TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/16 W111 2223268-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.09.2021
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Entscheidungsdatum

16.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §2 Abs3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs3
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs2
StGB §83 Abs1
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W111 2223268-2/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Dajani, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, vertreten durch: BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.05.2020, Zl. 732008504-190659748, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit rechtskräftigem Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 09.11.2007 wurde dem Beschwerdeführer, einem Staatsangehörigen der Ukraine, in Stattgabe seiner Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.11.2003 gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl gewährt und gemäß § 12 leg. cit. festgestellt, dass diesem damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. In der Entscheidungsbegründung wurde festgehalten, dass die Familie des Beschwerdeführers – jeweils aus eigenen asylrelevanten Gründen – insbesondere aufgrund ihrer eigenen Aktivitäten aktuell und intensiv bedroht wäre und die derzeitige Regierung keinen Schutz gegen diese Bedrohung biete.

2. Der Beschwerdeführer wurde in der Folge mit rechtskräftigen Urteilen inländischer Gerichte vom XXXX , vom XXXX , vom XXXX , vom XXXX , vom XXXX und vom XXXX wegen der Begehung unterschiedlicher Delikte, insbesondere solcher im Rahmen der Suchtgiftkriminalität, verurteilt.

3. Mit Aktenvermerk vom 02.07.2019 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten gegen den Beschwerdeführer ein und gewährte diesem mit Schreiben vom 03.07.2019 Parteiengehör, welches vom Beschwerdeführer am 05.07.2019 in der Justizanstalt übernommen wurde.

4. Mit Bescheid vom 26.07.2019 wurde dem Beschwerdeführer in Spruchteil I. der ihm mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 09.11.2007 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 idgF aberkannt. Gemäß § 7 Abs. 4 AsylG wurde festgestellt, dass diesem die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme. In Spruchteil II. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, weiters wurde ihm in Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Darüber hinaus wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 1 FPG idgF erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z „0“ FPG 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Zur Person des Beschwerdeführers wurde erwogen, dass dieser bis zum Jahr 2003 in einer westukrainischen Stadt gelebt hätte; dieser sei geschieden und Vater eines mündigen Minderjährigen. Der Beschwerdeführer sei arbeitsfähig, jedoch nicht arbeitswillig, leide an keinen schwerwiegenden Erkrankungen und sei in Österreich wiederholt straffällig geworden. Aufgrund grundlegender Änderungen der objektiven Umstände in der Ukraine bestehe keine Notwendigkeit mehr für internationalen Schutz. Die Ukraine sei in die Liste sicherer Herkunftsstaaten aufgenommen worden. Dies beinhalte, dass aufgrund der Gegebenheiten in der Ukraine anzunehmen sei, dass z.B. staatliche Einrichtungen zur Strafverfolgung vorhanden und funktionsfähig wären. Es herrsche politische Stabilität, eine funktionierende Polizei und unabhängige Gerichte wären vorhanden und würden Abhilfe bei allfälligen Verletzungen von Menschenrechten schaffen. Die Versorgung der Bürger mit Lebensmitteln, Gesundheitsleistungen und Zugang zu sonstigen öffentlichen Leistungen sei gewährleistet. In der Folge ergebe sich, dass eine Verfahrenspartei aus einem sicheren Herkunftsstaat im besonderen Maße darlegen müsse, weshalb die angenommenen Garantien gerade für ihre Person nicht gelten sollten. Der Beschwerdeführer habe seine Möglichkeit, sich im Rahmen des Parteiengehörs zu äußern, nicht wahrgenommen. Aus der allgemeinen Lage in der Ukraine sowie den persönlichen Merkmalen des Beschwerdeführers sei nichts abzuleiten, was auf eine Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention hindeuten würde; auch darüber hinaus seien keine Gefahren für Leib und Leben festzustellen. Es sei dem Beschwerdeführer zuzumuten, seinen Lebensunterhalt eigenständig zu bestreiten. Die allenfalls erforderliche Behandlung einer Drogenabhängigkeit sei in der Ukraine möglich. Zusammenschauend ergebe sich, dass für den Beschwerdeführer in der Ukraine die Möglichkeiten für eine den durchschnittlichen lokalen Verhältnissen entsprechende Lebensführung realistisch wären und keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestünden, dass dieser bei einer Rückkehr einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre.

Der Beschwerdeführer habe kein erkennbares schützenswertes Privatleben in Österreich aufgebaut. Der Beschwerdeführer habe während seines Aufenthalts von öffentlichen Sozialleistungen gelebt, er habe Angehörige im Bundesgebiet, zu denen jedoch kein spezifisches Nahe- oder Abhängigkeitsverhältnis vorliegen würde. Mit seinem Sohn lebe er in keinem gemeinsamen Haushalt und er leiste diesem keinen Unterhalt. Eine Rückkehrentscheidung sei daher zulässig. Der Beschwerdeführer habe seinen Aufenthalt großteils zur Begehung von Straftaten genutzt. Die Vielzahl an einschlägigen Straftaten und die mangelnden Anzeichen einer Resozialisierung ließen eine günstige Zukunftsprognose nicht zu, sodass sich eine Rückkehrentscheidung trotz der bereits langjährigen Aufenthaltsdauer als gerechtfertigt erweise.

Aufgrund der vorliegenden strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers stelle ein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, weshalb gegen diesen ein Einreiseverbot zu verhängen sei.

5. Mit am 02.09.2019 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingelangtem Schriftsatz wurde durch die nunmehr bevollmächtigte Vertreterin fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften eingebracht. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei im gegenständlichen Aberkennungsverfahren zu keinem Zeitpunkt persönlich einvernommen worden. Stattdessen habe er am 05.07.2019 eine Mitteilung über das eingeleitete Verfahren erhalten. Laut Akteneinsicht sei die Stellungnahme des Beschwerdeführers nicht bei der Behörde eingelangt, dies allerdings nicht durch dessen Verschulden. Der Beschwerdeführer habe eine eigenhändige Stellungnahme verfasst und diese am 09.07.2019 kuvertiert und frankiert einem Justizwachebeamten übergeben. Weshalb die Stellungnahme in weiterer Folge nicht bei der Behörde eingelangt wäre, sei für den Beschwerdeführer nicht nachzuvollziehen. Unabhängig davon sei angesichts der Oberflächlichkeit der an den Beschwerdeführer gerichteten Fragen zu bezweifeln, dass eine Beantwortung dieser Fragen durch eine rechtsunkundige Person zur Ermittlung der erforderlichen Sachverhalte geeignet gewesen wäre. Die letzte Einvernahme des Beschwerdeführers in einem Asylverfahren liege über zehn Jahre zurück. Dass eine Einvernahme unterlassen worden wäre, stelle eine Verletzung der Ermittlungspflicht dar. Die Asylgewährung sei durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Jahr 2007 im Wesentlichen mit der ethnischen Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Volksgruppe der Ruthenen sowie seiner politischen Tätigkeit begründet worden. Zur Begründung der Aberkennung des Status habe die Behörde jedoch bloß Feststellungen zur allgemeinen verbesserten Lage in der Ukraine getroffen und insbesondere auf die Aufnahme der Ukraine in die Liste sicherer Herkunftsstaaten hingewiesen. Feststellungen zu den Gründen, aufgrund derer dem Beschwerdeführer im Jahr 2007 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden wäre, sowie zur Dauerhaftigkeit der konstatierten Veränderungen in der Ukraine würden im angefochtenen Bescheid jedoch völlig fehlen. Der Beschwerdeführer gehöre der Minderheit der Ruthenen an und sei als Angehöriger dieser Minderheit parteipolitisch aktiv gewesen. Hätte sich die Behörde mit der spezifischen Situation des Beschwerdeführers auseinandergesetzt, hätte sie feststellen können, dass es sich bei den Ruthenen um eine Minderheit handle, die von der ukrainischen Regierung als solche nicht anerkannt werde. Verschiedene Berichte würden auf Gewalt gegen ethnische Minderheiten in der Ukraine hindeuten. Hinzu komme die lange Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers, welcher die Ukraine bereits im Jahr 1995 verlassen und den Großteil seines Lebens nicht im Herkunftsstaat verbracht hätte. Der Beschwerdeführer verfüge im Fall einer Rückkehr über kein soziales Netz, das ihn unterstützen könnte. Dieser sei während seiner Haft in medikamentöser Behandlung wegen seiner Suchterkrankung gewesen und befinde sich nunmehr für eine gesundheitsbezogene Maßnahme nach § 39 Abs. 1 SMG in stationärer Betreuung. Eine entsprechende Behandlung würde dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in die Ukraine nicht zur Verfügung stehen. Die Aufenthaltsdauer von 16 Jahren führe tatsächlich zu einer maßgeblichen Verstärkung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich. Das strafrechtliche Fehlverhalten des Beschwerdeführers sei nicht als massiv zu qualifizieren und nicht geeignet, eine Rückkehrentscheidung angesichts seiner langen Aufenthaltsdauer zu rechtfertigen. Der Beschwerdeführer lebe getrennt von seiner kirchlich angetrauten Ehefrau, mit der er zwei Kinder habe. Infolge einer neuen Lebenspartnerschaft seiner Exfrau und daraus erwachsenen Konflikten sei der Kontakt zu seinen Kindern abgebrochen. Die Behörde habe das Einreiseverbot nicht durch eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose begründet, zumal sie sich nicht mit den den Straftaten zugrunde liegenden Sachverhalten befasst hätte.

6. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.01.2020, GZ W111 2223268-1/2E wurde der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG idgF, behoben und die Angelegenheit an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das gegenständliche Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten wegen Wegfalls der Umstände, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt hätten, insofern einen gravierenden Mangel aufweise, als die Behörde keine erkennbaren Feststellungen über den individuellen Sachverhalt, welcher für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an den Beschwerdeführer ausschlaggebend gewesen sei, getroffen habe. Der Wegfall der Umstände, welche zur Gewährung des Status des Asylberechtigten geführt hätte, werde mit einem pauschalen Verweis auf eine verbesserte allgemeine Lage im Herkunftsstaat aufgrund der zwischenzeitigen Aufnahme der Ukraine in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten begründet. Dem Verwaltungsakt seien weder Protokolle über die im Rahmen seines Asylverfahrens aufgenommene Niederschriften zu entnehmen, aus welchen sich seine damaligen Rückkehrbefürchtungen nachvollziehen ließen, noch wäre dieser Aspekt im gegenständlichen Verfahren im Rahmen einer Einvernahme mit dem Beschwerdeführer erörtert worden. Es hätten konkrete Ermittlungsschritte gesetzt werden müssen, um die ursprünglichen Fluchtgründe und Rückkehrbefürchtungen des Beschwerdeführers im Zuge des amtswegig eingeleiteten Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten wegen des Endigungsgrundes des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK zu eruieren. Durch das Unterlassen der Feststellung der ursprünglich für die Asylgewährung ausschlaggebenden Gründe habe das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl keine Ermittlungen zu einem zentralen Aspekt des Verfahrens durchgeführt. Die Behörde habe auch keine Feststellungen dahingehend getroffen, aufgrund welcher konkreter Umstände sie eine relevante Änderung der Lage im Herkunftsstaat gegenüber dem Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten im Jahr 2007 annehme. Aufgrund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer zuletzt anlässlich seines im Jahr 2007 rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens einer behördlichen Befragung unterzogen worden sei und sich mittlerweile rund sechzehn Jahre legal im Bundesgebiet aufgehalten habe, wäre eine solche mündliche Einvernahme des Beschwerdeführers jedenfalls erforderlich gewesen, um dessen aktuelle Situation im Falle seiner Rückkehr in die Ukraine sowie seine derzeitigen privaten und familiären Lebensumstände in Österreich feststellen zu können. Die Behörde habe im Vorfeld der Bescheiderlassung – mit Ausnahme der Zustellung des dargestellten Schreibens zur Gewährung von Parteiengehör, welches jedoch kein geeignetes Mittel zur Erhebung aller relevanten Sachverhaltsaspekte darstelle – keine erkennbaren Ermittlungsschritte durchgeführt.

Der angefochtene Bescheid der belangten Behörde und das diesem zugrunde liegende Aberkennungsverfahren sei im Ergebnis daher so mangelhaft gewesen, dass die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde geboten gewesen sei.

7. Mit Schreiben vom 24.02.2020 wurde dem Beschwerdeführer Parteiengehör gewährt und eine Ladung für den 03.03.2020 übermittelt. Es wurde ihm mitgeteilt, dass die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme bis zum 10.03.2020 besteht, sollte er zu dem angeführten Datum verhindert sein. Das Schreiben wurde vom Beschwerdeführer am 28.02.2020 in der Justizanstalt übernommen.

8. Der handschriftlichen Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 03.03.2020, eingelangt am 11.03.2020, ist zu entnehmen, dass seine Kinder und seine Ex Frau in Österreich leben würden. Er habe eine Gemeindewohnung in XXXX und beziehe Mindestsicherung. Er habe keine Angehörigen in der Ukraine. Außerdem habe er ein politisches Problem, er sei Mitglied einer verbotenen Partei. Derzeit habe er keine Beschäftigung und sei für eine Therapie im Schweizer Haus angemeldet.

9. Mit Schreiben vom 09.04.2020 wurde dem Beschwerdeführer die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, UKRAINE, zur Lage der Ruthenen, Einrichtungen für Drogensüchtige, vom 30.03.2020 übermittelt und er wurde aufgefordert, bis 04.05.2020 Stellung dazu zu beziehen. Das Schreiben wurde am 10.04.2020 an die Poststelle der Justizanstalt übergeben. Eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ist unterblieben.

10. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 27.05.2020 wurde dem Beschwerdeführer in Spruchteil I. der ihm mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 09.11.2007 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 idgF aberkannt. Gemäß § 7 Abs. 4 AsylG wurde festgestellt, dass diesem die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme. In Spruchteil II. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, weiters wurde ihm in Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Darüber hinaus wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG idgF erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 und Abs. 3 Z 1 FPG 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Der Begründung ist zu entnehmen, dass die Behörde nicht verpflichtet sei, eine persönliche Einvernahme durchzuführen, es müsse dem Beschwerdeführer lediglich die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt werden. Die Asylgewährung des Beschwerdeführers beruhe auf der ethnischen Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Volksgruppe der Ruthenen. Die Gründe, welche zur Schutzgewährung geführt hätten, seien nicht mehr gegeben, dies gehe aus einer aktuellen Anfrage der Staatendokumentation des BFA vom 30.03.2020 hervor. Es könne nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr eine Verfolgung aus asylrelevanten oder ethnischen Gründen drohen würde. In der Ukraine komme es zu keinen ethnisch motivierten Übergriffen auf Ruthenen/Russinen, auch sei diese Volksgruppe keiner Diskriminierung ausgesetzt. Der Beschwerdeführer sei weder politisch noch expolitisch aktiv und es könne nicht festgestellt werden, dass ihm eine Verfolgung aus politischen Gründen im Falle der Rückkehr drohen würde. Der Beschwerdeführer habe im Fall seiner Rückkehr in sein Heimatland keine Gefährdungs-bzw. Bedrohungslage zu befürchten. Aufgrund grundlegender Änderungen der objektiven Umstände in der Ukraine bestehe keine Notwendigkeit mehr auf internationalen Schutz. Seitens der Behörde wird als Argument die Aufnahme der Ukraine in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten angeführt, wonach keine Notwendigkeit der Gewährung von internationalem Schutz mehr vorliege. Der Beschwerdeführer habe auch in der am 03.03.2020 eingebrachten Stellungnahme nicht darlegen können, warum die angenommenen Garantien für ihn keine Gültigkeit hätten. Der Beschwerdeführer spreche die im Herkunftsstaat übliche Landessprache und sei in der Lage, dort seinen Lebensunterhalt zu bestreiten und eine allenfalls notwendige Therapie seiner Drogensucht zu erhalten. Der Beschwerdeführer sei im Herkunftsstaat keiner Gefahr im Sinne des § 8 AsylG ausgesetzt, weshalb die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten ausscheide. Der Beschwerdeführer habe kein erkennbares schützenswertes Privatleben in Österreich aufgebaut. Aus Sicht der Behörde sei es zu keiner erkennbaren Aufenthaltsverfestigung im Bundesgebiet gekommen, so habe der Beschwerdeführer kein Engagement bei Organisationen im Wohnort, gemeinnützigen Vereinen oder anderweitige intensive Kontakte substantiiert vorbringen können. Der Beschwerdeführer habe während seines Aufenthalts von öffentlichen Sozialleistungen gelebt, er habe Angehörige im Bundesgebiet, zu denen liege jedoch kein spezifisches Nahe- oder Abhängigkeitsverhältnis vor, auch leiste er seinen Kindern keinen Unterhalt, dies zeige, wie fern der Beschwerdeführer zu seinen Kindern stehe. Eine Rückkehrentscheidung sei daher zulässig.

Das strafbare Handeln des Beschwerdeführers, veranlasse die Behörde, eine Gefährdungsprognose als gegeben anzusehen. Sein Verhalten habe gezeigt, dass der Beschwerdeführer nicht in die österreichische Gesellschaft integrierbar sei und es sei davon auszugehen, dass er auch in Zukunft ein die Allgemeinheit gefährdendes Verhalten setzen würde; das Einreiseverbot sei daher gerechtfertigt.

11. Mit Schriftsatz vom 16.06.2020 wurde beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl durch den bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften eingebracht. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Heimat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung und mangels der Fähigkeit seines Heimatlandes, ihn vor Übergriffen zu schützen, verlassen habe. Der Beschwerdeführer habe die Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes bei der niederschriftlichen Befragung sowie bei der Einvernahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ausführlich dargelegt. Die Gefahr vor Verfolgung habe sich seit Zuerkennung des Status als Asylberechtigter nicht geändert, der Beschwerdeführer müsste befürchten, Opfer gegen ihn persönlich gerichteter Verfolgungshandlungen zu werden.

Sein Vorbringen sei genügend substantiiert. Er habe sowohl in freier Erzählung als auch auf Nachfrage detailliert und konkret zu seinen Asylgründen Stellung genommen. Da sich der Beschwerdeführer seit 17 Jahren in Österreich befinde, sei ein schützenswertes Privat- und Familienleben gegeben. Er sei auch in Österreich integriert, spreche die deutsche Sprache, habe viele österreichische Freunde, führe ein selbstbestimmtes Leben und wolle sich weiter ausbilden. Er habe zu Österreich eine familiäre und soziale Bindung und habe weitere Verwandte in verschiedenen EU Mitgliedstaaten. Die Einreise und der Aufenthalt in Österreich und im Schengen-Raum seien notwendig, um seine familiären Beziehungen aufrecht halten zu können. Die belangte Behörde hätte dies bei der Erlassung des Einreiseverbotes berücksichtigen müssen. Außerdem hätte die Art und die Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig gewesen sei, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens und der Mangel der Bindung zum Heimatstaat des Beschwerdeführers berücksichtigt werden müssen. Der Beschwerdeführer habe keinen Kontakt zu seinem Herkunftsland und fürchte im Fall einer Abschiebung um sein Leben. Im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose sei nur auf gesetzliche Bestimmungen verwiesen worden, die Aufnahme weiterer Beweise sei unterblieben. Die Dauer und der Umfang des Einreiseverbotes seien nicht ausreichend begründet worden, eine Auseinandersetzung mit den individuellen Angaben habe nicht stattgefunden. Es habe seitens der Behörde auch keine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Vereinbarkeit einer Rückkehrentscheidung und eines allfälligen Einreiseverbotes mit Art. 8 EMRK stattgefunden.

12. Mit Schreiben vom 30.06.2020 legte die belangte Behörde die Beschwerde sowie den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und gab eine Stellungnahme dahingehend ab, dass die Beschwerde zur Gänze als unbegründet abzuweisen sei.

13. Am 02.08.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer, dessen Rechtsvertreterin sowie ein Dolmetscher für die russische Sprache teilgenommen haben.

Die gegenständlich relevanten Teile der Verhandlung gestalteten sich wie folgt:

„R erteilt eine Belehrung über den Verfahrensstand bzw. über die rechtliche Lage.

R: Haben Sie Fragen?

BF: Vorerst nicht.

R: Waren Ihre bisherigen Angaben vollständig und richtig? Wurden Sie bisher im Verfahren korrekt behandelt?

BF: Ja.

R: Aus der im Akt einliegenden Anfragebeantwortung der Staatendokumentation (AS 303 ff) geht nicht hervor, dass die Volksgruppe der Ruthenen gegenwärtig einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sind. Auch geht aus dem Akt nicht hervor, dass Aktivisten der ruthenischen Volksgruppe einer Verfolgung ausgesetzt sein könnten insbesondere dann nicht, wenn die Aktivitäten bereits viele Jahre zurückliegen, wie es bei ihrer Frau bzw. Ihnen der Fall war. Auch aus der aktuellen allgemeinen Länderinformation der Staatendokumentation, generiert am 21.07.2021, Version 4 lässt sich nichts Gegenteiliges schließen. Gibt es aus Ihrer Sicht Gründe, die für eine asylrelevante Verfolgung in ihrer Heimat Ukraine sprechen würden? Auf die allgemein bekannten tiefgreifenden politischen Umwälzungen in der Ukraine sei an dieser Stelle verwiesen.

BF: Ja, das würde mir drohen. Dort werden wir Probleme haben. Das beginnt damit, dass man uns verbietet in unserer Muttersprache zu sprechen. Es kommt dort zu einer ukrainisierung. Die Schule ist dort verboten und das lernen. Ich bekomme keine Arbeit, ich habe Strafe bekommen. Die Rechte werden eingestellt. Ich will auf meiner Muttersprache sprechen. Ich will nicht die ukrainische Sprache sprechen. In Österreich sprechen sie österreichisch. In Wien Wienerisch, in Tirol und Vorarlberg einen etwas anderen Dialekt und bei uns geht das nicht.

R: Aus den vorliegenden Informationen lässt sich nicht schließen, dass eine Verfolgung der Ruthenen, wenn überhaupt, in einer Form stattfindet, die eine asylrechtlich relevante Schwelle überschreiten würde.

BF: Aber es passiert auch hier das Leute eingesperrt werden. Ein Freund von mir ist an Corona verstorben, den gibt es jetzt nicht mehr. Es gibt Leute, die hier versterben und man schiebt das dann auf Corona.

R: Vorgelegt wird das oben erwähnte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation ein Exemplar wird der BFV übergeben.

R: Möchten Sie dazu Stellung nehmen bzw. möchten Sie ein Vorbringen erstatten, dass die Verfolgung von Ruthenen in der Ukraine untermauern könnte?

BFV: Es wird um eine Stellungnahme Frist bis 11.08.2021 ersucht.

R dies wird gewährt.

R: Ich möchte festhalten, dass aus den vorliegenden Informationen nicht geschlossen werden kann, dass Mitglieder der Ruthenischen Volkgruppe bzw. Aktivisten derselben gegenwärtig einer asylrelevanten Verfolgung in der Ukraine ausgesetzt sind. Aufgrund der tiefgreifenden und vielfachen politischen Umwälzungen in der Ukraine kann jedenfalls ausgeschlossen werden, dass eine allenfalls vor vielen Jahren denkbare politische Verfolgung, aufgrund der oben erwähnten Gründe, nunmehr vom asylrechtlicher Relevanz wäre, da die betreffende Person wohl kaum mehr im Fokus der ukrainischen Behörden bzw. allfällig sonstiger Verfolger stehen würde. Sollten Sie oder ihre Vertreterin gegenteilige Informationen haben, haben Sie als Beschwerdeführende Partei bis 11.08.2021 die Gelegenheit diese vorzulegen.

R: Gibt es weitere bis dato nicht vorgebrachte oder im Akt einliegende Gründe, die für eine Verfolgung in Ihrer Heimat sprechen würden?

BF: Nur die vorgebrachten Gründe, andere gibt es nicht.

R: Leiden Sie gegenwärtig unter schweren oder chronischen Krankheiten?

BF: Hepatitis C.

R: Stehen Sie gegenwärtig in Österreich in medizinischer Behandlung?

BF: Ich bin schon zwei Mal zum Arzt gegangen und einmal wurde eine Blutabnahme gemacht. Es war alles in Ordnung.

R: Aus den vorliegenden Länderinformationen geht hervor, dass das ukrainische Gesundheitssystem, wenn auch nicht wie in Österreich, so doch grundlegend funktioniert.

BFV: Auch diesbezüglich wird auf die Stellungnahme bis 11.08.2021 verwiesen.

R: Gesetzten Fall Sie würden in die Ukraine zurückkehren, welche Lebensumständen würden Sie dann erwarten?

BF: Meine Mutter ist gestorben. Ich habe kein Leben. Ich habe keine Wohnung und kein Haus dort.

R: Haben Sie sonstige Verwandte in der Ukraine?

BF: Mein Bruder ist in Tschechien. Mein Vater lebt in Russland. Meine Onkeln und Tanten leben in Tschechien. Ich habe mit ihnen nur telefonischen Kontakt, ihre genauen Adressen bzw. die Orte, an denen sie leben weiß ich nicht.

R: Haben Sie abgesehen von Ihrer erwähnten Hepatitis C Erkrankung noch andere gesundheitliche Leiden?

BF: Nein, keine.

R: Sind Sie drogensüchtig?

BF: Nicht mehr.

R: Sind Sie arbeitsfähig?

BF: Ja, ich arbeite in XXXX , in der Außenstelle der JA XXXX . Dort arbeite ich als Traktorfahrer in der Justizeigenen Landwirtschaft.

BFV: Keine Fragen.

R: Bitte schildern Sie mir ihr Privat und Familienleben in Österreich?

BF: Ja, ich wohne in XXXX , im XXXX das ist eine Gemeindewohnung. Während meiner Strafhaft wohnt dort niemand. Ich wohne alleine. Ich habe zwei Kinder in Österreich. XXXX ist 18 Jahre und XXXX ist 15 Jahre alt. Mein Sohn ist jetzt verpflichtet zum Bundesheer, weil er schon 18 Jahre alt ist. Ich weiß nicht genau, wo mein Sohn arbeitet aber irgendwo arbeitet mein Sohn. In einem Schreiben des Bezirksgericht XXXX steht, dass er nunmehr beschäftigt ist. Meine Tochter geht noch in die Schule. Ich habe früher immer Kontakt zu ihnen gehabt. Sie sind auch zum Wochenende zu mir gekommen. Meine Ex-Frau hat einen Tschetschenen geheiratet. Ich bin einmal zu meiner Ex-Frau gegangen und bei ihr angeläutet. Der neue Mann von meiner Ex-Frau hat mich bedroht und mich gefragt, was ich von ihr wolle. Nachdem die Polizei kam, gab meine Frau an, dass sie Angst vor mir hätte.

R: Seit wann sind Sie mit ihren Kindern nicht mehr in Kontakt?

BF: Seit zwei bis drei Jahren.

R: Leben Sie in irgendeiner Lebensgemeinschaft?

BF: Nein.

R: Wovon haben Sie in den letzten 10 Jahren in Österreich gelebt?

BF: Ich habe gearbeitet.

R: Aus dem im Akt einliegenden Unterlagen Zeitraum 2015 bis 2020 ergibt sich lediglich eine Beschäftigung von 09. bis 31.10.2018 sonstige Einträge umfassen lediglich Meldungen aus der Mindestsicherung (AS 337). Möchten Sie dazu Einsicht nehmen?

BFV: Gerne.

BF: Ich habe mehrere legale Beschäftigungen.

R: Dann ersuche ich Sie mir ebenso bis 11.08.2021 Unterlagen darüber (z.B. Sozialversicherungsdatenauszug) vorzulegen.

BF: Ich habe viel schwarz gearbeitet. Das ist das Problem.

R: Sind Sie Mitglied eines Vereines?

BF: Nein.

R: Haben Sie anderwärtige vertiefte soziale Kontakte?

R erklärt die Frage.

BF: Freunde habe ich schon.

R: Wer sind die und was tun diese?

BF: Es gibt Freunde, die arbeiten im Schwimmbad. Meine Freunde heißen XXXX und XXXX . Sie arbeiten im Schwimmbad XXXX , den Nachnamen kann ich nachgefragt nicht nennen.

R: Sie sind in Österreich sieben Mal vorbestraft gegenwärtig verbüßen Sie eine Strafhaft. Was sagen Sie dazu?

BF: Ich nehme das sehr ernst und es tut mir sehr leid. Ich habe das gemacht, wie ich Drogen Probleme gehabt habe. Ich werde mein Leben wieder in Ordnung bringen.

R: Möchten Sie noch eine weitere Stellungnahme abgeben?

BF: Ich möchte das Gericht um ein gerechtes Urteil bitten, es tut mir nämlich Leid, dass ich diese Straftaten begangen habe. Ich will nach der Befreiung eine ambulante Therapie machen. Ich muss mich einmal in drei Monaten melden beim Gericht mit der Bestätigung von der Therapie, die ich mache. Ich will mein Leben wieder in Ordnung bringen und ich möchte mich um meine Kinder kümmern.

R: Welche Sprachen sprechen Sie?

BF: Russisch, Ruthenisch, Ukrainisch, Slowakisch, Tschechisch, Polnisch und Deutsch.

R: Haben Sie ein Deutschprüfungszertifikat?

BF: Ja, ich habe zwei.

R: Sie haben die Möglichkeit selbige bis 11.08.2021 vorzulegen.

BF: Ich habe auch einen Staplerschein gemacht.

R: Möchten Sie noch etwas Ergänzendes angeben?

BF: Wenn ich aus dem Gefängnis komme, möchte ich eine Arbeitserlaubnis haben.

BFV: Wissen Sie bereits wann Sie aus der Haft entlassen werden?

BF: Ich kann es nicht genau sagen. Frühestens am 22.10.2021.

BFV: Haben Sie der ambulanten Therapie zugestimmt?

BF: Ja, ich habe ein Angebot von der Justiz bekommen und ich will eine ambulante Therapie machen.

BFV: Was planen Sie für Ihre Zukunft nach der Entlassung aus der Haft?

BF: Ich möchte arbeiten, meine Tochter möchte ich unterstützen. Meine Frau lebt jetzt mit einem Tschetschenen zusammen. Ich muss meine Kinder wegnehmen von meiner Frau. Nach tschetschenischer Sitte ist es nämlich üblich, dass die Kinder einer Frau aus früherer Ehe bei deren Vater bleiben.

BFV: Haben Sie bereits Schritte gesetzt um den Kontakt zu ihren Kindern wiederherzustellen?

BF: Ja, das will.

R: Wie haben diese Schritte ausgeschaut?

BF: Ich verstehe mich nicht besonders gut mit diesem Mann. Wir haben uns geprügelt. Es gab Anzeigen bei Gericht. Das Jugendamt war auch eingeschaltet. Ich habe gegenwärtig weder Telefonnummer noch Adresse, daher konnte ich mit meinen Kindern nicht in Kontakt treten. Mein Sozialarbeiter bemüht sich darum.

R: Möchten Sie noch etwas vorbringen?

BF: Ich weiß nichts mehr.

BFV: Keine weitere Stellungnahme oder Frage. Auf die nachzureichende Stellungnahme vom 11.08.2021 wird verwiesen.“

14. Mit Schreiben vom 04.08.2021 gab der Beschwerdeführer eine Stellungnahme ab. Unter einem legte er eine Teilnahmebestätigung „JOB NOW – Lagerlogistik und Staplerschein“ vom 19.03.2012 bis 20.04.2012, ein Zertifikat „Deutsch für AusländerInnen ohne Vorkenntnisse“ vom 02.05.2006 sowie ein Zertifikat „Deutsch für AusländerInnen mit Vorkenntnissen“ vom 04.07.2006 vor.

15. In weiterer Folge hat das Bundesverwaltungsgericht die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl mit folgenden Fragen beschäftigt:

- Gibt es in der Ukraine Behandlungsmöglichkeiten betreffend Hepatitis C?

- Wie ist die Situation hinsichtlich der Minderheiten der Ruthenen in der Ukraine derzeit? Gibt es Übergriffe gegen Aktivisten der ruthenischen Minderheit bzw. gegen Aktivisten dieser Volksgruppe, die ihre Tätigkeit bereits seit vielen Jahren eingestellt haben?

16. Die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hat daraufhin dem Bundesverwaltungsgericht die folgenden beiden Unterlagen als aktuellste Informationen übermittelt:

- Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Ukraine, Hepatitis C, vom 10.08.2021, samt Beilagen

- Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Ukraine Lage der Ruthenen, Einrichtungen für Drogensüchtige, vom 30.03.2020

17. Mit hg. Schreiben vom 17.08.2021 wurde den Parteien im Rahmen des Parteiengehörs die von der Staatendokumentation zugesandten Unterlagen übermittelt und ihnen die Möglichkeit zur Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme binnen 14 Tagen eingeräumt.

18. Am 13.09.2021 langte – infolge Fristerstreckung – eine Stellungnahme ein, in welcher zusammengefasst durch die bevollmächtigte Vertreterin des Beschwerdeführers, unter Verweis auf das bisherige Vorbringen, ausgeführt wurde, dass es sich bei den Ruthenen nach wie vor um eine russische Minderheit in der Ukraine handeln würde und weiterhin ein spezieller Schutz nötig sei, welcher von der Zentralregierung negiert werde. Außerdem halte sich der Beschwerdeführer seit nunmehr 18 Jahren in Österreich auf. Er beherrsche die deutsche Sprache fließend, habe soziale Kontakte geknüpft und eine Familie gegründet. Er betrachte Österreich als seine Heimat und verfüge in seinem Herkunftsland weder über familiäre noch über sonstige soziale Kontakte. Bei einer Rückkehr wäre er auf sich alleine gestellt und hätte keinen Zugang zur Unterstützung bei einem weiteren Entzug. Die Informationen betreffend die Einrichtungen für Drogensüchtige würden sich lediglich auf Kiew beziehen, auch lasse sich keinerlei Garantie für einen tatsächlichen Zugang im Einzelfall ableiten. Im gegenständlichen Fall sei es erforderlich, sich mit dem konkreten Einzelfall auseinanderzusetzen. Auch sei aufgrund des langjährigen inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen; sein positiver Lebenswandel sei bei der Entscheidung miteinzubeziehen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Ukraine, welcher der Volksgruppe der Ruthenen angehört. Er stellte nach illegaler Einreise im Juli 2003 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit rechtskräftigem Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 09.11.2007 wurde dem Beschwerdeführer in Stattgabe seiner Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.11.2003 Asyl gewährt und festgestellt, dass diesem damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

In der Entscheidungsbegründung wurde festgehalten, dass zur Situation auf die in der mündlichen Berufungsverhandlung verlesenen Berichte – insbesondere zur Minderheitensituation (Ruthenen) – welche unwidersprochen geblieben seien, vollinhaltlich zu verweisen sei. Schließlich wurde ausgeführt, dass die Familie des Beschwerdeführers, jeweils aus eigenen asylrelevanten Gründen, im Herkunftsland aus politischen und ethnischen Gründen – insbesondere aufgrund ihrer eigenen Aktivitäten – aktuell und intensiv bedroht wäre und die derzeitige Regierung keinen Schutz gegen diese Bedrohung biete.

1.2. Der Beschwerdeführer ist aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Ruthenen bzw als früherer Aktivist der ruthenischen Volksgruppe keiner aktuellen Verfolgung bzw. keiner individuellen Gefährdung in der Ukraine ausgesetzt.

Auch darüber hinaus ist der Beschwerdeführer in der Ukraine einer Verfolgung bzw. einer Gefährdung nicht ausgesetzt und droht eine solche nicht aktuell. Der Beschwerdeführer ist im Falle einer Rückkehr in die Ukraine nicht aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht.

1.3. Es besteht für den Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in die Ukraine keine reale Bedrohungssituation für sein Leben oder seine körperliche bzw. psychische Unversehrtheit. Der Beschwerdeführer wäre auch nicht von der Todesstrafe im Falle einer Rückkehr in die Ukraine bedroht. Im Übrigen droht ihm keine maßgebliche Gefahr von privater oder staatlicher Seite, Opfer einer willkürlichen Behandlung zu werden. Der Beschwerdeführer ist in der Ukraine geboren und hat dort gelebt. Der Beschwerdeführer spricht ua Russisch, Ruthenisch und Ukrainisch. Er ist mit den Gepflogenheiten im Herkunftsstaat vertraut. Der arbeitsfähige Beschwerdeführer leidet an Hepatitis C; weitere Erkrankungen oder gesundheitliche Leiden liegen beim Beschwerdeführer nicht vor. Behandlungen in Bezug auf Hepatitis C sind in der Ukraine verfügbar. Diesbezüglich sind auch mögliche Medikationen in der Ukraine verfügbar. Im Übrigen ist auch die ambulante und stationäre Behandlung durch Infektiologen möglich. Im Herkunftsstaat besteht eine medizinische Grundversorgung, die grundlegend funktioniert, weswegen der Beschwerdeführer hinsichtlich allfälliger psychischer und physischen Leiden behandelt werden könnte. Der Beschwerdeführer ist nicht mehr drogensüchtig. Er hat sich einer stationären gesundheitsbezogenen Maßnahme (Therapie) in Österreich unterzogen.

1.4. Die Strafregisterauskunft weist folgende Verurteilungen auf:

1. BG XXXX vom 06.03.2014 RK 11.03.2014

§ 50 (1) Z 3 WaffG § 30 (1) 7. 8. Fall SMG

§§ 27 (1) Z 1 7. Fall, 27 (2) Z 1 1.2. Fall SMG Datum der (letzten) Tat 13.08.2012 Freiheitsstrafe 3 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu XXXX RK 11.03.2014

Probezeit der bedingten Nachsicht verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG XXXX vom 26.08.2014

2. XXXX vom 26.08.2014 RK 26.08.2014 § 27 (1) Z 1 8. Fall SMG

Datum der (letzten) Tat 24.06.2014 Freiheitsstrafe 4 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu LG XXXX RK 26.08.2014 Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre LG XXXX vom 18.05.2017

zu LG XXXX RK 26.08.2014 Der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe wird widerrufen LG XXXX vom 03.05.2019

3. LG XXXX vom 18.05.2017 RK 22.05.2017

§ 83 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 07.01.2017

Geldstrafe von 60 Tags zu je 4,00 EUR (240,00 EUR) im NEF 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, davon Geldstrafe von 30 Tags zu je 4,00 EUR (120,00 EUR) im NEF 15 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu LG XXXX RK 22.05.2017 Probezeit des bedingten Strafteils verlängert auf insgesamt 5 Jahre LG XXXX vom 12.01.2018

zu LG XXXX RK 22.05.2017 Unbedingter Teil der Geldstrafe vollzogen am 11.05.2019 LG XXXX vom 14.05.2019

4. LG XXXX vom 12.01.2018 RK 16.01.2018

§ 15 StGB § 27 (2a) SMG §§ 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG Datum der (letzten) Tat 22.08.2017

Freiheitsstrafe 8 Monate, davon Freiheitsstrafe 7 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu LG XXXX RK 16.01.2018 Der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe wird widerrufen LG XXXX vom 03.05.2019

5. BG XXXX vom 09.08.2018 RK 16.10.2018

§ 198 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 28.02.2018 Freiheitsstrafe 6 Wochen, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu BG XXXX RK 16.10.2018 Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre LG F.STRAFS.WIEN 044 HV 65/2019b vom 03.05.2019

6. LG XXXX vom 03.05.2019 RK 03.05.2019 § 27 (2a) 2. Fall SMG § 15 StGB

Datum der (letzten) Tat 16.04.2019 Freiheitsstrafe 11 Monate

7. LG XXXX vom 25.03.2020 RK 23.06.2020

§ 27 (1) Z 1 8. Fall (2a) SMG

Datum der (letzten) Tat 17.02.2020

Freiheitsstrafe 12 Monate

Vollzugsdatum 17.02.2021 zu LG XXXX RK 23.06.2020

zu LG XXXX RK 22.05.2017

zu LG XXXX RK 03.05.2019

zu LG XXXX RK 16.01.2018

zu LG XXXX RK 26.08.2014

Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 22.10.2021, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Anordnung der Bewährungshilfe

LG XXXX vom 23.07.2021

1.5. Der Beschwerdeführer befindet sich aktuell in Haft. In Österreich leben seine zwei Kinder (Sohn geboren: XXXX ; Tochter geboren: XXXX ). Seine Kinder sind beide Staatsangehörige der Ukraine und asylberechtigt in Österreich. Früher stand der Beschwerdeführer mit seinen Kindern in Kontakt; seit etwa zwei bis drei Jahren hat er aber keinen Kontakt zu diesen. Der Beschwerdeführer würde gerne den Kontakt zu seinen Kindern wiederherstellen, verfügt gegenwärtig aber weder über die Telefonnummern noch über die Adressen seiner Kinder, weshalb er mit diesen nicht in Kontakt treten konnte. Zudem lebt seine Ex-Frau in Österreich, welche im Bundesgebiet aufenthaltsberechtigt ist. Die Mutter des Beschwerdeführers ist verstorben; sein Bruder, seine Onkel und seine Tanten leben in der Tschechischen Republik. Der Vater des Beschwerdeführers lebt in der Russischen Föderation. Der Beschwerdeführer befindet sich derzeit nicht in einer Lebensgemeinschaft. Er verfügt über einen Bekanntenkreis in Österreich und arbeitet derzeit als Traktorfahrer in der justizeigenen Landwirtschaft in der Außenstelle der JA XXXX . Der Beschwerdeführer befand sich im Zeitraum 27.05.2015 bis 27.05.2020 ausschließlich vom 09.10.2018 bis 31.10.2018 als geringfügig beschäftigter Arbeiter in einem legalen Beschäftigungsverhältnis. Er hat in der Vergangenheit Sozialleistungen in Anspruch genommen. Der Beschwerdeführer hat in Österreich Kurse besucht, so hat er im Zeitraum vom 19.03.2012 bis 20.04.2012 das Seminar „JOB NOW – Lagerlogistik und Staplerschein“ besucht. Zudem verfügt er über ein Zertifikat „Deutsch für AusländerInnen ohne Vorkenntnisse“ vom 02.05.2006 sowie ein Zertifikat „Deutsch für AusländerInnen mit Vorkenntnissen“ vom 04.07.2006. Der Beschwerdeführer hat sich Deutschkenntnisse angeeignet. Er ist kein Mitglied in einem Verein.

1.6. Zum Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

Länderspezifische Anmerkungen

Letzte Änderung: 16.10.2020

Durch die Ereignisse der letzten Jahre hat die ukrainische Regierung de facto nicht die vollständige Kontrolle über ihr Staatsgebiet.

Die Halbinsel Krim wurde am 16.3.2014 durch ein international nicht anerkanntes Referendum von Russland völkerrechtswidrig annektiert. Außerdem haben sich Teile der Ostukraine als von der Ukraine unabhängig erklärt. Diese separatistischen Gebiete bezeichnen sich selbst als die Volksrepubliken Donezk und Luhansk.

Grundsätzliche Aussagen zur Ukraine gelten vorerst nicht für die Halbinsel Krim und die Gebiete der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk, außer es wird ausdrücklich anderes angemerkt!

In den westlichen Landesteilen ist die Lage grundsätzlich ruhig – nähere Informationen sind den Länderinformationen zu entnehmen.

Covid-19-Situation

Letzte Änderung: 08.06.2021

In der Ukraine gilt ein System der adaptiven Quarantäne (regionales Ampelsystem), welches bis 30. Juni vorgesehen ist. Ein nationaler Lockdown ist nicht geplant (UNIAN 10.5.2021; vgl. UA 28.4.2021, AA 3.5.2021). Gemäß dem Gesundheitsminister ist die dritte Pandemiewelle in der Ukraine vorbei (UP 7.5.2021).

An öffentlichen Orten, nicht jedoch im Freien, besteht die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Das gilt auch für öffentliche Verkehrsmittel. Hygiene- und Gesundheitsmaßnahmen müssen im öffentlichen Verkehr sowie in Geschäften und Gaststättenbetrieben eingehalten werden (AA 3.5.2021; vgl. WKO 30.4.2021, RFE/RL 1.5.2021). 2020 wurden mehr als 6.800 Personen im Rahmen der IOM Ukraine Covid-19 Response Intervention unterstützt (IOM 10.2.2021).

Am 24.2.2021 begannen in der Ukraine die Covid-Impfungen. Derzeit sind die folgenden Impfstoffe in Verwendung: AstraZeneca, SinoVac und Pfizer. Seit dem 24.4.2021 befindet sich die Ukraine in der zweiten Phase der Impfstrategie und verabreicht Impfungen an medizinisches Personal, Militärpersonal und ältere Personen (KP 10.5.2021). Die Impfungen werden vorwiegend von mobilen Impfteams durchgeführt (UA 28.4.2021; vgl. Gov.ua 10.5.2021). Impfungen sind freiwillig und kostenlos (GM 10.5.2021). Mit Stand 8.5.2021 erhielten 862.639 Personen die erste Teilimpfung und 446 Personen bereits die zweite Teilimpfung (GM 8.5.2021). Es wurden bisher 9.668.937 PCR-Tests durchgeführt (Gov.ua 10.5.2021).

In den Krankenhäusern der Hauptstadt Kiew werden derzeit 33 Covid-Patienten behandelt und 230 Patienten mit Verdacht auf Covid und Lungenentzündung (IU 9.5.2021). Ab 1.5.2021 wurden in Kiew die meisten Quarantänebeschränkungen aufgehoben (KP 10.5.2021; vgl. WKO 30.4.2021, RFE/RL 1.5.2021). Wieder geöffnet sind unter anderem Restaurants, Geschäfte, Sporteinrichtungen und Kultureinrichtungen (WKO 30.4.2021; vgl. KP 10.5.2021, RFE/RL 1.5.2021). Seit 5.5.2021 ist der Besuch von Vorschuleinrichtungen, Schulen und Hochschulen wieder erlaubt (WKO 30.4.2021; vgl. RFE/RL 1.5.2021).

Ukrainische Staatsangehörige benötigen für die Einreise einen negativen PCR-Test, welcher zum Zeitpunkt der Einreise nicht älter als 72 Stunden sein darf. Die verpflichtende Selbstisolation von 14 Tagen kann durch einen negativen PCR-Test bei einem zugelassenen Testzentrum nach Einreise verkürzt werden. Ein Einreiseverbot bzw. Beschränkungen im internationalen Reiseverkehr sind derzeit nicht vorgesehen, können aber nicht ausgeschlossen werden (AA 3.5.2021). Die Flughäfen in Kiew, Dnipro, Charkiw, Lwiw, Odesa und Saporischschja sind für den internationalen und inländischen Flugverkehr geöffnet (WKO 30.4.2021).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.5.2021): Ukraine: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/ukraine-node/ukrainesicherheit/201946, Zugriff 10.5.2021

?        GM – Gesundheitsministerium [Ukraine] (10.5.2021): ?????????? ??? COVID-19 ? ???????: ?????????? ???? ?? 09 ?????? 2021 ???? [COVID-19-Impfung in der Ukraine: Operative Daten für den 9. Mai 2021], https://vaccination.covid19.gov.ua/news/vaccinationdata70, Zugriff 10.5.2021

?        GM – Gesundheitsministerium [Ukraine] (8.5.2021): ??? ??? ?????????? ??? COVID-19 ? ??????? [Alles über die COVID-19-Impfung in der Ukraine], https://vaccination.covid19.gov.ua/, Zugriff 10.5.2021

?        Gov.ua – Regierungsportal [Ukraine] (10.5.2021): ?????????? ?????????? ??? ????????? ?????????????? ???????? 2019-nCoV [Operative Information über die Ausbreitung der Coronavirus-Infektion 2019-nCoV], https://www.kmu.gov.ua/news/operativna-informaciya-pro-poshirennya-koronavirusnoyi-infekciyi-2019-ncov-10092021, Zugriff 10.5.2021

?        IOM – International Organization for Migration (10.2.2021): IOM Ukraine Covid-19 Response Report 8: IOM helps conflict-affected Toretsk get through water shortages, https://www.iom.org.ua/en/iom-ukraine-covid-19-response-report-8, Zugriff 10.5.2021

?        IU – Interfaks Ukraine (9.5.2021): ? ????? ?? ????? 255 ????? ?????????? COVID-19, ??????? ?? ??????????? [In Kiew binnen 24 Stunden 255 Covid-Neuerkrankungen, ebenso viele wurden geheilt], https://interfax.com.ua/news/general/742784.html, Zugriff 10.5.2021

?        KP – Kyiv Post (10.5.2021): COVID-19 in Ukraine: 2,817 new cases, 119 new deaths, 1,004 new vaccinations, https://www.kyivpost.com/ukraine-politics/covid-19-in-ukraine-2817-new-cases-119-new-deaths-1004-new-vaccinations.html, Zugriff 10.5.2021

?        RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (1.5.2021): Kyiv Eases COVID-19 Restrictions Following Decrease In Infections, https://www.rferl.org/a/kyiv-eases-covid-lockdown-restrictions/31233221.html, Zugriff 10.5.2021

?        UA – Ukraine-Analysen (28.4.2021): Covid-19-Chronik, 23.3.-25.4.2021 (Nr. 250), https://www.laender-analysen.de/ukraine-analysen/250/UkraineAnalysen250.pdf, Zugriff 10.5.2021

?        UNIAN – ?????????? ????????? ???????????? ????????? ????? [Ukrainische unabhängige Nachrichtenagentur] (10.5.2021): ??????? ??????????? ????????? ??????????? ????????? ? ?????????, ????? ?? ????? ??????? [Schmygal kündigte Verlängerung der adaptiven Quarantäne an und teilte mit, ob es neuen Lockdown geben wird], https://www.unian.net/society/shmygal-anonsiroval-prodlenie-adaptivnogo-karantina-i-rasskazal-budet-li-novyy-lokdaun-novosti-ukrainy-11415166.html?, Zugriff 10.5.2021

?        UP – Ukrainska Prawda (7.5.2021): ??????? ?????? ? ??????? ????? ???????? – ???????? [In der Ukraine dritte Pandemiewelle vorbei – Stepanow], https://www.pravda.com.ua/news/2021/05/7/7292748/, Zugriff 10.5.2021

?        WKO – Wirtschaftskammer [Österreich] (30.4.2021): Coronavirus: Situation in der Ukraine, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-info-ukraine.html, Zugriff 10.5.2021

Politische Lage

Letzte Änderung: 09.07.2020

Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Staatsoberhaupt ist seit 20. Mai 2019 Präsident Wolodymyr Selenskyj (AA 6.3.2020). Beobachtern zufolge verlief die Präsidentschaftswahl am 21. April 2019 im Großen und Ganzen frei und fair und entsprach generell den Regeln des demokratischen Wettstreits. Kritisiert wurden unter anderem die unklare Wahlkampffinanzierung und die Medienberichterstattung in der Wahlauseinandersetzung (KP 22.4.2019). Auf der russisch besetzten Halbinsel Krim und in den von Separatisten kontrollierten Gebieten im Donbas fanden keine Wahlen statt (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).

2019 war ein Superwahljahr in der Ukraine. Am 31. März fanden die Präsidentschaftswahlen statt; Parlamentswahlen waren ursprünglich für den 27. Oktober 2019 angesetzt. Nach der Inauguration des Präsidenten Selenskyj wurde das Parlament aufgelöst. Die vorgezogenen Parlamentswahlen fanden am 21. Juli 2019 statt (GIZ 3.2020a). Selenskyjs Partei „Sluha Narodu“ (Diener des Volkes) gewann 254 von 450 Sitzen. Die Wahlbeteiligung war mit knapp 50% geringer als vor fünf Jahren. Die OSZE sprach trotz des klaren Ergebnisses von einer fairen Konkurrenz. Zwar bemängelte sie fehlende Transparenz bei der Finanzierung des Wahlkampfs, insgesamt registrierten die Wahlbeobachter bei der Abstimmung allerdings keine gröberen Verstöße (FH 4.3.2020; vgl. BAMF 22.7.2019, DS 22.7.2019). Es wurden sechs Fraktionen gebildet: „Diener des Volkes“ mit 254 Sitzen, die Oppositionsplattform „Für das Leben“ mit 44 Sitzen, Europäische Solidarität (Ex-Block Poroschenko) mit 27 Sitzen, Batkivshchyna (Julia Timoschenkos Partei) mit 25 Sitzen, Holos (Stimme) mit 17 Sitzen und schließlich die aus unabhängigen Abgeordneten bestehende Fraktion „Für die Zukunft“ mit 23 Sitzen (KP 29.8.2019). Auf der Krim und in den von Separatisten kontrollierten Teilen des Donbas konnten die Wahlen nicht stattfinden; folglich wurden nur 424 der 450 Sitze im Parlament besetzt. Darüber hinaus sind rund eine Million ukrainische Bürger nicht wahlberechtigt, weil sie keine registrierte Adresse haben (FH 4.3.2020).

Die nach der „Revolution der Würde“auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch von Präsident Poroschenko verfolgte europafreundliche Reformpolitik wird durch Präsident Selenskyj verstärkt fortgesetzt. Grundlage bildet ein ambitioniertes Programm für fast alle Lebensbereiche. Schwerpunkte liegen u.a. auf Korruptionsbekämpfung, Digitalisierung, Bildung und Stimulierung des Wirtschaftswachstums. Selenskyj kann sich dabei auf eine absolute Mehrheit im Parlament stützen. Diese Politik, maßgeblich von der internationalen Gemeinschaft unterstützt, hat über eine Stabilisierung der Verhältnisse im Inneren zu einer Annäherung an europäische Verhältnisse geführt (AA 29.2.2020).

Während des ersten Jahres seiner Amtszeit war Präsident Selenskyj mit einigen Herausforderungen konfrontiert (RFE/RL 20.4.2020; vgl. Brookings 20.5.2020). Zwar liegt seine Popularität nicht mehr bei den historischen 70% Unterstützung, die er einst genoss; Umfragen zeigen jedoch, dass seine Zustimmungswerte immer noch höher sind als die aller seiner Vorgänger (RFE/RL 25.4.2020). Im März 2020 gestaltete er die Regierung um, nachdem Ministerpräsident Hon?aruk seinen Rücktritt bekanntgegeben hatte (DW 3.3.2020; vgl. Brookings 20.5.2020). Seit 4. März 2020 ist Denys Schmyhal neuer Ministerpräsident und somit Regierungschef (AA 6.3.2020). Dem neuen Kabinett fehlt jedoch die Glaubwürdigkeit in Bezug auf die Reformen und Mitglieder der alten Eliten sind in Machtpositionen zurückgekehrt. Ob und wie stark das Kabinett Veränderungen durchsetzen wird, muss sich erst zeigen (Brookings 20.5.2020).

Das ukrainische Parlament (Verkhovna Rada) wurde bisher über ein Mischsystem zur Hälfte nach Verhältniswahlrecht und zur anderen Hälfte nach Mehrheitswahl in Direktwahlkreisen gewählt. Das gemischte Wahlsystem wird als anfällig für Manipulation und Stimmenkauf kritisiert. Ukrainische Oligarchen üben durch ihre finanzielle Unterstützung für verschiedene politische Parteien einen bedeutenden Einfluss auf die Politik aus (FH 4.3.2020). Im Dezember 2019 wurde vom Parlament ein neues Wahlgesetz beschlossen. Es sieht teils ein Verhältniswahlsystem mit offenen Parteilisten sowohl für Parlaments- als auch für Kommunalwahlen vor (FH 4.3.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (6.3.2020): Ukraine: Steckbrief, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/ukraine-node/steckbrief/201830, Zugriff 25.5.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (29.2.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine (Stand: Januar 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2027985/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Ukraine_%28Stand_Januar_2020%29%2C_29.02.2020.pdf, Zugriff 19.5.2020

?        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (22.7.2019): Briefing Notes, per E-Mail

?        Brookings Institution (20.5.2020): Zelenskiy’s first year: New beginning or false dawn?, https://www.brookings.edu/blog/order-from-chaos/2020/05/20/zelenskiys-first-year-new-beginning-or-false-dawn/, Zugriff 22.5.2020

?        DS – Der Standard (22.7.2019): Diener des Volkes werden Kiew regieren, https://www.derstandard.at/story/2000106566433/diener-des-volkes-werden-kiew-regieren, Zugriff 25.5.2020

?        DW – Deutsche Welle (3.3.2020): Ukraine Prime Minister Oleksiy Honcharuk resigns for second time, https://www.dw.com/en/ukraine-prime-minister-oleksiy-honcharuk-resigns-for-second-time/a-52628402, Zugriff 25.5.2020

?        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025958.html, Zugriff 19.5.2020

?        FH - Freedom House (6.5.2020): Nations in Transit 2020 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2029666.html, Zugriff 25.5.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020a): Länderinformationsportal, Ukraine, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/ukraine/geschichte-staat/#c4037, Zugriff 22.5.2020

?        Jamestown Foundation (24.2.2020): Looming Confrontation in President Zelenskyy’s Entourage Could Lead to Reset of Ukrainian Government, https://jamestown.org/program/looming-confrontation-in-president-zelenskyys-entourage-could-lead-to-reset-of-ukrainian-government/, Zugriff 25.5.2020

?         KP – Kyiv Post (29.8.2019): Ukraine’s new parliament sworn in, Dmytro Razumkov becomes speaker, https://www.kyivpost.com/ukraine-politics/ukraines-new-parliament-sworn-in.html?cn-reloaded=1, Zugriff 25.5.2020

?        RFE/RL – Radio Free Europe / Radio Liberty (30.8.2019): Ukraine’s Zelenskiy Inducts Politically Untested Government, https://www.rferl.org/a/ukraine-zelenskiy-new-government-honcharuk/30137220.html, Zugriff 25.5.2020

?        RFE/RL – Radio Free Europe, Radio Liberty (25.4.2020): Zelenskiy's First Year: He Promised Sweeping Changes. How's He Doing?, https://www.rferl.org/a/zelenskiys-first-year-he-promised-sweeping-chan

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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