Entscheidungsdatum
29.09.2021Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15Spruch
W158 2207328-2/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.01.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
II. Die Spruchpunkte II. bis VI. des Bescheids werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Um Wiederholungen zu vermeiden wird zum bisherigen Verfahrensgang auf den Beschluss vom 14.11.2018, W158 2207328-1/3E verwiesen, womit der den Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: BF) abweisende Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) aufgrund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens im Verfahren seiner Frau aufgehoben und die Sache an das BFA zurückverwiesen wurde.
I.2 Nachdem das BFA die Ermittlungsmängel im Verfahren der Ehefrau saniert hatte, wies das BFA mit Bescheid vom 11.01.2019, dem BF am 15.01.2019 durch Hinterlegung zugestellt, den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
Dazu führte das BFA mit näherer Begründung aus, dass weder der BF noch seine Frau ihr Fluchtvorbringen glaubhaft machen hätten können. Der BF könne mit seiner Familie nach Kabul zurückkehren, wo er lange gelebt habe. Der Antrag des BF sei daher abzuweisen gewesen. Gemäß § 57 AsylG sei auch eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nicht zu erteilen, da die Voraussetzungen nicht vorlägen. Letztlich hätten auch keine Gründe festgestellt werden können, wonach bei einer Rückkehr des BF gegen Art. 8 Abs. 2 EMRK verstoßen würde, weswegen auch eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.
I.3. Mit Verfahrensanordnung vom 14.01.2019 wurde dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
I.4. Am 08.02.2019 erhob der BF Beschwerde in vollem Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Er beantragte, ihm den Status des Asylberechtigten in eventu den des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei und einen Aufenthaltstitel zu erteilen, in eventu den Bescheid zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das BFA zurückzuverweisen und eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Begründend wird die Beweiswürdigung bestritten. Ihm wäre daher der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Jedenfalls und unabhängig davon wäre ihm aber der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren.
I.5. Am 13.02.2019 langte die gegenständliche Beschwerde samt dem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.
I.6. Am 07.07.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der der BF, seine Familie und die gemeinsame Rechtsvertretung teilnahmen. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurden die Ehefrau und die älteste Tochter des BF im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari u.a. zu ihrer Identität und Herkunft, zu den persönlichen Lebensumständen, ihren Familienangehörigen und ihren Fluchtgründen befragt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
- Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend den BF; insbesondere in die Befragungsprotokolle;
- Befragung der Ehefrau und der ältesten Tochter des BF im Rahmen der Beschwerdeverhandlung am 07.07.2021;
- Einsicht in das Strafregister.
II. Feststellungen:
Der BF führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist Staatsangehöriger Afghanistans, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari.
Der BF stammt aus Kabul, wo er zwölf Jahre die Schule besucht hat. Er war Koch und betrieb ein eigenes Geschäft zur Vermietung von Kochzubehör. Der BF lebte vor seiner Ausreise nach Europa in Kabul und in Teheran, Iran.
Der BF hat in Afghanistan XXXX (W158 2207323-2) geheiratet. Die beiden haben drei gemeinsame Kinder im Bundesgebiet: XXXX (W158 2207327-2), XXXX (W158 2207326-2) und XXXX (W158 2207324-2). Weitere Kinder des BF leben in Schweden. Der Ehegattin des BF wurde mit Erkenntnis vom heutigen Tag der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
Der BF ist strafrechtlich unbescholten.
III. Beweiswürdigung:
III.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts.
III.2. Die Feststellungen zum BF, insbesondere zu seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache und seinem Aufwachsen in Afghanistan und im Iran, traf bereits das BFA aufgrund der Angaben des BF in Verbindung mit denen seiner Frau und seiner ältesten Tochter. Da diese Feststellungen im Beschwerdeverfahren nicht bestritten wurden, sind daran keine Zweifel aufgekommen, sodass sie auch der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden können.
Gleichfalls unstrittig sind die Feststellungen zu den Familienverhältnissen des BF. Auch diese legte das BFA aufgrund der Aussagen der Familienmitglieder seinen Entscheidungen zugrunde. Auch dagegen wendet sich die Beschwerde nicht.
Die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF war aufgrund eines aktuellen Strafregisterauszugs festzustellen.
IV. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.
IV.1. Zum Spruchpunkt A)
Nach § 34 Abs. 2 AsylG hat die Behörde auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (Z 1) und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (Z 3).
Nach § 2 Abs. 1 Z 22 lit b AsylG ist Familienangehöriger der Ehegatte oder eingetragene Partner eines Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten, sofern die Ehe oder eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat. Der BF ist daher unzweifelhaft Familienangehöriger seiner Ehefrau. Dieser wurde der Staus der Asylberechtigten zuerkannt. Dem BF ist daher aufgrund der Bestimmung des § 34 Abs. 2 AsylG ebenfalls der Status des Asylberechtigten zu gewähren, zumal er weder straffällig wurde, noch ein Aberkennungsverfahren gegen seine Frau anhängig ist. Eine Prüfung eigener Fluchtgründe kann daher entfallen (VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418).
Dem BF war daher in Stattgabe der Beschwerde der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen. Dies ist gemäß § 3 Abs. 5 AsylG mit der Feststellung zu verbinden, dass dem BF damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Dem BF kommt damit – da er seinen Antrag nach dem 15.11.2015 stellte (§ 75 Abs. 24 AsylG) – gemäß § 3 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status der Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.
Bei diesem Ergebnis waren die übrigen Spruchpunkte des Bescheids aufzuheben, da sie ihre Grundlage verlieren.
IV.2. Zum Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, zumal die Bestimmungen zum Familienverfahren beim Ehegatten klar und eindeutig sind.
Schlagworte
Asyl auf Zeit Asylgewährung von Familienangehörigen Asylverfahren befristete Aufenthaltsberechtigung ersatzlose Teilbehebung Familienangehöriger Familienleben Familienverfahren Flüchtlingseigenschaft Kassation mündliche Verhandlung Rückkehrentscheidung behoben SpruchpunktbehebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W158.2207328.2.00Im RIS seit
18.01.2022Zuletzt aktualisiert am
18.01.2022