Entscheidungsdatum
13.10.2021Norm
BBG §40Spruch
G303 2230076-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS und den fachkundigen Laienrichter Herbert WINTERLEITNER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Reif und Partner Rechtsanwälte OG in 8605 Kapfenberg, Wiener Straße 100, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 10.03.2020, OB: XXXX , betreffend die Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte mit E-Mail vom 27.08.2019 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Erhöhung des Grades der Behinderung im Behindertenpass (bezeichnet als „Erhöhung der Invaliditätsprozente“) und übermittelte einen Befund von Dr. XXXX , Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, vom 07.08.2019.
1.1. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 02.09.2019 und vom 15.10.2019 wurde der BF aufgefordert, das beiliegende Antragsformblatt ausgefüllt und unterfertigt nachzureichen.
1.2. Am 04.11.2019 langte der Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass ein. Dem Antrag waren derselbe Befund vom 07.08.2019 sowie eine Kopie des bis zum 31.05.2022 befristeten Behindertenpasses angeschlossen.
1.3. Mit E-Mail vom 21.01.2020 brachte der BF weitere medizinische Beweismittel in Vorlage.
2. Im von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 04.02.2020 wird von Dr. XXXX , Fachärztin für Neurologie, nach persönlicher Untersuchung des BF am 11.12.2019, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Posttraumatische Belastungsstörung
Unterer Richtsatzwert bei chronifiziertem Verlauf unter ständiger Therapieerfordernis mit Einschränkung der beruflichen und sozialen Kompetenzen
03.05.02
50
2
Degenerative Wirbelsäulenveränderungen
Unterer Richtsatzwert entsprechend der Funktionseinschränkungen und chronischen Schmerzsymptomatik
02.01.02
30
3
Cluster-Kopfschmerz
Unterer Richtsatzwert entsprechend der polypragmatischen Therapie mit täglicher Kopfschmerzsymptomatik und Z.n. Schädelprellung (09/2017)
04.11.02
30
4
Sprunggelenksschädigung rechts
eine Stufe über dem unteren Richtsatzwert entsprechend der leicht eingeschränkten Gelenksbeweglichkeit, kein Hinweis auf Versteifung
02.05.32
20
Gesamtgrad der Behinderung
60 v.H.
Begründend wurde ausgeführt, dass der Behinderungsgrad der führenden Gesundheitsschädigung (GS) 1 durch die GS 2 bis GS 4 gemeinsam um eine Stufe angehoben werde, da eine wechselseitige negative Beeinflussung der körperlichen und psychischen Funktionseinschränkungen bestehe. Im Vergleich zum Vorgutachten sei keine Veränderung eingetreten.
3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 04.02.2020 wurde dem BF ein schriftliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG gewährt und das Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht. Zugleich wurde dem BF Gelegenheit gegeben, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.
3.1 Mit handschriftlich verfasstem Schreiben vom 11.02.2020 brachte der BF stellungnehmend vor, dass er mit dem Gutachten aufgrund der Verschlechterung seiner Krankheit nicht zufrieden sei und legte einen Befund von Univ.-Prof. Dr. XXXX , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 20.01.2020, vor.
4. Aufgrund der gemachten Einwendungen holte die belangte Behörde ein weiteres Sachverständigengutachten ein.
In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 02.03.2020, wird aufgrund der Aktenlage ausgeführt, dass der nachgereichte Befund von Dr. XXXX , vom 20.01.2020, in allen Punkten die Gesundheitsschädigungen und ihre Beurteilung im Rahmen des neurologischen Sachverständigengutachtens vom 11.12.2019 (Datum der Untersuchung) untermauern würde. Deshalb bleibe das Sachverständigengutachten unverändert.
5. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10.03.2020, OB: XXXX , wurde der Antrag des BF auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass mit Bescheid vom 03.06.2019 (gemeint: mit Schreiben vom 29.05.2019 ausgestellter Behindertenpass mit Bescheidcharakter) in dieser Sache rechtskräftig entschieden worden sei. Der BF habe am 27.08.2019 die Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass beantragt. Da seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen sei und der BF eine offenkundige Änderung seiner Gesundheitsschädigungen nicht glaubhaft geltend gemacht habe, war der Antrag zurückzuweisen.
6. Gegen diesen Bescheid vom 10.03.2020, OB: XXXX , erhob der BF – ohne Vorlage neuer Beweismittel - mit E-Mail vom 24.03.2020 fristgerecht Beschwerde, und begründete diese damit, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtert habe und er jeden Tag Schmerzen habe. Er ersuche um Einstufung gemäß der Empfehlung von Prof. Dr. XXXX , da jemand anderer mit der gleichen bzw. ähnlichen Symptomatik auch höher (80 %) eingestuft worden sei und es dazu auch OGH-Urteile gäbe.
7. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde vorgelegt und langten diese am 01.04.2020 ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 29.05.2019 wurde dem BF ein Behindertenpass mit Bescheidcharakter übermittelt und mit 03.06.2019 ausgestellt. Der Grad der Behinderung wurde mit 60 % eingetragen. Dieser Behindertenpass mit Bescheidcharakter erwuchs in Rechtskraft.
Am 27.08.2019 – sohin innerhalb der Jahresfrist des § 41 Abs. 2 BBG – stellte der BF bei der belangten Behörde einen neuerlichen Antrag auf Neufestsetzung des Grades seiner Behinderung im Behindertenpass.
Der BF hat nicht glaubhaft geltend gemacht, dass seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung vom 03.06.2019, eine offenkundige Änderung seiner Funktionsbeeinträchtigungen eingetreten ist.
Zum Entscheidungszeitpunkt besteht ein Grad der Behinderung in Höhe von 60 von Hundert.
2. Beweiswürdigung:
Der unter I. angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen zum letzten rechtskräftigen Bescheid der belangten Behörde sowie zur neuerlichen Antragstellung ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde, der Beschwerde sowie nunmehr aus dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Feststellung, dass der BF eine offenkundige Änderung seiner Funktionsbeeinträchtigungen seit der letzten rechtskräftigen, mit 03.06.2019 datierten Entscheidung der belangten Behörde nicht glaubhaft zu machen vermochte, gründet sich auf den Umstand, dass der BF kein entsprechend ausreichend konkretes Vorbringen im Rahmen seiner Antragstellung am 27.08.2019 erstattet hat.
Im seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Fachärztin für Neurologie, vom 04.02.2020, wird schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass es im Vergleich zum Vorgutachten, das der rechtskräftigen Entscheidung vom 03.06.2019 zugrunde liegt, zu keinen gesundheitlichen Änderungen gekommen ist.
Im Rahmen des schriftlichen Parteiengehörs brachte der BF bei der belangten Behörde einen ärztlichen Befundbericht von Univ. Prof. Dr. XXXX vom 20.01.2020 in Vorlage. Dieser Befund wurde im Rahmen eines weiteren Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 02.03.2020, berücksichtigt und festgestellt, dass der vorgelegte Befund die im neurologischen Sachverständigengutachten vom 04.02.2020 festgestellten Gesundheitsschädigungen und deren Beurteilung untermauert. Weitere neue Gesundheitsschädigungen wurden darin nicht vorgebracht.
Dem Vorbringen, dass die Gesundheitsschädigung „Cluster-Kopfschmerz“ analog zur Positionsnummer 04.10.02 mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 80% einzuschätzen sei, kann nicht gefolgt werden, da dies den Kriterien in der Anlage zur Einschätzungsverordnung widerspricht und auch medizinisch nicht nachvollziehbar ist. Vielmehr wurde sowohl im Sachverständigengutachten von Dr. XXXX als auch im Sachverständigengutachten von Dr. XXXX nachvollziehbar begründet, dass die Gesundheitsschädigung „Cluster-Kopfschmerz“ aufgrund der täglichen Schmerzsymptomatik und der polypragmatischen Therapie ohne Antiepileptikertherapie unter der Positionsnummer 04.11.02 mit einem Grad der Behinderung von 30 % einzuordnen ist. Diese Einschätzung der Gesundheitsschädigung „Cluster-Kopfschmerz“ erfolgte bereits in den Vorgutachten, insbesondere bei der medizinischen Gesamtbeurteilung vom 21.03.2019 durch den Sachverständigen Dr. XXXX , welche der letzten rechtskräftigen Entscheidung der belangten Behörde zugrunde liegt.
Auch im Rahmen der Beschwerdeerhebung wurde lediglich auf den ärztlichen Befundbericht von Univ. Prof. Dr. XXXX vom 20.01.2020 verwiesen, der neuerlich in Vorlage gebracht wurde und vorgebracht, dass eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes eingetreten sei und er täglich Schmerzen habe. Ein weiteres substantiiertes Vorbingen wurde dazu nicht erstattet.
Somit konnte der BF weder im Verfahren vor der belangten Behörde noch im Rahmen der Beschwerdeerhebung eine offenkundige Änderung seiner Funktionsbeeinträchtigungen glaubhaft geltend machen.
Demnach konnte zum Entscheidungszeitpunkt ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 60 von Hundert objektiviert und festgestellt werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz BGBl. Nr. 283/1990 idgF) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF) geregelt (§ 1 VwGVG).
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 idgF) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idgF) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.
Gegenständlich wurde keine mündliche Verhandlung beantragt. Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen.
Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.
3.2. Zu Spruchteil A):
Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist;
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen;
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten;
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. I Nr. 22/1970 idgF, angehören.
Gemäß § 41 Abs. 2 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.
Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß § 45 Abs. 1 BBG nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:
Im Beschwerdefall wurde dem BF mit Schreiben der belangten Behörde vom 29.05.2019 ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 60 % übermittelt und dieser mit 03.06.2019 ausgestellt. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt gemäß § 45 Abs. 2 Bescheidcharakter zu. Dieser Behindertenpass mit Bescheidcharakter erwuchs in Rechtskraft. Somit liegt eine rechtskräftige Entscheidung über die Höhe des Grades der Behinderung vor. Am 27.08.20219 brachte der BF einen weiteren Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung ein.
Eine solche neuerliche Antragstellung innerhalb der Jahresfrist führt nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 41 Abs. 2 BBG nur dann nicht zu einer zurückweisenden Entscheidung ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind "offenkundig" solche Tatsachen, deren Richtigkeit - unter Bedachtnahme auf die Lebenserfahrung - der allgemeinen Überzeugung entsprechen bzw. allgemein bekannt sind. "Offenkundigkeit" bringt es nach der genannten Rechtsprechung mit sich, dass eine Tatsache erkennbar ist, ohne dass eine Prüfung der individuellen Situation erforderlich ist (vgl. VwGH 16.09.2008, Zl. 2008/11/0083 mwH).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist darauf hinzuweisen, dass der BF mit seiner Antragstellung am 27.08.2019 und den dabei vorgelegten medizinischen Unterlagen keine seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung offenkundig eingetretene Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung im Sinne des § 41 Abs. 2 BBG dargetan hat.
Gegenständlich wurde von der belangten Behörde sogar ein fachärztliches Sachverständigengutachten basierend auf einer persönlichen Untersuchung des BF am 11.12.2019, eingeholt, ohne dass darin eine einschätzungsrelevante Änderung festgestellt werden konnte. Auch im aktenmäßig erstellten allgemeinmedizinischen Gutachten vom 02.03.2020, welches seitens der belangten Behörde aufgrund der erhobenen Einwendungen des BF eingeholt wurde, konnte unter Berücksichtigung des vorgelegten neuen Befundes, kein anderes Ergebnis festgestellt werden.
Da damit objektiviert wurde, dass der neuerliche Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung innerhalb der Jahresfrist gestellt wurde und eine offenkundige andauernde Änderung des Leidenszustandes nicht glaubhaft geltend gemacht werden konnte, wurde dieser im angefochtenen Bescheid vom 10.03.2020 zu Recht gemäß § 41 Abs. 2 BBG zurückgewiesen.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
3.3. Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass Frist Grad der Behinderung Neufestsetzung offenkundige Änderung ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:G303.2230076.1.00Im RIS seit
18.01.2022Zuletzt aktualisiert am
18.01.2022