TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/29 W195 2011948-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.09.2021
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Entscheidungsdatum

29.09.2021

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W195 2011948-2/30E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom , XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.11.2020 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.




Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 21.07.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Am 22.07.2011 wurde der BF einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, in der er zu seinen Fluchtgründen angab, er sei Mitglied der Bangladesh Nationalist Party (im Folgenden: BNP) und sei aus diesem Grund von Mitgliedern der Awami League (im Folgenden: AL) attackiert und zusammengeschlagen worden. Er sei auch mit dem Umbringen bedroht worden und daher aus Angst aus seinem Heimatland geflüchtet.

I.3. Am 26.07.2011 wurde das Verfahren durch Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte zugelassen.

I.4. Am 01.09.2011 wurde der BF einer Einvernahme durch ein Organ des Bundesasylamtes (im Folgenden: BAA) unterzogen, in der er im Wesentlichen seine in der Erstbefragung angegebenen Fluchtgründe wiederholte. Ergänzend brachte er vor, dass es Ende Mai oder Anfang Juni 2011 – nachdem er den Übertritt von der BNP zur AL zum wiederholten Mal abgelehnt habe – zu einem Vorfall gekommen sei, bei dem er von sieben oder acht Mitgliedern der AL attackiert und am rechten Oberarm verletzt worden sei. Er habe jedoch weglaufen können und sich danach für einige Tage bei Verwandten versteckt. Dann sei er ausgereist. Der BF sei einfaches Mitglied der BNP und erstmals Anfang 2010 von Mitgliedern der AL angesprochen worden, dass er sich dieser Partei anschließen solle. Seit dieser Zeit sei er zwei- bis dreimal pro Monat von Mitgliedern der AL bedroht worden. Der BF legte einen Polizeibericht (in bengalischer Sprache) aus dem Jahr 2007 vor, in welchem stehe, dass er ein Mitglied der AL geschlagen und bestohlen haben solle. Daher sei er bei der Polizei angezeigt worden. Diesbezüglich habe es auch ein Verfahren gegeben, das bereits beendet sei. Da „sie“ (offenbar gemeint: die Polizei) ihn im Jahr 2007 nicht gefunden hätten, hätten sie seinen Vater festgenommen und einen Tag später wieder freigelassen, da dieser unschuldig gewesen sei. Der BF habe den Polizeibericht mitgebracht, um zu zeigen wie er in seiner Heimat behandelt werde.

Sonst habe der BF keine Probleme in seinem Heimatland. Es würde ihm weder Verfolgung noch unmenschliche Behandlung noch die Todesstrafe drohen. In seiner Heimat habe er studiert und nebenbei bei einer Pharmazie (wohl gemeint: Apotheke) gearbeitet. Er habe zusammen mit seinen Eltern und seinen Geschwistern gewohnt.

Er habe keine persönlichen Beziehungen und keine Verwandten in Österreich.

Auf Vorhalt der Länderfeststellungen des BAA zu Bangladesch gab der BF an, das stimme. Dort, wo er zu Hause sei, habe er jedoch keine Sicherheit. Die AL sei überall und zwar in ganz Bangladesch verstreut.

I.5. Nach Durchführung des oben dargestellten Ermittlungsverfahrens wurde der Antrag des BF vom 21.07.2011 mit Bescheid vom 08.09.2011, XXXX erlassen am 10.09.2011, sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Unter einem wurde dieser aus dem Bundesgebiet nach Bangladesh ausgewiesen.

Neben einer Darstellung des Verfahrensganges und Feststellungen zum Herkunftsstaat der beschwerdeführenden Partei wurde zunächst festgestellt, dass der BF Staatsangehöriger von Bangladesch sei und seine Identität nicht feststehe. Weiters leide er an keiner schwerwiegenden Erkrankung oder sonstigen Beeinträchtigung. In der Folge wurde begründend ausgeführt, dass der vorgebrachte Sachverhalt den Feststellungen nicht zu Grunde gelegt werde. Das Vorbringen zu einer aktuellen Bedrohungssituation in Bangladesch sei als nicht glaubhaft zu bezeichnen. Er habe keine persönlichen Beziehungen und keine Verwandten in Österreich.

Dies wurde beweiswürdigend wie folgt begründet:

„Die von der Behörde getroffenen Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung: Die vom Asylwerber geltend gemachte Furcht muss nicht nur behauptet, sondern auch glaubhaft gemacht werden. Glaubhaftmachung bedeutet, die Behörde davon zu überzeugen, dass der behauptete Sachverhalt wahrscheinlich verwirklicht worden ist.

Die Behörde hat sich dabei von folgenden Erwägungen leiten lassen:

-        betreffend die Feststellungen zu Ihrer Person:

Sie konnten im Verfahren keine amtlichen Dokumente vorlegen und Ihre Identität steht daher keinesfalls fest.

Auf Grund der Sprach- und Landeskenntnisse und der vorgelegten Kopien ihrer Dokumente ergab sich die Feststellung, dass Sie Staatsangehöriger von Bangladesch sind.

Die Angaben bezüglich Ihres Gesundheitszustandes ergeben sich aufgrund Ihrer niederschriftlichen Einvernahmen.

-        betreffend die Feststellungen der Gründe für das Verlassen des Herkunftslandes:

Die Angaben über den Reiseweg nach Österreich sind äußerst vage. Es ist keinesfalls glaubhaft, dass Sie sich keine Details über den Fluchtweg hätten merken können. Es ist somit davon auszugehen, dass Sie bereits zum Fluchtweg bewusst unwahre Angaben machten, was wiederum ein Indiz dafür ist, dass die gesamte Aussage nicht der Wahrheit entspricht. Weiters kann daraus auch nur der Schluss gezogen werden, dass damit der wahre Reiseweg verschleiert werden sollte.

Zum Fluchtgrund befragt, gaben Sie im Wesentlichen an, dass Sie befürchten in Bangladesch von Mitgliedern der Awami League verfolgt zu werden. Der Sachverhalt wurde vage geschildert und beschränkte sich auf Gemeinplätze. Sie waren nicht in der Lage konkrete und detaillierte Angaben über Ihre Erlebnisse zu machen. So konnten Sie auf Grund der vagen und allgemein gehaltenen Angaben keinen Bezug zu Ihrer Person herstellen und nicht glaubhaft machen, dass Sie das von Ihnen Geschilderte tatsächlich selbst erlebt hätten.

Ein Indiz für Ihre persönliche Unglaubwürdigkeit zeigt der Umstand, dass sie einerseits vorgebracht haben, dass sie Anfang 2010 das erste Mal von Mitgliedern der Awami League angesprochen und bedroht worden wären, andererseits eine Kopie eines Polizeischreibens aus dem Jahr 2007 vorgelegt haben, das beweisen soll, dass sie bereits im Jahr 2007 von Mitgliedern der Awami League angezeigt und schikaniert worden seien.

Soweit sie vorbringen seit Anfang 2010 jeden Monat mehrmals von Mitgliedern der Awami League angesprochen und bedroht worden zu sein, ist anzuführen, dass es nicht plausibel ist, dass sie schlussendlich erst im Juni 2011 ausgereist sind.

Weiters konnten sie nicht plausibel darlegen, wieso sie sich nicht an die Behörden gewandt haben, obwohl das Polizeischreiben aus dem Jahr 2007 beweist, dass die Behörden gewillt sind, falsche Anschuldigungen aufzudecken bzw. ausreichend Schutz zu gewähren.

-        betreffend die Feststellung Ihrer Situation im Falle der Rückkehr:

Da Ihnen wie bereits erörtert im Herkunftsstaat keine Verfolgung droht, Sie Anknüpfungspunkte verfügen, auch weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf Ihre Person bezogenen „außergewöhnlichen Umstand“ behaupteten oder bescheinigten, geht die Behörde davon aus, dass Ihnen im Herkunftsstaat auch keine Gefahren drohen, weil eine landesweite allgemeine, extreme Gefährdungslage, in der jeder Antragsteller im Fall seiner Abschiebung dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert werden würde, nicht gegeben ist.

-        betreffend die Feststellungen über Ihr Privat- und Familienleben:

Die Angaben bezüglich Ihres Privat und Familienlebens ergeben sich aufgrund Ihrer niederschriftlichen Einvernahmen.

-        betreffend die Lage in Ihrem Herkunftsland:

Ihnen wurden die Feststellungen zu Bangladesch (siehe Beilage Parteiengehör) des BAA zur Kenntnis gebracht. Sie konnten diesen Feststellungen nicht substantiiert entgegengetreten.

Die Länderfeststellungen ergeben sich aus den zitierten, unbedenklichen Quellen. Bezüglich der von der erkennenden Behörde getätigten Feststellungen zur allgemeinen Situation in Ihrem Herkunftsland ist festzuhalten, dass diese Kenntnisse als notorisch vorauszusetzen sind. Gemäß § 45 Absatz 1 AVG bedürfen nämlich Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind (so genannte „notorische“ Tatsachen; vergleiche Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrens-gesetze 13-MSA 1998-89) keines Beweises. „Offenkundig“ ist eine Tatsache dann, wenn sie entweder „allgemein bekannt“ (notorisch) oder der Behörde im Zuge ihrer Amtstätigkeit bekannt und dadurch „bei der Behörde notorisch“ (amtsbekannt) geworden ist; „allgemein bekannt“ sind Tatsachen, die aus der alltäglichen Erfahrung eines Durchschnittsmenschen – ohne besondere Fachkenntnisse – hergeleitet werden können (VwGH 23.01.1986, 85/02/0210; vergleiche auch Fasching; Lehrbuch 2 Rz 853). Zu den notorischen Tatsachen zählen auch Tatsachen, die in einer Vielzahl von Massenmedien in einer der Allgemeinheit zugänglichen Form über Wochen hin im Wesentlichen gleich lautend und oftmals wiederholt auch für einen Durchschnittsmenschen leicht überprüfbar publiziert wurden, wobei sich die Allgemeinnotorietät nicht auf die bloße Verlautbarung beschränkt, sondern allgemein bekannt ist, dass die in den Massenmedien verbreiteten Tatsachen auch der Wahrheit entsprechen.

Zur Aktualität der Quellen, die für die Feststellungen herangezogen wurden, wird angeführt, dass diese, soweit sich die erkennende Behörde auf Quellen älteren Datums bezieht, aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.

Zusammenfassend wird festgehalten, dass es im Asylverfahren nicht ausreichend ist, dass der Asylwerber Behauptungen aufstellt, sondern er muss diese glaubhaft machen. Dazu muss das Vorbringen in gewissem Maß substantiiert und nachvollziehbar sein, die Handlungsabläufe den allgemeinen Lebenserfahrungen entsprechen und auch der Asylwerber persönlich glaubwürdig sein. Ihre Aussagen entsprechen im Gesamten gesehen aber diesen Anforderungen nicht. Das gesamte Vorbringen zum Fluchtgrund war nicht verifizierbar. Das Vorbringen zu den Fluchtgründen ist vage, nicht plausibel nachvollziehbar, allgemein gehalten und als nicht glaubhaft zu bezeichnen. Die Behörde gelangt demnach zu dem Schluss, dass dem behaupteten Sachverhalt bezüglich einer aktuellen Bedrohungssituation in Bangladesch kein Glauben geschenkt wird.“

Zur innerstaatlichen Fluchtalternative wurde festgestellt:

„Innerstaatliche Fluchtalternative

Allgemeines

Das Gesetz garantiert Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes, Freizügigkeit bei Reisen ins Ausland, bei Auswanderung und Repatriierung, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen auch in der Praxis. Bei Persönlichkeiten der politischen Opposition kann es vorkommen, dass diese bei der Ausübung ihrer Rechte eingeschränkt werden. Grundsätzlich bestehen keine rechtlichen Hindernisse, sich in anderen Landesteilen niederzulassen. Neuankömmlinge fallen aber wegen fehlender familiärer Bindungen und auf Grund der engen Nachbarschaftsverhältnisse auf. Dies setzt der Anonymität auch in Städten Grenzen. Illegale Grenzübertritte in die Nachbarländer sind möglich und kommen vor.

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, Stand: April 2008, 01. Juli 2008 / U.S. DOS – U.S. Department of State: Bangladesh, 2010 Country Reports on Human Rights Practices, April 8, 2011)

Für Angehörige ethnischer oder religiöser Minderheiten dürften innerstaatliche Fluchtmöglichkeiten kaum vorhanden sein. Indiz dafür ist auch die verstärkte Auswanderung religiöser Minderheiten Richtung Indien. Aufgrund des Bevölkerungsreichtums und der nur schwach ausgeprägten staatlichen Strukturen dürfte allerdings insbesondere für Opfer lokal-politisch motivierter Verfolgung das Ausweichen in andere Landesteile eine plausible Alternative sein. Ein staatliches Meldewesen oder Staatsangehörigkeitsregister gibt es in Bangladesch nicht. Auch ein gesetzlich geregeltes Verfahren zur Feststellung der Staatsangehörigkeit ist nicht existent.

(ÖB New Delhi: Bangladesh, Asylländerbericht, Stand: März 2010, via E-Mail am 21.06.2010)“

I.6. Mit am 22.09.2011 zur Post gegebenem Schriftsatz wurde gegen den im Spruch bezeichneten Bescheid Beschwerde erhoben und die Einbringung einer ausführlichen Begründung binnen 14 Tagen angekündigt.

Es wurde beantragt, a) eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen, b) festzustellen, dass der BF Flüchtling ist, c) festzustellen, dass seine Abschiebung unzulässig ist, d) festzustellen, dass seine Ausweisung unzulässig ist und e) ihm eventuell eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr zu erteilen.

I.7. Mit Verfahrensanordnung des Asylgerichtshofes (im Folgenden: AsylGH) vom 29.09.2011, XXXX , wurde der BF aufgefordert, binnen Frist alle Beweismittel vorzulegen, allfällige neue Flucht- oder Verfolgungsgründe darzutun und zu erklären, ob dieser mit Erhebungen im Herkunftsstaat einverstanden sei. Weiters wurde er aufgefordert, allfällige Protokollrügen zum Verfahren vor dem BAA binnen gleicher Frist zu erstatten und allenfalls bestehende akute psychische und physische Erkrankungen darzutun. Auch wurden dem BF Fragen zu seiner aktuellen Situation in Österreich gestellt und dieser darauf hingewiesen, dass er während des laufenden Beschwerdeverfahrens selbständig alle Veränderungen zu den oben bezeichneten Themengebieten schriftlich vorbringen und ebenso selbständig alle neu zur Verfügung stehenden Beweismittel vorlegen müsse.

I.8. Mit Schriftsatz vom 04.10.2011 erstattete der BF die angekündigte Beschwerdeergänzung und führte zunächst aus, dass die Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid unvollständig und teilweise unrichtig seien. In der Folge wurden einige Länderberichte in Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei bzw. das RAB (= Rapid Action Batallion) zitiert, jedoch ohne einen Bezug zum Vorbringen des BF herzustellen. Weiters wurde die Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid kritisiert und dies damit begründet, dass die Behörde ungeeignete Fragestellungen angewandt habe, um den Sachverhalt zu eruieren. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei im Fall des BF nicht gegeben, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass er in einem anderen Teil seines Heimatlandes von seinen Verfolgern gefunden werde. Auch die Verfolgung durch private Akteure könne asylrelevant sein, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage sei, den Betroffenen davor zu schützen. Somit wäre ihm Asyl zu gewähren gewesen. Weiters würde bei einer Abschiebung nach Bangladesch eine Verletzung von Art. 3 EMRK vorliegen und wäre diese daher unzulässig. Die Behörde habe es unterlassen, den Sachverhalt hinsichtlich seines Privat- und Familienlebens in Österreich ausreichend festzuhalten. Er sei in Österreich unbescholten, versuche, sich Deutsch durch den Alltagsgebrauch anzueignen, achte die österreichische Rechtsordnung und wolle sich integrieren.

Beantragt wurde a) eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, b) ein medizinisches Gutachten bezüglich seiner Verletzungen einzuholen, c) den angefochtenen Bescheid zu beheben und dem BF den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, sowie in eventu d) den angefochtenen Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt II zu beheben und dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, sowie in eventu e) den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass Spruchpunkt III betreffend die Ausweisung ersatzlos behoben wird, sowie in eventu f) den angefochtenen Bescheid zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen und g) dem BF jedenfalls einen Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beizugeben.

I.9. Am 18.10.2011 langte beim AsylGH eine Stellungnahme des BF zur Verfahrensanordnung des AsylGH vom 29.09.2011 ein, in welcher sich der BF zunächst mit Erhebungen in seinem Heimatland einverstanden erklärte. In der Folge brachte der BF vor, dass er keine Familienangehörigen und keine Bekannten in Österreich habe, die deutsche Sprache nicht beherrsche, keine Arbeit habe, keine Kurse in Österreich besuche und nicht Mitglied in einem Verein sei, nicht legal nach Österreich eingereist sei sowie bislang noch kein nicht auf Asylverfahren gegründetes Aufenthaltsrecht habe und in Österreich weder straffällig geworden noch von einem Gericht verurteilt worden sei.

I.10. Mit Erkenntnis vom 31.05.2012, XXXX wies der AsylGH die Beschwerde als unbegründet ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass das für sich genommen detailarme und vage Vorbringen des BF nicht asylrelevant sei, zumal dem BF keine staatliche Verfolgung drohe. Zudem könne der BF eine innerstaatliche Fluchtalternative in Anspruch nehmen, insbesondere sei er keine exponierte Persönlichkeit und es bestehe in Bangladesch kein Meldewesen. Zudem sei der BF gesund und es bestehe in Bezug auf Bangladesch kein Bedrohungsszenario.

I.11. Gegen dieses Erkenntnis erhob der BF Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (im Folgenden: VfGH), welcher die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 26.09.2012, XXXX ablehnte.

I.12. Am 17.07.2013 stellte der BF durch den XXXX einen Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte gem. § 46a Fremdenpolizeigesetz 2005 (im Folgenden: FPG), wobei er vorbrachte, im fremdenpolizeilichen Verfahren mitgewirkt und allen Ladungen Folge geleistet zu haben. Ihm sei die Ausreise rechtlich und tatsächlich nicht möglich, wobei die Hinderungsgründe nicht in seinem Einflussbereich lägen.

I.13. Das nunmehr zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) wies mit Bescheid vom 27.08.2014, XXXX , den Antrag gemäß § 46a Abs. 2 FPG auf Ausstellung einer Duldungskarte gemäß § 46 Abs. 1 FPG ab und begründete die im Wesentlichen damit, dass die Undurchführbarkeit der Abschiebung des BF in seinem Einflussbereich liege.

I.14. Gegen diesen Bescheid erhob der BF Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Infolge Zurückziehung dieser Beschwerde wurde das Beschwerdeverfahren mit hg. Beschluss vom 28.07.2016XXXX , eingestellt.

I.15. Am 02.08.2016 stellte der BF den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag. Bei einer diesbezüglichen Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF zu Protokoll, neue Fluchtgründe zu haben. Er sei am 15.05.2016 bei der Polizeistation XXXX von seinen politischen Gegnern fälschlicherweise strafrechtlich angezeigt worden. Ihm sei ein Verstoß gegen das „Terrorbekämpfungsgesetz aus 2009“ vorgeworfen worden, In dem Verfahren sei ein Haftbefehl gegen den BF erlassen worden, diesen und Unterlagen lege der BF vor. Der BF erwarte kein faires Verfahren in seiner Heimat, weil die Gerichte in seinem Herkunftsland von der regierenden Partei (seinem Gegner) beeinflusst würden.

I.16. Am 20.09.2016 wurde der BF vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, von der gegnerischen AL, die derzeit die Regierung stelle, angezeigt worden zu sein. Eine Anzeige sei wegen „ XXXX (Demonstrationen, Autos demolieren), die andere wegen Schlägereien, Molotov-Cocktails gewesen. Im Falle einer Rückkehr nach Bangladesch komme der BF lebenslang ins Gefängnis. Der BF sei Mitglied der BNP gewesen, habe aber keinen Posten gehabt. Der BF sei bereit, nach Bangladesch zurückzugehen, aber sein Vater habe ihm gesagt, wenn der BF nachhause zurückkehre, dann würde er von der Polizei festgenommen oder von der Regierungspartei umgebracht werden. Man könne im Internet nachlesen, dass alle Gegner der Regierung im Gefängnis sterben würden. Er habe auch gehört, dass Anhänger seiner Partei im Gefängnis sterben oder verschwinden. In seiner Heimat habe er kein sicheres Leben.

In Österreich habe der BF viele Freunde, auch Österreicher; „wegen [s]einer Religion“ habe er keine feste Freundin.

I.17. Am 12.01.2017 wurde der BF neuerlich vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Hiebei gab er soweit wesentlich zu Protokoll, sein Fluchtgrund sei politisch. Er sei bei der BNP Mitglied und die regierende Partei habe versucht, ihn zu beeinflussen und weil das nicht gegangen sei, hätten sie ihn bedroht. Der BF habe sogar Morddrohungen erhalten. Es sei gegen ihn eine falsche Anklage erhoben worden und jetzt habe er zwei neue Haftbefehle. Seine alten Fluchtgründe seien aufrecht, es sei aber hinzugekommen, dass der BF nunmehr zwei weitere Male angezeigt worden sei. Die AL wisse, dass der BF nicht in Bangladesch sei, sie würden den BF mit den Anzeigen nur belästigen wollen. Wenn er nach Bangladesch zurückkehre, komme er in Haft. Dort würde er misshandelt und irgendwann umgebracht werden. Er würde angeklagt, weil er sich an Streiks beteiligt und die Polizei und Mitglieder der AL verletzt und Sprengstoff verwendet hätte. Diese Taten habe er nicht begangen.

Er sei falsch beschuldigt worden. In seinem Land sei es üblich, dass Leute angeklagt würden, wenn sie nicht im Land seien. Er habe letztes Mal nur Kopien der Beweismittel vorgelegt, nun habe er die Originale bei sich, die er vorlege.

I.18. Mit dem angefochtenen und im Spruch bezeichneten Bescheid vom 15.01.2017 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz vom 02.08.2016 gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden: AVG) wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.), erteilte einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 Asylgesetz 2005 (im Folgende: AsylG 2005) nicht, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (im Folgenden: BFA-VG) gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG, stellte fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.

Begründend führte das BFA aus, der BF habe keinen maßgeblich geänderten Sachverhalt vorgebracht. Er beziehe sich auf bereits geltend gemachte „Sachverhaltskreise“. Diese seien bereits im Vorverfahren hinreichend gewürdigt worden. Daher habe sich eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes nicht ergeben. Nach Durchführung einer Interessenabwägung iSd Art. 8 EMRK führte das BFA aus, dass die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht vorlägen und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den BF zulässig sei. Eine Gefährdung iSd § 50 Abs. 1 FPG erkannte das BFA nicht. Im Falle einer Entscheidung nach § 68 AVG bestehe eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1a FPG nicht.

I.20. Dagegen erhob der BF innerhalb offener Frist durch XXXX die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin macht er im Wesentlichen geltend, er habe, entgegen den Ausführungen des BFA, sehr wohl einen neuen Sachverhalt vorgebracht. Es handle sich nicht um die „Asylgründe“ aus dem Vorverfahren. Eine innerstaatliche Fluchtalternative könne der BF nicht in Anspruch nehmen.

In der Beschwerde wird der Antrag gestellt, der Beschwerde Folge zu geben und den Bescheid des BFA dahingehend abzuändern, dass der Antrag auf internationalen Schutz zugelassen werde sowie, in eventu, den bekämpften Bescheid zur Gänze zu beheben und zur neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.

I.21. Mit Schreiben vom 02.02.2017 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.22. Mit hg. Beschluss vom 13.02.2017, XXXX wurde der Beschwerde gem. § 17 Abs. 1 BFA-VG aufschiebende Wirkung zuerkannt.

I.23. Mit Schreiben vom 04.11.2020 wurde zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen und damit dem BF auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 23.11.2020 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.

I.24. Mit Schreiben vom 05.11.2020 erklärte das BFA die Abstandnahme von der Teilnahme an der Beschwerdeverhandlung.

I.25. Am 23.11.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

Eingangs befragt, ob der BD an Krankheiten oder einem Gebrechen leidet, bejahte dies der BF und gab an, dass er Tabletten gegen Cholesterien und Tabletten gegen den Husten nehme.

Kontakt habe er zu seiner Familie, den Eltern und Geschwistern, die in Bangladesch leben, alle ein bis zwei Monate. Der Vater habe einen kleinen Handel, es ginge ihnen finanziell mittelmäßig.

In Österreich würde seine verheiratete Schwester leben. Im Rahmen der Verhandlung konnte festgestellt werden, dass eine Konversation mit dem BF in deutscher Sprache möglich, der Sprachwortschatz ausreichend ist. Der BF weist einen Deutschkurs auf dem Niveau B1 auf.

Der BF hat keine Kinder und lebt auch in keiner Beziehung.
Er fühle sich „derzeit etwas gelangweilt“. Er sei im Fitnesscenter angemeldet, gehe in die Bücherei und fahre mit dem Rad. Er kümmere sich um sich selbst und gehe beten, manchmal verbringe er Zeit mit den vier Personen, die ihm ein Empfehlungsschreiben mitgegeben haben. Der BF habe bengalische Freunde – und einige österreichische.

Derzeit arbeite er nicht, er habe aber eine Einstellungszusage als Küchengehilfe. Nachgefragt, gab der BF an Koch werden zu wollen. Letztlich stellte sich heraus, dass der BF sich nicht erkundigt habe, welche Ausbildung man brauche, um Koch zu werden, sondern dass er lediglich eine Küchenhilfe sein möchte.

Der BF lebt von der Grundversorgung (€ 365) und zahlt € 150 an Miete für eine Wohnung. Er brauche ca € 400 bis € 450 und borge sich Geld vom Schwager. Um die Schulden zu begleichen würde der Vater Vermögen verkaufen. Der Vater würde den BF finanziell unterstützen, soweit es möglich sei, aber der Vater sei bereits sehr alt geworden und nicht mehr berufstätig.

Der BF habe Sorgen ob seiner Zukunft und könne deshalb schlecht schlafen. Gefragt, wie sich der BF seine Zukunft vorstelle, machte dieser keine konkrete Angabe, außer dass seine Schwester und sein Schwager in Österreich leben; er habe hier viele Jahre verbracht und es gefiele ihm gut. „Wenn Sie Mitleid mit mir haben, bitte ich Sie mir den Aufenthalt zu genehmigen“, war der Schlusssatz seiner Zukunftsperspektive.

Dem BF war in der Verhandlung vor dem BVwG bewusst, dass

-        sein Asylantrag vom Juli 2011 mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 31.05.2012 rechtskräftig abgelehnt wurde; die Behandlung einer Beschwerde wurde vom VfGH abgelehnt.

-        der Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte vom 17.07.2013 rechtskräftig abgelehnt wurde; eine Beschwerde dagegen zurückgezogen.

-        der verfahrensgegenständliche Folgeantrag vom 02.08.2016 mit Bescheid des BFA vom 15.01.2017 negativ beschieden worden sei.

Dennoch glaube er, dass gegen ihn ein Haftbefehl in Bangladesch bestünde und er getötet werden würde, wenn er nach Bangladesch zurückkehre. Er hoffe daher, dass er hier in Österreich bleiben könne.

Der sehr engagierte Rechtsvertreter des BF versuchte sodann die „depressive Stimmung“ des BF hervorzuheben. Der BF meinte, er würde gerne die Eltern sehen, aber es ginge eben nicht. Er würde hier eine Zeit verbringen, „die nicht produktiv“ sei. Es sei „eine verschwendete Zeit, wenn ich darüber nachdenke, kann ich nachts nicht schlafen“. Seine depressive Stimmung äußere sich dahingehend, dass der BF „die Lust, etwas zu tun, verliere“. Er sei deshalb beim Hausarzt gewesen, der ihm geraten habe, dass er mit einer Behandlung oder der Einnahme von Antidepressiva etwas warten solle. Er habe aber „demnächst“ einen Termin.

Nach seinem Folgeantrag befragt gab der BF an, dass er zwar hier sei, aber die politische Lage in Bangladesch „sehr grauenhaft“ sei. Es würde in Bangladesch ein Verfahren gegen ihn laufen, er werde als Täter beschuldigt, er werde von der Polizei gesucht.

Die Anzeige wegen einer Demonstration und der Haftbefehl würden aus 2016 stammen, einem Zeitpunkt, in dem der BF bereits in Österreich gewesen sei. Es sei eine falsche Anzeige. Gefragt, wie sich der BF dagegen gewehrt habe, meinte dieser, sein Vater sei zu Gericht gegangen, um die Unschuld des BF zu beweisen. Allerdings sei dies aufgrund der Politik und der Korruption nicht möglich.

Gefragt, weshalb den BF jemand fünf Jahre nachdem er das Land verlassen habe, anzeigen sollte, meinte der BF, er sei kein großer oder hoher Führer gewesen, er sei nur Unterstützer gewesen. Sie hätten versucht, dass er die Partei verlassen und zu ihnen gehen sollte. Als sie sahen, dass es so nicht läuft, hätten sie ihm immer wieder geschadet.

Gefragt, von wann bis wann der BF politisch aktiv war, meinte dieser, er sein von 2009 bis 2010 „Mitglied der BNP“ gewesen. Eine politische Funktion hatte er nicht inne, er war „normaler Arbeiter“.

Nach den Ausführungen zum Länderbericht und den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Bangladesch (und vergleichend dazu Österreich) verwies der Vertreter des BF nochmals auf die bisherigen Stellungnahmen. Der BF leide an einem depressiven Zustandsbild, das sich weiterhin verschlechtere. Die Krankheit bestünde über einen längeren Zeitraum und sei eine Behandlung (Kombination aus Psychotherapie und Medikamente) erforderlich; aus den Länderberichten ginge hervor, dass längerfristige psychologische und psychiatrische Behandlungen und Betreuungen in Bangladesch nur schwer zu gewährleisten wären. Für den BF wäre eine fachgerechte medizinische Behandlung nicht gegeben.

I.26. Gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes erhob der BF Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

I.27. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 18.01.2021, XXXX , wurde der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt sowie die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof aus, dass das erkennende Gericht weder eine grundrechtswidrige Gesetzesauslegung vorgenommen habe noch seien grobe Verfahrensfehler unterlaufen, die eine vom VfGH aufzugreifende Verletzung eines Grundrechtes darstellen würde.

I.28. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.06.2021, XXXX wurde die Entscheidung des BVwG behoben. Tenor der Entscheidung des VwGH war, dass die vom BF vorgelegten Haftbefehle nicht im ausreichendem Umfang vom BVwG gewürdigt worden seien, nicht zuletzt deshalb, weil sie nicht übersetzt wurden. Darüber hinaus sei der vorgelegte Haftbefehl „nur am Rande thematisiert“ worden und hätten die vorgelegten Haftbefehle wenig Eingang in die Beweiswürdigung des BVwG gefunden (Rz 17 des zitierten VwGH-Erkenntnisses).

In Bangladesch herrschen harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen in Bangladesch herrschen. Nach Ansicht des VwGH sei vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen, wonach die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30. Dezember 2018 auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hindeute und wegen der genannten Haftbedingungen nicht von vornherein ausgeschlossen, dass den behaupteten Tatsachen ein glaubhafter Kern innewohne (Rz 18 des zitierten VwGH-Erkenntnisses).

I.29. Das BVwG hat der Rechtsansicht des VwGH zu folgen. Aus diesem Grund wird vorliegend auf die seinerzeitige mündliche Verhandlung vor dem BVwG vom 23.11.2020 referenziert.

In der Verhandlung vor dem BVwG vom 23.11.2020 wurde hinsichtlich des vom BF vorgelegten Haftbefehls von diesem ausgeführt:

BF: Er wurde 2016, am 16. Juni ausgesprochen. Meine Eltern sind alte Menschen. Sie sind aufgrund des Haftbefehls sehr besorgt … meine Mutter … hatte einen Hirnanfall. Meine Eltern sind derzeit sehr alt und halten es nicht mehr aus.

VP: Was wird Ihnen vorgeworfen?

BF: Ich habe bei einer Demonstration mitgewirkt. Ich habe mit Cocktailbomben die Polizei beworfen. Ich weiß, dass das alles nicht stimmt und dass eine falsche Anzeige gegen mich erstattet wurde. Aber der Grund dafür ist, dass sie mich inhaftieren können und so vernichten können.

VP: Wann war die Demonstration?

BF: Am 15. Juni.

VP: Welches Jahr?

BF: 2016.

VP: Wo waren Sie an diesem Tag?

BF: Normalerweise bin ich ja hier, aber auf der Anzeige wurde erwähnt, dass ich in physischer Form mit weiteren Demonstranten den Anschlag verübt habe. Fahrzeugbeschädigungen, Widerstand gegen die Staatsgewalt.

VP: Wo waren Sie an diesem Tag?

BF: Ich bin hier in Österreich.

VP: Deswegen meine Frage: Wie haben Sie sich gegen diese falsche Anzeige gewehrt?

BF: Dagegen … die derzeitige Regierung, das Militär, die Polizei wurden beeinflusst. Mein Vater ging zum Gericht, damit er meine Unschuld bzgl. des Verfahrens beweisen kann. Allerdings ist das aufgrund der Politik und der Korruption nicht möglich.

VP: Weshalb sollte Sie jemand anzeigen, 5 Jahre nachdem Sie das Land verlassen hatten?

BF: Ich war kein großer oder hoher Führer. Ich war nur ein Unterstützer meines Führers. Sie haben versucht, dass ich meine Partei verlasse und zu ihnen gehe. Als sie gesehen haben, dass es so nicht läuft, haben sie mir immer wieder geschadet.

VP: Waren Sie Mitglied einer Partei?

BF: Ja, ich war Mitglied.

VP: Bei welcher Partei?

BF: BNP.

VP: Von wann bis wann?

BF: Ehm … von 2009 … ehm … bis 2010.

VP: Hatten Sie eine politische Funktion inne?

BF: Normaler Arbeiter.

VP an BFV: Haben Sie Fragen?

BFV: Sie haben gesagt, dass die Demonstration am 15. Juni 2016 stattgefunden hat. Kann es auch sein, dass die Vorfälle, die zur Falschanzeige geführt haben, am 05. Mai bzw. 16. Mai stattgefunden haben?

BF: Ich bin ja hier, nicht in Bangladesch. Es kann sein, dass es geschehen ist, aber auch nicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch, seine Identität steht nicht fest. Der BF hat in Österreich eine Schwester und einen Schwager. Er ist in Österreich unbescholten.

Der BF lebt von der Grundversorgung und zahlt € 150 an Miete.

Der BF hat bengalische und österreichische Freunde. Seine Deutschkenntnisse befinden sich auf dem Niveau B1. Der BF geht keiner Arbeit nach und fühlt sich gelangweilt.

Der BF ist sich, wie er in der Verhandlung vom 23.10.2020 darlegte, bewusst, dass

-        sein Asylantrag vom Juli 2011 mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 31.05.2012 rechtskräftig abgelehnt wurde; der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung einer Beschwerde abgelehnt;

-        der Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte vom 17.07.2013 rechtskräftig abgelehnt wurde; eine Beschwerde dagegen wurde vom BF zurückgezogen;

-        der verfahrensgegenständliche Folgeantrag vom 02.08.2016 mit Bescheid des BFA vom 15.01.2017 negativ beschieden wurde.

Dennoch verblieb der BF im Bundegebiet.

Eine maßgebliche Änderung der asyl- und abschieberelevanten Lage im Herkunftsstaat seit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz des BF kann ebenso wenig festgestellt werden, wie eine maßgebliche Änderung der vom BF bereits im Erstverfahren vorgebrachten Fluchtgründe. Den weiteren Fluchtgrund, nämlich die behauptete Anzeige aus dem Jahr 2016 wegen einer Demonstration und in weiterer Folge der angebliche Haftbefehl, bezeichnet der BF als „falsche Anzeige“, weil er sich im Bundesgebiet aufhielt. Sein Vater habe durch einen Gang zu Gericht versucht, dem entgegenzutreten.

Der Verwaltungsgerichtshof befand im Vorbringen des BF, dass es nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass den behaupteten neuen Tatsachen ein glaubhafter Kern innewohnt.

Der BF war von 2009 bis 2010 Mitglied der BNP.

Seit 2011, somit seit zehn Jahren, hält sich der BF im Bundesgebiet auf.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch die Administrativakten, insbesondere den angefochtenen Bescheid und die Beschwerde, sowie die Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes einschließlich der mündlichen Verhandlung vom 23.11.2020, und letztlich durch die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes, welche im gegenständlichen Fall ergingen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat trotz des Entscheidung des VfGH, der keine verfassungsrechtlichen Aufhebungsgründe erkannte, den Ausführungen des VwGH zu folgen, dass nicht von vornherein ausgeschlossen sei, dass durch eine schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingebrachten Klagen im Vorfeld zur Parlamentswahl am 30.12 2018 ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hindeute, den behaupteten neuen Tatsachen des BF ein glaubhafter Kern innewohne (s. Rz 18 des zitierten VwGH-Erkenntnisses).

Da der BF jedoch nicht darlegte, in welchem logischen Zusammenhang die von ihm vorgelegte falsche Anzeige und der Haftbefehl aus Mai 2016 tatsächlich mit dem vom VwGH herangezogenen „Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018“ in Verbindung zu bringen seien, und welche konkrete Verfolgung sich daraus für ihn ableiten ließe, wären aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes weitere aufwändige Erhebungen erforderlich.

Weitere Erhebungen im Gegenstand (zB mittels kostenintensiven Übersetzungen von Anzeigen, die der BF selbst als „falsche Anzeigen“ benennt oder gar zeitintensive vor-Ort-Recherchen hinsichtlich des damals in Österreich weilenden BF, weitere mündliche Verhandlungen unter Beiziehung von Dolmetschern) sind jedoch weder zweckmäßig oder angebracht, weil mittlerweile der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet, wenn auch jahrelang rechtswidrig, eine Frist von zehn Jahren überschritten hat. Eine Außerlandesbringung durch das BFA ist in dieser Zeit nicht erfolgt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ist ein Aufenthalt über zehn Jahre jedenfalls eine Grenze, an der von einer wesentlichen Integration des BF auszugehen ist, soferne nicht besondere Umstände, wie relevante strafrechtliche Verurteilungen, vorliegen. Da gegen den BF keine diesbezüglichen Umstände vorliegen (s Strafregisterauszug) und der BF zumindest einen gewissen Integrationsgrad erreicht hat (zB Deutschkenntnisse Niveau B1) und er selbsterhaltungsfähig, weil arbeitsfähig, wäre, ist im vorliegenden Einzelfall von einer relevanten Integrationsvermutung auszugehen.

Da somit weitere Erhebungen zu keinem wesentlich anderen Ergebnis führen würden, sieht sich das BVwG an die Meinung des VwGH insoweit gebunden, als dem Vorbringen des BF von vornherein ein glaubhafter Kern zu attestieren sei. Da bei einem glaubhaften Vorbringen jedoch internationaler Schutz zu gewähren ist, war der Beschwerde Folge zu geben und die Rückkehrentscheidung aufzuheben. Unter Berücksichtigung des zehnjährigen Aufenthaltes des BF sowie der bisherigen Verfahrensdauer waren im konkreten Einzelfall weitere Erhebungen nicht mehr zu pflegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA. Somit ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu Spruchteil A)

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates oder wegen Schutzes in einem EWR-Staat oder in der Schweiz zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Ausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat. Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Herkunftsstaates zugemutet werden kann. Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind. Gemäß Abs. 2 ist bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist ein Flüchtling, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist somit die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, 2016/19/0074 uva.).

Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG 2005 setzt gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus. Gleichfalls nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber.

Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.

Grundsätzlich obliegt es dem Asylwerber, alles Zweckdienliche, insbesondere seine wahre Bedrohungssituation in dem seiner Auffassung nach auf ihn zutreffenden Herkunftsstaat, für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (vgl. VwGH 31.05.2001, 2001/20/0041; 23.07.1999, 98/20/0464). Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 28 AsylG 1997 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. VwGH 14.12.2000, 2000/20/0494; 06.10.1999, 98/01/0311; 14.10.1998, 98/01/0222). Die Ermittlungspflicht der Behörde geht auch nicht soweit, den Asylwerber zu erfolgversprechenden Argumenten und Vorbringen anzuleiten (vgl. VwGH 21.09.2000, 98/20/0361; 04.05.2000, 99/20/0599).

Der BF hat im Verfahren glaubhaft gemacht, dass er allenfalls wegen einer falscher Anzeigen und eines Haftbefehles einer politischen Verfolgung ausgesetzt sein könnte.

Es ist daher unter Berücksichtigung der Ansicht des VwGH im konkreten Einzelfall davon auszugehen, dass dem BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen drohen.

Diese Verfolgung ist dem Heimatstaat zuzurechnen, weil der Heimatstaat des BF den Länderfeststellungen zufolge nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, von anderen Stellen ausgehende Verfolgungshandlungen hintanzuhalten.

Eine solche Behandlung droht dem BF in ganz Bangladesch, weil davon auszugehen ist, dass die Maßnahmen gegen ihn überall gesetzt werden könnten. Eine inländische Fluchtalternative besteht daher nicht.

Im vorliegenden Fall sind somit die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gegeben.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Die Rückkehrentscheidung und die sich darauf beziehenden Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides sind somit obsolet.

II.3.2. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides ausführlich wiedergegeben.

Schlagworte

Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren Aufenthaltsdauer Aufenthaltsverfestigung begründete Furcht vor Verfolgung Ersatzentscheidung Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft glaubhafter Kern Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit inländische Schutzalternative innerstaatliche Fluchtalternative Integration mündliche Verhandlung politische Gesinnung staatlicher Schutz unterstellte politische Gesinnung Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W195.2011948.2.00

Im RIS seit

18.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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