TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/21 W139 2162939-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.09.2021
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Entscheidungsdatum

21.09.2021

Norm

BVergG 2006 §172
BVergG 2006 §180 Abs1 Z1
BVergG 2006 §195 Z3
BVergG 2006 §195 Z5
BVergG 2006 §2 Z8
BVergG 2006 §291
BVergG 2006 §292 Abs1
BVergG 2006 §312 Abs3 Z2
BVergG 2006 §312 Abs3 Z3
BVergG 2006 §331 Abs1 Z2
BVergG 2006 §332 Abs3
BVergG 2006 §334
BVergG 2006 §334 Abs2
BVergG 2006 §334 Abs4
BVergG 2006 §334 Abs5
BVergG 2006 §334 Abs7
BVergG 2006 §334 Abs8
BVergG 2006 §5
BVergG 2018 §356 Abs7
B-VG Art133 Abs4
GewO 1994 §32 Abs1 Z6
VbVG §5 Abs1
VbVG §5 Abs2
VbVG §5 Abs3
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W139 2162939-2/108E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Kristina HOFER als Vorsitzende sowie Mag. Andreas MATHIS als fachkundigen Laienrichter der Auftraggeberseite und Ing. Mag. Sandra GENNER als fachkundige Laienrichterin der Auftragnehmerseite über den Antrag der XXXX , vertreten durch Leitner Trischler Rechtsanwälte, Lindengasse 38/3, 1070 Wien, vom 29.06.2017 betreffend das Vergabeverfahren „Lieferung von Schaumseife, Handtuchrollen, Lufterfrischern und Toilettensitzreinigern sowie Bereitstellung von Spendern (interne Nummer: Z_2014_DV_108)“ der Auftraggeberin Flughafen Wien Aktiengesellschaft (Flughafen Wien AG), Postfach 1, 1300 Wien-Flughafen, vertreten durch WOLF THEISS Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Schubertring 6, 1010 Wien, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Dem Antrag, „das Bundesverwaltungsgericht möge feststellen, dass die Auftraggeberin den Vertrag betreffend die Rollenhandtücher und der Flüssigseife in den letzten 3 Jahren rechtswidrig, nämlich ohne vorangehende Durchführung eines Vergabeverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung bzw. vorherigem Aufruf zum Wettbewerb geschlossen hat“ wird stattgegeben.

Es wird gemäß § 312 Abs 3 Z 3 BVergG 2006 festgestellt, dass die Auftraggeberin Flughafen Wien AG ein Vergabeverfahren rechtswidriger Weise ohne vorherige Bekanntmachung bzw. ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb durchgeführt hat.

II. Der Antrag der Auftraggeberin Flughafen Wien AG, „festzustellen, dass die Antragstellerin auch bei Einhaltung der entsprechenden Bestimmungen keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte“ wird zurückgewiesen.

III. Über die Auftraggeberin Flughafen Wien AG wird gemäß § 334 Abs 7 BVergG 2006 eine Geldbuße in der Höhe von EUR XXXX verhängt. Diese ist binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses an den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung zu bezahlen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 29.06.2017 beantragte die Antragstellerin, die XXXX , vertreten durch Leitner Trischler Rechtsanwälte, Lindengasse 38, 1070 Wien, das Bundesverwaltungsgericht möge feststellen, dass die Auftraggeberin den Vertrag betreffend die Rollenhandtücher und die Flüssigseife in den letzten drei Jahren rechtswidrig, nämlich ohne vorangehende Durchführung eines Vergabeverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung bzw. vorherigem Aufruf zum Wettbewerb geschlossen habe.

Zur Rechtswidrigkeit führte die Antragstellerin aus, dass im Jahr 2008 bei der Auftraggeberin ein Verhandlungsverfahren im Oberschwellenbereich zur Beschaffung just jener Produkte stattgefunden habe, welche der Geschäftsführer der Antragstellerin am 31.05.2017 am Flughafen bemerkt habe.

Wiewohl die Ausschreibung aus dem Jahr 2008 die Beschaffung der benötigten Hygieneartikel für die Dauer von vier Jahren vorgesehen habe, habe seither keine vergleichsweise Ausschreibung mehr stattgefunden. Es sei daher davon auszugehen gewesen, dass kein Bedarf an diesen Produkten bestehen würde, was auch von der Auftraggeberin mitgeteilt worden sei. Dies sei allerdings durch das Auffinden der Papierhandtuchrollen und der Flüssigseife widerlegt worden.

Der Auftragswert der thematisierten freihändigen Beschaffung der Rollenhandtücher und der Flüssigseife bewege sich im Oberschwellenbereich. Dies ergebe sich auch aus der Ausschreibung aus dem Jahre 2008. Derzeit sei der Bedarf jedoch weit höher. Überdies sei es zwischenzeitig zu einer Erhöhung der Preise für Handtuchrollen und Flüssigseife gekommen. Aus alledem sei zwanglos abzuleiten, dass die gegenständliche Vergabe im Oberschwellenbereich liege, was die freihändige Beschaffung rechtswidrig mache.

Zur Rechtzeitigkeit führte die Antragstellerin aus, dass die Frist gemäß § 332 Abs. 3 BVergG sechs Monate ab dem auf die Zuschlagserteilung folgenden Tag betrage, wobei diese nicht zu laufen beginnen könne, ohne dass der Geschädigte vom fristauslösenden Ereignis Kenntnis erlangt habe. Der VwGH habe in der Entscheidung vom 16.03.2016, 2015/04/0004, festgehalten, dass infolge des Urteils des EuGH in der Rechtssache C-166/14, MedEval, die im § 332 Abs 3 BVergG vorgesehene sechsmonatige absolute Ausschlussfrist als Schranke für die Einbringung eines der dort aufgezählten Feststellungsanträge als verdrängt anzusehen sei. Gleichzeitig wäre ein Schadenersatzanspruch der Antragstellerin noch nicht verjährt. Da der Geschäftsführer vom fristauslösenden Ereignis erst am 31.05.2017 Kenntnis erlangt habe, sei der Antrag daher rechtzeitig.

Die Antragstellerin sei ein erfolgreiches Unternehmen in Zusammenhang mit dem Handel mit Hygienepapier. Darüber hinaus sei sie bereits in der Vergangenheit als Bestbieterin in vergleichbaren Vergabeverfahren hervorgegangen. Durch die rechtswidrige freihändige Vergabe würden der Antragstellerin ganz offensichtlich und unwiederbringlich Umsätze/Gewinne sowie Marktanteile entgehen. Die Antragstellerin habe ein vitales Interesse an diesem Vertrag, zumal sie durchaus sehr große Chancen darauf gehabt habe, als Bestbieter in einem rechtskonform durchgeführten Vergabeverfahren hervorzugehen. In einem rechtskonform durchzuführenden Verfahren wäre der Bestbieter nach förmlichen Kriterien zu eruieren gewesen. Die Preisgestaltung der Antragstellerin hätte sich infolge des geänderten Warenkorbes verändert. Auch hätte sich möglicherweise der Bieterkreis insgesamt geändert und wäre ein förmliches rechtskonformes Vergabeverfahren von erhöhter Transparenz gezeichnet gewesen.

2. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.06.2018, Zl. W139 2162939-2/81E, wurde der Feststellungsantrag abgewiesen. Die Auftraggeberin sei zu Recht zu der Einschätzung gelangt, ihre Entscheidung aufgrund des Schutzes eines Ausschließlichkeitsrechts auf § 195 Z 3 BVergG 2006 stützen zu können.

3. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.05.2020, Zl. Ra 2018/04/0152-9, wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.06.2018, Zl. W139 2162939-2/81E, aufgehoben. Die

Text


Entscheidungsgründe werden im Rahmen der rechtlichen Beurteilung wiedergegeben.
4. Am 07.07.2021 nahm die Auftraggeberin zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Stellung und führte darin im Wesentlichen aus, dass die Vergabe des verfahrensgegenständlichen Auftrages auf einer jedenfalls vertretbaren Rechtsansicht beruhe, die erst vom Verwaltungsgerichtshof anders beurteilt worden sei. Aus dem Genehmigungslauf und dem „Mehraugenprinzip“ vor Einleitung solcher Verfahren bei der Auftraggeberin sei auch ersichtlich, dass die Auftraggeberin bereits wirksame Kontrollmaßnahmen und Prozesse eingerichtet habe, welche die Vergabeprozesse standardisieren, dokumentieren und die Einhaltung des BVergG sicherstellen. Die Auftraggeberin habe in der Vergangenheit keinen vergleichbaren Verstoß begangen. Im Sinne eines bisherigen untadeligen Geschäftslebens sei die Unbescholtenheit der Auftraggeberin als besonderer Milderungsgrund anzusehen. Da § 334 Abs 8 BVergG 2006 explizit auf § 5 Verbandsverantwortlichkeitsgesetz verweise, sei insbesondere die hiezu ergangene Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes zu berücksichtigen, welche die wirtschaftliche Situation in die Bemessung einbeziehe. Durch die COVID-19-Pandemie habe die Auftraggeberin – was als gerichtsnotorisch vorausgesetzt werden dürfe – wesentliche Umsatzeinbußen erlitten. Allein im Jahr 2020 sei der Umsatz um über 60 % gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Die Passagierzahlen seien um über 75 % eingebrochen, ähnlich wie die Verkehrsbewegungen (Passagiere und Flugbewegungen). Die hier dargestellten Umsatzeinbußen würden zudem lediglich einen Teil der tatsächlichen Geschäftsverluste, die die Auftraggeberin während der gesamten Pandemie bis dato erlitten habe, darstellen. Die europaweit verhängten Ein- und Ausreiseverbote sowie mehrere „Lockdowns“ hätten eindeutig am stärksten den Flugverkehr betroffen, der naturgemäß die wichtigste Einnahmequelle für die Auftraggeberin darstelle. Diese stark verringerte Ertragslage der Auftraggeberin sei daher bei der Bemessung einer allfälligen Geldbuße zu berücksichtigen. Weiters sei die „Verlängerung“ des Vertrages mit der mitbeteiligten Partei auf Basis der Preise aus dem zuvor durchgeführten Vergabeverfahren erfolgt, weswegen die Auftraggeberin auch keinen Vorteil aus der Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Bekanntmachung gezogen habe. Darüber hinaus habe die Auftraggeberin im Rahmen des Feststellungsverfahrens stets alle Unterlagen übergeben bzw. Auskünfte erteilt. Abschließend werde festgehalten, dass eine – allenfalls festgestellte – rechtswidrige Wahl des Vergabeverfahrens bereits Voraussetzung für eine Feststellung im Sinne des § 331 Abs. 1 Z 2 iVm § 334 Abs. 7, 8 BVergG 2006 sei und somit für die Begründung der „Schwere des Verstoßes“ im Sinne des § 356 Abs. 10 BVergG bzw. bei der Verhängung der Geldbuße nicht herangezogen werden könne. Im Übrigen dürfe die Nicht-Erfüllung eines Milderungsgrundes nicht als Erschwerungsgrund angesehen werden.

5. Am 07.09.2021 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II. 1. Feststellungen:

Aufgrund der vorgelegten Stellungnahmen, der Bezug nehmenden Beilagen, der Unterlagen des gegenständlichen Vergabeverfahrens sowie des Ergebnisses der mündlichen Verhandlungen wird folgender entscheidungserheblicher Sachverhalt festgestellt:

Auftraggeberin der gegenständlichen Auftragsvergabe ist die Flughafen Wien AG. Diese führte bereits 2008 ein Vergabeverfahren mit der Bezeichnung „Ausschreibung für die Lieferung von div. Hygieneartikel sowie der dafür benötigten Spender am Flughafen Wien für die Dauer von 4 Jahren mit Option auf ein weiteres Jahr“ als Verhandlungsverfahren im Oberschwellenbereich nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb betreffend einen Lieferauftrag nach den Bestimmungen des Sektorenvergaberechts durch. Gegenstand der Ausschreibung war demnach die Lieferung von Hygieneartikeln aus Papier und Zellstoff, wie Toilettenpapier, Putzpapier, Falt- und Rollenhandtücher und Zellstofftücher sowie Duftspender und Hygienebehälter und die Ausstattung mit Spendersystemen (Unterlagen des Vergabeverfahrens 2008).

An diesem Verfahren beteiligte sich u.a. auch die Antragstellerin. Der Zuschlag wurde der mitbeteiligten Partei, (damals) XXXX (nunmehr: XXXX ), erteilt. Nach Inanspruchnahme der Verlängerungsoption endete die Laufzeit des betreffenden Vertrags am 30.06.2014 (Unterlagen des Vergabeverfahrens 2008).

Im April 2014 prüfte die Auftraggeberin (Herr XXXX Zentraler Einkauf, unter Einbindung der Rechtsabteilung – Fachbereich Generalsekretariat), ob im Hinblick auf die ab 01.07.2014 notwendig werdende (neuerliche) Beschaffung diverser Hygieneartikel ein Vergabeverfahren mit oder ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung durchzuführen wäre. Die für die Beschaffung der verfahrensgegenständlichen Hygieneartikel zuständige Mitarbeiterin der Auftraggeberin, Frau XXXX , führte daraufhin Gespräche mit der bei der mitbeteiligten Partei zuständigen Mitarbeiterin, Frau XXXX . Nach deren Auskunft im Rahmen eines Telefonats am 29.04.2014 könne die Schaumseife für die installierten Spender ausschließlich über die bisherige Auftragnehmerin bezogen werden. Die „Fa. XXXX [sei] bei letzter Ausschreibung 2008 als Generalunternehmer hervor gegangen“. Daher [würden] „die XXXX Handtuchrollen für VIE nur über Fa. XXXX ausgeliefert, fakturiert und die Spender gewartet“ werden (Gedächtnisprotokoll vom 11.12.2017, angefertigt von Frau XXXX ). Weiterer rechtlicher Beistand wurde nicht beigezogen (Unterlagen des Vergabeverfahrens 2014).

Am 17.05.2014 wurde die Einleitung eines Vergabeverfahrens im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit einem Bieter gemäß § 195 Z 3 iVm Z 5 BVergG 2006 betreffend die „Lieferung von Handtuchrollen, Seife, Lufterfrischern und Toilettensitzreinigern für bestehende Spendersysteme“ genehmigt (Genehmigung durch den Einzelvorstand sowie die Leiter der Fachbereiche Zentraler Einkauf und Generalsekretariat [Rechtsabteilung]). Abgeschlossen werden sollte demnach eine Rahmenvereinbarung mit einer Laufzeit von drei Jahren und einer Verlängerungsoption von 12 Monaten. Als Begründung für die Wahl dieses Vergabeverfahrens und die Nichteinhaltung der Mindestanzahl der erforderlichen Verfahrensteilnehmer wird darin ausgeführt:

„Der Flughafen Wien ist mit Spendersystemen der Fa. XXXX ausgestattet. Füllungen für diese Spender (Handtücher, Seife etc) werden nur von der Fa. XXXX geliefert. Der Flughafen ist mit je ca. 1300 Handpapier- und Seifenspendern im öffentlichen und nicht öffentlichen Bereich ausgestattet. Ein Wechsel der Spender ist mit umfangreichen Montageaufwänden (Dauer ca. 4 Monate) und daher mit hohen Kosten verbunden und kommt daher nicht in Frage. Abgesehen davon entstehen aufgrund der unterschiedlichen Formen der Spender unansehnliche Bohrlöcher die den Gesamteindruck der PAX-Bereiche nachhaltig stören.

Die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens mit einem Bieter gem. § 195 Zi 3 in Verbindung mit Zi 5 wird daher als zulässig erachtet.“

Am 06.06.2014 wurde mit der mitbeteiligten Partei ein Rahmenvertrag auf drei Jahre mit der Option auf Verlängerung um weitere 12 Monate abgeschlossen. Leistungsinhalt des betreffenden Rahmenvertrags bilden die Lieferung von Schaumseife, Handtuchrollen, Lufterfrischern (Duftpatronen) und Toilettensitzreinigern sowie die Bereitstellung von Spendern. Punkt 4 (Leistungsbeschreibung und Mengengerüst) lautet bezüglich der Spendersysteme auszugsweise: „Kostenlose Ausstattung und Erweiterung von neuen Spendern; kostenloser Ersatz und Austausch von defekten bzw beschädigten Spendern; kostenlose Montage, Wartung bzw Reparatur der Spendersysteme […]“ (Verfahrensunterlagen).

Die Antragstellerin verfügt über eine Gewerbeberechtigung mit nachstehendem Gewerbewortlaut: „Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe“ (Einsichtnahme in GISA). Unternehmensgegenstand der Antragstellerin ist der Handel mit diversen Hygienematerialien. Das Sortiment der Antragstellerin umfasst unter anderem Seife und Handtuchrollen sowie die Spender für alle Produkte des Sortiments (Internetabfrage). Anhaltpunkte dafür, dass die Antragstellerin grundsätzlich außerstande gewesen wäre, im Falle der ihrerseits in den Raum gestellten Alternative, nämlich des gänzlichen Austausches der vorhandenen Spender, die Lieferung der verfahrensgegenständlichen Spender sowie die Lieferung der betreffenden Verbrauchsmaterialien vorzunehmen, sind nicht zutage getreten.

In den sanitären Einrichtungen am Flughafen Wien-Schwechat waren im Dezember 2017 zu einem überwiegenden Teil diejenigen Spender montiert und in Verwendung, die bereits auf der Grundlage der Ausschreibung 2008 montiert wurden (Angaben in der mündlichen Verhandlung).

Am 29.06.2017 brachte die Antragstellerin beim Bundesverwaltungsgericht einen Antrag auf Feststellung, „dass die Auftraggeberin den Vertrag betreffend die Rollenhandtücher und der Flüssigseife in den letzten 3 Jahren rechtswidrig, nämlich ohne vorangehende Durchführung eines Vergabeverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung bzw vorherigen Aufruf zum Wettbewerb geschlossen hat“, ein.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.06.2018, Zl. W139 2162939-2/81E, wurde der Feststellungsantrag abgewiesen.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.05.2020, Zl. Ra 2018/04/0152-9, wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.06.2018, Zl. W139 2162939-2/81E, aufgehoben.

Die Leistungen aus dem Rahmenvertrag „Lieferung von Handtuchrollen, Seife, Lufterfrischern und Toilettensitzreinigern für bestehende Spendersysteme“, abgeschlossen am 06.06.2014, wurden zur Gänze erbracht, allerdings in etwas geringerem Umfang als in den Wertkontrakten vereinbart wurde. Der Gesamtwert der erbrachten Leistungen beträgt EUR XXXX (Auskunft der Auftraggeberin vom 07.09.2021; SAP-Auszug).

Es war nicht zu erkennen und es fanden sich auch keine Anhaltspunkte, dass die Auftraggeberin durch ihre Vorgehensweise - abgesehen von jenem Aufwand, den sie sich durch die unterlassende Durchführung eines öffentlichen Vergabeverfahrens erspart hat - einen maßgeblichen Vorteil gegenüber einer dem Transparenzgebot gerecht werdenden Wahl des Vergabeverfahrens erlangt hat. Die Preise der gegenständlichen Hygieneartikel blieben im Verhältnis zu den vergleichbaren Hygieneartikeln des vorangehenden Vergabeverfahrens im Wesentlichen unverändert (Unterlagen des Vergabeverfahrens 2008 und 2014; Stellungnahme der Auftraggeberin).

Einen vergleichbaren Rechtsverstoß hat die Auftraggeberin bislang nicht begangen. Sie hat Ihre Vergabepraxis dahingehend umgestellt, als sie zur Beschaffung der verfahrensgegenständlichen Leistungen nunmehr öffentliche Vergabeverfahren durchzuführen beabsichtigt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.02.2020, Zl. W273 2227591-1/26E, wurde dem gegen die – im Mai 2019 national und europaweit bekannt gemachte – Folgeausschreibung „Sanitärmaterial“, Referenznummer Z-2019-0261, gerichteten Feststellungsantrag der Antragstellerin stattgegeben, da die vertragsgegenständlichen Leistungen in dem in der Bekanntmachung bekannt gegebenen CPV-Code keine Deckung finden würden. Der Verwaltungsgerichtshof bestätigte die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.09.2020, Zl. W273 2233950-2/24E, wurde dem gegen die – im August 2020 national und europaweit bekannt gemachte – Folgeausschreibung „Lieferung von diversen Hygieneartikeln samt Spendern“, Referenznummer Z-2020-042, gerichteten Nachprüfungsantrag stattgegeben und die Ausschreibung aufgrund eines rechtswidrigen Zuschlagskriteriums für nichtig erklärt. Die Auftraggeberin erhob dagegen eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes liegt noch nicht vor.

Die von der Auftraggeberin getroffenen Vorkehrungen betreffend die Abwicklung von Vergabeverfahren umfassen interne Vorlage- und Genehmigungspflichten in Abhängigkeit der beabsichtigten Art des Vergabeverfahrens und der Höhe des geschätzten Auftragswertes. Die Antragstellerin verfügt über eine eigene Rechtsabteilung. Der intern vorgesehene Genehmigungslauf für den Fall einer „Unterschreitung der Anzahl der erforderlichen Angebote gem. BVergG“ wurde im gegenständlichen Fall beachtet (Unterlagen des Vergabeverfahrens 2014).

In Anbetracht der COVID-19-Pandemie hat die Auftraggeberin finanzielle Einbußen zu verzeichnen. Die Flughafen Wien Gruppe verfügt allerdings über eine solide wirtschaftliche Basis und plant, 2021 wieder aus der Verlustzone zu kommen, die Liquidität ist für alle vorhersehbaren Krisen-Szenarien ausreichend gesichert (Geschäftsbericht 2020 Flughafen Wien AG).

II.2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch die unter II.1. angeführten Beweismittel. Bei der Beweiswürdigung haben sich gegen die Echtheit und Richtigkeit der vorliegenden Unterlagen des Vergabeverfahrens keine Bedenken ergeben. Der maßgebliche Sachverhalt findet Deckung in den von den Verfahrensparteien eingebrachten Schriftsätzen, den Vergabeunterlagen, den sonstigen vorgelegten Unterlagen und den Angaben in der mündlichen Verhandlung. Unter Zugrundelegung der übereinstimmenden Angaben der Parteien zur Lebensdauer von Spendern stellen sich auch die Angaben zur bestehenden Spender-Infrastruktur am Flughafen Wien-Schwechat als nachvollziehbar dar. Zur festgestellten Vorgehensweise der Auftraggeberin im Vorfeld des gegenständlichen Vergabeverfahrens ist anzumerken, dass die Genehmigung der Einleitung des Vergabeverfahrens nachweislich unter Einbindung des Einzelvorstands und der Rechtsabteilung – Fachbereich Generalsekretariat erfolgte. Das Bundesverwaltungsgericht hegt keinen Zweifel daran, dass sich die Auftraggeberin im Vorfeld grundsätzlich mit der Wahl der Verfahrensart auseinandergesetzt hat. Die Angaben der Auftraggeberin zu den von ihr ins Treffen geführten Milderungsgründen wurden durch diese entsprechend belegt.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

3.1 Zu A)

3.1.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und Zulässigkeit des Antrages

1.       Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 8 BVergG 2006 ist die Flughafen Wien AG. Sie übt als Betreiberin des Flughafens Wien-Schwechat eine Sektorentätigkeit gemäß § 172 BVergG 2006 aus und ist damit Sektorenauftraggeberin gemäß § 166 BVergG 2006 (siehe bereits BVA 01.07.2005, 16N-36/05-36; u.a. BVwG 05.06.2014, W138 2007599-1/15E). Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich gemäß § 5 iVm § 174 BVergG 2006 um einen Lieferauftrag. Die konkrete Leistung, nämlich die Lieferung diverser Hygieneartikel für die sanitären Anlagen am Flughafen Wien, dient dem Funktionieren des Betriebes eines für den internationalen Luftverkehr bestimmten Flughafens. Der geschätzte Auftragswert liegt über dem relevanten Schwellenwert des § 180 Abs 1 Z 1 BVergG 2006. Es handelt sich demnach um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich. Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des Bundesvergabegesetzes.

Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Feststellungsverfahren gemäß § 312 Abs. 3 BVergG 2006 ergibt sich aus § 291 BVergG 2006 iVm Art 14b Abs. 2 Z 1 lit g B-VG (siehe wiederum BVA 01.07.2005, 16N-36/05-36; u.a. auch BVwG 06.04.2016, W114 2118489-3/29E).

Gemäß Art 135 Abs. 1 B-VG iVm § 2 VwGVG und § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 292 Abs. 1 BVergG 2006 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 291, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz gemäß § 319 Abs. 3 oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungsantrages handelt, in Senaten. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

2.       Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 331 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 kann ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages hatte, sofern ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht, die Feststellung beantragen, dass die Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung bzw. ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht rechtswidrig war.

Gemäß § 332 Abs. 1 BVergG hat ein Antrag gemäß § 331 Abs. 1, 2 oder 4 jedenfalls 1. die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens, 2. die genaue Bezeichnung des Auftraggebers und des Antragstellers einschließlich deren Faxnummer oder elektronischer Adresse, 3. soweit dies zumutbar ist, die genaue Bezeichnung des allfälligen Zuschlagsempfängers, 4. die Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes einschließlich des Interesses am Vertragsabschluss, 5. Angaben über den behaupteten drohenden oder eingetretenen Schaden für den Antragsteller, 6. die bestimmte Bezeichnung des Rechts, in dem sich der Antragsteller als verletzt erachtet, 7. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, 8. ein bestimmtes Begehren und 9. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.

Gemäß § 332 Abs. 3 BVergG sind Anträge gemäß § 331 Abs. 1 Z 2 bis 4 binnen sechs Monaten ab dem auf die Zuschlagserteilung folgenden Tag einzubringen.

3.       Zur Antragslegitimation der Antragstellerin:

Die Auftraggeberin wie auch die mitbeteiligte Partei bringen vor, die Antragstellerin sei zum einen nicht befugt, die gegenständlichen Leistungen zu erbringen, da sie lediglich über eine Gewerbeberechtigung für das Handelsgewerbe, beschränkt auf den Großhandel, im Standort eingeschränkt auf die Ausübung des Bürobetriebes verfüge. Zum anderen sei sie nicht in der Lage bzw. nicht berechtigt, Nachfüllungen für die Seifen- und Papierrollenhandtuchspender der mitbeteiligten Partei bzw. der XXXX zu liefern. Es könne ihr sohin aus der vermeintlich rechtswidrigen Verfahrenswahl kein Schaden entstehen. Die Auftraggeberin macht überdies geltend, der Feststellungsantrag der Antragstellerin sei auch deshalb unzulässig, weil sich der Antrag ausschließlich auf die Vergabe von Rollenhandtüchern und Flüssigseife beziehe und die Antragstellerin demnach kein Interesse am Vertragsabschluss im Hinblick auf die sonstigen ausgeschriebenen Hygieneartikel habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits mehrfach mit dem Begriff des Schadens als Voraussetzung für die Antragslegitimation gemäß § 331 Abs. 1 BVergG 2006 befasst (u.a. VwGH 16.12.2015, Ro 2014/04/0065 mwN; VwGH 17.06.2014, 2012/04/0032, 0034 mwN). Demnach liegt ein dem Antragsteller drohender Schaden bereits dann vor, wenn die Möglichkeit des Antragstellers, am Vergabeverfahren teilzunehmen, durch die behauptete Rechtswidrigkeit beeinträchtigt werden kann. Dem Erfordernis, einen drohenden oder eingetretenen Schaden darzutun, wird bereits dann entsprochen, wenn die entsprechende Behauptung plausibel ist. Die Möglichkeit, an einem Vergabeverfahren teilzunehmen bzw. den Zuschlag zu erhalten, kann durch eine behauptete Rechtswidrigkeit allerdings dann nicht beeinträchtigt werden, wenn der Antragsteller nicht in der Lage gewesen wäre, die auftragsgegenständliche Leistung vollständig (etwa in zeitlicher Hinsicht) oder sonst in ihrer Gesamtheit zu erbringen (VwGH 26.02.2014, 2011/04/0134; VwGH 26.02.2014, 2011/04/0168). Bestehen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller die ausgeschriebene Leistung nicht erbringen bzw. dass er ein für den Zuschlag in Frage kommendes Angebot nicht legen kann, ist es nicht hinreichend, die Plausibilität des Vorbringens zu Schaden und Interesse an der Auftragserteilung nur unter Verweis auf den Geschäftszweig zu prüfen und allein aus diesem Grund einen (drohenden) Schaden im Sinn des § 331 Abs. 1 BVergG 2006 zu bejahen (VwGH 17.06.2014, 2012/04/0032, 0034).

Weiters verweist der Verwaltungsgerichtshof auf das umfassende Gebot eines effektiven Rechtsschutzes, angesichts dessen auch die fehlerhafte Wahl eines Vergabeverfahrens ohne Bekanntmachung bekämpft werden können müsse, und zwar gerade auch von jenen Unternehmen, die nicht eingeladen wurden an dem betreffenden Vergabeverfahren teilzunehmen. Ein drohender Schaden kann in einer derartigen Konstellation in der Beeinträchtigung der Teilnahme an einem Vergabeverfahren gelegen sein, sofern der Rechtsstandpunkt, die Auftraggeberin sei nicht berechtigt gewesen, ein Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung durchzuführen, zuträfe (VwGH 09.09.2015, 2013/04/0111).

Für die Antragslegitimation betreffend die Feststellung der rechtswidrigen Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung ist nicht der Nachweis erforderlich, dass der Antragsteller zu dem — in diesen Fällen in der Vergangenheit liegenden — Zeitpunkt der Auftragserteilung über die geforderte Eignung verfügt hat. Dies wäre schon deshalb überschießend, weil bei Durchführung eines (für den Fall, dass dem Feststellungsantrag Berechtigung zukommt: gebotenen) Vergabeverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung die Angebotsfrist auch dafür genutzt werden kann, die Erfüllung der geforderten Eignungsanforderungen (etwa im Bereich der technischen Leistungsfähigkeit hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Geräte) erst herzustellen. Es ist daher in einem derartigen Fall keine Eignungsprüfung rückwirkend für den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses durchzuführen. Vielmehr ist eine Plausibilitätsprüfung vorzunehmen, für die alle maßgeblichen vorgebrachten Umstände in der Person des Antragstellers, die Eigenart des Leistungsgegenstandes und die vom Auftraggeber gestellten Anforderungen berücksichtig werden können (VwGH 16.12.2015, Ro 2014/04/0065).

Ein Interesse am Vertragsabschluss liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vor, wenn dargelegt wird, dass der Antragsteller ein Interesse daran hatte, ein Angebot zu legen (VwGH 23.05.2014, 2013/04/0025; VwGH 21.01.2014, 2011/04/0003).

Für den vorliegenden Fall bedeutet das Folgendes:

Die Auftraggeberin hat vorliegend unter Berufung auf § 195 Z 3 und Z 5 BVergG zur Vergabe der gegenständlichen Leistung ein Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb mit einem einzigen Unternehmen durchgeführt. Seitens der Antragstellerin wird bestritten, dass sich die Antragstellerin zu Recht auf dieses Ausnahmeverfahren stützen konnte. Sie bringt in diesem Zusammenhang insbesondere auch vor, dass der Auftraggeberin eine „sinnvolle Alternative“ zur Verfügung gestanden wäre, nämlich die Installation „systemneutraler“ Spender. Bei rechtskonformer Vorgangsweise wäre nach Ansicht der Antragstellerin die Aufrechterhaltung des bestehenden Spendersystems nicht möglich gewesen. Hätte die Auftraggeberin sohin ein rechtskonformes Vergabeverfahren durchgeführt, hätte die Antragstellerin die Chance der Teilnahme gehabt. Deren Verlust stelle bereits einen ersatzfähigen Schaden dar. Sie erachte sich u.a. in ihrem Recht auf Durchführung eines fairen, transparenten und den Regeln des lauteren Wettbewerbs entsprechenden Vergabeverfahrens und der Teilnahme an einem solchen Verfahren verletzt.

Im vorliegenden Fall ist sohin zu berücksichtigen, dass die Auftraggeberin der Definition des Auftragsgegenstandes und in der Folge der Wahl der Verfahrensart die Annahme zugrunde gelegt hat, die bereits am Flughafen Wien bestehenden Spender zulässigerweise weiterhin verwenden zu können. Demgegenüber macht die Antragstellerin gerade geltend, dass diese Annahme unzutreffend sei und insofern die Voraussetzungen für die Wahl eines Verhandlungsverfahrens ohne Aufruf zum Wettbewerb mit dem bisherigen Auftragnehmer nicht vorgelegen seien. Die Beantwortung der Frage, ob die Auftraggeberin berechtigt war, sich bei der Lieferung der Verbrauchsmaterialien, der zugehörigen Spender und der sonstigen Hygienematerialien sowie der Wartung und Reparatur der Spender ausschließlich auf die mitbeteiligte Partei zu beschränken, ist in der vorliegenden Konstellation sohin eng mit der Beurteilung der Frage, ob eine fortgeführte Verwendung der bestehenden Spender zulässig war, verknüpft. Dabei handelt es sich aber nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts um keine im Rahmen der Beurteilung der Antraglegitimation zu klärende Frage, sondern es ist dies Sache des Feststellungsverfahrens (dazu siehe unten Punkt 3.1.2.). Das Vorbringen der Antragstellerin insoweit als zutreffend unterstellt, ist, wie nachfolgend gezeigt wird, folglich nicht ausgeschlossen, dass sich die Antragstellerin bei Bestimmung des Beschaffungsbedarfs im Sinne der von ihr vertretenen, einen gänzlichen Tausch der Spender umfassenden Alternative, an diesem neuen Vergabeverfahren beteiligen hätte können.

Anhaltpunkte dafür, dass die Antragstellerin grundsätzlich außerstande gewesen wäre, im Falle der ihrerseits in den Raum gestellten Alternative, nämlich des gänzlichen Austausches der vorhandenen Spender, die Lieferung der verfahrensgegenständlichen Spender sowie die Lieferung der betreffenden Verbrauchsmaterialien vorzunehmen, sind nicht zutage getreten. Wenngleich der Verwaltungsgerichtshof die alleinige Berufung auf den Geschäftszweig nicht als ausreichend für ein plausibles Darlegen eines Schadens angesehen hat, so ist vorliegend über einen Verweis auf das Tätigkeitsfeld der Antragstellerin hinaus auch darauf hinzuweisen, dass sich die Antragstellerin bereits an dem vorangehenden Vergabeverfahren betreffend die Lieferung diverser Hygienematerialien an die Flughafen Wien AG beteiligt hat, in welchem die grundsätzliche Eignung der Antragstellerin nicht in Frage gestellt wurde. Wenn die Auftraggeberin und die mitbeteiligte Partei einwenden, die Antragstellerin wäre angesichts ihrer auf den Großhandel einerseits und im Standort auf die Ausübung des Bürobetriebs andererseits eingeschränkten Gewerbeberechtigung zur Leistungserbringung nicht befugt, ist Folgendes festzuhalten:

Bei der Ausübung des Handelsgewerbes ist zwischen Kleinhandel und Großhandel zu differenzieren. Die Antragstellerin verweist hierzu auf den Bericht des Handelsausschusses, 941 BgStProt XIII. GP, zum damaligen § 34 GewO (Rechte der Händler), wonach unter Großhandel allgemein jene Handelstätigkeit verstanden wird, bei der Waren vornehmlich nicht an Verbraucher, sondern an Wiederverkäufer, Erzeuger, Verarbeiter usf abgesetzt werden. Den Literaturstimmen ist zu entnehmen, dass unter Kleinhandel der Verkauf von Waren an Letztverbraucher und unter Großhandel jener an Wiederverkäufer verstanden wird (Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO 19943, § 154 Rz 4). Thomas Riesz führt dazu weiter aus, dass unter Letztverbrauchern jene natürlichen und juristischen Personen bzw. Unternehmen zu verstehen sind, die die Ware weder weiter veräußern noch sonst gewerblich verwenden, sodass auch juristische Personen oder Unternehmen als Letztverbraucher zu qualifizieren sind, wenn das konkrete Geschäft nicht den Unternehmensgegenstand des jeweiligen Unternehmens bildet bzw. zum Betrieb gehört. Demgegenüber erfasst Großhandel den Absatz an Wiederverkäufer, Weiterverarbeiter, gewerbliche Verwender (Gaststätten u.a.) oder sonstige Institutionen (Vereine u.a.), sofern es sich abgrenzungstechnisch dabei nicht um Letztverbraucher handelt (Ennöckl/Raschauer/Wessely, Kommentar zur GewO 19941, § 154 Rz 4). Auch von der Rechtsprechung wird zum einen der Handel, bei dem der Absatz der Ware nicht an den Konsumenten, sondern an den Wiederverkäufer erfolgt, als Großhandel und demgegenüber der Verkauf an nicht unternehmerisch tätige Letztverbraucher als Kleinverkauf (auch Einzelhandel) verstanden (OGH 27.07.2017, 4Ob53/17y).

Da der Erwerb der gegenständlichen Hygienematerialien für den Flughafen Wien zentral für das Funktionieren des Flughafenbetriebes erforderlich ist und damit das konkrete Geschäft zum Betrieb des Flughafens gehört, ist die Auftraggeberin vorliegend nicht als nicht unternehmerisch tätiger Letztverbraucher anzusehen. Die Befugnis der Antragstellerin ist sohin auf Grundlage ihrer Gewerbeberechtigung, nämlich des Handelsgewerbes eingeschränkt auf den Großhandel, als gegeben anzusehen.

Die Zugrundelegung dieser Begriffsdefinition, wovon das Bundesverwaltungsgericht ausgeht, bedeutet auch, dass die Antragstellerin, gemäß § 32 Abs. 1 Z 6 iVm Abs. 2 GewO berechtigt ist, die von ihr vertriebenen Waren (Spender) bei der Auftraggeberin zu warten und zu reparieren.

Schließlich vermag auch die im Standort auf die Ausübung des Bürobetriebes eingeschränkte Gewerbeberechtigung nicht dazu zu führen, dass der Antragstellerin im gegenständliche Fall keine Befugnis zukäme. Das Gewerbe ist für den Standort, für den es angemeldet wurde, zwar auf die Ausübung des Bürobetriebes eingeschränkt. Dies hindert die Antragstellerin aber nicht an der Gewerbeausübung, zumal etwa der Rückgriff auf ein — bloß der Aufbewahrung dienendes — Lager keiner weiteren anzeigepflichtigen Betriebsstätte bedarf (Hanusch, Kommentar zur Gewerbeordnung, § 46 Rz 10, 14. Lfg).

Soweit die Auftraggeberin von der Antragstellerin mangelndem Interesse am Vertragsabschluss (im Hinblick auf sämtliche konkret zur Vergabe gelangten Leistungen) ausgeht, ist festzuhalten, dass die Antragstellerin vorerst bei Antragstellung keine genaue Kenntnis über die tatsächlich zur Vergabe gelangten Leistungen hatte bzw. haben konnte (siehe unten Punkt 4. zur Antragsfrist). Wie die Antragstellerin zu Recht ausführt, musste der Auftragsgegenstand nicht zwangsläufig mit jenem des Vergabeverfahrens aus dem Jahr 2008 übereinstimmen und tut er dies auch tatsächlich nicht. Die auf Rollenhandtücher und Flüssigseife eingeschränkte Bezeichnung des Vergabeverfahrens im Feststellungsantrag der Antragstellerin dient insofern allein der Identifikation des als rechtswidrig erachteten Vergabeverfahrens, dessen Auftragsgegenstand der Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht vollumfänglich bekannt war. Und tatsächlich war der Auftraggeberin angesichts der Bezeichnung durch die Antragstellerin offenbar klar, um welches Vergabeverfahren es sich handelt (Möslinger-Gehmayer in Schramm/Aicher/Fruhmann, Kommentar zum Bundesvergabegesetz 2006, § 332 Rz 30, 1. Lfg). In weiterer Folge führte die Antragstellerin aus, sie habe auch Toilettensitzreiniger und Duftspender im Sortiment und hätte diese bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahren auch liefern können. Das Bundesverwaltungsgericht vermag insofern nicht zu erkennen, dass die Antragstellerin, deren Geschäftszweig unbestritten den Handel mit nicht nur auf Rollenhandtücher und Seife beschränkten Hygienematerialien darstellt, lediglich an einem auf die Lieferung mit Rollenhandtüchern und Seife eingeschränkten Vertragsabschluss mit der Auftraggeberin interessiert gewesen wäre.

Abschließend ist sohin festzuhalten, dass das Vorliegen eines der Antragstellerin drohenden und im Verlust der Teilnahmemöglichkeit an einem Vergabeverfahren liegenden Schadens als plausibel angesehen und das Interesse der Antragstellerin am Abschluss des Vertrages als gegeben erachtet wird.

4.       Zur Antragsfrist:

Im Hinblick auf die in § 332 Abs. 3 BVergG vorgesehene sechsmonatige Ausschlussfrist als Schranke für die Einbringung eines der dort aufgezählten Feststellungsanträge hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach festgehalten, dass in Folge des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 26.11.2015 in der Rechtssache C-166/14, MedEval, diese Antragsfrist als verdrängt anzusehen ist. Die belangte Behörde hätte daher den zugrundeliegenden Feststellungsantrag infolge Verdrängung dieser Antragsfrist durch unmittelbar anwendbares Unionsrecht nicht wegen Fristversäumung zurückweisen dürfen (zuletzt: VwGH 07.11.2017, Ra 2017/04/0049 [betreffend die Ausschlussfrist gemäß § 36 Abs. 2 WVRG 2014]; VwGH 18.05.2016, 2016/04/0001; VwGH 16.03.2016, 2015/04/0004). Den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage für ein Bundesvergabegesetz 2018 ist diesbezüglich zu entnehmen, dass der Verwaltungsgerichtshof aufgrund des Anwendungsvorranges des Unionsrechtes die Bestimmung des § 332 Abs. 3 BVergG um die absolute sechsmonatige Ausschlussfrist reduziert hat, sodass Feststellungsanträge ab diesem Zeitpunkt unbefristet eingebracht werden konnten (EBRV 69 BlgNR XXVI. GP, 206).

Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass bereits aus diesem Grund eine Zurückweisung des gegenständlichen Feststellungsantrages wegen Fristversäumung nicht in Betracht kommt.

Abgesehen davon geht das Bundesverwaltungsgericht entgegen der Auffassung der Auftraggeberin und der mitbeteiligten Partei allerdings auch nicht davon aus, dass die Antragstellerin bereits im Jahr 2014 von der gegenständlichen Auftragsvergabe betreffend die Lieferung von Schaumseife, Handtuchrollen, Lufterfrischern und Toilettensitzreinigern sowie die Bereitstellung von Spendern Kenntnis hatte bzw. zumindest Kenntnis haben hätte können. Allein aufgrund einer Beteiligung in einem vorangegangenen Vergabeverfahren, dessen Auftragsgegenstand im Übrigen mit dem nunmehr durchgeführten Verfahren zwar weitgehend aber nicht zur Gänze übereinstimmt, ist nicht anzunehmen, dass die Antragstellerin auch ausreichend Kenntnis von den Rahmenbedingungen der verfahrensgegenständlichen Auftragsvergabe haben konnte, um die — ihres Erachtens — vorliegende Rechtswidrigkeit der neuerlichen Zuschlagserteilung erkennen und geltend machen zu können. In Fällen, in denen es an einer ausdrücklichen Bekanntmachung fehlt, birgt die absolute Sechsmonatsfrist nämlich die Gefahr, dass eine geschädigte Person nicht die für eine etwaige Klage notwendigen Informationen sammeln kann (siehe EuGH 26.11.2015, C-166/14, MedEval, Rn 43 und 46). Die Antragstellerin wäre insofern aber auch nicht angehalten gewesen, bei der Auftraggeberin aktiv und laufend nachzufragen, ob, wie und wann eine erneute Beschaffung erfolgen wird bzw. bereits erfolgt ist oder in den Räumlichkeiten am Flughafen Wien persönlich Nachschau zu halten. Dies überspannt nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts die Anforderung an einen Unternehmer, Kenntnis über einen Vergaberechtsverstoß erlangen zu können.

3.1.2. Zu A.) I.: Stattgabe des Feststellungsantrages

1. In der vorliegenden Konstellation beruft sich die Auftraggeberin bei ihrer Entscheidung zur Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb mit einem einzigen Unternehmer auf das Vorliegen der Voraussetzungen für die Heranziehung der Ausnahmetatbestände gemäß § 195 Z 3 bzw. Z 5 BVergG 2006 und führt dafür im Wesentlichen ins Treffen, dass die Befüllung der verfahrensgegenständlichen Spender durch andere Unternehmer als die mitbeteiligte Partei aufgrund des Vorliegens von ausschließlichen Rechten nicht in Frage komme, dass andere Nachfüllpackungen mit den Spendern nicht kompatibel wären sowie dass es bei einem Wechsel des bisherigen Lieferanten und einem Wechsel des bestehenden Spendersystems zu völlig unverhältnismäßigen technischen Schwierigkeiten und ebenso völlig unwirtschaftlichen Aufwänden käme. Die Antragstellerin bestreitet das Vorhandensein der Voraussetzungen für die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb. Bei rechtskonformer Vorgangsweise wäre die Aufrechterhaltung des bestehenden Spendersystems nicht möglich gewesen.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hob die den Feststellungsantrag abweisende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.06.2018, Zl. W139 2162939-2/81E, mit Erkenntnis vom 04.05.2020, Zl. Ra 2018/04/0152-9, auf und begründete dies im Wesentlichen wie folgt:

„26 4.5 Nach der Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) sind die Rechtfertigungsgründe für die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung eng auszulegen. Die Beweislast dafür, dass die eine Ausnahme rechtfertigenden, außergewöhnlichen Umstände tatsächlich vorliegen, trägt derjenige, der sich darauf berufen will (vgl. VwGH 21.1.2014, 2011/04/0003, mit Verweis auf das Urteil des EuGH 15.10.2009, Rs C-275/08, Kommission gegen Deutschland, Rz. 54 ff).

Dies liegt auch den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zugrunde.

27 4.6.1 Das Verwaltungsgericht meint, die Auftraggeberin könne sich fallbezogen auf den Ausnahmetatbestand des § 195 Z 3 BVerG 2006 stützen, weil die auf ihrem Betriebsgelände „vorhandenen“ Spender aufgrund der daran bestehenden Eigentumsrechte und des gebotenen Schutzes dieser Ausschließlichkeitsrechte im Sinne des § 195 Z 3 BVergG 2006 von keinem anderen Unternehmen als der Zweitmitbeteiligten befüllt werden dürften.

28 Diese rechtliche Schlussfolgerung setzt voraus, dass im Sinne der Ausführungen des Verwaltungsgerichts davon auszugehen war, dass die Auftraggeberin den Leistungsgegenstand des verfahrensgegenständlichen Beschaffungsvorgangs als (bloße) Belieferung mit Nachfüllungen der auf ihrem Betriebsgelände montierten Spender (Handtuchspender und Seifen- bzw. Duftspender) definieren durfte.

29 Das Verwaltungsgericht begründet seine Ansicht unter Heranziehung des § 195 Z 5 BVergG 2006 ausgehend von den Feststellungen betreffend den hohen wirtschaftlichen und administrativen Aufwand, den ein Austausch der Spender mit sich bringen würde. Diese Argumentation ist insofern unklar, als das Verwaltungsgericht einerseits mit dem Berufen auf den Ausnahmetatbestand des § 195 Z 3 BVergG 2006 das Bestehen des Spendersystems voraussetzt; andererseits gründet das Verwaltungsgericht das Vorhandensein des Spendersystems offenbar darauf, dass die Spender ihrerseits im Jahr 2014 von der Auftraggeberin (unter Anwendung des § 195 Z 5 BVergG 2006) beschafft wurden. Darauf deuten die Ausführungen in den Feststellungen, dass den Leistungsinhalt des verfahrensgegenständlichen Beschaffungsvorgangs die Lieferung von Schaumseife, Handtuchrollen, Duftpatronen und Toilettensitzreiniger sowie die Bereitstellung von Spendern gebildet hätten.

30 Mussten jedoch die Spender ebenso erst beschafft werden, kann deren „Vorhandensein“ nicht gleichzeitig zur Begründung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 195 Z 3 BVergG 2006 herangezogen werden. Diese Bestimmung setzt ja das Bestehen eines zu schützenden Ausschließlichkeitsrechts bereits voraus, das bedingt, dass der Auftrag nur von einem bestimmten Unternehmer ausgeführt werden kann und damit die ausnahmsweise zulässige Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung rechtfertigt.

31 4.6.2 Vorweg ist die Frage zu klären, ob die Spender aufgrund des im Jahre 2008 geschlossenen Vertrages ins Eigentum der Auftraggeberin übergingen oder nicht:

32 Aus den Feststellungen zu den Ausschreibungsbedingungen im Jahr 2008 ergibt sich, dass aufgrund dieses Vertrages kein Kauf der Spender vereinbart worden war, der auf einen Eigentumsübergang abzielt und die Annahme eines solchen rechtfertigt. Vielmehr waren die Spender im Sinne der Ausführungen des Verwaltungsgerichts aufgrund des festgestellten Inhalts der zugrunde liegenden Ausschreibung als bereitzustellende Ausstattung anzusehen, die dem Zweck dienten, die zugekauften Hygieneartikel entsprechend verwenden zu können, und deren Zurverfügungstellung mit der Vertragslaufzeit befristet war, zumal keine Preisbestandteile für diese anzugeben waren. Nur für diejenigen Spender, die wegen Vandalismus zerstört würden, hätte die Ersatzkosten die Auftraggeberin übernommen, was dafür spricht, dass die Nachteile der

üblichen Abnützung zu Lasten der Bieterin (als Eigentümerin) gingen. Diese Vereinbarung ist mit einem Kauf nicht in Einklang zu bringen. Ungeachtet dessen, ob der Teilaspekt des Auftrages betreffend die Zurverfügungstellung der Spender als (unentgeltliche) Leihe oder Miete anzusehen wäre, endete die Verpflichtung zur Bereitstellung und Wartung der Spender durch die Zweitmitbeteiligte mit dem Zeitpunkt der Beendigung des ursprünglichen Liefervertrages im Juni 2014.

33 Weiter ist zu klären, ob die Spender aufgrund der Montage - Verbindung mit der Hauptsache - ins Eigentum der Auftraggeberin übergingen: Als Bestandteile bezeichnet man die Teile einer zusammengesetzten Sache; ist die Verbindung von Teilen mit der Hauptsache so eng, dass sie von dieser tatsächlich nicht oder nur durch eine unwirtschaftliche Vorgangsweise abgesondert werden könnten, spricht man von unselbständigen Bestandteilen, die sonderrechtsunfähig sind; lassen sich die Bestandteile hingegen tatsächlich und wirtschaftlich von der Restsache trennen, nennt man sie selbständige Bestandteile; diese sind sonderrechtsfähig, müssen also nicht notwendigerweise das sachenrechtliche Schicksal der Hauptsache teilen. Würde durch die Absonderung das Wesen der Hauptsache oder des Bestandteiles so verändert, dass die nach der Absonderung verbliebene Hauptsache oder der abgelöste Bestandteil wirtschaftlich als etwas anderes anzusehen wäre als vor der Absonderung, dann liegt ein unselbständiger Bestandteil vor (zu alldem OGH 21.10.1987, 1 Ob 643/87, mwN). Entscheidend ist im Einzelfall die Verkehrsauffassung (OGH 14.11.2017, 10 Ob 32/17d, mwN).

34 Fallbezogen ergibt sich zwar ein erheblicher Aufwand für die Demontage der Spender aus der großen Anzahl der Spender und den administrativen Schwierigkeiten aufgrund der Sicherheitsanforderungen. Es wurde jedoch nicht vorgebracht, dass die Demontage zu einer auch nur teilweisen Zerstörung oder erheblich eingeschränkten, „wesensveränderenden“ Brauchbarkeit der Spender führen würde, die sohin zu einer Unwirtschaftlichkeit der Trennung der einzelnen Bestandteile im Sinne der oben wiedergegebenen Judikatur zur Sonderrechtsfähigkeit von Bestandteilen führen würde. Dass die Betriebsanlage der Auftraggeberin eine nennenswerte Veränderung der Funktionstüchtigkeit oder ihres Werts erleiden würde, ist - auch in Anbetracht des Zurückbleibens von Bohrlöchern - von der Hand zu weisen.

35 Aus dem Gesagten ergibt sich, dass der Auftraggeberin selbst keine Eigentumsrechte an den Spendern zukamen, wovon auch das Verwaltungsgericht ausging.

36 4.6.3 Vor diesem Hintergrund ist es jedoch unrichtig, dass die Auftraggeberin zunächst im Sinne der Ausführungen des Verwaltungsgerichts die Entscheidung treffen konnte, „ob das bestehende Spendersystem beibehalten werden konnte oder aber, ob eine gänzliche Neuanschaffung erforderlich war“. Die Auftraggeberin verfügte nach Ablauf der Vertragslaufzeit im Jahr 2014 über kein Spendersystem, weil die Verpflichtung für die Zurverfügungstellung der Spender durch die Zweitmitbeteiligte mit der Vertragslaufzeit des im Jahr 2008 ausgeschriebenen Vertrages endete. Sie musste daher die Beschaffung der Spender jedenfalls neu vergeben.

37 Dabei konnte sie sich jedoch - ungeachtet des wirtschaftlichen Aufwandes - nicht auf § 195 Z 5 BVergG 2006 stützen. Diese Bestimmung, die wegen ihres Charakters als Ausnahmebestimmung nach der Rechtsprechung des EuGH restriktiv auszulegen ist, gestattet seinem Wortlaut nach dem Auftraggeber die Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung „im Falle von Lieferaufträgen bei zusätzlichen, vom ursprünglichen Lieferanten durchzuführenden Lieferungen, die entweder zur teilweisen Erneuerung gängiger Lieferungen oder Einrichtungen oder zur Erweiterung von Lieferungen oder bestehenden Einrichtungen bestimmt sind“. Es handelt sich aber fallbezogen nicht um eine teilweise Erneuerung bzw. um eine Erweiterung des Spendermaterials, sondern - ungeachtet des physischen Vorhandenseins - um eine Neubeschaffung der gesamten Spender, weil diese der Auftraggeberin nach Ablauf der Vertragszeit im Juni 2014 rechtlich betrachtet insgesamt nicht mehr zur Verfügung standen. Darauf deutet wohl auch die Leistungsbeschreibung des verfahrensgegenständlichen Vertrages hin, der laut den Feststellungen gerade auch die Bereitstellung der Spender umfasste (siehe angefochtenes Erkenntnis S 68).

4.6.4 Vor diesem Hintergrund ist der Ansicht, die Auftraggeberin könne die verfahrensgegenständliche Vergabe auf § 195 Z 3 BVergG 2006 stützen, die Grundlage entzogen. Es bestehen zum Zeitpunkt des Beschaffungsvorgangs keine von der Auftraggeberin zu berücksichtigenden Ausschließlichkeitsrechte, die diese von vornherein daran hindern, die Versorgung durch die Bereitstellung von Spendern samt Hygieneartikel einem bestimmten Unternehmen zu übertragen. Der Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass die Auftraggeberin im vorliegenden Fall auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb zurückgreifen durfte, ist daher nicht zu folgen.“

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat insofern klar ausgeführt, dass sich die Auftraggeberin im Hinblick auf die Durchführung der verfahrensgegenständlichen Vergabe als Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung weder zu Recht auf § 195 Z 3 BVergG 2006 noch auf § 195 Z 5 BVergG 2006 berufen durfte, da es sich vorliegend nicht um eine teilweise Erneuerung bzw. um eine Erweiterung der Spenderinfrastruktur, sondern um eine Neubeschaffung der gesamten Spender handeln würde, weswegen insofern auch keine von der Auftraggeberin zu berücksichtigenden Ausschließlichkeitsrechte bestehen würden.

Vor diesem Hintergrund war dem Feststellungsantrag statt zu geben und die in Spruchpunkt A.I. ersichtliche Feststellung, „dass die Auftraggeberin Flughafen Wien AG ein Vergabeverfahren rechtswidrigerweise ohne vorherige Bekanntmachung oder vorherigen Aufruf zum Wettbewerb durchgeführt hat“, zu treffen.

3.1.3. Zu Spruchpunkt A.) II.: Zurückweisung des Antrages der Auftraggeberin

1. Gemäß § 312 Abs 3 Z 2 BVergG 2006 ist das Bundesverwaltungsgericht nach Zuschlagserteilung in einem Verfahren gemäß Z 1, 4 und 5 leg.cit. auf Antrag des Auftraggebers zur Feststellung zuständig, ob der Antragsteller auch bei Einhaltung der entsprechenden Bestimmungen keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte. Gemäß § 331 Abs 1 BVergG 2006 kann der Auftraggeber bei einem Antrag auf Feststellung gemäß Z 1 und 3 bis 5 leg.cit. die Feststellung beantragen, dass der Antragsteller auch bei Einhaltung der entsprechenden Bestimmungen keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte.

2. Das Bundesverwaltungsgericht ist nur in den aufgezeigten Feststellungsverfahren gemäß § 312 Abs 3 Z 1, 4 und 5 BVergG 2006 zur Entscheidung über einen Gegenantrag auf Feststellung, ob die Antragstellerin auch bei Einhaltung der entsprechenden Bestimmungen keine echte Chance auf Zuschlagserteilung gehabt hätte, zuständig. Eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes im Falle eines Feststellungsantrages gemäß § 312 Abs 3 Z 2 BVergG 2006, wie im gegenständlichen Fall, ist nicht gegeben, weswegen der betreffende Antrag der Auftraggeberin spruchgemäß zurückzuweisen war (siehe VwGH 24.02.2010, 2009/04/0209).

3.1.4. Zu Spruchpunkt A.) III.: Verhängung einer Geldbuße

1. Gemäß § 334 Abs 2 BVergG 2006 hat das Bundesverwaltungsgericht im Oberschwellenbereich, soweit in diesem Absatz und in den Abs 4 und 5 leg.cit. nicht anderes bestimmt ist, den Vertrag im Anschluss an eine Feststellung gemäß § 312 Abs 3 Z 3 bis 5 BVergG 2006 für absolut nichtig zu erklären. Das Bundesverwaltungsgericht hat von einer Nichtigerklärung des Vertrages oder einer Aufhebung des Vertrages gemäß den § 334 Abs 4 oder 5 BVergG 2006 abzusehen, wenn der Auftraggeber dies beantragt hat und zwingende Gründe eines Allgemeininteresses es rechtfertigen, den Vertrag aufrechtzuerhalten. Wirtschaftliche Interessen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem betreffenden Vertrag stehen, können die Aufrechterhaltung des Vertrages nicht rechtfertigen, andere wirtschaftliche Interessen nur dann, wenn die Nichtigkeit in Ausnahmefällen unverhältnismäßige Folgen hätte.

Kann die erbrachte Leistung oder ein erbrachter Leistungsteil nicht mehr oder nur wertvermindert rückgestellt werden, so hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 334 Abs 4 BVergG 2006, sofern Abs 5 leg.cit. nicht zur Anwendung kommt, im Anschluss an eine Feststellung gemäß § 312 Abs 3 Z 3 bis 5 BVergG 2006 auszusprechen, dass der Vertrag nur soweit aufgehoben wird, als Leistungen noch ausständig oder erbrachte Leistungen noch ohne Wertverminderung rückstellbar sind.

Gemäß § 334 Abs 5 BVergG 2006 kann das Bundesverwaltungsgericht im Anschluss an eine Feststellung gemäß § 312 Abs 3 Z 3 bis 5 BVergG 2006 aussprechen, dass der Vertrag mit dem Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes oder einem späteren Zeitpunkt aufgehoben wird, wenn der Auftraggeber dies beantragt hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat dafür das Interesse des Auftraggebers an der Aufrechterhaltung bestimmter vertraglicher Rechte und Pflichten, das Interesse des Antragstellers an der Aufhebung des Vertrages sowie allfällige betroffene öffentliche Interessen gegeneinander abzuwägen.

Wenn das Bundesverwaltungsgericht von der Nichtigerklärung des Vertrages gemäß den § 334 Abs 2 erster Satz oder Abs 3 BVergG 2006 abgesehen hat, dann ist gemäß § 334 Abs 7 BVergG 2006 eine Geldbuße über den Auftraggeber zu verhängen, die wirksam, angemessen und abschreckend sein muss. Die Höchstgrenze für eine Geldbuße beträgt 20 vH, im Unterschwellenbereich 10 vH, der Auftragssumme. Geldbußen fließen dem Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (§ 2 des Bundesgesetzes zur Förderung der Forschung und Technologieentwicklung, BGBl 434/1982) zu.

Gemäß § 334 Abs 8 BVergG 2006 hat das Bundesverwaltungsgericht bei der Verhängung der Geldbuße die Schwere des Verstoßes, die Vorgangsweise des Auftraggebers sowie sinngemäß die Erschwerungs- und Milderungsgründe gemäß § 5 des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes – VbVG, BGBl I 151/2005, heranzuziehen und zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß der Vertrag aufrecht erhalten wird.

Gemäß § 5 Abs 1 VbVG hat das Gericht bei der Bemessung der Anzahl der Tagessätze Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Höhe der angedrohten Geldbuße bestimmen, gegeneinander abzuwägen.

Gemäß § 5 Abs 2 VbVG ist die Anzahl insbesondere umso höher zu bemessen,

1.       je größer die Schädigung oder Gefährdung ist, für die der Verband verantwortlich ist;

2.       je höher der aus der Straftat vom Verband erlangte Vorteil ist;

3.       je mehr gesetzwidriges Verhalten von Mitarbeitern geduldet oder begünstigt wurde.

Gemäß § 5 Abs 3 VbVG ist die Anzahl insbesondere geringer zu bemessen, wenn

1.       der Verband schon vor der Tat Vorkehrungen zur Verhinderung solcher Taten getroffen oder Mitarbeiter zu rechtstreuem Verhalten angehalten hat;

2.       der Verband lediglich für Straftaten von Mitarbeitern verantwortlich ist (§ 3 Abs. 3);

3.       er nach der Tat erheblich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat;

4.       er die Folgen der Tat gutgemacht hat;

5.       er wesentliche Schritte zur zukünftigen Verhinderung ähnlicher Taten unternommen hat;

6.       die Tat bereits gewichtige rechtliche Nachteile für den Verband oder seine Eigentümer nach sich gezogen hat.

2. Im vorliegenden Fall hat das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der Beendigung des verfahrensgegenständlichen Vertrages diesen nicht für nichtig erklärt. In diesem Fall hat das Bundesverwaltungsgericht eine Geldbuße über die Auftraggeberin im Ausmaß bis zu 20 % der Auftragssumme zu verhängen, die wirksam, angemessen und abschreckend sein muss (VwGH 11.11.2015, Ra 2015/04/0073). Unerheblich ist demnach, aus welchem Grund von der Nichtigerklärung des Vertrages abgesehen wurde (VwGH 16.12.2015, Ro 2014/04/0065, mwN). Bei der Bemessung der Geldbuße sind die Schwere des Verstoßes, die Vorgangsweise des Auftraggebers sowie sinngemäß die Erschwerungs- und Milderungsgründe gemäß § 5 VbVG heranzuziehen und zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß der Vertrag aufrechterhalten wird (VwGH 27.02.2019, Ra 2018/04/0139). Nach den Erläuterungen zum Bundesvergabegesetz 2006 muss die verhängte Sanktion entsprechend schärfer ausfallen, wenn ein qualifizierter Verstoß des Auftraggebers vorliegt bzw. seine Vorgangsweise offenkundig unzulässig war.

Die Festsetzung einer Geldbuße gemäß § 334 Abs 7 BVergG 2006 ist eine Ermessensentscheidung, bei der neben den gesetzlichen Bemessungsfaktoren die Umstände des Einzelfalls und der Kontext der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen sind. Es handelt sich um eine rechtliche und wirtschaftliche Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände, nicht um das Ergebnis einer schlichten Rechenoperation. Voraussetzung für die rechtmäßige Ausübung des Ermessens ist, dass der Sachverhalt in den für die Ermessensübung maßgebenden Punkten ordnungsgemäß und hinreichend vollständig ermittelt wurde. Um die Überprüfbarkeit des bei der Ausmessung der Geldbuße geübten Ermessens zu gewährleisten, hat die Behörde ausgehend von konkreten Feststellungen zu den Sachverhaltsgrundlagen, die in die Ermessensentscheidung erschwerend oder mildernd einfließen, darzulegen, weshalb die Höhe der im Einzelfall verhängten Geldbuße den in § 334 Abs 7 BVergG 2006 festgelegten gesetzlichen Anforderungen der Wirksamkeit,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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