Entscheidungsdatum
22.09.2021Norm
BVergG 2018 §193 Abs1Spruch
W131 2243263-1/21E
W131 2243894-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK als Vorsitzenden, durch die fachkundige Laienrichterin Dr´a Ilse POHL als Beisitzerin der Auftraggeberseite und durch den fachkundigen Laienrichter Mag Matthias WOHLGEMUTH als Beisitzer der Auftragnehmerseite betreffend die Ausscheidensentscheidungen bei den Losen 3 und 4 im Vergabeverfahren „Ausschreibung von Rahmenverträgen über die Lieferung von Lichtwellenleiter- Komponenten, ID: 44377“ der Auftraggeberin ÖBB-Infrastruktur AG (= AG) aufgrund der Anträge der anwaltlich vertretenen Antragstellerin (= ASt) XXXX Produktions- und Vertriebs GmbH auf diesbezügliche Nichtigerklärung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Die beiden Nachprüfungsanträge mit dem Begehren,
im Vergabeverfahren ID-Nr.: 44377 ,,Ausschreibung von Rahmenverträgen über die Lieferung von Lichtwellenleiter-Komponenten, ID: 44377" (Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung) das Ausscheiden unserer Angebote vom 25.01.2021 zu den Losen 3 (Vergabegegenstand ,,Patchkabelführungssystem (Los 3)") und 4 (Vergabegegenstand,,Singelfasermanagement (Los 4)") [...] für nichtig erklären,
werden abgewiesen
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG jeweils nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die AG führt dz ein Verhandlungsverfahren auf Basis eines im Jahr 2016 eingerichteten Prüfsystems durch.
Die 2021 verwendeten Erstangebotsunterlagen lauten dabei insb wie folgt:
[...]
2.1 Die Vergabe des Ausschreibungsgegenstands erfolgt nach den Sektorenbestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2018 (im Folgenden kurz "BVergG") und den dazu ergangenen Verordnungen in einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung.
Die Bekanntmachung erfolgte durch eine Bekanntmachung über das Bestehen des Prüfsystems Lichtwellenleiter-Komponenten.
[...]
Mit diesen beim BVwG unangefochten gebliebenen Festlegungen ist- in diesbezüglicher Vorwegnahme der rechtlichen Beurteilung bestandsfest für dieses Vergabegeschehen festgeschrieben worden, dass das Prüfsystem aus 2016/2017, eingerichtet also vor Inkrafttreten des BVergG 2018, BGBl I 2018/65, zwar die Vergabebekanntmachung zur Einleitung des Verhandlungsverfahrens ersetzt, dass aber das nunmehrige Vergabegeschehen und insb die hier angefochtenen Ausscheidensentscheidungen vor dem Hintergrund des BVergG 2018 zu beurteilen sind.
2. Die AG verfasste im Vergabeverfahren die nunmehr angefochtenen Ausscheidensentscheidungen, die in den hier interessierenden Teilen wie folgt lauten:
[...]
Vergabegegenstand: LWL-Komponenten
Verfahren ID: 44377
Verständigung vom Ausscheiden gem § 302 Abs 1 Z 3 und iVm Abs 2 BVergG 2018
Sehr geehrte Damen und Herren,
die ÖBB-Infrastruktur AG setzt Sie davon in Kenntnis, dass Ihre Angebote vom 25.01.2021 in den Losen 3 (Patchkabelführungssystem) und 4 (Singelfasermanagement) im Vergabeverfahren zu oben angeführtem Betreff unter Hinweis auf § 302 Abs 1 Z 3 BVergG 2018 sowie § 302 Abs 2 BVergG 2018 auszuscheiden war.
Maßgebend für diese Entscheidung war, dass Sie trotz Nachforderungen vom 02.03.2021 und 01.04.2021 sowie Ihrer Nachreichungen vom 11.03.2021 und 13.04.2021 nicht die Plausibilität bzw. betriebswirtschaftliche Erklärbarkeit der Preisreduktion zwischen Erst- und Letztangebot sowie die Preisangemessenheit der hinterfragten Positionspreise nachgewiesen haben.
Zusammenfassend bestanden bzw. bestehen weiterhin bei der Auftraggeberin aus folgenden Gründen Zweifel, ob die Preise anhand der im Dokument „Anlage 3 - Angebotsformular / LV LWL-Komponenten 2020“ angegebenen Produkte kalkuliert wurden bzw. eine spekulative Preisgestaltung vorliegt:
- Bei unverändert angebotenen Produkten zwischen Erst- und Letztangebot wurden die Gesamtpreise je Los um 21,86% (Los 3) und 43,99% (Los 4) reduziert.
- Die Gesamtpreise je Los wurden im Vergleich zum alten Rahmenvertrag deutlich reduziert, obwohl weiterhin Produkte des Herstellers XXXX angeboten wurden.
Dies ist auch deshalb auffällig, da die Vertragslaufzeit der gegenständlichen Ausschreibung länger ist als die Laufzeit des alten Rahmenvertrags (8 statt 5 Jahre, jeweils Fixpreise).
- Bei einer Vielzahl an Positionen liegt nach der Prüfung der Auftraggeberin eine auffällige Preisgestaltung vor.
Aus diesem Grund wurden Sie am 02.03.2021 umfassend zur nachweislichen Aufklärung aufgefordert.
In Ihrer Nachreichung vom 11.03.2021 führen Sie zu den Preisnachlässen in den Losen 3 und 4 auszugsweise Folgendes an:
„ XXXX hat im Zuge der Erstellung unseres Erstangebotes auf die allgemein gültige Preisliste 2020 verwiesen, welche desahlb die Basis für unser Erstangebot war.
[…] XXXX informierte die Auftragnehmerin einige Arbeitstage nach dem Telefonat, dass es voraussichtlich im Quartal 01/2021 eine komplett neue, überarbeitete Preisliste geben wird mit Einsparung bis zu 20 % bei den Produkten im Los 3 und eine Indexanpassung voraussichtlich bei einer hohen Gesamtjahresabnahmemenge unterbleiben bzw nur geringfügig ausfallen wird.
Anhand dieser Informationen und der Überlegung, dass der zu vergebende Rahmenvertrag voraussichtlich nicht vor Februar 2021 unterzeichnet wird, wurde die Kalkulation für das Zweitangebot überarbeitet und angepasst. Siehe Schreiben Anlage 1 (Fa. XXXX ).
[…]
XXXX hat auf die allgemein gültige Preisliste 2020 verwiesen, welche die Basis für unser Erstangebot war. […] XXXX informierte die Auftragnehmerin einige Arbeitstage nach dem Telefonat, dass es voraussichtlich im Quartal 01/2021 eine komplett neue, überarbeitete Preisliste geben wird mit Einsparung bis zu 40 % bei den Produkten im Los 4 und eine Indexanpassung vermutlich nicht angedacht wird. Bei einzelnen Produkten sind während der Dauer des letzten Rahmvertrages RV 323/4600025290 wichtige Patente abgelaufen wie zB. XXXX . Um den Anschluss an Billiganbieter nicht zu verlieren, hat XXXX die Preisstrategie angepasst, sodass ihren Kunden weiterhin ein gesteigerter Netto-Nutzen-Vorteil geboten wird. Anhand dieser Informationen bzgl. Preisgestaltung und der Vermutung, dass der zu vergebende Rahmenvertrag sicherlich nicht vor Februar 2021 unterzeichnet wird, wurde die Kalkulation überarbeitet und angepasst. Siehe Schreiben Anlage 1.“
In Anlage 1 zu Ihrer Nachreichung erklärt XXXX Folgendes:
„[…] wir bestätigen Ihnen hiermit sehr gerne folgenden Sachverhalt: Nachdem uns signalisiert wurde, dass eine zusätzliche Preisreduktion für diese Ausschreibung erforderlich ist, haben wir der Firma XXXX die Freigabe erteilt, die Preise der eigentlich erst ab 1.April 2021 geltenden Preisliste zu verwenden.
Mit dieser Maßnahme wollten wir den Erhalt des Rahmenvertrags mit der Firma ÖBB unterstützen.
Zudem bestätigen wir, dass wir die Firma XXXX GmbH ausschließlich mit original XXXX - Produkten und unserem Glasfaserführungssystem FiberGuide® bzw. anderen original XXXX Produkten beliefern.“
Aus der Erklärung von XXXX ergibt sich daher, dass (1) die Freigabe zur Verwendung der ab 01.04.2021 gültigen Preisliste erteilt wurde und (2) XXXX mit den genannten XXXX -Produkten beliefert wird.
Nicht nachvollziehbar bzw. nicht nachgewiesen war jedoch die Preisreduktion ihrer Höhe nach. Dazu wurden in der Nachreichung vom 11.03.2021 keine nachvollziehbaren Aufklärungen bzw. Nachweise übermittelt. Auch auf die nicht vorgesehene Indexanpassung wird in der Erklärung des Zulieferers nicht eingegangen.
Mit Nachforderung vom 01.04.2021 wurde Sie nochmals aufgefordert, die Plausibilität bzw. betriebswirtschaftliche Erklärbarkeit der Preisreduktion zwischen Erst- und Letztangebot sowie die Preisangemessenheit der mit Nachforderung vom 02.03.2021 hinterfragten Positionspreise wie folgt nachzuweisen:
„[…]
A) Die Auftraggeberin ersucht zur Plausibilisierung der Höhe der Preisreduktionen im Los 3 und Los 4 um Vorlage der jeweils zur Angebotserstellung des Erst- bzw Letztangebots herangezogenen Preislisten von XXXX :
- allgemein gültige Preisliste 2020 und
- überarbeitete Preisliste Quartal 01/2021
Alternativ kann eine konkrete, aussagekräftige Stellungnahme des Lieferanten XXXX vorgelegt werden, die eine betragsmäßige Nachvollziehbarkeit zumindest (1) der Preisreduktion von XXXX um bis zu 20 % bei den Produkten im Los 3 bzw. bis zu 40 % bei den Produkten im Los 4 und (2) der mit Nachforderung vom 02.03.2021 hinterfragten Positionspreise ermöglicht.
Soweit zur Nachvollziehbarkeit der Preise ergänzend zu diesen Nachweisen weitere Erläuterungen des Bieters erforderlich sind, sind diese ebenfalls mit der Nachreichung vorzulegen.
B) Zudem ist eine Stellungnahme des Lieferanten XXXX einzureichen, aus welcher – entsprechend Ihrer Aufklärung – hervorgeht, dass eine Indexanpassung während der Vertragslaufzeit nicht vorgesehen ist bzw nur geringfügig ausfallen wird.
[…]“
Mit Nachreichung vom 13.04.2021 führen Sie auszugsweise Folgendes an:
„ XXXX hat uns mit dem beiliegenden Schreiben mitgeteilt, dass aufgrund einer Vertraulichkeitsvereinbarung keine Händlerpreislisten und Bedingungen zur Indexanpassung offengelegt werden.
Wir sind deshalb nicht in der Lage, die zur Kalkulation herangezogenen Preislisten von XXXX Ihnen gegenüber bereitzustellen bzw. weiterzuleiten und erhalten von XXXX auch nicht die von Ihnen geforderten Stellungnahmen dieses Lieferanten. Da wir die Preislisten von XXXX nicht bereitstellen bzw weiterleiten dürfen und von XXXX keine Stellungnahmen zu den von Ihnen angeforderten Punkten erhalten, können wir Ihnen auch keine ergänzenden Erläuterungen zu diesen von Ihnen verlangten Nachweisen zur Nachvollziehbarkeit der Preise vorlegen.“
Mit Nachreichung vom 13.04.2021 wurden daher die Nachweise zu den oben zitierten Punkten A) und B) nicht nachgereicht. Für die Auftraggeberin ist daher die Plausibilität bzw. betriebswirtschaftliche Erklärbarkeit der Preisreduktion zwischen Erst- und Letztangebot sowie die Preisangemessenheit der hinterfragten Positionspreise in den Losen 3 und 4 trotz Ihrer Aufklärung vom 11.03.2021 und 13.04.2021 weiterhin nicht nachvollziehbar, da keine Nachweise übermittelt wurden, die eine betragsmäßige Nachvollziehbarkeit bzw. Prüfbarkeit der Preise ermöglichen. Weiterhin ist die behauptete Information des Lieferanten XXXX zur nicht vorgesehenen Indexanpassung nicht nachgewiesen. Der Nachweis bzw. die positive Prüfung der Preisangemessenheit war aufgrund der Ihrerseits vorgelegten Unterlagen daher nicht möglich.
Aus diesen Gründen weist Ihr Angebot eine – durch eine vertiefte Angebotsprüfung festgestellte – nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises auf, welche von Ihnen nicht nachvollziehbar und vollständig aufgeklärt werden konnte. Daher sind die Angebote vom 25.01.2021 in den Losen 3 (Patchkabelführungssystem) und 4 (Singelfasermanagement) auszuscheiden (§ 302 Abs 1 Z 3 iVm Abs 2 BVergG 2018).
Wir danken für Ihre Bemühungen und bedauern, dass dieser Schritt aus rechtlichen Gründen notwendig war und hoffen auf Ihre Beteiligung bei weiteren Vergabeverfahren.
Die Anfechtung der Ausscheidensentscheidung beim Los 3 ist beim BVwG zur Verfahrenszahl W131 2243263-1 protokolliert, und die Anfechtung der Ausscheidensentscheidung beim Los 4 zur Verfahrenszahl W131 2243894-1, siehe dazu zB die Note des BVwG an die ASt und die AG, W131 2243263-1/10Z.
Der geschätzte Auftragswert der beiden Lose befindet sich jeweils unstrittig im Oberschwellenbereich gemäß § 185 BVergG
3. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG wurde insb erörtert wie folgt [R = vorsitzender Richter; AStV = Antragstellerinenvertreter; AGV = Auftraggebervertreter]:
[...]
Danach wird festgehalten, dass der Nachprüfungsantrag und die Replik der AG bekannt sind. Die ASt kennt die geschwärzte Fassung der Stellungnahme der AG.
1. Was war im Los 3 zu leisten, was im Los 4? Es wird um Beschreibung für einen technischen Laien ersucht.
AG[V]: Im Los 3 waren das die Lieferung von Lichtwellenleiter PATCH Kabelführungssystemen zu liefern. Über Rückfrage kann man sich darunter Kabeltassen für Lichtwellenleiter vorstellen. Im Los 4 sind das Lichtwellenleiterschränke oder Schränke zur Aufführung von Lichtwellenleiterkabeln in einem kleinen Teil geht es auch um Kleinteile wie Muffen, Boxen, Gehäuse.
Hr. XXXX : Das klingt sehr vernünftig und stimmt im Wesentlichen.
2. Konnte man Angebote nur für das Los 3 oder nur für das los 4 abgeben?
AGV + AStV: Dies ist richtig.
2.1. Liegen damit nach Parteienauffassung je Los verschiedene gesondert anfechtbare Entscheidungen vor?
AStV: Die Entscheidungen sind gesondert anfechtbar. Dies sehen wir unabhängig von der Gebührenfrage.
AGV: Ich sage auch, dass die Entscheidungen gesondert anfechtbar sind.
3. Wie ist das Ausscheiden der Erstangebote geregelt gewesen? Gab es Festlegungen für Verhandelbares?
AGV: Für die Angebote zur Erstangebotsrunde wurde keine besondere Regelung getroffen, dass bestimmte Angebotskomponenten nicht den Festlegungen entsprechen müssen. Das Vergabeprozedere für diese Ausschreibung war in folgenden Dokumenten geregelt: In der Aufforderung zur Angebotsabgabe. Das ist im Ordner 5, Ausschreibungsunterlagen Erstangebote. Diese gelten auch für das Zweitangebot.
R lässt Einsicht nehmen in den vorgelegten Datenträger.
R fragt nun mehr den AStV zur Regelung des Ausscheidens aus seiner Sicht, wobei insbesondere darauf hingewiesen wird, dass sich niemand und insbesondere kein Beteiligter bzw. kein potentieller Zeuge strafrechtlich selbst belasten muss.
Danach wird die Aufforderung zur Angebotsabgabe zur Einsicht an den AStV ausgefolgt und um entsprechenden Antrag ersucht.
AStV: Es war keine besonderen Regelungen bezüglich des Erstangebots vorgesehen. Ausscheidensbestimmungen betreffend des Angebots liegen im Allgemeinen vor. Die vorgehaltenen Unterlagen, Beilage./A sind die Ausschreibungsunterlagen abseits der Leistungsbeschreibung und der technischen Spezifikationen bzw. der Bietererklärung.
R hält als nächstes mit der Beilage./B zur Niederschrift das Leistungsverzeichnis betreffend Patchkabelführung, betreffend Los 3 vor und weiters mit der Beilage./C zur Niederschrift das Leistungsverzeichnis betreffend Los 4.
AStV: Das sind die neutralen Leistungsverzeichnisse betreffend Los 3 und 4.
AGV: Ja, das sind die neutralen Leistungsverzeichnisse betreffend Los 3 und 4.
3.1. Hätten die Erstangebote der ASt bereits ausgeschieden werden müssen?
AGV: Der AGV bringt vor, dass jedenfalls das Letztangebot auszuscheiden war, weil der Bieter die Preise nicht plausibilisieren konnte bzw. den Verbesserungsaufforderungen nicht entsprechend nachgekommen ist. Sofern die Preise des Letztangebotes betriebswirtschaftlich erklär und nachvollziehbar sein sollten (was die AG so nicht sieht) sind jedenfalls die Preise des Erstangebotes nicht betriebswirtschaftlich erklär und nachvollziehbar. Dieses wäre dann auszuscheiden gewesen.
R Zusatzfrage: Entsprechen die Preise der Erstangebote etwa den bisherigen Preisen?
XXXX : Da die alten Preise vier Jahre alt sind, kam hier eine Valorisierung dazu.
AStV: Die Erstangebote der ASt hätten nicht ausgeschieden werden müssen und dürfen, weil die Kalkulation auf dem damaligen Stand November 2020 basierte; und weil sich die Einkaufspreise der ASt im Laufe des Verhandlungsverfahrens verringerten, konnte auch diese Preisersparnis im Letztangebot an den Auftraggeber weitergegeben werden.
4. War die Preisprüfung jeweils berechtigt, dies unter Hinweis auf § 300 BVergG?
AStV: Die vertiefte Preisprüfung an sich war in der Form der ersten Nachforderung von 02. März 2021 berechtigt. Die weitere Preisprüfung, welche mit Schreiben vom 01.04.2021 an die ASt übermittelt wurde, war nicht berechtigt, da bereits ordnungsgemäß aufgeklärt worden war und keine weiteren gesetzlichen Grundlagen für die weitere Angebotspreisprüfung existierte.
AGV: Ich verweise auf die Stellungnahme. Die Preisprüfung war nicht nur berechtigt, sondern, die AG dazu verpflichtet, weil die Preise zwischen Erst- und Letztangebot massiv verändert wurden und für die AG nicht erklärbar waren. Die AG hat daher entsprechend klar formulierte Aufklärungsersuchen verfasst, denen die Antragstellerin jedoch nicht nachgekommen ist. Insbesondere ging aus den Aufklärungen nicht hervor, wie es zu diesen massiven Preisreduktionen kam. Die AG verweist zwar auf eine Preisliste für ihre Sublieferanten. Aus der Erklärung der Sublieferanten geht jedoch nicht hervor, ob die von der Antragstellerin angebotenen Preise dieser Preisliste entsprechen. Aus der Erklärung des Subunternehmers geht auch nicht hervor, ob der Subunternehmer die angebotenen Preise überhaupt kannte. Insgesamt hat die Antragstellerin dem Aufklärungsersuchen daher nicht entsprochen, weil sie zu den im Aufklärungsersuchen konkret aufgelisteten Preispositionen keine konkrete auf diese Positionen bezogene Erklärung geliefert hat. Würde man der Rechtsansicht der Antragstellerin folgen, könnte sich ein Bieter einer vertieften Preisprüfung einfach dadurch entziehen, indem er behauptet, dass er seine Preise von einem Subunternehmer erhalten habe.
R teilt mit, dass das Vorbringen der ASt betreffend Geschäftsgeheimnisse in diesem Zusammenhang bekannt ist.
AStV: Ich möchte das bestreiten. Die ASt bestreitet und bringt zum Einen vor, dass es sich hier nicht um einen Subunternehmer handelt, sondern um einen Lieferanten und die Angemessenheit der Preise des Lieferanten sind nicht Teil der Angebotspreisprüfung. Die von der Auftraggeberin geforderten Preise mussten daher nicht vorgelegt werden, war daher die Nachforderung vom 01.04. nicht zulässig. Darüber hinaus durften wir wie auch branchenüblich die Preise nicht bekannt geben und verletzt uns daher die Ausscheidensentscheidung und bereits die Preisprüfung in unserem Recht auf freien und lauteren Wettbewerb und stützen wir uns noch auf zwei Entscheidungen, und zwar Bundesvergabeamt vom 16.06.2003 mit der Zl. 09N-49 aus 03-8, wonach bei Lieferaufträgen eine vertiefte Angebotsprüfung nach dem Arbeitsauftrag nicht möglich sei. Dies wird in der heutigen Literatur noch zitiert, siehe Kropik in Schramm et al, BVergG 2018 §137 Rz 103 so auch die UVS Steiermark in seiner Entscheidung 44.8-3/2013. Im Übrigen haben wir alle konkret geforderten Preisproduktionen wie im Markt ersichtlich erläutert.
AGV: Festzuhalten ist, dass nicht die Kalkulation des Preises des Lieferanten aufgeklärt werden sollte, sondern die Preise der Antragstellerin. Die Antragstellerin wurde daher aufgefordert, die ursprüngliche und die neue Preisliste auf die sich die Antragstellerin bezog, vorzulegen, oder alternativ dazu, eine Stellungnahme des Lieferanten aus denen sich die betragsmäßige Nachvollziehbarkeit der Preisreduktion ergibt. Beides ist nicht erfolgt. Bestritten wird auch, dass die Preise eines Bieters dann nicht vertieft geprüft werden dürfen, wenn sich der Bieter auf einen Subunternehmer oder Lieferanten bezieht. Dies wird auch in der Literatur Kropik et al, aaO Rz 103 ausgeführt sowie in der Rechtsprechung des BVwG W139 2234548-2/67E.
AStV: Soweit die Nachforderungen unserer Angebotspreiskalkulation betroffen hat, haben wir auch diese mit unserem Schreiben vom 11.03.2021 aufgeklärt.
AGV: Zur Behauptung, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse betroffen seien, wird darauf hingewiesen, dass die AG nicht im Wettbewerb mit der Antragstellerin oder dem Sublieferanten steht, sondern die AG selbst nach § 200 BVergG verpflichtet ist, Angebotsinhalte der Bieter geheim zu halten.
AStV: Ich verweise auf mein bisheriges Vorbringen.
4.1. R hält nun mehr folgende Beilagen zur Verhandlungsniederschrift vor, nämlich:
Die Aufklärungaufforderung vom 02.03., Beilage./D zur Niederschrift
Die Antwort der ASt samt Schreiben von deren Lieferantin, Beilage./E zur heutigen Niederschrift
Das Schreiben der AG vom 01.04.2021 an die ASt, Beilage./F zur Niederschrift
Und schließlich das Schreiben der ASt an die AG vom 12.04.2021, Beilage./G zur heutigen Niederschrift; dieses Schreiben samt dem Schreiben des Lieferanten des ASt vom 12.04.2021
Letztlich die Ausscheidensentscheidung Beilage./H zur heutigen Niederschrift.
Daran anschließend die Frage an die Parteienvertreter, ob insoweit die Preisprüfung des Letztangebotes sowie die bei den angefochtenen Ausscheidensentscheidungen vollständig dokumentiert sind.
AStV: Unter Umständen wäre auch das Verhandlungsprotokoll vom 15.12.2020 heranzuziehen. Ansonsten sind die Unterlagen vollständig.
R: Das Verhandlungsprotokoll vom 15.12.2020 wird als Beilage./I zur heutigen Niederschrift genommen.
AStV: Übereinstimmen mit dem Original wird bestätigt.
AGV: Die Vollständigkeit und Übereinstimmung mit dem Original wird bestätigt.
4.2. Nunmehr geht die Umfrage, ob richtig gelesen wird, dass in den Ausscheidensentscheidungen beim Los 3 eine Preisdifferenz von 21,86% zwischen Erst- und Letztangebot festgestellt wurde und beim Zweitangebot eine Preisdifferenz von 43,99% zwischen Erst- und Letztangebot festgestellt wurde.
AStV: Dies wird nicht bestritten.
AGV: Dies wird nicht bestritten.
R: Unter Hinweis auf die erste Aufklärung der ASt vom 11.03.2021, Beilage./E ergeht die Umfrage, ob richtig gelesen wird, dass offenbar durch eine neue Preisliste eine Einsparung bis zu 20% weitergegeben wurde beim Los 3 und beim Los 4 eine derartige Einsparung mit bis zu 40% weitergegeben wurde?
AStV: Ja
AGV: So behauptet es die Antragstellerin.
4.3. Wie wurden beim Los 3 die 1,86% und beim Los 4 die 3,99% Preisunterschied über die gerade genannten Aufklärungen (20% Reduktion beim Los 3 und 40% beim Los 4) darüber hinaus aufgeklärt?
AStV: Durch Reduktion des kalkulierten Deckungsbeitrags.
AGV: Der AG wurde über diese weitere Reduktion gar nicht aufgeklärt.
4.4. Unter Hinweis auf das Aufklärungsschreiben vom 11.03.2021, welchen Grund hatte es, dass diesem Aufklärungsschreiben das Schreiben der Lieferantin der ASt vom 10.03.2021 beigeschlossen gewesen ist.
AStV: Der Grund lag darin, die Anwendung der neuen Preisliste zwischen ASt und Lieferant nachzuweisen.
AGV: Ich kann nicht sagen, warum dieses Schreiben beigeschlossen war.
5. Sind die Preise je Los vom Rohstoffmarkt stark abhängig?
AStV: Die Preise sind zwar auch vom Rohstoffmarkt abhängig, jedoch nur untergeordnet, weil der Sublieferant als weltweit tätiger Konzern sehr hohe Einkaufsvolumen hat und ein wesentlicher Preisfaktor auch in den Entwicklungskosten und Transportkosten begründet ist. Die Waren im Los 4 sind im Wesentlichen Aluminiummetalle und im Los 3 bestehen die Waren sowohl aus Kunststoff als auch aus Metall.
XXXX : Die Produkte im Los 3 sind großteils kunststoffrohpreisabhängig und im Los 4 abhängig von den Metall- und Kunststoff-Rohpreisen.
5.1. Ist die Einschätzung richtig, dass Rohstoffpreise derzeit sehr stark steigen bzw. stark gestiegen sind?
XXXX : Ich gebe Ihnen grundsätzlich Recht, Aluminium ist gestiegen. Die Preise sind ja laut Medien erst im Februar 2021 gestiegen. Auch beim Los 3 war der Preisanstieg ab Februar 2021 feststellbar.
AGV: Die Antragstellerin hat im Rahmen der Abwicklung des Altauftrages um eine Preisanpassung ersucht, mit dem Argument, dass die Rohstoffpreise gestiegen waren. Das war vor dem Angebot, Mitte 2020.
AStV: Wenn es 2020 überhaupt einen Anstieg gegeben hat, war dieser nicht wesentlich, weil er auch von Sublieferanten nie thematisiert wurde.
6.Wurde das Ausscheiden jeweils auf § 302 Abs. 2 BVergG gestützt?
AGV: Die Ausscheidensentscheidungen wurden auch auf § 302 Abs. 2 BVergG gestützt, weil die Antragstellerin dem Aufklärungsersuchen nicht nachgekommen ist und keine Nachweise übermittelt wurden, die eine betragsmäßige Überprüfbarkeit der Preise ermöglicht hätten.
6.1. Was ist dem entgegen zu setzen?
AStV: Wir haben das gesamte Ausscheiden bekämpft und sohin auch die Ermessensausscheidung und ist das Vorbringen der AG dahingehend unrichtig, als wir der Aufforderung nicht nachgekommen seien. Die Aufforderung zur Vorlage von Preislisten bzw. einer Erklärung hinsichtlich Indexanpassung ist nicht durch das BVergG gedeckt. Es musste sohin nicht erbracht werden.
7. Es ergeht sohin die Umfrage nach weiterem Vorbringen, weiteren Akteneinsichts- oder Beweisanträgen.
AGV: Keine weiteren Anträge und kein weiteres Vorbringen.
AStV: Die Preissteigerung im Jahr 2020 waren im Bereich der üblichen Preissteigerungen (Rohstoffe) und das Ausscheiden, welches sich auch auf § 302 Abs. 2 BVergG stützt, war auch deshalb rechtswidrig, weil die Auftraggeberin auf den Umstand hätte eingehen müssen, dass wir diese Preislisten und generell die Preise unserer Sublieferanten nicht vorlegen durften. Dies wäre im Sinne der Gleichbehandlung, Verhältnismäßigkeit und des freien und lauteren Wettbewerbs zwingend erforderlich gewesen.
AGV: Das Vorbringen der Antragstellerin wird bestritten. Die Auftraggeberin hat die Antragstellerin mehrfach und wiederholt aufgefordert, die Preisnachlässe zu plausibilisieren. Die Antragstellerin ist diesen konkreten Aufklärungsersuchen nicht nachgekommen, weshalb die Auftraggeberin im Rahmen der Gleichbehandlung der Bieter verpflichtet war, das Angebot auszuscheiden. Abgesehen davon, hat die Auftraggeberin der Antragstellerin die Möglichkeit eingeräumt alternativ zur Vorlage der Preislisten eine entsprechend konkrete Stellungnahme der Sublieferanten vorzulegen. Dies ist nicht erfolgt. Aus der Stellungnahme der Sublieferanten ergibt sich nicht einmal, ob diese die Angebotspreise der Antragstellerin überhaupt kennt.
AStV: Die alternativ geforderte Stellungnahme der Sublieferanten hätte wiederum die Offenlegung der Preise der Sublieferanten erfordert, was rechtlich nicht möglich war.
Da kein weiteres Vorbringen mehr erstattet wird, wird das Ermittlungsverfahren geschlossen.
[...]
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Über den Verfahrensgang mit den darin enthaltenen Vergabeverfahrenstatsachen hinaus wird nunmehr ausdrücklich (nochmals) festgestellt wie folgt:
1.1. Beim Los 3 reduzierte sich der Angebotspreis der ASt zwischen Erst- und Letztangebot um 21,86%; beim Los 4 war insoweit eine Angebotspreisreduktion um 43,99% festzustellen.
Die ASt hatte die AG bereits vor dieser Vergabe mit den vergabegegenständlichen waren beliefert.
1.2. Nach einer ersten Aufklärungsrunde verlangte die AG von der ASt in einer Auforderung vom 01.04.2021 wie folgt:
[...]
A) Die Auftraggeberin ersucht zur Plausibilisierung der Höhe der Preisreduktionen im Los 3 und Los 4 um Vorlage der jeweils zur Angebotserstellung des Erst- bzw Letztangebots herangezogenen Preislisten von XXXX :
- allgemein gültige Preisliste 2020 und
- überarbeitete Preisliste Quartal 01/2021
Alternativ kann eine konkrete, aussagekräftige Stellungnahme des Lieferanten XXXX vorgelegt werden, die eine betragsmäßige Nachvollziehbarkeit zumindest (1) der Preisreduktion von XXXX um bis zu 20 % bei den Produkten im Los 3 bzw. bis zu 40 % bei den Produkten im Los 4 und (2) der mit Nachforderung vom 02.03.2021 hinterfragten Positionspreise ermöglicht.
Soweit zur Nachvollziehbarkeit der Preise ergänzend zu diesen Nachweisen weitere Erläuterungen des Bieters erforderlich sind, sind diese ebenfalls mit der Nachreichung vorzulegen.
[...]
1.3. Die ASt hat die am 01.04.2021 von ihr verlangten Preislisten bzw die alternativ verlangte aussagekräftige Stellungnahme des Lieferanten nicht an die AG übermittelt, sondern mit einem mit 12.04.2021 datierten Schreiben, das im Ausscheidensschreiben mit Datum 13.04.2021 angeführt ist, insoweit insb ausgeführt wie folgt:
[...]
„ XXXX hat uns mit dem beiliegenden Schreiben mitgeteilt, dass aufgrund einer Vertraulichkeitsvereinbarung keine Händlerpreislisten und Bedingungen zur Indexanpassung offengelegt werden.
Wir sind deshalb nicht in der Lage, die zur Kalkulation herangezogenen Preislisten von XXXX Ihnen gegenüber bereitzustellen bzw. weiterzuleiten und erhalten von XXXX auch nicht die von Ihnen geforderten Stellungnahmen dieses Lieferanten. Da wir die Preislisten von XXXX nicht bereitstellen bzw weiterleiten dürfen und von XXXX keine Stellungnahmen zu den von Ihnen angeforderten Punkten erhalten, können wir Ihnen auch keine ergänzenden Erläuterungen zu diesen von Ihnen verlangten Nachweisen zur Nachvollziehbarkeit der Preise vorlegen.“
[...]
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus der Aktenlage der Gerichtsakten und aus den vorgelegten Vergabeunterlagen sowie insb aus den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gegenständlich ist wegen der unstrittigen Festlegung in den Erstangebotsunterlagen das BVergG 2018 gemäß BGBl I 2018/65 einschlägig.
Soweit ausdrücklich nichts anderes angegeben, beziehen sich daher Zitate des BVergG auf das BVergG 2018 (= BVergG). Unstrittig kommen dabei Vergabebestimmungen des 3. Teils des BVergG (für den Sektorenbereich) zur Anwendung, wobei die AG zusätzlich auch öffentliche Auftraggeberin iSd § 167 BVergG ist.
Das BVwG ist gegenständlich unbestritten zur Vergabekontrolle zuständig; und hatte gegenständlich gemäß Geschäftsverteilung in der im Entscheidungskopf ersichtlichen Senatsbesetzung zu entscheiden - § 328 BVergG 2018 iVm § 6 BVwGG.
Als Verfahrensrecht waren dabei abseits der Sonderverfahrensvorschriften des BVergG das VwGVG und die in § 333 BVergG 2018 verwiesenen Teile des AVG anzuwenden. Bzw aktuell zusätzlich insb auch § 4 des Bundesverfassungsgesetzes betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens (COVID-19 Begleitgesetz Vergabe) idF BGBl I 2021/107.
Zu A)
3.2. Zur Abweisung der Nachprüfungsanträge
3.2.0. Voranzustellen ist, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die beiden Nachprüfungsanträge nicht substantiiert bestritten wurden und Zurückweisungsgründe auch sonst nicht bekannt geworden sind.
3.2.1. § 302 Abs 2 BVergG lautet insoweit im hier interessierenden Teil wie folgt:
[...]
Vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung kann der Sektorenauftraggeber Angebote von Bietern ausscheiden, die es unterlassen haben, innerhalb der ihnen gestellten Frist die verlangten Aufklärungen zu geben oder deren Aufklärungen einer nachvollziehbaren Begründung entbehren. Von einem Bieter, [...].
[...]
Wie der VwGH zu Zl 2008/04/0083 zur funktionsgleichen Bestimmung des § 129 Abs 2 BVergG 2006 ausgesprochen hat, wird dadurch dem Auftraggeber Ermessen eingeräumt, ob er ausscheidet.
3.2.2. Im vorliegenden Fall verlangte die AG mit ihrem Schreiben vom 01.04.2021 von der ASt alternativ entweder Preislisten für die Jahre 2020 und 2021 oder eine aussagekräftige Stellungnahme des Lieferanten, um die aufgezeigten Preisreduktion bei den Losen 3 und 4 aufgeklärt zu erhalten.
Die ASt lieferte diese Aufklärungen per 13.04.2021 jedoch nicht fristgerecht und berief sich dabei insb auf Geschäfts- bzw Betriebsgeheimnisse insb ihrer Lieferantin XXXX , die sie nicht verletzen dürfe.
3.2.3. Insoweit ist vor dem Hintergrund des ersten Satzes des § 302 Abs 2 BVergG zu klären, ob ein Ausscheiden sachlich ist, wenn Aufklärungen an eine AG nicht erteilt werden, weil der Lieferant eines Bieters Geheimhaltungsinteressen geltend macht, die die vom AG gewünschte Aufklärung verhindern sollen.
3.2.4. Aus hg Sicht ist der AG bei derart großen Preisreduktionen zwischen Erst- und Letztangebot das gerechtfertigte Aufklärungsinteresse zuzubilligen, ob die von der ASt in einer ersten Aufklärungsrunde gelieferte Begründung für derartige Preisnachlässe an Hand der behaupteten Reduktion der Lieferantenpreise tatsächlich aus diesem Grund nachvollziehbar wird.
Wenn materielles Vergaberecht nämlich vorvertragliche Verhaltensanforderungen an Auftraggeber und Bieter als Sonderzivilrecht normiert und sonst im allgemeinen Zivilrecht kraft der Privatautonomie vom Grundprinzip her die Freiheit besteht, ein Vertragsangebot anzunehmen oder dieses abzulehnen, erscheint es vor dem Hintergrund dieser sonstigen grundsätzlichen Vertragsabschlussfreiheit jedenfalls sachgerecht, dass die AG gegenständlich die aufgezeigten Aufklärungen verlangt hat, die die ASt dann nicht gegeben hat.
Die von der ASt zur Rechtfertigung des Aufklärungsunterlassens angezogenen Geheimhaltungsinteressen ihres Lieferanten betreffen nach den Wertungen des § 1313a ABGB die Sphäre der ASt selbst, dies iZm dem von der ASt selbst privatautonom gewählten und ihr zurechenbaren eigenen (geplanten) Erfüllungsgehilfen (im Auftragsfalle).
Mag daher auch der ASt zuzubilligen sein, dass sie im Rahmen des von ihr in ihrer Privatautonomie zusammengestellten Erfüllungsprogramms (mit dem selbbstausgesuchten Lieferanten) bei den beiden hier fraglichen losweisen Aufträgen die Geschäftsgeheimnisse ihres Lieferanten wahren muss, so erscheint es dennoch andererseits sachlich gerechtfertigt, dass die AG bei transparent gewordenen derart erheblichen Preisnachlässen zwischen Erst- und Letztangeboten der ASt bei den Losen 3 und 4 der gegenständlichen Vergabe durch das Aufklärungsverlangen vom 01.04.2021 genau prüft, inwieweit derartige Preisnachlässe zwischen Erst- und Letztangebots tatsächlich nachvollziehbar sind. Dies insb deshalb, weil die - der Gebarungskontrolle des Rechnungshofs unterlegende - AG, die bereits bisher über einen "alten Rahmenvertrag" Lieferungen mit Preisen offenbar fernab der nunmehrigen Letztangebotspreise der ASt von der ASt bezogen hat, gegenständlich gemäß §§ 193 Abs 1, 299 Abs 3 Z 3 und 300 Abs 1 BVergG bereits bei den Erstangeboten und umso mehr bei den Letztangeboten zu prüfen hatte, ob die ASt jeweils einen angemessenen, betriebswirtschaftlich jeweils erklärbaren Preis angeboten (gehabt) hat.
Insoweit erscheint das Aufklärungsverlangen der AG vom 01.04.2021 jedenfalls sachlich iSd Art 2 StGG und damit nicht willkürlich.
3.2.5. Ist das Aufklärungsverlangen der AG aber sachlich und daher nicht als willkürlich zu bewerten, erscheint im Gefolge auch die Ermessensübung der AG gemäß § 302 Abs 2 BVergG gleichfalls sachlich, wenn die AG mangels Beantwortung eines sachlichen Ausklärungsverlangens die Angebote der ASt bei den Losen 3 und 4 dieser Vergabe jedenfalls auch gestützt auf § 302 Abs 2 BVergG ausgeschieden hat.
3.2.6. Die Nachprüfungsanträge gegen die Ausscheidensentscheidungen bei den Losen 3 und 4 dieser Vergabe waren daher bereits deshalb mangels Vergaberechtswidrigkeit abzuweisen - § 347 Abs 1 Z 1 BVergG, ohne dass auf allfällige weitere denkbare Ausscheidensgründe gemäß § 302 Abs 1 BverG weiter einzugehen gewesen wäre - § 39 AVG.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
3.3. Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Betreffend die ausgesprochenen Abweisungen war die Revison nicht zuzulassen, da diese Entscheidung auf der eindeutigen Rechtslage des § 302 Abs 2 BVergG beruht und bei eindeutiger Rechtslage keine revisiblen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen. Zur fehlenden Revisibilität bei eindeutiger Rechtslage siehe zB VwGH zu den Zlen Ra 2015/06/0062 bzw Ro 2014/07/0053
Schlagworte
Angebot ausschreibungswidrig Angemessenheit Aufklärung mangelhaft Auslegung der Ausschreibung Ausscheiden eines Angebotes Ausscheidensentscheidung Ausscheidensgrund Ausschreibung bestandfeste Ausschreibung Bietergleichbehandlung Ermessen Kalkulation Lieferauftrag mündliche Verhandlung Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren Nachvollziehbarkeit Nichtigerklärung objektiver Erklärungswert öffentlicher Auftraggeber Plausibilität Preisvergleich Rahmenvertrag spekulativer Preis Transparenz Vergabeverfahren vertiefte Angebotsprüfung (vertiefte) PreisprüfungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W131.2243263.1.00Im RIS seit
18.01.2022Zuletzt aktualisiert am
18.01.2022