TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/29 W158 2207326-2

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Veröffentlicht am 29.09.2021
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Entscheidungsdatum

29.09.2021

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs4
AsylG 2005 §34 Abs5
AsylG 2005 §75 Abs24
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §55
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W158 2207326-2/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die Mutter XXXX , geb. XXXX , diese vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.01.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

II. Die Spruchpunkte II. bis VI. des Bescheids werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Um Wiederholungen zu vermeiden wird zum bisherigen Verfahrensgang auf den Beschluss vom 14.11.2018, W158 2207326-1/2E verwiesen, womit der den Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: BF) abweisende Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) aufgrund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens im Verfahren seiner Mutter aufgehoben und die Sache an das BFA zurückverwiesen wurde.

I.2 Nachdem das BFA die Ermittlungsmängel im Verfahren der Mutter saniert hatte, wies das BFA mit Bescheid vom 11.01.2019, dem BF am 15.01.2019 durch Hinterlegung zugestellt, den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Dazu führte das BFA mit näherer Begründung aus, dass die Eltern des BF ihr Fluchtvorbringen nicht glaubhaft machen hätten können. Der BF könne mit seiner Familie nach Kabul zurückkehren, wo die Familie lange gelebt habe. Der Antrag des BF sei daher abzuweisen gewesen. Gemäß § 57 AsylG sei auch eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nicht zu erteilen, da die Voraussetzungen nicht vorlägen. Letztlich hätten auch keine Gründe festgestellt werden können, wonach bei einer Rückkehr des BF gegen Art. 8 Abs. 2 EMRK verstoßen würde, weswegen auch eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

I.3. Mit Verfahrensanordnung vom 14.01.2019 wurde dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

I.4. Am 08.02.2019 erhob der BF Beschwerde in vollem Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Er beantragte, ihm den Status des Asylberechtigten in eventu den des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei und einen Aufenthaltstitel zu erteilen, in eventu den Bescheid zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das BFA zurückzuverweisen und eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Begründend wird die Beweiswürdigung bestritten. Das Vorbringen seiner Eltern wäre glaubhaft, ihm wäre daher der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Jedenfalls und unabhängig davon wäre ihm aber der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren.

I.5. Am 13.02.2019 langte die gegenständliche Beschwerde samt dem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

I.6. Am 07.07.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der der BF, seine Familie und die gemeinsame Rechtsvertretung teilnahmen. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurden die Mutter und die ältere Schwester des BF im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari u.a. zu ihrer Identität und Herkunft, zu den persönlichen Lebensumständen, ihren Familienangehörigen und ihren Fluchtgründen befragt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

-        Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend den BF;

-        Befragung der Mutter und der älteren Schwester des BF im Rahmen der Beschwerdeverhandlung am 07.07.2021.

II. Feststellungen:

Der BF führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist Staatsangehöriger von Afghanistan und gehört der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Glaubensrichtung an. Seine Muttersprache ist Dari.

Der BF wurde in Teheran, Iran, geboren. Er ist vor seiner Ausreise nach Europa im Iran und in Kabul aufgewachsen.

Der BF ist das zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährige, ledige Kind der XXXX (W158 2207232-2) und des XXXX (W158 2207328-2). Außerdem leben zwei Geschwister des BF im Bundesgebiet: XXXX (W158 2207327-2) und XXXX (W158 2207324-2). Weitere Geschwister des BF leben in Schweden. Der Mutter des BF wurde mit Erkenntnis vom heutigen Tag der Status der Asylberechtigten gewährt.

III. Beweiswürdigung:

III.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts.

III.2. Die Feststellungen zum BF, insbesondere zu seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache und seinem Aufwachsen im Iran und in Afghanistan, traf bereits das BFA aufgrund der Angaben seiner Eltern. Da diese Feststellungen im Beschwerdeverfahren nicht bestritten wurden, sind daran keine Zweifel aufgekommen, sodass sie auch der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden können.

Gleichfalls unstrittig sind die Feststellungen zu den Familienverhältnissen des BF. Auch diese legte das BFA aufgrund der Aussagen der Familienmitglieder seinen Entscheidungen zugrunde. Auch dagegen wendet sich die Beschwerde nicht.

IV. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

IV.1. Zum Spruchpunkt A)

Nach § 34 Abs. 2 AsylG hat die Behörde auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (Z 1) und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (Z 3).

Nach § 2 Abs. 1 Z 22 lit c AsylG ist Familienangehöriger ein zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten. Der BF ist daher unzweifelhaft Familienangehörige seiner Mutter. Dieser wurde der Staus der Asylberechtigten zuerkannt. Dem BF ist daher aufgrund der Bestimmung des § 34 Abs. 2 AsylG ebenfalls der Status des Asylberechtigten zu gewähren, zumal er weder straffällig wurde, wozu aufgrund seiner Strafunmündigkeit keine Feststellung zu treffen war, noch ein Aberkennungsverfahren gegen seine Mutter anhängig ist. Eine Prüfung eigener Fluchtgründe kann daher entfallen (VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418).

Dem BF war daher in Stattgabe der Beschwerde der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen. Dies ist gemäß § 3 Abs. 5 AsylG mit der Feststellung zu verbinden, dass dem BF damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Dem BF kommt damit – da er seinen Antrag nach dem 15.11.2015 stellte (§ 75 Abs. 24 AsylG) – gemäß § 3 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status der Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.

Bei diesem Ergebnis waren die übrigen Spruchpunkte des Bescheids aufzuheben, da sie ihre Grundlage verlieren.

IV.2. Zum Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, zumal die Bestimmungen zum Familienverfahren bei sowohl zum Antragszeitpunkt als auch zum Entscheidungszeitpunkt minderjährigen Kindern klar und eindeutig sind.

Schlagworte

Asyl auf Zeit Asylgewährung von Familienangehörigen Asylverfahren befristete Aufenthaltsberechtigung ersatzlose Teilbehebung Familienangehöriger Familienleben Familienverfahren Flüchtlingseigenschaft Kassation mündliche Verhandlung Rückkehrentscheidung behoben Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W158.2207326.2.00

Im RIS seit

18.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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