Entscheidungsdatum
27.08.2021Norm
BVergG 2018 §12 Abs1Spruch
W139 2243795-2/29E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Kristina HOFER als Vorsitzende sowie MMag. Christoph WIESINGER als fachkundigen Laienrichter der Auftragnehmerseite und Mag. Jirina RADY als fachkundige Laienrichterin der Auftraggeberseite über den Antrag der XXXX , vertreten durch Niederhuber & Partner Rechtsanwälte, Wollzeile 24, 1010 Wien, betreffend das Vergabeverfahren „Archivierung“, BBG-GZ 2791.03901, der Auftraggeberin Republik Österreich (Bund), vertreten durch den Bundesminister für Finanzen, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung:
A)
I. zu Recht erkannt:
Der Antrag, „das Bundesverwaltungsgericht möge die Zuschlags- und Ausscheidensentscheidung jeweils für nichtig erklären“, wird bezüglich des Antrages auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung abgewiesen.
II. beschlossen:
Der Antrag, „das Bundesverwaltungsgericht möge die Zuschlags- und Ausscheidensentscheidung jeweils für nichtig erklären“, wird bezüglich des Antrages auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung zurückgewiesen.
B)
I. Die Revision gegen Spruchpunkt A) I. ist gemäß Art 133 Abs 4 iVm Abs 9 B-VG nicht zulässig.
II. Die Revision gegen Spruchpunkt A) II. ist gemäß Art 133 Abs 4 iVm Abs 9 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Vorbringen der Parteien/Verfahrensgang:
1. Am 25.06.2021 stellte die Antragstellerin den gegenständlichen Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Zuschlags- und Ausscheidensentscheidung vom 18.06.2021 verbunden mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, auf Gebührenersatz der von ihr entrichteten Pauschalgebühren und darauf, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Begründend führte die Antragstellerin zusammengefasst im Wesentlichen Folgendes aus: Das betreffende Vergabeverfahren sei in Form eines Aufrufs zum erneuten Wettbewerb auf Basis der Rahmenvereinbarung „Archivierung“ BBG-GZ: 2701.03835, durchgeführt worden. Ausgeschrieben sei der Einzelauftrag „Archivierung“ über die Erbringung von Archivierungsdienstleistungen, welcher bis 24.04.2028 abgeschlossen werde.
Die Antragstellerin beantrage die Einleitung und Durchführung des Nachprüfungsverfahrens bezüglich der gesondert anfechtbaren Entscheidung der Auftraggeberin vom 18.06.2021, wonach diese beabsichtige, der Mitbieterin XXXX den Zuschlag zu erteilen, sowie bezüglich der ihr gleichzeitig mitgeteilten Entscheidung, dass eine Prüfung ihres Angebotes ergeben hätte, dass dieses auszuscheiden gewesen sei. Das Angebot der Antragstellerin sei aufgrund des anzuwendenden Billigstbieterprinzips an erster Stelle gereiht, sodass sie bei gesetzes- und ausschreibungskonformer Durchführung des Vergabeverfahrens den Zuschlag erhalten hätte.
Die Antragstellerin bezeichnete ihr Interesse am Vertragsabschluss, den ihr drohenden Schaden und die Rechte, in denen sie sich verletzt erachte.
Zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Ausscheidensentscheidung führte die Antragstellerin im Wesentlichen aus, dass ihre dargelegten betriebswirtschaftlichen Überlegungen zum Angebot eines Preispostens bei der vertieften Angebotsprüfung nicht berücksichtigt worden seien. Im Zuge der beiden Antwortschreiben vom 14. und 17.06.2021 habe die Antragstellerin detailliert dargelegt, dass es angesichts der geänderten Kalkulationsannahme bezüglich der in diesem Einzelfall angestrebten Aufbewahrungsfrist aus betriebswirtschaftlicher Sicht gerechtfertigt sei, den in Rede stehenden Preisposten zu dem ihrerseits angebotenen Preis anzubieten. Darin könne angesichts der Auskunft der Auftraggeberin keine spekulative Preisgestaltung oder eine unzulässige Mischkalkulation erblickt werden. Die Posten hinsichtlich der Kalkulation seien nicht vermischt worden. Die Behauptung der Auftraggeberin, dass die Aufklärung eine „klare Mischkalkulation“ ergeben habe, sei unrichtig. Die Ausscheidensentscheidung sei daher aufzuheben.
Es werde darauf hingewiesen, dass die von der Antragstellerin bereits im Rahmen des Verfahrens zum Abschluss der Rahmenvereinbarung angebotenen Preise für die angebotene Dienstleistung als so günstig eingestuft worden seien, dass es zum Abschluss der gegenständlichen Rahmenvereinbarung mit der Antragstellerin gekommen sei. Aus der Tatsache, dass nicht sämtliche Preise hinsichtlich des erneuten Aufrufs zum Wettbewerb nach unten korrigiert worden seien, könne nicht zwingend auf eine Mischkalkulation geschlossen werden. Daher verstoße die angefochtene Entscheidung gegen den vergaberechtlichen Grundsatz des freien und lauteren Wettbewerbes.
2. Am 01.07.2021 nahm die präsumtive Zuschlagsempfängerin, die XXXX (= mitbeteiligte Partei), vertreten durch Landl & Edelmann Rechtsanwaltspartnerschaft, zum Nachprüfungsantrag Stellung. Das Vergabeverfahren sei rechtmäßig und fehlerfrei durchgeführt worden. Das Angebot der Antragstellerin sei zu Recht ausgeschieden worden.
3. Am 01.07.2021 erteilte die Auftraggeberin allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren.
4. Am 07.07.2021 nahm die Auftraggeberin zum gesamten Antragsvorbringen der Antragstellerin Stellung und führte aus, dass im Leistungsverzeichnis vier Leistungsarten definiert seien, die sich jeweils sowohl in Hinsicht der zu erbringenden Tätigkeiten als auch nach der Art der Abrechnung stark voneinander unterscheiden würden. Es handle sich daher um unterschiedliche Leistungsarten, die nach unterschiedlichen Schemata anzubieten und abzurechnen gewesen seien. Das Angebot der Antragstellerin sei bei einer dieser Leistungspositionen mit einem auffälligen Preis behaftet gewesen. Die Regelungen zur in Rede stehenden Position seien unverändert aus der zugrundeliegenden Rahmenvereinbarung übernommen worden und würden klar darlegen, dass die betreffenden Leistungen nur nach dem dafür konkret angebotenen Satz abgerechnet werden.
Der Verwaltungsgerichtshof habe im Rahmen seiner dahingehenden Rechtsprechung stets betont, dass bei der vertieften Angebotsprüfung die betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit im Fokus der Prüfung stehe. Zu prüfen sei daher insbesondere, ob alle direkt zuordenbaren Kosten berücksichtigt worden seien und ob die Preise für höherwertige Leistungen höher seien als für geringerwertige Leistungen. Sowohl die Einzelpreise als auch der Gesamtpreis müssten betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sein. Bei der Prüfung, ob ein Unterpreis vorliege, könne es nach allgemeinem Verständnis nur darauf ankommen, ob ein Bieter anhand der ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die konkrete Leistung kostendeckend kalkuliert habe. Diese Prüfung sei auf Basis der Einzelpreispositionen vorzunehmen, zumal nicht plausible Einzelpreise zu einer nicht plausiblen Zusammensetzung des Gesamtpreises führen.
Zum einen liege sohin bei der Antragstellerin eine nicht plausible Zusammensetzung des Angebotspreises aufgrund der Vornahme einer unzulässigen Mischkalkulation vor. Von einer „Mischkalkulation“ sei auszugehen, wenn die niedrigen oder gar negativen Spannen für eine oder mehrere Leistungen durch die höheren Spannen für andere Leistungen (teilweise) ausgeglichen werden und sich damit erst im Schnitt – also durch die Mischung – eine tragfähige Kalkulation ergebe. Genau dies liege hier unstrittig vor und werde dies von der Antragstellerin auch mehrfach explizit und implizit bestätigt.
Verlange eine Ausschreibung die Auspreisung verschiedener konkreter Leistungspositionen, dann dürfe der Bieter keine Verschiebung von verlangten Kosten zwischen den Leistungspositionen vornehmen. Auch im Nachprüfungsantrag würden diese Punkte wieder vollinhaltlich bestätigt werden. Nach wie vor seien keinerlei Gründe ersichtlich, die die Form der Kalkulation der Antragstellerin erklären könnten. Wenn in einer Ausschreibung ausdrücklich die Angabe eines Preises für eine bestimmte Leistung verlangt werde, dann sei es eben nicht zulässig, diese Leistung de facto über andere Positionen quer zu finanzieren.
Zudem sei von einer unzulässigen Spekulation auszugehen. Die Antragstellerin führe aus, eine spekulative Preisgestaltung müsse ein spekulatives, also „nicht sicher eintretendes“ Element beinhalten. Dies sei gegenständlich der Fall. Aus Punkt 2.1 Rz 5 der Allgemeinen Ausschreibungsbedingungen ergebe sich eine Laufzeit von etwa sieben Jahren. Allerdings bestehe gemäß Punkt 13.2 der Kommerziellen Ausschreibungsbedingungen ein ausdrückliches Recht zur ordentlichen Kündigung der auf Basis der Rahmenvereinbarung abgeschlossenen Verträge. Eindeutig liege daher nicht nur eine nicht plausible Preisgestaltung, sondern auch ein spekulatives Angebot vor und widerspriche dies zudem klar den bestandsfesten Ausschreibungsunterlagen.
Es könne daher der Gesamtpreis nicht plausibel zusammengesetzt sein, da nicht alle Teilpreise plausibel seien und eine nicht plausible Zusammensetzung der Teilpreise eine nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises bedinge. Zudem liege ein spekulatives Angebot vor, da die Antragstellerin spekulative Annahmen getroffen habe, die sie in Relation zu den Kosten der in Rede stehen Leistungsposition gesetzt habe. Das Angebot der Antragstellerin sei daher zwingend gemäß § 141 Abs 1 Z 3 BVergG 2018 auszuscheiden gewesen.
Überdies sei das Angebot gemäß § 141 Abs 1 Z 7 BVergG 2018 auszuscheiden. Verlange, wie im gegenständlichen Fall, eine Ausschreibung die Auspreisung verschiedener konkreter Leistungspositionen, dann dürfe der Bieter keine Verschiebung von verlangten Kosten zwischen den Leistungspositionen vornehmen (Mischkalkulation), andernfalls das Angebot ausschreibungswidrig sei.
Da das Angebot der Antragstellerin zweifelsohne auszuscheiden sei, fehle es ihr demgemäß an der Antragslegitimation, die diesbezügliche Zuschlagsentscheidung erfolgreich bekämpfen zu können. Der betreffende Nachprüfungsantrag sei zurückzuweisen, da die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt sein könne. Ein Nachprüfungsverfahren diene ausschließlich der Durchsetzung subjektiver Rechte von Bietern, nicht aber der objektiven Rechtmäßigkeitskontrolle. Da im gegenständlichen Fall das Angebot der Antragstellerin zwingend auszuscheiden sei, könne der Antragstellerin auch aus einer allfälligen rechtswidrigen Zuschlagsentscheidung kein Schaden entstehen, da ihr zu Recht ausgeschiedenes Angebot für die Zuschlagsentscheidung ohnehin nicht in Betracht komme.
5. Am 20.07.2021 nahm die Antragstellerin erneut Stellung. Die Antragstellerin habe im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung nicht zugestanden, dass eine Mischkalkulation vorliege, vielmehr habe sie verständlich und aus betriebswirtschaftlicher Sicht plausibel dargelegt, aufgrund welcher Gegebenheiten der fragliche Einheitspreis mit dem angegebenen Betrag habe angesetzt werden können. Gegenständlich habe die Antragstellerin einen Aufwand gerade nicht in einer „falschen“ Position berücksichtigt. Die von der Antragsgegnerin herangezogene Judikatur stütze deren Auffassung nicht. Die Antragstellerin habe ausdrücklich und nachvollziehbar dargelegt, wie der angegebene Einheitspreis aus betriebswirtschaftlicher Sicht zu erklären sei. Es würde zu keiner Umschichtung von Kosten kommen. Auch komme es zu keiner Vermischung von fixen und variablen Kosten und damit auch zu keiner spekulativen Preisgestaltung bzw. zu einer unzulässigen Mischkalkulation. Bei der Plausibilitätsprüfung müsse nicht die gesamte Kalkulation eines Bieters minutiös nachvollzogen werden, sondern nur – grob – geprüft werden, ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen kann. Dies ist der Antragstellerin vorliegend betreffend die fragliche Leistung möglich. In eventu werde ausgeführt, dass eine Verschiebung von verlangten Kosten zwischen den Leistungspositionen auch nach der Rechtsprechung nicht jedenfalls, sondern nur grundsätzlich unzulässig sei. Unter gewissen Umständen sei bei ausreichender Begründung eine Verschiebung zulässig. Die entsprechenden Gründe seien nachvollziehbar darzulegen, dies habe die Antragstellerin getan. Soweit das Gericht sohin eine Verschiebung zwischen den Preispositionen sehe, was bestritten werde, würde es sich um eine zulässige Verschiebung handeln. Die Antragstellerin habe den Einheitspreis der in Rede stehenden Position plausibel dargelegt. Es liege auch keine spekulative Preisgestaltung vor. Wie die Antragsgegnerin richtig wiedergebe, ergebe sich vorliegend eine Laufzeit von bis zu sieben Jahren. Es müsse der Antragstellerin möglich sein, aufgrund der Angaben der Antragsgegnerin mit einem vernünftigerweise erwartbaren und realistischen Geschehensverlauf zu rechnen.
Es sei überdies irrelevant, dass nicht auch die übrigen Preise abgesenkt wurden. Daraus könne nicht der Schluss auf das Vorliegen einer spekulativen Preisgestaltung bzw. unzulässigen Mischkalkulation gezogen werden. Die Antragstellerin habe bereits bei der Preiskalkulation im Verfahren zum Abschluss der Rahmenvereinbarung den nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten nach ihrer Sicht besten und günstigsten Preis für die Dienstleistungen kalkuliert.
6. Am 30.07.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt. Aus Gründen des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Antragstellerin wurde die Verhandlung zu einem überwiegenden Teil in Abwesenheit der mitbeteiligten Partei durchgeführt. Die Antragstellerin erläuterte dabei über Befragen des Senates ihre Kalkulation bzw. die Kalkulationsannahmen bezüglich des Einheitspreises der in Rede stehenden Leistungsposition und stellte die betreffenden Leistungen dieser Leistungsposition dar. Die Auftraggeberin führte aus, dass sich die Prüfpflicht der Antragsgegnerin auf alle angebotenen Positionen beziehe und die betreffende Position eine explizit auszupreisende eigenständige Leistungsposition und damit einen kalkulationsrelevanten Einzelpreis darstelle. Bei einer Prüfung lediglich auf Basis des Gesamtpreises würde eine Verschiebung der Kosten zwischen Positionen nie auffallen können. Die Begründung der Antragstellerin sei einer Verschiebung von Kosten wesensimmanent. Die mitbeteiligte Partei führte aus, es würde sich aus der langjährigen Praxis nicht erschließen, weshalb die vier Leistungspositionen nicht hätten sauber kalkuliert werden können.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Aufgrund der vorliegenden Stellungnahmen, der bezugnehmenden Beilagen, der vorgelegten Unterlagen des Vergabeverfahrens sowie des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird folgender entscheidungserheblicher Sachverhalt festgestellt:
Die Republik Österreich (Bund), die Bundesbeschaffung GmbH sowie alle weiteren Auftraggeber gemäß der den Ausschreibungsunterlagen beiliegenden Kundenliste schrieben unter der Bezeichnung „Archivierung“ BBG-GZ: 2701.03835, einen Dienstleistungsauftrag im Oberschwellenbereich nach dem Bestbieterprinzip mit dem Ziel des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung mit vier Unternehmern über die Erbringung von Archivierungsdienstleistungen in ganz Österreich für öffentliche Auftraggeber aus. An diesem Vergabeverfahren beteiligte sich unter anderem die Antragstellerin. Die Rahmenvereinbarung wurde am 26.04.2021 unter anderem mit der Antragstellerin abgeschlossen. Die Ausschreibung wurde nicht angefochten.
Die Kommerziellen Ausschreibungsbedingungen (Rahmenvereinbarung), berichtigte Version vom 11.03.2021, lauten auszugsweise:
„7 Leistungsgegenstand
95 Die Dienstleistung – die Erbringung von Archivierungsleistungen – durch die Archivierung und Digitalisierung von Archiv-Einheiten gewährleistet:
die Durchführung eines Abstimmungsgesprächs - gemäß Punkt 7.1,
die Herstellung eines transportfähigen Zustands – gemäß Punkt 7.2,
die Erstellung und den Abgleich der Bestandslisten – gemäß Punkt 7.2,
die Abholung aus den Räumlichkeiten des Auftraggebers – gemäß Punkt 7.3,
den gesicherten Transport zum Archivstandort des Auftragnehmers – gemäß Punkt 7.3,
die Archivierung und Einlagerung in einer für Archiv-Einheiten optimierten Umgebung – gemäß 7.4,
die Übernahme der Archiv-Einheiten – gemäß 7.5,
die Bereitstellung einer Archivverwaltungsplattform – gemäß 7.6,
die gesicherte physische Übermittlung von Archiv-Einheiten an den Auftraggeber– gemäß 7.7,
Scan-On-Demand und die gesicherte digitale Übermittlung von Akten an den Auftraggeber – gemäß 7.8
Scan-On-Demand und die gesicherte digitale Übermittlung von historischen, musealen und archäologischen Gegenständen an den Auftraggeber – gemäß 7.9,
die Endauslagerung – gemäß 7.10.
...
13 Vertragsdauer und Vertragsbeendigung
13.1 Laufzeit der Rahmenvereinbarung
228 Die Rahmenvereinbarung kommt mit Abschlusserklärung zustande und wird für eine Dauer von 7 Jahren abgeschlossen. Innerhalb dieses Zeitraumes ist der Zuschlag von Einzelaufträgen möglich. Die abgerufene Leistung muss jedoch nicht zwingend innerhalb der Laufzeit der Rahmenvereinbarung erbracht werden, endet jedoch spätestens 2 Jahre nach Ende der Laufzeit der Rahmenvereinbarung.
229 Sonstige Pflichten aus dieser Rahmenvereinbarung bestehen über das Ende der Rahmenvereinbarung hinaus bis zu ihrer vollständigen Erfüllung. Dies betrifft insbesondere die Berichtspflicht (Punkt 6.4) sowie die Regelungen zu Leistungen der BBG (Punkt 6).“
Mit erneutem Aufruf zum Wettbewerb zur Abgabe eines neuerlichen Angebotes für den konkretisierten unter der Bezeichnung „Archivierung“, BBG-GZ 2791.03901, geführten Einzelauftrag der Republik Österreich (Bund), vertreten durch den Bundesminister für Finanzen, wurde unter anderem die Antragstellerin eingeladen, ein Angebot auf Grundlage der ursprünglichen, nunmehr vervollständigten Bedingungen der Rahmenvereinbarung zu legen. Die Antragstellerin legte fristgerecht ein Angebot. Die Ausschreibung wurde nicht angefochten.
Die Ausschreibungsunterlagen lauten auszugsweise:
Allgemeine Ausschreibungsbedingungen, Erneuter Aufruf zum Wettbewerb (EAW):
„2 Ziel und Grundlagen des Vergabeverfahrens
2.1 Gegenstand des Verfahrens
4 Ziel dieses Vergabeverfahrens ist der Abschluss eines Vertrages mit einem Unternehmer über die Erbringung von Archivierungsdienstleistungen für den öffentlichen Auftraggeber auf Basis der Rahmenvereinbarung „Archivierung“, BBG-GZ: 2701.03835.
5 Der Einzelauftrag wird bis einschließlich 25.04.2028 geschlossen.
6 Das adaptierte Angebot ist auf Grundlage der ursprünglichen, nunmehr vervollständigten Bedingungen der Rahmenvereinbarung zu legen.
7 Die entsprechend angepassten kommerziellen Ausschreibungsbedingungen für den Einzelauftrag sind Teil der Ausschreibungsunterlagen.
...
4.2 Ausschreibungsunterlagen
14 Die Ausschreibungsunterlagen bestehen aus:
diesen Allgemeinen Ausschreibungsbedingungen
den kommerziellen Ausschreibungsbedingungen samt Beilagen, insbesondere dem Leistungsverzeichnis
dem Formblatt Subunternehmerliste
dem Formblatt Statistische Information
dem Formblatt Verpflichtungserklärung Subunternehmer
...
7.4 Angebotspreise
61 Der Bieter hat im Zuge der Angebotslegung ausschließlich die Möglichkeit, die zugeschlagenen Konditionen der zu Grunde liegenden Rahmenvereinbarung GZ 2701.03835 nachzubessern.
62 Es wird darauf hingewiesen, dass Positionen, für die es seitens des Auftraggebers keine Änderungen an den Anforderungen und Konditionen gegeben hat, im Angebot nicht zu einem höheren Preis angeboten werden dürfen als sich aus dem ursprünglichen Angebot zum Abschluss der Rahmenvereinbarung, unter Berücksichtigung der Wertsicherung, ergibt.
63 Der Bieter hat im Leistungsverzeichnis die Einheitspreise und Positionspreise jeweils als Nettopreis in Euro (€) ohne Umsatzsteuer inklusive aller Abgaben und Gebühren anzugeben. Die auszufüllenden Felder sind im Leistungsverzeichnis entsprechend gekennzeichnet.
64 Aus den Einheitspreisen und der jeweils angeführten Bedarfsmenge errechnen sich automatisch die Positionspreise. Der bewertungsrelevante Gesamtpreis ist die Summe der Positionspreise.
65 Achtung: Die im Leistungsverzeichnis angeführten Bedarfsmengen sind Schätzmengen!
66 Die gesetzlich anfallende Umsatzsteuer ist separat auszuweisen.
67 Der Angebotspreis ist die Summe aus bewertungsrelevanter Gesamtpreis und Umsatzsteuer und errechnet sich im Leistungsverzeichnisautomatisch.
68 Der bewertungsrelevante Gesamtpreis wird für die Bewertung herangezogen.
69 Die grauen Eingabefelder im Leistungsverzeichnis dienen der Plausibilisierung der angebotenen Einheitspreise (orange Eingabefelder). Der tatsächliche Positionspreis für die konkret verrichtete Leistung ergibt sich demnach aus dem Einheitspreis und der tatsächlichen Anzahl der Abholungen / Stunden und nicht zwingender Weise aus den Bieterangaben in den grauen Feldern. Aus den in den grauen Feldern eingetragenen Mengen ergibt sich für den Auftraggeber keine Abrufverpflichtung in der vom Bieter genannten Höhe.“
Leistungsverzeichnis:
Entsprechend den ebenso für den erneuten Aufruf zum Wettbewerb maßgeblichen Kommerziellen Ausschreibungsbedingungen (Rahmenvereinbarung) sind die gegenständlich ausgeschriebenen Leistungen (gemäß den Punkten 7.2, 7.3, 7.4, und 7.8 der Rahmenvereinbarung) gemäß dem im Leistungsverzeichnis angebotenen Einheitspreis der jeweiligen Leistung zu verrechnen.
Die 2. Fragenbeantwortung lautet auszugsweise:
„Frage an die BBG:
Wie sind die verbleibenden Aufbewahrungspflichten? D.h. viele Archiv-Einheiten bzw. Laufmeter werden bereits 2021und dann jeweils pro Folgejahre vernichtet?
Antwort der BBG:
Die Vernichtung bzw. finale Auslagerung eines Teils der Archiv-Einheiten wird aus heutiger Sicht frühestens im Jahr 2027 vorgenommen.“
Am 10.06.2021 wurde die Antragstellerin von der Auftraggeberin aufgefordert, den von ihr in einer der vier Leistungspositionen angebotenen Einheitspreis aufzuklären, da Zweifel an der Angemessenheit des von ihr angebotenen Preises aufgetreten seien.
Der von der Antragstellerin in dieser Position angebotene Einheitspreis weicht von jenem, welchen sie im Verfahren zum Abschluss der Rahmenvereinbarung angeboten hat, erheblich ab. Der nunmehr angebotene Einheitspreis ist deutlich niedriger. Im Übrigen blieben die Preise der Antragstellerin unverändert. Der fragliche Einheitspreis liegt überdies deutlich unter jenem von den Mitbietern in dieser Leistungsposition angebotenen Einheitspreis.
Am 14.06.2021 beantwortete die Antragstellerin das Aufklärungsersuchen vom 10.06.2021.
Am 16.06.2021 wurde die Antragstellerin von der Auftraggeberin informiert, dass die Zweifel an der Angemessenheit der Preise nicht hätten ausgeräumt werden können. Der angebotene Preis sei keineswegs kostendeckend. Es würde ein Ausscheidensgrund vorliegen. Die Antragstellerin wurde aufgefordert zu diesem Ergebnis Stellung zu nehmen und aufzuklären, wieso der Preis aus ihrer Sicht allenfalls dennoch betriebswirtschaftlich erklärbar sei.
Am 17.06.2021 beantwortete die Antragstellerin das Aufklärungsersuchen vom 16.06.2021 und legte darin die von ihr getroffenen Kalkulationsannahmen und Rechenoperationen dar. Sie bezifferte dabei auch die Höhe der Kosten, welche der Kalkulation bezüglich der aufzuklärenden Leistungsposition zugrunde gelegt wurden. Diese Kosten liegen unter jenem in der fraglichen Leistungsposition im Verfahren zum Abschluss der Rahmenvereinbarung angebotenen Preis und deutlich über dem nunmehr beim erneuten Aufruf zum Wettbewerb angebotenen Preis. Die dargelegten Kosten werden demnach durch den nunmehr beim erneuten Aufruf zum Wettbewerb angebotenen Einheitspreis der in Rede stehenden Leistungsposition nicht abgebildet.
Am 18.06.2021 wurde der Antragstellerin über die Vergabeplattform mitgeteilt, dass ihr Angebot auszuscheiden sei. Begründend wurde ausgeführt, dass hinsichtlich des Angebotes der Antragstellerin eine spekulative Preisgestaltung und eine unzulässige Mischkalkulation vorliege. Unter einem wurde überdies über die Vergabeplattform mitgeteilt, dass die Auftraggeberin aufgrund der Ergebnisse der Billigstbieterermittlung beabsichtige, den Zuschlag an die XXXX zu erteilen.
Mit Schriftsatz vom 25.06.2021, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am selben Tag, brachte die Antragstellerin den gegenständlichen Nachprüfungsantrag gegen die Ausscheidens- und Zuschlagsentscheidung vom 18.06.2021 verbunden mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ein. Die Antragstellerin entrichtete die Pauschalgebühr in entsprechender Höhe.
Es wurde weder der Zuschlag erteilt noch wurde eine Widerrufsentscheidung bekanntgegeben oder der Widerruf erklärt.
2. Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den unter II.1. angeführten Beweismitteln. Hinsichtlich der Entscheidungserheblichkeit des Sachverhaltes war zu berücksichtigen, dass die Prüfung der Preisgestaltung als bloße Plausibilitätsprüfung ausgestaltet ist (ua VwGH 15.11.2004, 2004/04/0032; siehe auch unter 3.).
Bei der Beweiswürdigung haben sich gegen die Echtheit und Richtigkeit der vorliegenden Unterlagen des Vergabeverfahrens keine Bedenken ergeben. Die Feststellungen finden Deckung in den von den Verfahrensparteien eingebrachten Schriftsätzen, den Bezug nehmenden Beilagen, den Vergabeunterlagen sowie den Angaben in der mündlichen Verhandlung.
Soweit das Bundesverwaltungsgericht Feststellungen zum Angebot der Antragstellerin und zu deren Angebotskalkulation trifft, erfolgt dies in Abwägung der Notwendigkeit, ein faires Verfahren zu gewährleisten einerseits und des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen andererseits (EuGH 14.02.2008, C-450/06, Varec, Rn 51; VwGH 22.05.2012, 2009/04/0187; VwGH 09.04.2013, 2011/04/0207). Nach dem Modell des Europäischen Gerichtshofes kann das Gericht in alle Informationen einsehen und dann entscheiden, welche Tatsachen es geschwärzt oder ungeschwärzt in seinen Akt nimmt und damit den Parteien des Nachprüfungsverfahrens zugänglich macht (SA GA Eleanor Sharpston 25.10.2007, C-450/06, Varec, Rn 51). Der Schutz der Vertraulichkeit im Nachprüfungsverfahren richtet sich nach § 17 Abs. 3 AVG iVm § 337 BVergG 2018. Die abschließende Beurteilung, welche Unterlagen vertraulich zu behandeln sind, obliegt dem Bundesverwaltungsgericht (zu § 21 Abs 2 VwGVG siehe VfGH 02.07.2015, G 240/2014). Die vertrauliche Behandlung von Unterlagen und Informationen bedingt auch, dass sie entsprechend dem Grundsatz des fairen Verfahrens in Art 6 EMRK und Art 47 GRC nicht in die Feststellungen des Erkenntnisses aufgenommen werden können.
Vor diesem Hintergrund werden in der gegenständlichen Konstellation ins Detail gehende Informationen zur Höhe des fraglichen Einheitspreises, zur konkreten Bezeichnung der vertieft geprüften Leistungsposition sowie zur Angebotskalkulation der Antragstellerin gegenüber der mitbeteiligten Partei nicht offengelegt. Weitergehende Informationen stellen schützenswerte Informationen dar, deren vertrauliche Behandlung zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Antragstellerin und zur Wahrung des fairen und lauteren Wettbewerbs geboten erscheint, da die mitbeteiligte Partei als eine weitere Partnerin der für eine Dauer von sieben Jahren abgeschlossenen Rahmenvereinbarung „Archivierung“, BBG-GZ: 2701.03835, insofern durch Bekanntgabe von Details zur Kalkulation der betreffenden Position Kenntnis über die Höhe der angebotenen Preise in den anderen Preispositionen und damit einen Wettbewerbsvorteil bei allfälligen weiteren Abrufen aus der Rahmenvereinbarung erlangen könnte.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Anzuwendendes Recht:
3.1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) lauten:
Einzelrichter
§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
3.1.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) lauten auszugsweise:
Ausübung der Verwaltungsgerichtsbarkeit
§ 2. Soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch den Senat vorsehen, entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter (Rechtspfleger).
Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
…
(7) …
3.1.3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2018 (BVergG 2018) lauten auszugsweise:
Begriffsbestimmungen
§ 2. Im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes sind folgende Begriffsbestimmungen maßgebend:
1. …
15. Entscheidung ist jede Festlegung eines Auftraggebers im Vergabeverfahren.
a) Gesondert anfechtbar sind folgende, nach außen in Erscheinung tretende Entscheidungen:
aa) ...
jj) bei der Rahmenvereinbarung: hinsichtlich des zum Abschluss der Rahmenvereinbarung führenden Verfahrens die gesondert anfechtbaren Entscheidungen gemäß sublit. aa), bb), dd) oder ee) mit Ausnahme der Zuschlagsentscheidung; die Entscheidung, mit welchem Unternehmer bzw. mit welchen Unternehmern die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll; der erneute Aufruf zum Wettbewerb; das Ausscheiden eines Angebotes; die Widerrufsentscheidung; die Zuschlagsentscheidung;
nn) ...
b) …
26. Preis:
a) Angebotspreis (Auftragssumme) ist die Summe aus Gesamtpreis und Umsatzsteuer.
b) Einheitspreis ist der Preis für die Einheit einer Leistung, die in Stück, Zeit-, Masse- oder anderen Maßeinheiten erfassbar ist.
c) Festpreis ist der Preis, der auch beim Eintreten von Änderungen der Preisgrundlagen (wie insbesondere Kollektivvertragslöhne, Materialpreise) für den vereinbarten Zeitraum unveränderlich bleibt.
d) Gesamtpreis ist die Summe der Positionspreise (Menge mal Einheitspreis oder Pauschalpreis) unter Berücksichtigung allfälliger Nachlässe und Aufschläge. Der Gesamtpreis ist das Entgelt im Sinne des Umsatzsteuergesetzes 1994 – UStG 1994, BGBl. Nr. 663/1994, und bildet die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer.
e) Pauschalpreis ist der für eine Gesamtleistung oder Teilleistung in einem Betrag angegebene Preis.
f) Regiepreis ist der Preis für eine Einheit (zB Leistungsstunde oder Materialeinheit), welche nach tatsächlichem Aufwand abgerechnet wird.
g) Veränderlicher Preis ist der Preis, der bei Änderung vereinbarter Grundlagen geändert werden kann.
50. …
Grundsätze des Vergabeverfahrens
§ 20. (1) Vergabeverfahren sind nach einem in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verfahren, unter Beachtung der unionsrechtlichen Grundsätze wie insbesondere der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter, der Nichtdiskriminierung, der Verhältnismäßigkeit, der Transparenz sowie des freien und lauteren Wettbewerbes und unter Wahrung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit durchzuführen. Die Vergabe hat an befugte, leistungsfähige und zuverlässige (geeignete) Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen.
…
(9) …
Das Angebot
Allgemeine Bestimmungen
§ 125. (1) Der Bieter hat sich bei der Erstellung des Angebotes an die Ausschreibungsunterlagen zu halten.
(8) ...
2. Unterabschnitt
Prüfung der Angebote und Ausscheiden von Angeboten
Allgemeine Bestimmungen
§ 134. Die Prüfung und Beurteilung eines Angebotes ist nur solchen Personen zu übertragen, welche die fachlichen Voraussetzungen hierfür erfüllen. Erforderlichenfalls sind unbefangene und von den Bietern unabhängige Sachverständige beizuziehen.
Vorgehen bei der Prüfung
§ 135. (1) Die Prüfung der Angebote erfolgt in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht nach den in der Ausschreibung festgelegten Kriterien.
(2) Bei Angeboten, die für eine Zuschlagserteilung in Betracht kommen, ist im Einzelnen zu prüfen:
1. ob den in § 20 Abs. 1 angeführten Grundsätzen entsprochen wurde;
2. nach Maßgabe der §§ 80 bis 87 die Eignung des Bieters bzw. – bei der Weitergabe von Leistungen – der namhaft gemachten Subunternehmer hinsichtlich des diese betreffenden Auftragsteiles;
3. ob das Angebot rechnerisch richtig ist;
4. die Angemessenheit der Preise;
5. ob das Angebot den sonstigen Bestimmungen der Ausschreibung entspricht, insbesondere ob es formrichtig und vollständig ist.
Prüfung der Angemessenheit der Preise und vertiefte Angebotsprüfung
§ 137. (1) Die Angemessenheit der Preise ist in Bezug auf die ausgeschriebene oder alternativ angebotene Leistung und unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen sie zu erbringen sein wird, zu prüfen. Dabei ist von vergleichbaren Erfahrungswerten, von sonst vorliegenden Unterlagen und von den jeweils relevanten Marktverhältnissen auszugehen.
(2) Der öffentliche Auftraggeber muss Aufklärung über die Positionen des Angebotes verlangen und gemäß Abs. 3 vertieft prüfen, wenn
1. Angebote einen im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufweisen, oder
2. Angebote zu hohe oder zu niedrige Einheitspreise in wesentlichen Positionen aufweisen, oder
3. nach der Prüfung gemäß Abs. 1 begründete Zweifel an der Angemessenheit von Preisen bestehen.
(3) Bei einer vertieften Angebotsprüfung ist zu prüfen, ob die Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind. Geprüft werden kann insbesondere, ob
1. im Preis von Positionen alle direkt zuordenbaren Personal-, Material-, Geräte-, Fremdleistungs- und Kapitalkosten enthalten sind und ob die Aufwands- und Verbrauchsansätze sowie die Personalkosten, diese insbesondere im Hinblick auf die dem Angebot zugrunde gelegten Kollektivverträge, nachvollziehbar sind,
2. der Einheitspreis (Pauschalpreis, Regiepreis) für höherwertige Leistungen grundsätzlich höher angeboten wurde als für geringerwertige Leistungen, und
3. die gemäß § 105 Abs. 2 geforderte oder vom Bieter gemäß § 128 Abs. 2 vorgenommene Aufgliederung der Preise oder des Gesamtpreises (insbesondere der Lohnanteile) aus der Erfahrung erklärbar ist.
Vorgehen bei Mangelhaftigkeit der Angebote
§ 138. (1) Ergeben sich bei der Prüfung der Angebote Unklarheiten über das Angebot oder über die geplante Art der Durchführung der Leistung oder werden Mängel festgestellt, so ist, sofern die Unklarheiten für die Beurteilung der Angebote von Bedeutung sind, vom Bieter eine verbindliche Aufklärung zu verlangen. Die vom Bieter übermittelten Auskünfte bzw. die vom Bieter allenfalls vorgelegten Nachweise sind der Dokumentation über die Prüfung der Angebote beizuschließen.
(2) Die durch die erfolgte Aufklärung allenfalls veranlasste weitere Vorgangsweise darf die Grundsätze der §§ 20 Abs. 1, 112 Abs. 3, 113 Abs. 2 und 139 nicht verletzen.
(7) ...
Aufklärungen und Erörterungen
§ 139. (1) Während eines offenen oder eines nicht offenen Verfahrens sind nur Aufklärungen zum Einholen von Auskünften über die Eignung sowie von Auskünften, die zur Prüfung der Preisangemessenheit, der Erfüllung der Mindestanforderungen und der Gleichwertigkeit von Alternativ- oder Abänderungsangeboten erforderlich sind, zulässig.
(2) Bei Alternativ- und Abänderungsangeboten sind Erörterungen, die unumgängliche technische Änderungen geringen Umfanges und sich daraus ergebende geringfügige Änderungen der Preise betreffen, unter Wahrung der Grundsätze des § 20 Abs. 1 zulässig.
(3) Aufklärungen und Erörterungen können
1. als Gespräche in kommissioneller Form oder
2. schriftlich
durchgeführt werden. Gründe und Ergebnisse sind in der Dokumentation festzuhalten.
Ausscheiden von Angeboten
§ 141. (1) Vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung hat der öffentliche Auftraggeber aufgrund des Ergebnisses der Prüfung folgende Angebote auszuscheiden:
1. …
3. Angebote, die eine – durch eine vertiefte Angebotsprüfung festgestellte – nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises (zB spekulative Preisgestaltung) aufweisen, oder
...
7. den Ausschreibungsbestimmungen widersprechende Angebote, Teil-, Alternativ-, Varianten- und Abänderungsangebote, wenn sie nicht zugelassen wurden, nicht gleichwertige Alternativ- oder Abänderungsangebote und Alternativangebote, die die Mindestanforderungen nicht erfüllen, sowie fehlerhafte oder unvollständige Angebote, wenn deren Mängel nicht behoben wurden oder nicht behebbar sind, oder
11. …
(2) ...
(3) Der öffentliche Auftraggeber hat den Bieter vom Ausscheiden seines Angebotes unter Angabe des Grundes zu verständigen.
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes
§ 327. Das Bundesverwaltungsgericht ist zuständig zur Entscheidung über Anträge wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen.
Senatszuständigkeit und -zusammensetzung
§ 328. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten.
(2) …
Anzuwendendes Verfahrensrecht
§ 333. Soweit in diesem Bundesgesetz und im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach diesem Bundesgesetz sinngemäß anzuwenden.
Zuständigkeit
§ 334. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes über Anträge zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt). Derartige Anträge sind unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.
(2) Bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig
1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie
2. zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.
(5) …
Einleitung des Verfahrens
§ 342. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern
1. er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und
2. ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
(4) …
Inhalt und Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages
§ 344. (1) Ein Antrag gemäß § 342 Abs. 1 hat jedenfalls zu enthalten:
1. die Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens sowie der angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidung,
2. die Bezeichnung des Auftraggebers, des Antragstellers und gegebenenfalls der vergebenden Stelle einschließlich deren elektronischer Adresse,
3. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes einschließlich des Interesses am Vertragsabschluss, insbesondere bei Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung die Bezeichnung des für den Zuschlag in Aussicht genommenen Bieters,
4. Angaben über den behaupteten drohenden oder bereits eingetretenen Schaden für den Antragsteller,
5. die Bezeichnung der Rechte, in denen der Antragsteller verletzt zu sein behauptet (Beschwerdepunkte) sowie die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
6. einen Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidung, und
7. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.
(2) Der Antrag ist jedenfalls unzulässig, wenn
1. er sich nicht gegen eine gesondert anfechtbare Entscheidung richtet, oder
2. er nicht innerhalb der in § 343 genannten Fristen gestellt wird, oder
3. er trotz Aufforderung zur Verbesserung nicht ordnungsgemäß vergebührt wurde.
(4) …
Nichtigerklärung von Entscheidungen des Auftraggebers
§ 347. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat eine im Zuge eines Vergabeverfahrens ergangene gesondert anfechtbare Entscheidung eines Auftraggebers mit Erkenntnis für nichtig zu erklären, wenn
1. sie oder eine ihr vorangegangene nicht gesondert anfechtbare Entscheidung im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte rechtswidrig ist und
2. die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.
(2) Als Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen kommt insbesondere auch die Streichung von für Unternehmer diskriminierenden Anforderungen hinsichtlich technischer Leistungsmerkmale sowie hinsichtlich der wirtschaftlichen oder finanziellen Leistungsfähigkeit in der Ausschreibung in Betracht.
(3) …
3.2. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und formale Zulässigkeit des Antrages
Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 ist die Republik Österreich (Bund).
Bei der gegenständlichen Vergabe aufgrund einer Rahmenvereinbarung nach erneutem Aufruf zum Wettbewerb handelt es sich gemäß § 7 BVergG 2018 um einen Dienstleistungsauftrag. Der geschätzte Auftragswert liegt gemäß den Angaben der Auftraggeberin unter dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 Z 2 BVergG 2018, sodass es sich um ein Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich handelt.
Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG 2018. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und damit zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 334 Abs 2 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 B-VG ist sohin gegeben.
Da darüber hinaus laut Stellungnahme der Auftraggeberin das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 334 Abs 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen eines Auftraggebers zuständig.
Gemäß Art 135 Abs 1 B-VG iVm § 2 VwGVG und § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 328 Abs 1 BVergG 2018 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über einen Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Mit Schriftsatz vom 25.06.2021 beantragte die Antragstellerin die Nichtigerklärung der Ausscheidens- und der Zuschlagsentscheidung vom 18.06.2021. Dabei handelt es sich um gesondert anfechtbare Entscheidungen gemäß § 2 Z 15 lit a sublit jj BVergG 2018. Im Hinblick auf die Anfechtung des „Ausscheidens eines Angebotes“ bildet die Hauptfrage des Nachprüfungsverfahrens alleine die Frage, ob das Angebot der Antragstellerin von der Auftraggeberin zu Recht ausgeschieden worden ist (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0021; VwGH 25.03.2014, Ra 2014/04/0001; VwGH 12.09.2007, 2005/04/0181). Der auf die Nichtigerklärung dieser Entscheidungen abzielende Nachprüfungsantrag genügt den formalen Voraussetzungen nach § 344 Abs 1 BVergG 2018. Ein Grund für die Unzulässigkeit des Antrages nach § 344 Abs 2 BVergG 2018 ist nicht gegeben. Der Antrag betreffend die gegenständlichen Auftraggeberentscheidungen wurde innerhalb der Anfechtungsfrist gemäß § 343 Abs 3 BVergG 2018 eingebracht. Die Pauschalgebühr wurde in entsprechender Höhe entrichtet (§ 18 Abs 1 Z 1 und 4 BVergG 2018 iVm § 1 BVwG-PauschGebV Vergabe).
3.3. Zu A) I. Zur Abweisung des Antrages auf Nichtigerklärung der Ausscheidenentscheidung
3.3.1.
Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die Antragstellerin bei einer der beim erneuten Aufruf zum Wettbewerb ausgeschriebenen vier Leistungspositionen einen Einheitspreis angeboten hat, welcher nicht die ihrer Kalkulation zugrunde gelegten Kosten für die Erbringung der betreffenden Leistung abbildet und welcher deutlich unter jenem Einheitspreis liegt, welchen sie im Rahmen des Verfahrens zum Abschluss der Rahmenvereinbarung angeboten hat. Die übrigen Leistungspositionen blieben gegenüber dem Angebot im Rahmen des Verfahrens zum Abschluss der Rahmenvereinbarung unverändert. Der diesbezüglichen Aufklärung der Antragstellerin im Rahmen des Aufklärungsverfahrens ist zu entnehmen, dass die Antragstellerin angesichts geänderter Rahmenbedingungen von anderen Kalkulationsannahmen ausgegangen ist, welche es ihr ermöglicht hätten, die kalkulierten Kosten auf andere Weise abzudecken. Das Angebot der Antragstellerin wurde in der Folge gemäß § 141 Abs 1 Z 3 BVergG 2018 aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden, da der fragliche Einheitspreis betriebswirtschaftlich nicht plausibel sei und Ihre Aufklärung eine klare Mischkalkulation ergebe. Im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens führte die Auftraggeberin darüber hinaus aus, dass das Angebot überdies den Ausschreibungsbedingungen widersprechen würde und daher auch gemäß § 141 Abs 1 Z 7 BVergG 2018 auszuscheiden sei. Es ist daher zu prüfen, ob das Angebot der Antragstellerin zu Recht ausgeschieden worden ist.
3.3.2. Antragslegitimation
Die Antragstellerin stellte ihr Interesse an der Zuschlagserteilung nach erneutem Aufruf zum Wettbewerb und den ihr durch den Verlust der Chance auf Zuschlagserteilung im gegenständlichen Vergabeverfahren entstandenen bzw. drohenden Schaden iSd § 342 Abs 1 BVergG 2018 plausibel dar, sodass die Antragslegitimation der Antragstellerin hinsichtlich der Ausscheidensentscheidung gegeben ist.
3.3.3. Vorbemerkungen
Zunächst ist festzuhalten, dass die gegenständlichen Ausschreibungsunterlagen nicht angefochten wurden. Deren Bestimmungen haben daher Bestandskraft erlangt und sind Folge dessen nach ständiger Rechtsprechung selbst dann unveränderliche Grundlage für die Prüfung der Teilnahmeanträge und der Angebote, wenn diese unzweckmäßig oder gar vergaberechtswidrig sein sollten (ua VwGH 17.06.2014, 2013/04/0029; VwGH 20.05.2010, 2007/04/0072; VwGH 07.11.2005, 2003/04/0135; ua BVwG 22.02.2017, W187 2144680-2/30E; BVwG 25.07.2014, W187 2008585-2/14E). Sowohl die Auftraggeberinnen als auch die Bewerber bzw Bieter sind an die in der Ausschreibung festgelegten Bestimmungen gebunden. Es ist von einer strengen Bindung an die Ausschreibung auszugehen (ua VwGH 20.05.2010, 2007/04/0072). Ein nachträgliches Abgehen von den Bestimmungen der Ausschreibung ist im Sinne der Gleichbehandlung aller Bieter nicht mehr möglich (EuGH 25.04.1996, Rs C-87/94, Wallonische Busse; EuGH 06.11.2014, Rs C-42/13, Cartiera dell'Adda SpA gegen CEM Ambiente SpA). Die Beurteilung der Angebote erfolgt in erster Linie anhand der bestandsfesten Ausschreibungsunterlagen (§ 138 Abs 1 BVergG 2018; ua EuGH 10.10.2013, C-336/12, Manova, mwN; 02.06.2016, C-27/15, Pippo Pizzo, mwN; 11.05.2017, C-131/16, Archus und Gama; VwGH 15.03.2017, Ra 2014/04/0052; ua BVwG 22.11.2019, W187 2224114-2/43E). Alle Bieter müssen darauf vertrauen können, dass die Auftraggeberinnen ihre eigenen Ausschreibungsbedingungen einhalten. Dem Bundesverwaltungsgericht ist es daher in weiterer Folge auch verwehrt, allfällige Rechtswidrigkeiten der bestandsfesten Ausschreibung aufzugreifen (grundlegend VwGH 15.09.2004, 2004/04/0054; weiters VwGH 17.06.2014, 2013/04/0029; VwGH 07.09.2009, 2007/04/0090; VwGH 27.06.2007, 2005/04/0234; VwGH 07.11.2005, 2003/04/0135).
Die Ausschreibung ist nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen (ua VwGH 18.03.2015, Ra 2015/04/0017; VwGH 22.11.2011, 2006/04/0024; VwGH 01.07.2010, 2006/04/0139, mwN). Im Zweifel sind Festlegungen in der Ausschreibung gesetzeskonform und sohin in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen zu lesen (ua VwGH 09.09.2015, Ra 2014/04/0036; VwGH 18.03.2015, Ra 2015/04/0017; VwGH 12.05.2011, 2008/04/0087). Auf den vermuteten Sinn und Zweck der Ausschreibungsbestimmungen kommt es nicht an. Gleiches gilt für die Interpretation von Willenserklärungen der Bieter (ua VwGH 22.11.2011, 2006/04/0024; VwGH 27.10.2014, 2012/04/0066).
3.3.4. Zum Ausscheidensgrund der nicht plausiblen Zusammensetzung des Gesamtpreises gemäß § 141 Abs 1 Z 3 BvergG 2018
Gemäß § 2 Abs 1 BVergG 2018 sind Vergabeverfahren nach einem in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verfahren, unter Beachtung der unionsrechtlichen Grundsätze wie insbesondere der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter, der Nichtdiskriminierung, der Verhältnismäßigkeit, der Transparenz sowie des freien und lauteren Wettbewerbes und unter Wahrung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit durchzuführen. Die Vergabe hat an befugte, leistungsfähige und zuverlässige (geeignete) Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen. Die Vergabe zu angemessenen Preisen stellt demnach einen der zentralen Grundsätze des Vergabeverfahrens dar (ua VwGH 17.09.2014, 2012/04/0016). Gemäß § 141 Abs 1 Z 3 BVergG 2018 hat der öffentliche Auftraggeber vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung auf Grund des Ergebnisses der Prüfung Angebote, die eine – durch eine vertiefte Angebotsprüfung festgestellte – nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises (zB spekulative Preisgestaltung) aufweisen, auszuscheiden. Dieser Tatbestand ist nach den betreffenden Gesetzesmaterialien (zu § 129 BVergG 2006) auch dann erfüllt, wenn Teilpreise nicht plausibel sind, da dies zu einer nicht plausiblen Zusammensetzung des Gesamtpreises führen kann (VwGH 16.05.2018, Ra 2017/04/0152; BVwG 16.04.2014, W187 2008224-2/5E; BVA 15.03.2012, N/0016-BVA/09/2012-42; siehe § 137 Abs 2 Z 2 BvergG 2018). Folglich ist die Angemessenheit der Preise gemäß § 135 Abs 2 Z 4 BVergG 2018 im Zuge der Angebotsprüfung entsprechend den Vorgaben des § 137 BVergG 2018 einer Überprüfung zu unterziehen.
Die Durchführung einer vertieften Angebotsprüfung liegt nicht im Ermessen des Auftraggebers. Angebote sind gemäß § 137 Abs 2 BVergG 2018 einer solchen zu unterziehen, wenn sie (1) einen im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufweisen, (2) zu hohe oder niedrige Einheitspreise in wesentlichen Positionen enthalten oder (3) nach der Angemessenheitsprüfung begründete Zweifel an der Angemessenheit von Preisen bestehen. Hierzu wird in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich betont, dass „nach dem System der RL und des BVergG die Prüfung der Preisangemessenheit im Ober- wie auch im Unterschwellenbereich stattzufinden hat (vgl. dazu auch EuGH verbundene Rs C-147/06 und C-148/06, SECAP) und keine Einschränkung der Prüfmöglichkeit des Auftraggebers (zB auf sogenannte „wesentliche Positionen“) besteht (siehe dazu insbesondere auch EuGH Rs C-568/13, Data Medical Services)“ (EBRV 69 BlgNR XXVI. GP 153). Dabei hat der Auftraggeber dem Gebot der kontradiktorischen Angebotsprüfung zu entsprechen (siehe bereits BVA 01.10.2004, 06N-84/04-22 unter Verweis auf EuGH 27.11.2001, Rs C-285/99 und C-286/99, Lombardini und Mantovani; VwGH 29.03.2006, 2003/04/0181; Fink/Hofer in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht4 [2015], Rz 1582ff; §§ 138 Abs 5 und 139 BVergG 2018). Bei einer vertieften Angebotsprüfung ist zu klären, ob die Preisgestaltung betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar ist, wobei im Einzelnen die in § 137 Abs 3 Z 1 bis 3 BVergG 2018 genannten Kriterien maßgeblich sind (ua VwGH 16.05.2018, Ra 2017/04/0152 mwN; vgl zum BVergG 2006 Eilmansberger/Fruhmann in Schramm/Aicher/Fruhmann [Hrsg], Bundesvergabegesetz: Kommentar zum Bundesvergabegesetz 20062 [2009] § 19 Rz 53). Sohin kann insbesondere geprüft werden, ob im Preis alle direkt zuordenbaren Personal-, Material-, Geräte-, Fremdleistungs- und Kapitalkosten enthalten sind und ob die Aufwands- und Verbrauchsansätze sowie die Personalkosten, diese insbesondere im Hinblick auf die dem Angebot zugrunde gelegten Kollektivverträge, nachvollziehbar sind. Gegenstand der Prüfung sind alle Teilpreise. Auf ihre Kennzeichnung (als wesentlich oder nicht wesentlich) oder ihren Anteil am Gesamtpreis kommt es nicht an (ua BVwG 01.07.2020, W187 2231549-2/21E; in diesem Zusammenhang zur Unbeachtlichkeit der Beurteilung der Wesentlichkeit für den Verfahrensausgang siehe auch VwGH 16.05.2018, Ra 2017/04/0152). Dem Bieter ist keine Freiheit eingeräumt, auf die betriebswirtschaftliche Erklärbarkeit von Preisen verzichten zu können. Auch kann es