TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/6 W170 2217100-1

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Veröffentlicht am 06.09.2021
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Entscheidungsdatum

06.09.2021

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W170 2217100-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 26.02.2019, Zl. 1208506608-180938143/BMI-BFA_KNT_AST_01, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 28 Abs. 2 VwGVG, 3 AsylG 2005 abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

XXXX (in Folge: Beschwerdeführerin), eine syrische Staatsangehörige, stellte am 03.10.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen des Administrativverfahrens brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass sie in Syrien von ihrem Vater gezwungen worden sei, ein Kopftuch zu tragen; deshalb und wegen des Krieges sei sie aus Syrien aus- und wegen ihres in Österreich befindlichen Freundes nach Österreich eingereist.

Mit im Spruch bezeichneten Bescheid wurde der gegenständliche Antrag der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen und dieser unter einem der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Vorbringen der Beschwerdeführerin sei nicht glaubhaft gemacht worden.

Der Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 28.02.2019 zugestellt.

Mit am 26.03.2019 bei der Behörde eingebrachtem Schriftsatz wurde gegen den Bescheid Beschwerde erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Vorbringen aufrechterhalten werde, die Beschwerdeführerin sei von ihrem Vater geschlagen worden und würde daher ein Fall einer asylrelevanten Privatverfolgung vorliegen.

Die Beschwerde wurde samt dem bezugnehmenden Verwaltungsakt am 08.04.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt. Am 03.08.2021 wurde vom Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen wiederholte und auf die mündliche Verkündung des Erkenntnisses verzichtete. Dieses ist daher schriftlich zu erlassen.


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. XXXX ist eine volljährige syrische Staatsangehörige, deren Identität feststeht und die in Österreich unbescholten ist.

Die beschwerdeführende Partei ist am 03.10.2018 rechtswidrig nach Österreich eingereist, nach Durchführung eines Administrativverfahrens kommt XXXX rechtskräftig der Status der subsidiär Schutzberechtigten zu.

1.2. XXXX hat Syrien aus Sicht der syrischen Behörden illegal verlassen, sie stammt aus dem Government Al-Hassaka, Dorf XXXX , südlich der Stadt Qamschli. Das Dorf und praktisch das gesamte Government Al-Hassaka ist in der Hand der YPG, lediglich Teile der Städte Qamischli und Hassaka sind in der Hand des syrischen Regimes; es ist nicht erkennbar, dass sich diese Situation in absehbarer Zeit ändert.

XXXX droht wegen der illegalen Ausreise aus Syrien, der gegenständlichen Antragstellung bzw. dem Aufenthalt im Ausland nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine behördliche Verfolgung auf Grund einer allenfalls unterstellten politischen Gesinnung.

1.3. XXXX lebt in Österreich mit XXXX , XXXX geb., in einer Lebensgemeinschaft; diese besteht erst seit nach der Einreise der XXXX in Österreich. Dieser Lebensgemeinschaft entstammt der in Österreich am XXXX geborene XXXX . XXXX kommt der Status des Asylberechtigten zu, von diesem abgeleitet wurde auch XXXX der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Den syrischen Behörden ist weder die Lebensgemeinschaft zu XXXX noch die Mutterschaft zu XXXX bekannt, in Bezug zu diesen droht XXXX daher keine Verfolgung in Syrien.

1.4. XXXX hat angegeben, in Syrien Verfolgung durch den Vater erlitten zu haben, da sie dieser auch unter Anwendung von Gewalt gezwungen habe, ein Kopftuch bzw. einen Schleier zu tragen, was XXXX nicht gewollt habe. Diese Verfolgung durch den Vater wurde nicht glaubhaft gemacht.

Darüber hinaus hat XXXX angegeben, dass sie weder durch das syrische Regime noch durch die YPG bzw. die Kurden Verfolgung erlitten habe und sie eine solche
– von den Kriegswirren abgesehen – auch nicht befürchte.

1.5. Zur Lage von Frauen im von den Kurden kontrollierten Gebieten wird festgestellt:

Die Situation von kurdischen Frauen in den kurdischen Gebieten im Nordosten Syriens ist in Bezug auf Unabhängigkeit, Bewegungsfreiheit und die Vormundschaftsgesetze der selbsternannten Autonomieregierung besser. Frauen und Männer sind in der Regierung zu gleichen Teilen repräsentiert. Per Gesetz werden alle Regierungseinrichtungen von einem Mann und einer Frau gleichzeitig geleitet und die meisten staatlichen Behörden und Gremien müssen zwischen Männern und Frauen gleich besetzt sein, abgesehen von Einrichtungen, die nur für Frauen sind und von Frauen geleitet werden. Dabei soll es sich jedoch nur um eine oberflächliche Rolle ohne wirkliche Macht handeln.

Im November 2014 beschloss die Autonomieregierung ein Dekret, das die „Gleichheit zwischen Männern und Frauen in allen Sphären des öffentlichen und privaten Lebens“ vorsieht. Demnach haben Frauen in den Augen des Gesetzes den gleichen Status wie Männer, auch zum Beispiel bezüglich Scheidung und Erbrecht. Polygamie, Ehrenmorde, Zwangsehen, Ehen von Minderjährigen und andere Formen von Gewalt gegen Frauen wurden verboten. Frauenkomitees, Frauenhäuser und Frauenzentren wurden eingerichtet, um Frauen zu schützen und zu vertreten, in den Themen Politik, Wirtschaft, Kultur und Recht weiterzubilden, und ihnen die Möglichkeit zu geben über familiäre und soziale Probleme zu sprechen und Lösungen zu finden.

Auch arabische und christliche Frauen nutzen die Zentren. In Gebieten mit arabischer Mehrheitsbevölkerung, die konservativer sind und in denen tribale Strukturen noch stark verwurzelt sind, ist es schwerer für die kurdischen Behörden Gleichberechtigungsmaßnahmen ohne Widerstand durchzusetzen. So wurde beispielsweise in Kobane Polygamie verboten, von der lokalen Bevölkerung in Manbij gab es jedoch Widerstand durch lokale Stammesführer, was zu einer Ausnahme für Manbij von dieser Regelung führte.

Die Situation von Frauen in Nordsyrien hängt großteils von der persönlichen und familiären Einstellung und dem Glauben ab, wobei die Befolgung traditioneller sozialer Normen in stärker religiös oder traditionell eingestellten Gemeinschaften üblicher ist.

Die zivile Verwaltung der kurdisch kontrollierten Provinzen im Norden des Landes, der sogenannten „Demokratischen Föderation Nordsyrien“ (kurdisch Rojava) hat die Institution der Zivilehe eingeführt, die unabhängig von der religiösen Zugehörigkeit der Brautleute vor den zuständigen Behörden geschlossen werden kann. Ob eine in den kurdischen Gebieten geschlossene zivile Ehe vom syrischen Staat anerkannt wird, ist jedoch schwer zu beurteilen. Das syrische Familienrecht erkennt eine solche Ehe insbesondere dann nicht an, wenn sie einen Verstoß gegen das Ehehindernis aufgrund von unterschiedlichen Religionszugehörigkeiten der Ehepartner darstellt.

Zur Rückkehr nach Syrien wird festgestellt:

Im Juli 2020 zählte die syrische Bevölkerung geschätzte 19,4 Millionen Menschen, im Jahr 2020 registrierte UNOCHA in Syrien rund 1,8 Millionen Binnenvertriebene. Ca. 450.000 Binnenvertriebene kehrten in diesem Jahr dagegen zurück. 2019 sind laut UNHCR insgesamt etwa 95.000 Flüchtlinge nach Syrien zurückgekehrt, im Zeitraum Jänner - Juli 2020 waren es rund 22.000. Weder IDPs noch Flüchtlinge sind notwendigerweise in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt. Neben der allgemein volatilen Sicherheitslage bleibt mangelnde persönliche Sicherheit verbunden mit der Angst vor staatlicher Repression weiterhin das wichtigste Hindernis für eine Rückkehr, Rückkehrüberlegungen von syrischen Männern werden auch von ihrem Wehrdienststatus beeinflusst. Die Behandlung von Einreisenden ist stark vom Einzelfall abhängig und über den genauen Wissensstand der syrischen Behörden über einzelne Rückkehrer gibt es keine gesicherten Kenntnisse. Bereits im Jahr 2017 haben die libanesischen Behörden trotz des Konfliktes und begründeter Furcht vor Verfolgung vermehrt die Rückkehr syrischer Flüchtlinge gefordert. Eine kleine Anzahl von Flüchtlingen ist im Rahmen lokaler Abkommen nach Syrien zurückgekehrt. Diese Rückkehrbewegungen werden nicht von UNHCR überwacht. Es liegen widersprüchliche Informationen vor, ob Personen, die nach Syrien zurückkehren möchten, eine Sicherheitsüberprüfung durchlaufen müssen, oder nicht. Laut deutschem Auswärtigen Amt müssen syrische Flüchtlinge, unabhängig von politischer Ausrichtung, vor ihrer Rückkehr weiterhin eine Überprüfung durch die syrischen Sicherheitsdienste durchlaufen. Auch laut International Crisis Group (ICG) stellt unabhängig davon, welchen administrativen Weg ein rückkehrwilliger Flüchtling wählt, die Sicherheitsfreigabe durch den zentralen Geheimdienstapparat in Damaskus (oder die Verweigerung einer solchen) das endgültige Urteil dar, ob es einem Flüchtling möglich ist sicher nach Hause zurückzukehren. Im Gegensatz dazu berichtet der Danish Immigration Service (DIS) auf Basis von Interviews, dass Syrer, die außerhalb Syriens wohnen und nicht von der syrischen Regierung gesucht werden, keine Sicherheitsfreigabe benötigen, um nach Syrien zurückzukehren. Weiters berichtete Syria Direct gegenüber DIS, dass lediglich Syrer im Libanon, die über „organisierte Gruppenrückkehr“ nach Syrien zurückkehren möchten, eine Sicherheitsfreigabe benötigen. Ein Punkt, der nach wie vor schwer zu ermitteln ist, ist der Anteil der Antragsteller, denen die Rückkehr nicht genehmigt wurde. Er wird von den verschiedenen Quellen mit 5% (SD 16.1.2019), 10% (Reuters 25.9.2018), bis hin zu 30% (ABC 6.10.2018) angegeben. In vielen Fällen wird auch Binnenvertriebenen die Rückkehr in ihre Heimatgebiete nicht erlaubt. Gründe für eine Ablehnung können (wahrgenommene) politische Aktivitäten gegen die Regierung bzw. Verbindungen zur Opposition oder die Nicht-Erfüllung der Wehrpflicht sein. Einige Beobachter und humanitäre Helfer behaupten, dass die Bewilligungsrate für Antragsteller aus Gebieten, die als regimefeindliche Hochburgen identifiziert wurden, nahezu Null ist (ICG 13.2.2020). Kriterien und Anforderungen, um ein positives Ergebnis zu erhalten, sind nicht bekannt. Es gibt Berichte, denen zufolge Rückkehrer trotz positiver Sicherheitsüberprüfung Opfer willkürlicher Verhaftung, Folter oder Verschwindenlassens geworden und vereinzelt in Haft ums Leben gekommen sein sollen. Personen, die von der syrischen Regierung gesucht werden, und darum die Genehmigung zur Rückkehr nicht erhalten, sind aufgefordert ihren „Status zu klären“, bevor sie zurückkehren können. Einem syrischen General zufolge müssen Personen, die aus dem Ausland zurückkehren möchten, in der entsprechenden syrischen Auslandsvertretung „Versöhnung“ beantragen und unter anderem angeben, wie und warum sie das Land verlassen haben und Angaben über Tätigkeiten in der Zeit des Auslandsaufenthaltes etc. machen. Diese Informationen werden an das syrische Außenministerium weitergeleitet, wo eine Sicherheitsüberprüfung durchgeführt wird. Syrer, die über die Landgrenzen einreisen, müssen dem General zufolge dort ein „Versöhnungsformular“ ausfüllen. Um im Falle der Rückkehr einer Verhaftung zu entgehen, versuchen Syrer, Informationen über ihre Sicherheitsakte zu erhalten und diese, wenn möglich, zu bereinigen. Persönliche Kontakte und Bestechungsgelder sind die gängigsten Mittel und Wege zu diesem Zweck, doch aufgrund ihrer Informalität und der Undurchsichtigkeit des syrischen Sicherheitssektors sind solche Informationen und Sicherheitsfreigaben nicht immer zuverlässig, und nicht jeder kann sie erhalten. Zwar schützt der Genehmigungsprozess potenzielle Rückkehrer nicht vor Misshandlung durch die Milizen oder zukünftiger Verfolgung, trägt jedoch dazu bei, die Unsicherheit zu verringern, mit der sie konfrontiert sind, und nimmt ihnen damit ein Element der Abschreckung. Der Sicherheitssektor kontrolliert den Rückkehrprozess in Syrien. Die Sicherheitsdienste institutionalisieren ein System der Selbstbeschuldigung und Informationsweitergabe über Dritte, um große Datenbanken mit Informationen über reale und wahrgenommene Bedrohungen aus der syrischen Bevölkerung aufzubauen. Gesetz Nr. 18 von 2014 sieht eine Strafverfolgung für illegale Ausreise in der Form von Bußgeldern oder Haftstrafen vor. Entsprechend einem Rundschreiben wurde die Bestrafung für illegale Ausreise jedoch aufgehoben und Grenzbeamte sind angehalten, Personen, die illegal ausgereist sind, „bei der Einreise gut zu behandeln“. Syrer benötigen in unterschiedlichen Lebensbereichen eine Sicherheitsfreigabe von den Behörden, so z.B. auch für die Eröffnung eines Geschäftes, eine Eheschließung und Organisation einer Hochzeitsfeier, um den Wohnsitz zu wechseln, für Wiederaufbautätigkeiten oder auch, um eine Immobilie zu kaufen. Die Sicherheitsfreigabe kann auch Informationen enthalten, z.B. wo eine Person seit dem Verlassen des konkreten Gebietes aufhältig war. Der Genehmigungsprozess könnte sich einfacher gestalten für eine Person, die in Damaskus aufhältig war, wohingegen der Aufenthalt einer Person in Orten wie Deir ez-Zour zusätzliche Überprüfungen nach sich ziehen kann. Eine Person wird für die Sicherheitserklärung nach Familienmitgliedern, die von der Regierung gesucht werden, befragt, wobei nicht nur Mitglieder der Kern- sondern auch der Großfamilie eine Rolle spielen. Die syrische Regierung führt Listen mit Namen von Personen, die als in irgendeiner Form regierungsfeindlich angesehen werden. Die Aufnahme in diese Listen kann aus sehr unterschiedlichen Gründen erfolgen und sogar vollkommen willkürlich sein. Zum Beispiel kann die Behandlung einer Person an einer Kontrollstelle, wie einem Checkpoint, von unterschiedlichen Faktoren abhängen, darunter die Willkür des Personals am Kontrollpunkt oder praktische Probleme, wie die Namensgleichheit mit einer von der Regierung gesuchten Person. Personen, die als regierungsfeindlich angesehen werden, können unterschiedliche Konsequenzen von Regierungsseite zu gewärtigen haben, wie Festnahme und im Zuge dessen auch Folter. Zu als oppositionell oder regierungsfeindlich angesehenen Personen gehören einigen Quellen zufolge unter anderem medizinisches Personal, insbesondere wenn die Person in einem von der Regierung belagerten oppositionellen Gebiet gearbeitet hat, Aktivisten und Journalisten, die sich mit ihrer Arbeit gegen die Regierung engagieren und diese offen kritisieren, oder Informationen oder Fotos von Geschehnissen in Syrien, wie Angriffe der Regierung, verbreitet haben sowie allgemein Personen, die offene Kritik an der Regierung üben. Einer Quelle zufolge kann es sein, dass die Regierung eine Person, deren Vergehen als nicht so schwerwiegend gesehen wird, nicht sofort, sondern erst nach einer gewissen Zeit festnimmt. Jeder Geheimdienst führt eigene Fahndungslisten und es findet keine Abstimmung und Zentralisierung statt. Daher kann es trotz positiver Sicherheitsüberprüfung eines Dienstes jederzeit zur Verhaftung durch einen anderen kommen. Ein weiterer Faktor, der die Behandlung an einem Checkpoint beeinflussen kann, ist das Herkunftsgebiet oder der Wohnort einer Person. In einem Ort, der von der Opposition kontrolliert wird oder wurde, zu wohnen oder von dort zu stammen kann den Verdacht des Kontrollpersonals wecken. Daten der Vereinten Nationen weisen darauf hin, dass 14% von mehr als 17.000 befragten IDP- und Flüchtlingshaushalten, die im Jahr 2018 zurückgekehrt sind, während ihrer Rückkehr angehalten oder verhaftet wurden, 4% davon für über 24 Stunden. In der Gruppe der (ins Ausland) Geflüchteten wurden 19% verhaftet. Diese Zahlen beziehen sich spezifisch auf den Heimweg und nicht auf die Zeit nach der Rückkehr.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin unter 1.1. folgen den durch syrische Ausweise gestützten Angaben der Beschwerdeführerin, die Unbescholtenheit ergibt sich aus einer aktuellen Strafregisterauskunft, die in das Verfahren eingeführt wurde.

Die Feststellungen zur Einreise nach Österreich ergeben sich ebenso aus dem Verwaltungsakt wie die Zuerkennung des festgestellten Titels.

2.2. Dass die Beschwerdeführerin Syrien rechtswidrig verlassen hat, ergibt sich aus dem Umstand, dass sich in ihrem Reisepass kein passender Stempel findet.

Das Herkunftsgebiet der Beschwerdeführerin ergibt sich aus ihren Angaben, sie konnte ihr Dorf in der mündlichen Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichts auf einer Karte verorten. Dass dieses Dorf und praktisch das gesamte Government Al-Hassaka ist in der Hand der YPG sind und lediglich Teile der Städte Qamischli und Hassaka in der Hand des syrischen Regimes sind, ergibt sich aus der Länderinformation der Staatendokumentation (siehe Karte S. 13) und einer in der Verhandlung erfolgten Nachschau auf https://syria.liveuamap.com/. Dass sich an diesen Verhältnissen – soweit absehbar – in nächster Zeit nichts ändern wird, ergibt sich daraus, dass diese Verhältnisse schon über Jahre stabil sind und kein Indikator für eine baldige Veränderung zu erkennen ist.

Zwar könnte die Beschwerdeführerin (im Falle ihrer Rückkehr) wegen der illegalen Ausreise aus Syrien von den syrischen Behörden bestraft werden, aber warum diese Bestrafung wegen der (objektiv begangenen) Gesetzesübertretung einer solchen wegen einer unterstellten oppositionellen Gesinnung gleichzustellen ist, ist nicht zu erkennen; die Beschwerdeführerin ist (naturgemäß) weder ein Wehrdienstverweigerer noch hat diese irgendein Risikoprofil erkennen lassen, da sie eine vollkommen unpolitische und für das Regime und die YPG unauffällige Person ist und die Beziehung zum asylberechtigten Lebensgefährten auch dem Regime nicht bekannt ist.

2.3. Die unter 1.3. festgestellten familiären Beziehungen ergeben sich – auch hinsichtlich der Feststellungen zum Beginn – aus den diesbezüglich nachvollziehbaren Angaben der Beschwerdeführerin und vor allem aus der vorgelegten Geburtsurkunde; dass die Beziehung zu ihrem Lebensgefährten den syrischen Behörden bekannt ist, hat die Beschwerdeführerin nicht einmal behauptet.

2.4. Dass das Vorbringen hinsichtlich der Verfolgung durch ihren Vater nicht glaubwürdig ist, ergibt sich daraus, dass die Beschwerdeführerin das diesbezügliche Vorbringen sehr vage gestaltet hat und dieses trotzdem widersprüchlich war. Hinsichtlich der Verfolgung schilderte sie nur den Grund – der Vater habe gewollt, dass die Beschwerdeführerin einen Schleier bzw. ein Kopftuch trage – und bleibt über Aufforderung, ihre Fluchtgründe vorzubringen, absolut vage und wortkarg (siehe Verhandlungsprotokoll, S. 9: Antwort auf die offene Frage nach ihren Fluchtgründen: „P: Ich habe Probleme mit meiner Familie.“). Selbst über Aufforderung, die Fluchtgründe genauer zu schildern, ändert sich das nicht („P: Ich habe das Kopftuch tragen müssen und wegen der Gewalt meines Vaters auch zeitweise getragen. Sonst gab es keine Probleme. Die Probleme waren nur wegen dem Kopftuch. Mein Vater hat mich ständig geschlagen.“). Selbst der später geschilderte Vorfall, der Vater habe sie im Streit mit einer Eisenstange geschlagen, ist dann vage vorgebracht worden; darüber hinaus ist dieser widersprüchlich, weil die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt angab, sie sei zu diesem Zeitpunkt 13 Jahre alt gewesen, vor dem Bundesverwaltungsgericht gab sie aber an, 11 Jahre alt gewesen zu sein. Zwar mag sich ein solcher Vorfall in der Erinnerung eines Kindes zeitlich verschieben, es ist aber nicht zu erkennen, warum die inzwischen erwachsene, gebildete Beschwerdeführerin (sie hat in Syrien maturiert) zwischen 2018 und 2021 einen solchen Widerspruch hinsichtlich einer erlebten Tatsache produzieren kann, zumal sie den Vorfall mit einem Schuljahr in Verbindung bringt. Auch die Entstehung der diese Verletzung vorbringlich dokumentierenden Fotos wird widersprüchlich geschildert; einmal seien diese in Qamischli in einer Wohnung entstanden (Verhandlungsschrift, S. 9), dann in Wien durch ihren nunmehrigen Lebensgefährten aufgenommen worden (Verhandlungsschrift, S. 10). Daher kommt der Beschwerdeführerin hinsichtlich dieser Fluchtgründe keine Glaubwürdigkeit zu.

Dass darüber hinaus keine Fluchtgründe vorgebracht wurden, ergibt sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin.

2.5. Die Feststellungen zur relevanten Lage in Syrien ergeben sich aus der in das Verfahren eingeführten Länderinformation der Staatendokumentation, der die Parteien nicht entgegengetreten sind.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß § 3 AsylG 2005, ist Asylwerbern auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG 2005 offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 gesetzt hat.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005 ist unter Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder – im Falle der Staatenlosigkeit – der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes zu verstehen. Dies ist im vorliegenden Fall zweifellos Syrien.

3.2. Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, droht einer Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; ebenso droht entsprechende Verfolgung einer Person, die staatenlos ist und sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Es ist auszuführen, dass § 3 Abs. 1 AsylG 2005 auf den Flüchtlingsbegriff (drohende Verfolgung im Herkunftsstaat) im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK verweist. Danach ist entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (VwGH 24.06.2010, 2007/01/1199). Weiters setzt die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung nicht voraus, dass der Asylwerber vor seiner Ausreise eine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung bereits erlitten haben müsste oder ihm zumindest eine solche bereits konkret angedroht worden wäre; eine derartige Befürchtung ist auch dann gerechtfertigt, wenn die Verhältnisse im Heimatland des Asylwerbers dergestalt sind, dass die Angst vor der vorgebrachten, drohenden Verfolgung objektiv nachvollziehbar ist (siehe VwGH 25.01.1996, 95/19/0008, wenn auch zum Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 76/1997, jedoch unter Bezugnahme auf den Flüchtlingsbegriff der GFK).

Wie oben dargestellt hat die beschwerdeführende Partei das sich auf die vorgebrachten Vorfälle in Syrien abstellende Fluchtvorbringen nicht glaubhaft gemacht. Darüber hinaus stehen Frauen in dem von den Kurden verwalteten Teilen Syriens Frauenhäuser zur Verfügung, die den Willen der kurdischen Machthaber, Frauen zu schützen, dokumentieren.

Da eine weitere Verfolgung weder behauptet wurde noch zu sehen ist, liegt keine asylrelevante Verfolgung vor und ist die Beschwerde abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat unter A) die relevante Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dargestellt und diese seiner Entscheidung zu Grunde gelegt; da darüber hinaus keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung zu erkennen waren, ist die Revision nicht zulässig.

Schlagworte

Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Bürgerkrieg Fluchtgründe Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit mündliche Verhandlung private Verfolgung Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W170.2217100.1.00

Im RIS seit

18.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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