TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/9 W142 2184633-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.2021
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Entscheidungsdatum

09.09.2021

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W142 2184633-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2017, Zl. 1112379705-160573705, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) ist eine Staatsangehörige aus Somalia, reiste illegal in Österreich ein und stellte am 21.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 22.04.2016 fand vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung der BF im Beisein eines Dolmetschers, welche in die Sprache Somalisch übersetzte, statt. Zu ihren persönlichen Verhältnissen befragt, gab die BF an, sie sei seit XXXX verheiratet. Ihre Muttersprache sei Somalisch. Sie bekenne sich zum sunnitischen Islam und gehöre der Volksgruppe der Madhibaan an. Die BF habe 4 Jahre lang die Grundschule in Beledweyne besucht. Sie habe keine Berufsausbildung. Ihr Vater sei bereits verstorben. Sie habe noch ihre Mutter, drei jüngere Brüder, eine jüngere Schwester und ihren Ehemann. Sie habe in Somalia in Beledweyne in der Region Hiraan gelebt. Im September 2015 habe sie den Entschluss zur Ausreise gefasst und sei sie aus Somalia abgereist. Die Reise sei illegal und schlepperunterstützt erfolgt und habe 2.000 USD gekostet.

Zu ihrem Fluchtgrund gab die BF an (Schreibfehler korrigiert):

„Ich gehöre einer Volksgruppe der Madhibaan an. Mein Mann ist Angehöriger des Stamm HAWIE, wir haben geheiratet, seine Familie ist uns draufgekommen sie haben uns gedroht uns zu töten, wenn er sich nicht scheiden lässt. Wir haben uns im Haus meines Onkels, welches am Land liegt, versteckt gehabt. Eines Tages kamen Mitglieder der ALSHABAAB zu uns und haben uns entführt. Ich hatte die Chance zu entkommen und ich weiß bis jetzt noch nicht, ob mein Mann noch lebt oder nicht.“

Zu ihren Rückkehrbefürchtungen befragt, gab sie an, Angst um ihr Leben zu haben.

3. Am 11.12.2017 wurde die BF durch die belangte Behörde in der Sprache Somali einvernommen. Die BF gab an, gesund zu sein. Zu ihren persönlichen Verhältnissen gab sie ergänzend an, von 2007 bis 2011 in die Grundschule in Beledweyne gegangen zu sein. Danach habe sie nichts gemacht und dann – am XXXX - geheiratet. Sie habe immer in Beledweyne – zusammen mit ihrer Familie - in einer Wohnung gelebt. Sie habe keine Ausbildung und keinen Beruf ausgeübt. Sie habe heimlich (traditionell) in Beledweyne geheiratet, beide Familien hätten nichts davon gewusst. Ihr Mann gehöre dem Clan der Hawiye, Sub-Clan der Hawadle, Subsub-Clan der Ali maday weyne an. Kinder habe sie nicht. Ihre Eltern hätten gearbeitet. Nach dem Tod des Vaters habe die Mutter gearbeitet (Verkauf von Fladenbrot), sie habe sich um den Haushalt und die jüngeren Geschwister gekümmert. Ihre Mutter und ihre vier Geschwister würden in der Heimat leben, sie habe aber gehört, dass ihre Familie jetzt in den Busch gezogen sei. Beim letzten Telefonat – Ende 2016 – habe ihre Mutter ihr dieses Vorhaben mitgeteilt. Wo ihr Ehemann lebe, wisse sie nicht. Die Al Shabaab habe ihn verschleppt. Weitere Verwandte im Heimatland habe sie nicht, ihr Onkel mütterlicherseits sei verstorben. Der Vater sei im Juli 2015 von einem Verwandten ihres Ehemannes umgebracht worden. Besitztümer habe ihre Familie nicht, ihre Wohnung sei eine Mietwohnung gewesen. Die letzte Nacht vor der Ausreise habe sie bei ihrem Onkel mütterlicherseits in Beledweyne verbracht. Dieser habe auch die Reise organisiert und ihr das Geld für die Ausreise gegeben. Sie habe keinen Kontakt zu ihren Verwandten im Heimatland, Ende 2016 sei der letzte Kontakt gewesen.

Zu ihrem Clan befragt, führte die BF aus:

[…]

F: Welchem Clan und Religion gehören Sie an?

A: Ich bin Madhibaan. Ich gehöre der muslimischen Religion an. Sunnit.

F: Zu welchem Hauptclan gehört Ihr Clan?

A: Boon.

F: Welchem Sub und Sub Cub Clan gehören Sie an?

A: Madhibaan ist der Sub Clan. Nachgefragt der Sub Sub Clan ist Mahamed Saruur.

F: Können Sie mir Besonderheiten der Madhibaan nennen?

A: Schmiede, Friseur, Tierschlachter. Sie verkaufen Brennkohle.

F: Von wem stammen die Madhibaan ab?

A: Somali.

F: Gibt es sonst noch typische Berufe bzw. Tätigkeiten der Madhibaan?

A: Alles was ich angegeben hab. Dass sie Schmiede sind…

F: Wo in Somalia findet man Madhibaan?

A: Überall in Somalia.

F: Welche Namen gibt es noch anstatt der Bezeichnung Madhibaan?

A: Boon.

F: Wer ist der Clanpatron der Madhibaan?

A: mahamed ibraahin nuur

[…]

Zu ihrem Fluchtgrund brachte die BF wie folgt vor:

[…]

Wie ich vorhin sagte, arbeitete meine Mutter in der Stadt. Sie hatte immer Fladenbrot in den Markt gebracht. Ich habe meiner Mutter geholfen. Ich habe das Fladenbrot gemacht und manchmal, wenn meine Mutter krank war, habe ich ihre Arbeit übernommen und das im Markt verkauft. Mein Vater arbeitete auch damals als Schuhmacher. Ich habe meinen Ehemann kennengelernt. Wir kannten uns eine Weile, wir haben uns unterhalten. Schließlich haben wir entschlossen zu heiraten. Normalerweise ist es üblich, wenn man heiratet, dass beide Familien mit der Heirat einverstanden sind. Er hat seiner Familie erzählt, dass er vorhat, mich zu heiraten. Sie haben ihn gefragt, welchem Clan ich angehöre. Er sagte, dass ich dem Madhibaan Clan angehöre. Als seine Familie, sein Vater und seine Onkeln, erfahren haben, welchem Clan ich angehöre, lehnten sie diese Heirat ab. Sie haben ihn aufgefordert, dass er mich nicht heiratet, weil diese zwei Clans sich eigentlich nicht heiraten. Sie haben zu meinem Mann damals gesagt, er darf mich nicht heiraten. Er kam zu mir und er war sehr traurig. Er hat mir erzählt, dass seine Familie unsere Heirat ablehnt. Wir haben dann entschlossen, heimlich zu heiraten. Wir haben dann am XXXX geheiratet. Wir haben beide beschlossen das niemanden zu sagen. Eine Weile blieb das geheim, unsere Familien wussten nichts davon. Dann erzählte er seiner Familie über die Heirat. Seine Familie hat gesagt, wir haben von Anfang an gesagt, dass du dieses Mädchen nicht heiratest. Er antwortete, dass er bereits mit mir verheiratet ist. Mein Ehemann und sein Vater haben sich gestritten, sein Vater sagte, wie konntest du ein Madhibaan Mädchen heiraten. Mein Ehemann und sein Vater haben sich gestritten und wurden handgreiflich und mein Mann wurde mit einem harten Gegenstand am Arm geschlagen. Dadurch wurde sein Arm gebrochen. Er verließ seine Familie und er ist zu seinem Freund gekommen. Sein Freund und andere Bekannte brachten ihn zum Arzt und er wurde am Arm behandelt. Am Abend kam er zu mir nachhause mit gebrochener Hand. Ihm ging es schlecht, er hat Fieber und Schmerzen gehabt. Er hat mir erzählt, dass die Familie es erfahren hat und ihn geschlagen haben und dass er auch seine Familie verlassen hat. Es war ganz schlimm, wir beide sind sehr traurig wegen seiner Familie. Seine Familie, sein Vater und seine Onkel, gingen zu meinem Vater in seine Arbeitsstelle, wo er als Schuhmacher gearbeitet hat. Und sie fragten ihn, ob das überhaupt stimmt, dass sein Sohn mit mir verheiratet ist. Sie haben meinem Vater gesagt, sie gehören dem Madhibaan Clan an und wir werden diese Heirat nicht akzeptieren. Sie haben meinen Vater aufgefordert, dass ich mich nicht meinem Ehemann nähern darf, ansonsten werden sie mich und meinen Vater töten. Mein Vater sagte zu ihnen, ich weiß nichts davon über diese Heirat, aber ich werde sie fragen und ihnen auch Bescheid geben. Sie haben meinen Vater gesagt, sie kommen morgen wieder um klar zu stellen, ob das so ist oder nicht. Mein Vater kam dannn am Abend nachhause und er fragte mich, ob ich diesen Jungen geheiratet habe. Ich habe meinem Vater erzählt, dass ich und dieser Junge sich verliebt haben und auch geheiratet haben. Mein Vater sagte mir, warum ich ihm das nicht erzählt habe. Ich habe zu meinem Vater gesagt, dass seine Familie dagegen war und wir haben entschlossen heimlich zu heiraten. Wir dachten, dass sie dann sehen, wenn wir verheiratet sind, dass sie uns dann in Ruhe lassen. Mein Vater sagte, wenn du in ihn verliebt bist und er in dich und ihr verheiratet seid, kann ich nichts dagegen sagen. Mein Vater hat sich nicht gefreut über diese Heirat, weil ich spürte, dass er Angst hat vor dieser Familie. Am nächsten Tag ging mein Vater zur Arbeit. Sie haben meinen Vater gefragt, ob er von mir was erfahren hat und mein Vater sagte, ja, die beiden sind verheiratet. Mein Vater sagte zu ihnen, eine Frau kann sich nicht scheiden lassen, nur der Sohn kann das, es liegt an euch. Mein Vater war Diabetiker und er hat Bluthochdruck gehabt. Es gab bloß eine Streiterei dort. Einer von diesen Männern nahm ein Messer und hat auf meinen Vater eingestochen. Er starb an diesem Ort und an dieser Stelle. Die Leiche meines Vaters wurde nachhause gebracht. Das war der schlimmste Tag meines Lebens. Mein Vater wurde beerdigt. Meine Mutter war unter Schock und durch diesen Schock wurde sie krank. Meine Mutter konnte nicht mehr arbeiten gehen. Eines Tages nahm ich das Fladenbrot mit und brachte es am Markt. Ich habe an einer Stelle gesessen, wo ich dieses Fladenbrot verkauft habe. Das war morgen früh. Zwei Schwestern von meinem Ehemann haben mich dann dort gesehen. Sie haben mich dort geschlagen, an den Haaren gezogen. Die anderen Leute haben sie dann aufgehalten, die am Markt gearbeitet haben. Sie haben auch mein Fladenbrot alles weggeschmissen. Sie haben mich überall geschlagen und ich kam weinend nachhause. Meine Mutter hat entschlossen, dass ich nicht mehr in den Markt, sondern nur zuhause bleibe. Einige Tage lebte ich zuhause. Eines Tages, es war Sonnenuntergang, ich ging in ein Geschäft, dort habe ich eingekauft. In diesem Geschäft waren die Frauen, die mich geschlagen haben. Ich habe sie nicht erkannt, weil sie verschleiert waren. Als ich im Geschäft reinkam, gingen sie raus und ich kaufte ein. Vor dem Geschäft haben sie so fertiggekochte oder gebratene Teigwaren gekauft. Eine Frau verkaufte diese dort und so Pfefferoni. Die haben auf mich an einer Stelle gewartet und ich bin nach dem Einkaufen zurückgekommen. Das waren gemahlene Pfefferoni. Das haben sie mir in die Augen geworfen. Ich konnte nicht mehr sehen und ich wusste nicht, wer das gemacht hat. Sie haben mich dort geschlagen, Haare gezogen. Sie haben die Kleidung, die ich anhatte, zerissen. Sie haben mich auf den Boden geworfen und einer diese Frauen hat sich auf mich gesetzt. Sie haben mich auf den Boden gedrückt, mit dem Gesicht, und ich konnte nicht mehr atmen. Zwei ältere Damen kamen dann an diese Stelle. Sie haben die aufgehalten und sie geschimpft. Ich war nackt auf der Straße, weil sie meine ganzen Klamotten, die ich anhatte, zerissen hatten. Und eine dieser älteren Frauen hat mir ein Tuch gegeben. Ich konnte nicht mehr sehen, ich wusste nicht mehr wo ich hingehen soll. Ich konnte nicht mehr nachhause finden. Einer dieser Frauen hat mich begleitet und sie brachte mich nachhause. Mein Onkel mütterlicherseits war auch bei uns zuhause. Ich konnte nicht mehr aus dem Haus gehen, mein Vater wurde meinetwegen umgebracht und ich konnte auch nicht mit meinem Ehemann zusammenleben. Ich habe das Leben gehasst, ich wollte nicht mehr am Leben bleiben. Ich habe Tag und Nacht nur geweint, ich konnte nicht mehr essen. Ich war sehr traurig immer. Mein Ehemann kam zu mir nachhause. Er hat mir erzählt, dass seine Clanangehörige, die bereits Al Shabaab angehören, erfahren haben, dass wir geheiratet haben. Er hat mir gesagt, wenn die Al Shabaab sich in unsere Heirat eingemischt hat, kann es sehr gefährlich sein, weil meine Familie hat erzählt, dass wir heimlich geheiratet haben und die sind gegen heimliche Heirat. Die Strafe, die man bekommt, ist die Todesstrafe, Steinigung. Mein Onkel mütterlicherseits sagte, wenn Al Shabaab von eurer Heirat erfahren hat, müsst ihr beide das Land verlassen. Mein Ehemann und ich kamen zuerst in ein Haus von meinem Onkel. Die Al Shabaab kam zu meiner Familie, zu meiner Mutter. Sie haben nach mir gefragt. Sie haben meiner Mutter gesagt, ich habe einen Mann geheiratet und die Heirat gilt nicht, das ist verboten. Sie haben meine Mutter bedroht und sie sagten, seit einer Woche wissen sie nicht wo ich mich aufhalte. Sie haben meiner Mutter gesagt, dass sie mich und meinen Mann steinigen werden und wenn sie herausfinden, dass meine Mutter mich irgendwo versteckt hat, dass sie auch auf diese Art und Weise getötet wird. Am Abend kam meine Mutter dann zu meinem Onkel, wo ich auch war. Sie erzählte uns, dass bereits Al Shabaab bei uns waren. Mein Ehemann wurde auch gesucht von seinem Familienhaus und auch seine Freunde haben ihn gesucht. Mein Onkel hat auch Angt bekommen, dass sie auch zu ihm kommen werden und er hat damals am Rand unserer Stadt ein Zimmer gebaut, er sagte, wir müssen uns dort verstecken. Er hat uns gesagt, dass er uns Geld geben wird und er wird uns Schlepper suchen. Wir müssen dort bleiben, bis alles fertig ist. Mein Onkel hat gesagt wir müssen dort bleiben und er wird uns auch Essen und Trinken dort bringen. Wir waren dort in einer Nacht und wir haben Angst gehabt. Am nächsten Tag am Abend kamen zu uns Männer, die waren maskiert und bewaffnet. Die waren Al Shabaab. Sie haben uns gefragt, in welcher Religion sind wir verheiratet. Sie haben uns gesagt, wir machen so schmutzige Sachen und das verbreiten wir in der Bevölkerung. Die haben angefangen uns zu schlagen mit Fußtritten und mit Fäusten. Die haben uns geschlagen und einer von diesen Männern hat mich da in der Brust mit irgendetwas geschlagen, ich bin zusammengebrochen. Ich fiel auf dem Boden, ohne Bewusstsein und die haben geglaubt, dass ich tot bin. Ich weiß nicht was sie mit meinem Mann gemacht haben, ob sie ihn getötet oder mitgenommen haben. Ich kann garnichts mehr sagen jetzt. Am nächsten Tag Vormittag öffnete ich die Augen und wusste nicht mehr genau wo ich war. Ich habe überall Schmerzen gehabt. Mein Onkel kam rein und unsere Haustüre war mit Blut verschmierte und er wusste, dass mit uns was passiert ist. Ich glaube dieses Blut war von meinem Mann. Ich weiß nicht ob sie ihn getötet oder verletzt mitgenommen haben. Mein Onkel versuchte mich mitzunehmen, zu begleiten, aber ich konnte nicht gehen. Er hat einen Freund von ihm angerufen, der war Taxifahrer. Der Mann kam zu uns und hat uns mit dem Auto mitgenommen. Mein Onkel hat Angst gehabt mich zu ihm nachhause zu bringen, er hat seinen Freund gebeten, dass ich bei ihm bleibe einige Tage. Ich bin dann zu diesem Freund von meinem Onkel gekommen, sie haben Medikamente geholt, genommen und einige Tage später ging es mir besser. Mein Onkel gab mir 2000 USD. Er hat mir einen Schlepper organisiert. Wegen der Familie meines Ehemannes und der Al Shabaab verließ ich meine Heimat.

Anmerkung: AW kritzelt während der Schilderung Ihrer Fluchtgeschichte nebenbei auf ein Blatt Papier.

F: Gibt es noch andere Gründe, warum Sie Somalia verlassen haben?

A: Nein, das ist alles.

F: Was würden Sie konkret erwarten, wenn Sie jetzt in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

A: Wenn die Al Shabaab erfährt, dass ich in die Heimat zurückgekommen bin, werden sie mich töten. Auch die Familie will mich töten.

Es wird rückübersetzt. Ast wird aufgefordert genau aufzupassen und sofort bekannt zu geben, wenn etwas nicht korrekt sein sollte bzw. er noch etwas zu ergänzen hat.

Nach erfolgter Rückübersetzung gebe ich an, dass alles korrekt protokolliert wurde.

F: Welche Clans gibt es in Beledweyne?

A: Am meisten Hawadle. Die gibt es am meisten und es ist der stärkste Clan.

F: Gibt es Madhibaan in Beledweyne?

A: Ja, aber nicht viele.

F: Kannten Sie die Familie Ihres Ehemannes?

A: Vom Sehen kannte ich sie, wir haben keine Beziehung gehabt.

F: Wann und wo haben Sie Ihren Ehemann kennengelernt?

A: Wir haben uns in Beledweyne kennengelernt. Anfang 2015 lernten wir uns kennen. Nachgefragt ich bin gerade im Markt einkaufen gewesen und war am Nachhauseweg. Wir haben uns an einer Straße getroffen.

F: Wie kann ich mir den weiteren Verlauf Ihrer Beziehung vorstellen?

A: Ich habe ihm gesagt, wo ich genau wohne und er besuchte mich direkt zuhause.

F: Wann hat Ihr Ehemann erfahren, dass Sie den Madhibaan angehören?

A: Wir haben uns verliebt als er mich gefragt hat welchem Clan ich angehöre. Nachgefragt das war im Februar 2015.

F: Wann hat er seine Familie erzählt, dass er vorhat, Sie zu heiraten?

A: Das war auch im Februar.

V: Warum soll ein Angehöriger des Hawiye Clans ein Mädchen des Madhibaan Clans heiraten?

A: Wir haben uns verliebt und Liebe ist stärker.

F: Wann hat Ihr Ehemann seiner Familie von der Heirat erzählt?

A: Anfang Juli 2015.

V: Aus welchem Grund hat er seiner Familie davon berichtet? Immerhin wusste er, dass sie dagegen waren.

A: Er hat gedacht, weil wir bereits verheiratet waren, dass sie uns dann in Ruhe lassen. Er hat nie gedacht, dass es so enden wird.

F: Wann kam es zu dem Streit Ihres Ehemannes und seines Vaters?

A: Das war alles am selben Tag, das war im Juli. Als er es erzählt hatte, passierte es.

F: Woher wussten Sie davon?

A: Am Abend kam er zu mir nachhause und er erzählte mir alles. Mit gebrochenem Arm.

F: Mit welchem Gegenstand wurde er geschlagen?

A: Mit einem Holzgegenstand.

F: Wo fand dieser Streit statt?

A: Bei ihm zuhause.

F: Zu welchem Freund ging Ihr Ehemann?

A: Sein Freund. Nachgefragt er heißt XXXX . Nachgefragt er lebt auch in Beledweyne.

F: Woher kannte die Familie Ihres Ehemannes den Arbeitsplatz Ihres Vaters?

A: Mein Ehemann hat die ganzen Informationen seiner Familie weitergegeben, meine Clanzugehörigkeit und auch, dass mein Vater als Schuhmacher arbeitet.

F: Wann suchten sie den Arbeitsplatz Ihres Vaters auf?

A: Auch im Juli.

F: Warum hatte Ihr Vater Angst vor dieser Familie?

A: Mein Vater gehörte einer Minderheit und hatte niemanden, der ihn schützen kann.

F: Wann kam es zu der Streiterei zwischen Ihrem Vater und diesen Männern?

A: Am 25.07. war der Tag des Streits und auch der Tag, an dem mein Vater umgebracht wurde.

F: Wo befand sich die Arbeitsstelle Ihres Vaters?

A: Das war im Markt und das war nicht so weit von uns. Das ist an einer Stelle, wo nur Schuhmacher und Schmiede arbeiten.

F: Um wen handelte es sich bei den Männern, die Ihren Vatern umgebracht haben sollen?

A: Der Vater von meinem Ehemann und seine Cousins. Aber keiner weiß es genau, wer meinen Vater umgebracht hat.

F: Waren Sie bei diesem Vorfall anwesend?

A: Nein.

F: Wann und wo wurde Ihr Vater beerdigt?

A: In Beledweyne. Nachgefragt in der Stadt gibt es einen Friedhof und dort wurde er beerdigt. Das ist am Stadtrand. Nachgefragt am nächsten Tag wurde er beerdigt.

F: Wer war bei der Beerdigung anwesend?

A: Mein Onkel mütterlicherseits. Nachgefragt mein Onkel und seine Freunde. Frauen dürfen nicht bei der Beerdigung dabei sein, nur Männer.

F: Welche Krankheit hatte Ihre Mutter?

A: Als die Leiche meines Vaters nachhause gebracht wurde, hatte sie einen Schock und war durcheinander.

F: An welchem Tag ereignete sich der Vorfall mit den zwei Schwestern Ihres Ehemannes am Markt?

A: Das war Anfang August 2015.

F: Wie oft wurden Sie geschlagen?

A: Zweimal. Nachgefragt sie haben mich zweimal geschlagen und mich einmal an den Haaren gezogen und auf den Boden geworfen.

V: Woher sollen die Schwestern Ihres Ehemannes gewusst haben, dass Sie sich zu dieser Zeit dort aufhalten? Immerhin arbeitete normalerweise Ihre Mutter dort.

A: Sie waren zufällig dort und wollten was einkaufen.

F: Wann gingen Sie in das Geschäft einkaufen?

A: Das war auch im August 2015.

F: Um welches Geschäft handelte es sich?

A: Ein Lebensmittelgeschäft war das, ich wollte gerade Zucker kaufen.

F: Waren Sie verschleiert?

A: Nein, sonst hätten sie mich nicht erkannt.

V: Woher wollen Sie wissen, dass es sich um die Schwestern Ihres Ehemannes gehandelt haben soll. Schließlich schilderten Sie zuvor, dass diese verschleiert gewesen sein sollen und Sie aufgrund gemahlener Pfefferonis nicht sehen konnten.

A: Am Anfang habe ich nicht gemerkt, dass es sie sind, aber als ich eingekauft habe und am Nachhauseweg war. Sie warteten auf mich und eine hat den Schleier nach hinten geworfen, so habe ich das gesehen. Wenn sie eine Waffe an dem Tag gehabt hätten, hätten sie mich umgebracht. Sie haben nicht damit gerechnet, dass sie mir begegnen.

F: Warum hat sich die Al Shabaab bei Ihrer Ehe eingemischt?

A: Die sind gegen diese heimliche Heirat. Es müssen die Eltern beiderseits einverstanden sein. Und ansonsten gilt es nicht.

F: Wer waren die älteren Frauen, die Ihnen geholfen haben sollen?

A: Das waren ältere Damen, die in dieser Gegend gewohnt haben.

F: Wie lange ist der Fußweg zwischen dem Markt und Ihrer Wohnung?

A: 10 Minuten Fußweg.

F: Wie lange ist der Fußweg zwischen dem Geschäft und Ihrer Wohnung?

A: Das ist sogar näher als der Markt.

F: Woher sollen die älteren Frauen gewusst haben, wo Sie leben?

A: Sie waren nicht direkte Nachbarn, aber sie wohnten in der Umgebung. Sie wussten wo ich wohne.

F: Wie und wann hat die Al Shabaab von Ihrer Ehe erfahren?

A: Das kann ich nicht erklären, ich habe nur erfahren, dass sie Bescheid wissen. Mehr nicht.

F: Wann haben Sie erfahren, dass sie Bescheid wissen?

A: Ende August. Nachgefragt 2015.

F: Wann kamen Sie mir Ihrem Ehemann in das Haus des Onkels?

A: Als Al Shabaab erfahren haben, dass sie nach uns suchen. Sind ich und mein Ehemann zum Onkel gezogen. Nachgefragt das war Ende August.

F: Wo befand sich das Haus?

A: In einem anderen Bezirk. Nachgefragt XXXX .

F: Woher soll jemand gewusst haben, dass Sie sich in diesem Haus aufhalten?

A: Sonst hatte ich keine weiteren Verwandte. Wenn ich nicht zuhause bin, bin ich bei meinem Onkel.

F: Wann kamen Sie in das Zimmer Ihres Onkels?

A: September. Nachgefragt am 05. Nachgefragt 2015.

F: Wie lange blieben Sie dort?

A: Eine Nacht und in der zweiten Nacht wurden wir überfallen.

F: Wie viele Männer kamen dorthin?

A: Draußen standen andere. Ich habe Stimmen gehört. Drinnen würde ich sieben Männer schätzen.

F: Woher wussten Sie, dass es sich bei diesen Männern um die Al Shabaab handelt?

A: Sie waren maskiert und sie haben uns gesucht, das hat meine Mutter auch gesagt.

F: Von wem wurden Sie geschlagen?

A: Einer von diesen Männern.

F: Wie oft wurden Sie geschlagen?

A: Paar Mal. Bis dass ich dann zusammengebrochen bin.

F: Haben Sie Narben von diesen Vorfällen davongetragen?

A: Ich habe keine sichtbare Narbe oder Wunde. Aber damals war ich überall geschwollen und hatte blaue Flecken. Als er mir dann auf die Brust geschlagen hat, bin ich bewusstlos geworden.

F: Mit was wurden Sie auf die Brust geschlagen?

A: Fußtritt.

F: Wie lange waren Sie etwa bewusstlos?

A: Am Abend sind sie zu uns gekommen und die restliche Nacht. Am nächsten Tag am morgen bin ich aufgewacht.

F: Wann holte Sie der Freund Ihres Onkels?

A: Als ich aufwachte kam mein Onkel zu mir und gleich danach hat er ihn angerufen. Nachgefragt am Abend passierte dieser Vorfall und dann am nächsten Tag war das.

F: Wielange blieben Sie bei dem Freund Ihres Onkels?

A: Drei Tage.

F: Wo befand sich dessen Wohnung?

A: Der wohnte nicht weit weg von meinem Onkel. Nachgefragt die waren nicht weit außeinander, ich würde schätzen 5 Minuten. Fußweg.

F: Hat es, außer bei Ihrer Eheschließung eine Rolle gespielt, dass Sie im Clan Madhibaan sind?

A: Ja, weil ich einen Mann geheiratet habe der einem großen Clan angehört.

F: Als Ihr Mann um Ihre Hand angehalten hat, war Ihnen dabei nicht bewusst, dass es dabei Probleme geben könnte?

A: So schlimm hätte ich nie gedacht, dass es werden wird.

[…]

4. Mit Bescheid vom 21.12.2017, wies die belangte Behörde den Antrag der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde ihr der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Somalia zuerkannt (Spruchpunkt II.) und der BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.).

Das BFA stellte fest, dass die Identität der BF mangels Vorlage eines Identitätsdokumentes nicht feststehe. Sie sei Staatsangehörige von Somalia und bekenne sich zum sunnitischen Islam. Ihre Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Madhibaan habe nicht festgestellt werden können. Ebenso habe nicht festgestellt werden könne, dass die BF verheiratet sei. Es habe ebenso nicht festgestellt werden können, dass die BF in Somalia aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit oder aufgrund ihrer angegebenen Clanzugehörigkeit verfolgt werde. Die von ihr vorgebrachte persönliche Verfolgung und Bedrohung durch die Familienmitglieder ihres behaupteten Ehemannes und der Al Shabaab sei nicht glaubwürdig.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass der BF essentielles Wissen über den Clan der Madhibaan fehle. Sie habe etwa wahllos einige Berufe genannt und habe sie auch die alternativen Namen der Madhibaan wie „Gabooye“ oder „Midgaan“ nicht genannt. Die BF habe ihre Fluchtgeschichte vollkommen unbeteiligt geschildert und nebenbei gelangweilt auf ein Blatt Papier gekritzelt. Auch hätten sich einige Ungereimtheiten ergeben. So sei nicht nachvollziehbar, dass der angebliche Ehemann die BF mehrmals besuchen gekommen sein soll, die Eltern der BF dies aber nicht germerkt haben wollen. Weiters sei nicht logisch, warum der Vater der BF – trotz Todesdrohung – am nächsten Tag seelenruhig wieder zur Arbeit gegangen sei. Völlig unlogisch sei weiters, dass die BF genau angeben habe können, was bei der Ermordnung des Vaters genau geschehen bzw. besprochen worden sei, dies obwohl die BF – laut ihren eigenen Angaben – gar nicht anwesend gewesen sei. Auch sei nicht nachvollziehbar, weshalb die BF nach der Ermordung des Vaters auf den Markt und dann – nach einem Überfall auf die BF selbst – wieder zum einkaufen gegangen sei, sondern wäre eher zu erwarten, dass sich die BF danach bedeckt hält. Weiters habe die BF ausgeführt, dass man ihr gemahlene Pfefferoni von einer Straßenverkäuferin in die Augen geworfen habe, woher die BF dies wissen könne, sei nicht nachvollziehbar. Seltsam sei auch, dass die beiden Angriffe in der Öffentlichkeit stattgefunden haben sollen bzw. die BF von den Schwestern überhaupt erkannt worden sei, zumal ja keine Beziehung zwischen den beiden Familien bestanden habe. Unlogisch sei weiters, dass der angebliche Ehemann der BF sie nach den beiden Vorfällen weiter besucht habe und die BF somit erneut in Gefahr gebracht habe. Auch die Angaben der BF, wonach ihr Onkel extra einen Unterschlupf gebaut habe, erscheine unnötig kompliziert und sei ebenso nicht nachvollziehbar, wie die Al Shabaab die BF so schnell im neuen Versteck habe ausfindig machen können. Schwer nachvollziehbar sei weiters, dass die BF bis zum nächsten Morgen in Ohnmacht gefallen sein will bzw. die Al Shabaab sich nicht vergewissert habe, dass die BF tatsächlich tot sei. Für das BFA waren auch die Angaben der BF betreffend das Kennenlernen ihres angeblichen Ehemannes nicht plausibel, zumal dies für eine unverheiratete muslimische Frau nicht denkbar sei. Weiters sei nicht plausibel, dass die Familie des Ehemannes, welche laut Angaben der BF seit Februar 2015 von der Hochzeit gewusst habe, es auf eine heimliche Hochzeit ankommen habe lassen und erst ein halbes Jahr später aktiv geworden sei. Diesbezüglich sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb der Ehemann seiner Familie dann überhaupt von der heimlichen Hochzeit erzählt habe, zumal er ja wissen habe müssen, dass seine Familie nicht sehr erfreut sein werde. Aus dem Bericht der Fact Finding Mission Somalia – Clans der Staatendokumentation gehe hervor, dass Mischehen sehr selten vorkommen würden. Mehrheitsclans würden Mischehen zwar nicht akzeptieren, es komme jedoch so gut wie nie zu Gewalt oder gar zu Tötungen. Häufig komme aber vor, dass die Familienangehörigen des Mehrheitsclans die betroffene Person verstoßen, diese nicht mehr besuchen bzw. den Kontakt abbrechen. Auch das Interesse der Al Shabaab sei nicht erklärlich, zumal sich die Stadt Beledweyne laut einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation seit 2011 nicht mehr unter der Kontrolle der Al Shabaab befinde. Insgesamt sei somit unzweifelhaft, dass die behauptete Bedrohungssituation der BF nicht den Tatsachen entsprechen könne und es sich um eine konstruierte Fluchtgeschichte handle.

Hinsichtlich der Zuerkennung subsidiären Schutzes wurde ausgeführt, dass Gründe für die Annahme bestehen würden, dass für die BF einer Rückkehr eine nicht ausreichende Lebensgrundlage bestehe. Sie könne bei einer Rückkehr nach Somalia vermutlich mit keinem sozialen oder wirtschaftlichen Auffanggnetz seitens ihrer Angehörigen rechnen und werde sie sich angesichts ihrer mangelnden Ausbildung und Berufserfahrung nicht selbst versorgen können. Ihre männlichen Angehörigen seien tot und müsse davon ausgegangen werden, dass sie im Falle einer Rückkehr nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit den notdürftigsten Lebensunterhalt erwirtschaften können werde, da primär die Kernfamilie als sozialer Rückhalt diene und der Aufenthaltsort dieser im Augenblick unbekannt sei. Auch eine IFA sei in Somalia nicht möglich, da die BF nach heutigem Wissenstand anderorts keine Familienanbindung habe und ihr Clan unbekannt sei.

5. Gegen Spruchpunkt I. wurde fristgerecht eine Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften erhoben. Es wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass sich die Behörde mit Unwichtigkeiten und angeblichen Widersprüchlichkeiten beschäftigt habe, welche in Bezug auf das Fluchvorbringen nicht von Relevanz seien. Die Erstbefragung habe sich auch nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen. Die Dolmetscherin der Erstbefragung habe die BF auch angewiesen, eine kurze Zusammefassung zu machen, was die BF auch getan habe. Die BF habe somit erst in der niederschriftlichen Einvernahme die Möglichkeit bekommen ihre Fluchtgründe detailliert auszuführen, was die BF auch getan habe. Die Aussagen in der Erstbefragung und der Einvernahme vor der Behörde würden sich inhaltich auch decken. Das gesamte Fluchtvorbringen sei schlüssig und konsistent. Die geringfügigen Abweichungen der Fluchtgeschichte würden von der Glaubwürdigkeit der BF zeugen, da sie ansonsten alles eins zu eins wiedergegeben hätte. Die BF sei auch in der Lage gewesen die wichtigsten Berufe der Madhibaan zu nennen. Dass sie einige Details nicht gewusst habe, sei nicht weiter von Belang, da nicht jede Person ein umfassendes Grundwissen über seinen eigenen Clan besitze. Die Recherchen der Behörde bezüglich der Mischehen bzw. der Madhibaan seien völlig verfehlt und werde dazu auf Anfragebeantwortungen zu Somalia aus dem Jahr 2014/2013 betreffend den Clan der Gaboye hingewiesen. Demnach würde es sehr wohl auch zu Tötungen oder körperlichen Misshandlungen bei Eingehen einer Mischehe kommen. Die BF könne sich als Angehörige der Madhibaan auch nicht an den Schutz der Polizei oder der Gerichte wenden. Die Angst der BF vor einer Verfolgung bzw. Tötung durch die Familie des Ehemannes bzw. auch durch Al Shabaab sei sohin begründet und nachvollziehbar. Die Fluchtgeschichte sei glaubwürdig und sei der BF Asyl zu gewähren. Hinzu komme, dass die BF in Somalia als alleinstehende Frau ohne männliche Verwandte dem enorm hohen Risiko einer sexuellen Ausbeutung durch die Al Shabaab ausgesetzt sei. Auch diesen Umstand habe die Behörde völlig missachtet bzw. jegliche Ermittlungsschritte hinsichtlich der Lage alleinstehender Frauen in Somalia unterlassen.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 13.11.2020 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Somalisch und im Beisein der Rechtsvertreterin des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt entschuldigt nicht teilnahm. Die BF brachte in der Verhandlung wie folgt vor:

[…]
R: Haben Sie bis zu Ihrer Ausreise in Beledweyne gelebt?
BF: Ja.
[…]
R: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Mutter?
BF: Nein.
R: Wann hatten Sie zuletzt Kontakt zu Ihrer Mutter?
BF: Es war Ende 2016.
R: Wie heißt Ihr Vater?
BF: Er heißt XXXX .
R: Was ist mit Ihrem Vater passiert? Wo lebt er?
BF: Mein Vater ist getötet worden. Die Familie meines Mannes hat meinen Vater getötet.
R: Wann wurde Ihr Vater getötet?
BF: Am XXXX .
R: Haben Sie gesehen, wie Ihr Vater getötet wurde?
BF: Nein.
R: Wo wurde er getötet?
BF: An seinem Arbeitsplatz.
R: Wo war sein Arbeitsplatz?
BF: Es war nicht weit weg von uns zu Hause. Es gab dort einen kleinen Markt, wo man die Schuhe näht.
R: Haben Sie noch Geschwister?
BF: Ja, ich habe drei Brüder und eine Schwester.
[…]
R: Wie viel wurde für die Reise nach Europa bezahlt?
BF: 2.000 USD.
R: Wer hat das bezahlt? Wer hatte so viel Geld?
BF: Mein Onkel ms.
[…]
R: Wo lebt Ihre Mutter mit Ihren Geschwistern?
BF: Ich weiß nicht, wo sie momentan leben. Aber beim letzten Kontakt hat meine Mutter mir erzählt, dass sie von Beledweyne weggehen wollten.
R: Hat Ihre Mutter Geschwister?
BF: Ja, sie hat nur einen Bruder und der ist verstorben.
R: Hat Ihr Vater Geschwister?
BF: Nein.
[…]
R: Sie haben gesagt, Sie haben einen Ehemann. Wo befindet sich dieser derzeit?
BF: Ich weiß nicht, wo er momentan aufhältig ist.
R: Wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt zu Ihrem Ehemann?
BF: Als wir die Probleme bekommen haben und die Al Shabaab (AS) zu uns kam. Die AS haben uns geschlagen.
R: Wann war dieser letzte Kontakt?
BF: Es war am 06.09.2015.

R: Was war am 06.09.2015?
BF: In dieser Nacht waren ich und mein Mann in einem Haus, das meinem Onkel gehörte.
R: Und am 06.09.2015 haben Sie Ihren Ehemann zum letzten Mal gesehen?
BF: Ja.
R: Wann haben Sie geheiratet?
BF: Am XXXX .
[…]
R: Welche Städte und Dörfer haben Sie passiert, um nach Adis Abeba zu gelangen?
BF: Ich erinnere mich nicht, weil ich diese Städte und Dörfer nicht gekannt habe. Ich erinnere mich nur an Adis Abeba, weil ich mich dort fünf Tage aufgehalten habe.
[…]
R: Wie heißt Ihr Ehemann?
BF: Er heißt XXXX .
R: Wie alt ist er derzeit?
BF: Ich glaube er ist 25 Jahre alt.
R: Was war der Grund, dass Sie Ihr Heimatland verlassen haben?
BF: Ich habe mein Heimatland verlassen, weil ich wegen meiner Clanangehörigkeit Probleme bekommen habe.
R: Welche Probleme hatten Sie?
BF: Ich habe meinen Mann kennengelernt. Wir haben uns auf der Straße kennengelernt. Er hat mich angesprochen und mich gefragt, wo ich wohne. Ich habe ihm meinen Bezirk genannt. Wir hatten eine Weile eine Beziehung. Er hat mich auch einige Male zu Hause besucht. Normalerweise, in der somalischen Tradition, wenn eine Frau und ein Mann eine Beziehung haben und sich verlieben, werden sie heiraten. Wir haben uns Anfang 2015 kennengelernt und er hat mir gesagt, dass er mich im Februar 2015 heiraten möchte.
R: Ist das nicht eine kurze Kennenlernzeit um zu heiraten?
BF: Ja, er wollte mich heiraten. Wir haben uns kennengelernt, uns verliebt und er hat mich gefragt, ob ich ihn heiraten will. Er wollte nicht, dass wir ewig eine Beziehung führen, er wollte mich heiraten.
R: Welchem Clan hat er angehört?
BF: Den Hawiye.
R: Hatten Ihre Eltern nichts gegen diese Heirat?
BF: Meine Eltern waren nicht dagegen. R: Was ist dann weiter passiert, wenn Ihre Eltern nichts dagegen hatten?
BF: Im Februar hat er mich gefragt, zu welchem Clan ich gehöre, weil es üblich ist, wenn zwei Menschen heiraten wollen, die in Somalia leben und heiraten wollen, dass man sich fragt, zu welchem Clan man gehört. Ich habe ihm gesagt, dass ich Madhiban bin und habe ihm alle Familieninformationen erzählt und er hat mir auch gesagt, zu welchem Clan er gehört. Er hat gesagt, er würde gerne mit seinen Eltern darüber reden, dass er mich heiraten will. Er ist zu seinem Vater gegangen und hat gesagt, dass er mich heiraten will. Sein Vater hat nach meinem Clan gefragt und er hat gesagt, dass ich eine Madhiban-Frau bin. Er hat seinem Vater die Informationen gesagt, die ich ihm gesagt hatte. Sein Vater war gegen unsere Heirat, weil er glaubte, dass Madhiban und Hawiye nicht heiraten dürfen.
R: Wann ist Ihr Ehemann zu seinem Vater gegangen und hat ihn über die Heirat unterrichtet?
BF: Es war im Februar.
R: Dann haben Sie trotzdem gegen den Willen seiner Eltern geheiratet?
BF: Ja, wir haben geheiratet, gegen den Willen der Eltern meines Ehemannes.
R: Haben Ihre Eltern gewusst, dass Sie geheiratet haben?
BF: Nein, meine Eltern haben es noch nicht gewusst.
R: Wann haben seine Eltern erfahren, dass er Sie geheiratet hat?
BF: Im siebenten Monat.
R: Welcher Monat war das?
BF: Im Juli 2015.
R: Wie war es möglich, diese Heirat so lange zu verheimlichen?
BF: Mein Mann hat mir gesagt, wenn wir unsere Heirat eine Weile verheimlichen, könnte es sein, dass seien Eltern später erlauben, dass wir zusammenleben.
R: Wann haben Ihre Eltern erfahren, dass Sie geheiratet haben?
BF: Auch im Juli.
R: Warum haben es Ihre Eltern so spät erfahren, diese hatten doch nichts gegen die Heirat?
BF: Mein Mann hat gesagt, dass wir zuerst seine Familie informieren, weil sie gegen die Heirat sind und erst dann meine Familie.
R: Als Ihre Eltern gewusst haben, dass Sie beide geheiratet haben, welche Probleme sind dann entstanden?
BF: Der Vater meines Mannes und dessen Bruder sind zu meinem Vater gegangen. Er war an seinem Arbeitsplatz. Sie haben zu meinem Vater gesagt, dass ich und sein Sohn geheiratet haben. Die Männer haben meinen Vater bedroht und ihn beschuldigt, dass er schon wusste, dass wir geheiratet haben. Mein Vater hat gesagt, dass er überhaupt nicht weiß, was passiert ist. Der Vater von meinem Mann hat zu meinem Vater gesagt, dass ihm sein Sohn erzählt hat, dass er seine Tochter geheiratet hat. Mein Vater hat zu den Männern gesagt, dass er überhaupt nicht weiß, ob ich geheiratet habe oder nicht. Er hat gesagt, er würde mich fragen, ob das stimmt oder nicht.
R: Hat Sie Ihr Vater dann gefragt, ob Sie geheiratet haben oder nicht?
BF: Ja, als er am Abend nach Hause kam hat er mich gefragt.
R: Bis zu dem Zeitpunkt haben Sie weder Ihrer Mutter, noch Ihrem Vater oder den Geschwistern gesagt, dass Sie geheiratet haben?
BF: Nein, bis dahin nicht.
R: Es ist mir unverständlich, warum Ihre Eltern erst so spät erfahren haben, dass Sie geheiratet haben. Diese hatten doch nichts gegen diese Heirat.
BF: Ich und mein Mann wollten, dass zuerst seine Familie informiert wird und dann erst meine.
R: Ich verstehe nicht warum Ihre Eltern erst so spät informiert wurden.
BF: Wir haben entschieden, dass zuerst seine Familie informiert wird und dann mein.
R: Was hat Ihr Vater gemacht, nachdem Sie ihm erzählt haben, dass Sie heimlich geheiratet haben?
BF: Als ich ihm gesagt habe, dass ich geheiratet habe, war er schockiert und hat mich gefragt, warum ich ihn nicht vorher informiert habe.
R: Was war dann?
BF: Ich habe meinem Vater erklärt, was mein Mann und ich vereinbart hatten, dass wir zuerst seine Familie informieren wollten und dann erst meine.
R: Was ist dann weiter passiert?
BF: Als ich das meinem Vater erzählt habe, war er schockiert. Mein Vater hatte Bluthochdruck und Diabetes. Er hat mir erzählt, was an diesem Tag an seinem Arbeitsplatz geschehen ist, dass der Vater meines Mannes und dessen Bruder ihn bedroht haben. Mein Vater hat mir nicht alles erzählt, was die Männer zu ihm gesagt haben. Er hat mir gesagt, dass sie eine Antwort bis morgen haben wollen.
R: Sind der Vater und der Onkel Ihres Ehemannes zu Ihrem Vater gegangen und haben sie diesen gefragt, ob Sie geheiratet haben?
BF: Ja.
R: Was war dann?
BF: Ich habe gehört, dass die zwei Männer und mein Vater gestritten haben. Einer von denen hatte ein Messer und er hat meinen Vater erstochen.
R: Wieso sollte Ihr Vater erstochen werden?
BF: Weil sie sich gestritten haben? Sie haben meinen Vater beschuldigt, bereits gewusst zu haben, dass ich und mein Mann geheiratet haben.
R: Wie haben Sie davon erfahren, dass Ihr Vater erstochen wurde?
BF: Als mein Vater erstochen wurde, ist er auf den Boden gefallen und seine Leiche wurde zu uns nach Hause gebracht.
R: Was war danach?
BF: Ich, meine Geschwister und meine Mutter waren zu Hause. Wir waren alle schockiert. Es war der schlimmste Tag meines Lebens.
R: Es fällt auf, dass Sie die Fluchtgeschichte fast wortwörtlich wiedergeben wie vor dem Bundesamt, wie auswendig gelernt.
BF: Es ist meine Geschichte. Ich kann mein Schicksal nicht so einfach vergessen. Ich habe nicht studiert. Als ich dieses Schicksal erlebt habe, war ich sehr jung.
R: Es geht nicht um das Schicksal, es geht um Ihre Wortwahl und Ihre einstudierten Sätze.
BF: Ich habe es nicht einstudiert.
[…]
R: Wer hat die Leiche Ihres Vaters zu Ihnen nach Hause gebracht?
BF: Die anderen Leute, die dort gearbeitet haben, haben seine Leiche zu uns gebracht.
R: Sind Sie persönlich von Ihrem Schwiegervater angegriffen oder bedroht worden?
BF: Persönlich habe ich ihn nicht gesehen.
R: Wieso sind Sie dann ausgereist, wenn Sie Ihren Schwiegervater nicht gesehen haben?
BF: Es gab Schwestern von meinem Ehemann, die wollten mich töten. Sie haben zwei Mal versucht, mich zu töten. Einmal war ich am Markt. Beim zweiten Mal wollte ich in einem Geschäft etwas kaufen. Sie haben mich auf dem Weg getroffen und wollten mich töten.
R: Wieso wollen seine Schwestern Sie töten?
BF: Weil der Vater meines Ehemannes sie damit beauftragt hat, mich zu töten.
R: Wäre es nicht naheliegender gewesen, dass der Vater Ihres Ehemanns Sie tötet und nicht die Schwestern Ihres Ehemannes?
BF: Er wollte mich auch selber töten, aber ich habe seine Töchter zwei Mal gesehen und sie wollten mich beide Male töten. R: Wie viel Zeit ist vergangen, als Sie nach dem Tod Ihres Vaters diese beiden Schwestern getroffen haben?
BF: Ein paar Tage. Mein Vater ist im Juli erstochen worden und die Frauen sind im August zu mir gekommen.
R: Sie haben diese beiden Frauen auf dem Markt getroffen und auch als Sie einmal etwas in einem Geschäft kaufen wollten. Diese beiden Frauen sind nicht zu Ihnen nach Hause gekommen.
BF: Ich habe nur von Nachbarn gehört, dass sie in der Nähe unseres Hauses waren, aber zu uns nach Hause sind sie nicht gekommen.
R: Wäre es nicht naheliegend gewesen, dass diese beiden Frauen, nämlich die Schwestern zu Ihnen nach Hause gekommen wären, wenn diese den Auftrag hatten, Sie zu töten, anstatt auf der Straße auf Sie zu warten?
BF: Bei mir zu Hause war ich nie allein. Sie wollten mich alleine töten.
R: Wo war Ihr Ehemann während dieser Zeit?
BF: Er war bei seinem Freund.
R: Ihr Ehemann hat die ganze Zeit bei seinem Freund gelebt?
BF: Ja, er hat sich mit seiner Familie gestritten.
R: Von wann bis wann hat Ihr Ehemann bei diesem Freund gelebt?
BF: Seitdem er erzählt hat, dass wir geheiratet haben, haben sich mein Vater und er gestritten und ab da hat er bei seinem Freund gelebt.
R: Wie lange hat er bei seinem Freund gelebt?
BF: Bis zum August.
R: Wo hat dieser Freund gelebt?
BF: In Beledweyne, im Bezirk XXXX .
R: Warum hat er nicht bei Ihnen gewohnt? Ihre Eltern hatten nichts gegen diese Heirat?
BF: Ich hatte keine eigene Wohnung. Wir hatten nicht ausreichend Platz.
R: Wie hat der Freund Ihres Ehemannes geheißen, bei dem er gewohnt hat?
BF: XXXX , das ist sein Vorname. Den Nachnamen kenne ich nicht.
R: Wann war dann der auslösende Moment, dass Sie Somalia verlassen haben?
BF: Ich habe mich Anfang September entschieden, Somalia zu verlassen.
R: Ihr Vater wurde im Juli umgebracht. Wieso sind Sie erst so spät, nämlich im September, aus Somalia ausgereist?
BF: Aus finanziellen Gründen konnte ich nicht so schnell flüchten.
R: Wer hat Ihnen das Geld gegeben?
BF: Mein Onkel.
R: Woher hatte Ihr Onkel so viel Geld?
BF: Er hatte ein Grundstück und er hat es verkauft.
R: Was hat Ihr Ehemann gearbeitet?
BF: Er hat nicht gearbeitet.
R: Wieso nicht?
BF: Er hat bei seiner Familie gelebt.
R: Wieso hat er nicht geholfen, den Lebensunterhalt zu verdienen?
BF: Sein Vater war ein wohlhabender Mann und er musste nicht arbeiten gehen.
[…]
R: Was hat Ihr Schwiegervater gearbeitet?
BF: Er hatte mehrere Lager, wo man Lebensmittel verkauft.
R: Können Sie mir den ersten Vorfall mit den Schwestern näher beschreiben? Was ist da passiert?
BF: Es war ein Vormittag. Als mein Vater getötet wurde, ist meine Mutter krank geworden, sie konnte nicht mehr arbeiten gehen. Ich habe ihre Arbeit übernommen und wollte die Ware zum Markt bringen. Auf diesem Markt hat man Fleisch und Gemüse verkauft. Die beiden Mädchen waren auch auf dem Markt und wollten was einkaufen. Sie haben mich zuerst gesehen und sind zu mir gekommen. Ich war alleine und sie waren zu zweit. Sie haben mich an den Haaren gerissen und mich geschlagen und mich im Gesicht gekratzt. Die Leute, die am Markt waren sind dazwischen gegangen.
R: Haben Sie die zwei Schwestern zuvor gekannt?
BF: Ich habe sie gekannt, aber nicht persönlich.
R: Wie kann ich jemanden kennen, aber nicht persönlich?
BF: Ich habe beide Mädchen gesehen, aber wir waren nicht befreundet und nicht bekannt.
R: Wo haben Sie die beiden Mädchen gesehen?
BF: Wir haben in der gleichen Stadt gewohnt und mein Ehemann hat mir erzählt, dass diese beiden Mädchen seine Schwestern sind.
R: Wie heißen diese beiden Mädchen?
BF: Eine heißt XXXX und die andere XXXX .
R: Wie war der zweite Vorfall mit den Schwestern?
BF: Beim zweiten Mal wollte ich in einem Geschäft, das nicht weit weg von mir zu Hause war, etwas kaufen. Beide Mädchen waren drinnen im Geschäft. Sie hatten einen Nika auf und ich konnte ihr Gesicht nicht sehen. Sie haben mich erkannt und haben draußen auf mich gewartet. Ich habe Zucker und etwas Anderes im Geschäft gekauft und bin rausgegangen. Es gab eine Frau, die vor dem Geschäft saß und dort Süßigkeiten und Scharfes verkaufte.
R: Was meinen Sie mit „Scharfes“?
BF: Das isst man am Nachmittag in Somalia normalerweise.
R: Wie heißt das?
BF fragt die D, ob sie das in Somalia gesehen hat?
R: Das müssen Sie doch selber wissen, wenn Sie in Somalia waren.
BF: Es ist normal, dass die Leute das in Somalia am Nachmittag essen. Es ist eine Beilage für Sambusa.
R: Was ist es dann genau?
BF: Es ist scharf, Wasser, Zitrone, man mischt alles zusammen. Das ist eine Beilage. Es heißt Basbas.
R: Was ist mit dieser Basbas passiert?
BF: Als ich rausgekommen bin, haben sie das Basbas in mein Gesicht geschüttet.
R: War das auch heiß?
BF: Ja, es war sehr heiß und ich konnte nichts mehr sehen.
R: Was ist dann geschehen?
BF: Sie haben mich geschlagen, mich am Kleid gezogen, mein Gesicht auf den Boden gedrückt, mich stark geschlagen. Ich konnte nicht entkommen, weil ich nichts mehr gesehen habe. Ich habe geschrien, und zwei Frauen, die auf der Straße waren, sind dazwischen gegangen.
R: Sind die beiden Schwestern dann davongelaufen?
BF: Am Anfang wollten sie nicht so einfach gehen. Sie haben weiterhin versucht mich zu schlagen. Die Frauen haben mir geholfen, mich zu wehren. Eine hat mir einen Schal gegeben. Dann sind die zwei Mädchen weggegangen.
R: Wieso haben Sie einen Schal bekommen?
BF: Weil mein Kleid zerrissen war.
R: Sind Sie dann nach Hause gegangen?
BF: Ich konnte nichts mehr sehen, weil meine Augen verbrannt waren und ich hatte starke Kopfschmerzen. Eine der Frauen hat mich zu sich nach Hause gebracht. Die Dame wohnte nicht weit weg von uns. Sie hat mich zu mir nach Hause begleitet.
R: Zuerst hat diese Frau Sie zu sich nach Hause gebracht und dann hat sie Sie nach Hause gebracht? Stimmt das so?
BF: Die Dame hat mich nach Hause begleitet und nicht zu ihr nach Hause gebracht.
R: Dann waren Sie zu Hause. Was ist dann passiert?
BF: Meine Mutter hat mir empfohlen, dass ich nie wieder hinausgehe und zu Hause bleibe.
R: Wie lange waren Sie dann zu Hause?
BF: Ich bin zu Hause geblieben. Ich habe die beiden Mädchen nie wiedergesehen.
R: Wie viele Tage oder Wochen sind Sie zu Hause geblieben, bevor Sie ausgereist sind?
BF: Den ganzen August war ich zu Hause und bin nie hinausgegangen. Ende August kam mein Mann zu mir nach Hause. Ich war nicht alleine. Meine Mutter und mein Onkel waren auch zu Hause. Mein Mann hat mir erzählt, dass die AS erfahren hat, dass wir heimlich geheiratet haben.
R: Was hat die AS damit zu tun?
BF: Manche Familienangehörigen meines Mannes waren AS-Mitglieder.
R: Haben die AS-Mitglieder Sie persönlich bedroht?
BF: Ja, die AS-Männer sind zu mir nach Hause gekommen. Sie haben meinen Mann geschlagen und ihn mitgenommen und sie haben auch mich geschlagen.
R: Wie viele AS-Männer sind gekommen?
BF: Sieben Männer sind in die Wohnung gekommen. Manche sind draußen geblieben, ich weiß nicht, wie viele draußen waren.
R: Und ab dem Zeitpunkt haben Sie Ihren Ehemann nie wiedergesehen?
BF: Ja, ich weiß nicht, ob er noch am Leben ist oder nicht.
R: Sind die AS-Mitglieder dann wieder zu Ihnen gekommen?
BF: Nach drei Tagen habe ich das Land verlassen.
R: Woher wissen Sie, dass das AS-Mitglieder waren?
BF: Alle Männer waren vermummt und bewaffnet. Wenn man sie sieht bekommt man große Angst.
R: Waren diese AS-Männer mit Ihrem Ehemann verwandt?
BF: Sie waren vom gleichen Clan.
R: Was glauben Sie würde Ihnen passieren, wenn Sie nach Hause zurückkehren müssten?
BF: Ich würde viele Probleme bekommen. Erstens meine Clanangehörigkeit, zweitens wenn die Familie meines Ehemanns erfährt, dass ich wieder in Somalia bin und die AS hat mich sehr stark geschlagen und sie dachten, dass ich gestorben bin. Wenn sie wissen, dass ich am Leben bin, würden sie mich töten. Ich weiß nicht, wo meine Familie derzeit aufhältig ist. Mein Vater wurde getötet. Ich weiß nicht, ob mein Mann noch am Leben ist. Ich bin eine alleinstehende Frau und als solche dort leben. Ich kann nicht das gleiche Leben dort führen wie hier in Österreich, weil ich eine Midhgan Frau bin.
R: Wo waren Sie in den drei Tagen aufhältig?
BF: Mein Onkel hat mich zu seinem Freund gebracht, denn er dachte, wenn er mich zu sich nach Hause bringt, wird mich die AS dort auch suchen.
R: Wie lange waren Sie dann bei diesem Freund aufhältig?
BF: Drei Tage.
RV: In Ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt haben Sie angegeben, dass die AS Sie zu Hause besucht und bedroht hat, danach mussten Sie fliehen und der Onkel hat am Rande der Stadt für Sie ein Zimmer gebaut um sich zu verstecken. Sie haben sich dort mit Ihrem Ehemann versteckt. Möchten Sie etwas dazu angeben?
BF: Mein Onkel hat uns nicht ein Zimmer am Rande der Stadt gebaut, sondern ihm gehörte das Zimmer.
RV: Was passierte dort?
BF: Wir waren dort eine Nacht und am zweiten Tag kam die AS zu uns. Die AS sind mit Gewalt hereingekommen und haben gesagt: „In welcher Religion habt Ihr geheiratet“?
R: Was meinen Sie damit?
BF: Wir haben ohne Erlaubnis unserer Eltern geheiratet und die AS ist gegen geheime Heiraten.
R: Sie vermischen zwei Fluchtgründe.
BF: Ich erzähle nur, was ich erlebt habe. Die AS dachten, dass ich gestorben wäre.
R: Woher wissen Sie, was die AS sich gedacht hat?
BF: Als ich geschlagen wurde, bin ich ohnmächtig geworden und da haben sie gedacht, dass ich gestorben bin. Die Männer haben uns geschlagen mit Gewehrkolben. Sie haben mich auf der Brust getroffen, deshalb bin ich ohnmächtig geworden.
R: Wurden Sie zu einem Arzt gebracht?
BF: Als mein Onkel zu mir kam, hat er mir Medikamente mitgebracht.
R: Wohin ist die AS zu Ihnen gekommen? Zu Ihnen nach Hause oder in das Zimmer, das dem Onkel gehörte?
BF: Ich habe die AS nur einmal gesehen, da war ich im Zimmer meines Onkels.
R: Aber vorhin haben Sie mir mitgeteilt, dass die AS zu Ihnen nach Hause gekommen sei?
BF: Kann sein, dass die Dolmetscherin meine Aussprache nicht verstanden hat und falsch übersetzt hat.
D: Die BF spricht sehr klar die somalische Sprache und habe ich sie sehr wohl verstanden.
Die D erklärt der BF, dass sie jedes Wort, das sie spricht übersetzt.
[…]
Erörtert werden folgende Berichte:
- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Somalia, Stand 20.11.2019
- Landkarte von Somalia
- Auszug aus WIKIPEDIA und googlemaps Beledweyne
- Sicherheitslage in Somalia, ECOI-Net 28.08.2020
- Ausdruck betreffend Anzahl der Coronafälle in Somalia, Stand 30.09.2020
[…]
R: Sie haben gesagt, Sie haben sich im Zimmer Ihres Onkels versteckt?
F: Ja, er ist mein Onkel ms.
R: Wo befindet sich dieser Onkel derzeit?
BF: Er ist verstorben.
R: Wann ist er verstorben?
BF: Im Jahr 2016. Das genaue Datum weiß ich nicht. Meine Mutter hat mir gesagt, dass er im Jahr 2016 verstorben ist. Es war ein natürlicher Tod.
R: Wann hat Ihnen Ihre Mutter das gesagt?
BF: Als ich das letzte Mal mit ihr telefoniert habe. Das war Ende 2016.
R: Wo haben Sie sich zu diesem Zeitpunkt befunden?
BF: Ich war hier in Österreich, in Linz.
R: Wieso können Sie nicht mehr mit Ihrer Mutter telefonieren?
BF: Beim letzten Telefonat hat mir meine Mutter erzählt, dass sie von Beledweyne wegziehen will. Ich habe zwar versucht, aber ich konnte sie nicht mehr erreichen. Sie hat gesagt, dass sie sich melden würde.
[…]

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen;

1. Feststellungen:

1.1. Die BF ist eine Staatsangehörige von Somalia und stellte am 21.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Sie lebte in Somalia in der Stadt Beledweyne in der Region Hiraan und bekennt sich zum muslimischen Glauben (Sunnitin).

Die Clanzugehörigkeit der BF konnte nicht festgestellt werden. Es ist nicht glaubwürdig, dass die BF der Minderheitengruppe der Madhibaan angehört.

Die Identität der BF konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.

Die BF lebt in Österreich als subsidiär Schutzberechtigte.

Sie ist gesund.

Nicht festgestellt werden kann, dass die BF ihren Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte.

Es ist nicht glaubwürdig, dass die BF heimlich eine Mischehe mit einem dem Hawiye-Clan zugehörigen Mann eingegangen ist und sie deshalb einer Verfolgung/Bedrohung durch die Familie des Mannes bzw. durch die Al Shabaab ausgesetzt war.

Das erkennende Gericht geht davon aus, dass die BF über Verwandte in Somalia verfügt.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Somalia

Die Feststellungen zur Lage in Somalia stützen sich (auszugsweise) auf das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Gesamtaktualisierung: 17.09.2019), Sicherheitslage in Somalia, ecoinet 28.08.2020, Ausdruck betreffend Anzahl der Coronafälle in Somalia, Stand: 30.09.2020:

„(…)

2. Politische Lage

Hinsichtlich der meisten Tatsachen ist das Gebiet von Somalia faktisch zweigeteilt, nämlich in: a) die somalischen Bundesstaaten; und b) Somaliland, einen 1991 selbst ausgerufenen unabhängigen Staat, der international nicht anerkannt wird (AA 4.3.2019, S.5), aber als autonomer Staat mit eigener Armee und eigener Rechtsprechung funktioniert (NLMBZ 3.2019, S.7). Während Süd-/Zentralsomalia seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 immer wieder von gewaltsamen Konflikten betroffen war und ist, hat sich der Norden des Landes unterschiedlich entwickelt (BS 2018, S.4).

Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2018, S.5). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten (AA 5.3.2019b). Das Land hat bei der Bildung eines funktionierenden Bundesstaates Fortschritte erzielt (UNSC 15.5.2019, Abs.78), staatliche und regionale Regierungsstrukturen wurden etabliert (ISS 28.2.2019). Der

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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