Umstände von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung hätte Abstand genommen werden müssen, vermag die Revisionswerberin nicht darzutun.
12 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 20. Dezember 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021200445.L00Im RIS seit
19.01.2022Zuletzt aktualisiert am
01.02.2022