TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/17 W227 2237549-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.12.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

17.12.2021

Norm

AVG §10
AVG §13 Abs3
B-VG Art133 Abs4
UG §42
UG §43
UG §46

Spruch


W227 2237549-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerde des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen der Veterinärmedizinischen Universität Wien gegen den Bescheid der Schiedskommission der Veterinärmedizinischen Universität Wien vom 10. September 2020, Zl. 516/2020, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die im Mitteilungsblatt der Veterinärmedizinischen Universität Wien (in der Folge: VetMed) vom 30. April 2020 ausgeschriebene und auf vier Jahre befristete Vollzeitstelle eines Resident ECVS – Kleintierchirurgie an der VetMed, Kennzahl 2020/0504, wurde an eine bereits seit Sommer 2019 an der VetMed beschäftigte Person als bestgeeignetsten Kandidaten vergeben. Der Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen (in der Folge: AKG) wurde von dieser Auswahlentscheidung am 22. Juli 2020 durch eine E-Mail der Personalabteilung der VetMed in Kenntnis gesetzt.

2. Mit E-Mail vom 3. und 7. August 2020 forderten die Vorsitzende sowie die stellvertretende Vorsitzende des AKG von der Rektorin der VetMed Informationen und Unterlagen bezüglich vorliegender Vorwürfe gegen den erstgereihten Kandidaten wegen verbaler sexueller Belästigung. Ergänzend führten sie an, dass die Einspruchsfrist erst ab der Vorlage der vollständigen Unterlagen zu laufen beginnen könne.

3. Mit Beschwerde vom 11. August 2020 sowie als „Einspruch“ betitelter Beschwerdeergänzung vom 12. August 2020 sprachen sich die Vorsitzende sowie die stellvertretende Vorsitzende des AKG in dessen Namen aufgrund vorliegender Belästigungsvorwürfe gegen die getroffene Aufnahmeentscheidung aus.

4. Die Schiedskommission der VetMed (in der Folge: Schiedskommission) wies diese Beschwerde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß §§ 42 Abs. 8 und 43 Abs. 5 Universitätsgesetz 2002 (UG) i.V.m. § 46 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) wegen Verspätung zurück.

Begründend führte sie zusammengefasst aus:

Die Auswahl des Kandidaten sei dem AKG am 22. Juli 2020 mitgeteilt worden. Mit Schreiben vom 11. und 12. August 2020 seien eine Beschwerde sowie eine als „Einspruch“ betitelte Beschwerde von Seiten der Vorsitzenden und der stellvertretenden Vorsitzenden des AKG gegen die Aufnahmeentscheidung an die Schiedskommission ergangen. Diese als Beschwerde (bzw. Einspruch) des AKG bezeichneten Schreiben seien innerhalb der gemäß § 42 Abs. 8 UG geltenden dreiwöchigen Beschwerdefrist eingebracht worden. Beide Schreiben würden allerdings, mangels eines Beschlusses des AKG als Kollegialorgan, nicht der rechtlichen Qualität einer Beschwerde entsprechen und seien daher als „Nichtakte“ zu beurteilen.

Mit dem am 19. August 2020 bei der Schiedskommission eingelangten Schreiben des AKG sei eine Ergänzung zum Einspruch gegen die Aufnahme 2020/0504 entsprechend § 42 Abs. 8 UG nachgereicht worden. Demnach habe der AKG am 17. Juli 2020 – richtigerweise jedoch am 17. August 2020 – einstimmig den Beschluss gefasst, dass dem vorliegenden – im Zusammenhang mit der Aufnahme des Kandidaten stehenden – Einspruch zugestimmt werde. Das Schreiben vom 19. August 2020 könne im Kontext der früheren Schriftstücke als Beschwerde im Sinne des § 42 Abs. 8 UG gedeutet werden. Diese Beschwerde sei allerdings erst nach Verstreichen der dreiwöchigen Frist eingegangen und daher als verspätet zurückzuweisen.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der AKG fristgerecht Beschwerde, in welcher er zusammengefasst vorbringt:

Er sei am 22. Juli 2020 über die beabsichtigte Aufnahme des betreffenden männlichen Kandidaten informiert worden und habe daraufhin am 3. sowie 7. August 2020 vom Rektorat der VetMed weitere Informationen und die Vorlage von Unterlagen zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Aufnahmeentscheidung angefordert. Eine Übermittlung von Informationen bzw. Unterlagen sei jedoch nicht erfolgt.

Der Bescheid sei inhaltlich rechtswidrig, da ein Beschlusserfordernis des AKG zur Ausübung des Beschwerderechts gemäß § 42 Abs. 8 UG zu Unrecht angenommen worden sei. Weder die Bestimmungen des UG zum Beschwerderecht des AKG noch die Satzungen der VetMed sowie verwaltungsverfahrensgesetzliche Bestimmungen würden ein diesbezügliches Beschlusserfordernis des AKG vorsehen. Die Beschwerde des AKG sei zudem kein hoheitlicher Akt, weshalb die eingebrachten Beschwerden keinen „Nichtakt“ darstellen könnten. Insofern die „Geschäftsordnung der Kollegialorgane der Veterinärmedizinischen Universität Wien“ Regelungen zum Beschlusserfordernis vorsehe, würden diese bloß die innere Organisation der Kollegialorgane und nicht die Ausübung ihres gesetzlich normierten Beschwerderechts betreffen.

Zudem sei die Vorsitzende des AKG mit einstimmigem Beschluss vom 28. März 2019 ermächtigt worden, Beschwerden für den AKG bei der Schiedskommission einzubringen. Selbst wenn also davon auszugehen sei, dass ein Beschlusserfordernis gegeben sei, würde das Nichtvorliegen dieser internen Willensbildung im Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde lediglich einen heilbaren Formmangel darstellen. Dieser sei jedoch mit der schriftlichen Eingabe vom 19. August 2020 (rückwirkend) geheilt. Für den Fall des Vorliegens eines Formmangels hätte die Schiedskommission den AKG im Rahmen ihrer behördliche Manuduktionspflicht sowie der Verpflichtung zur Durchführung eines Verbesserungsverfahrens gemäß § 13 Abs. 3 AVG auf das Vorliegen eines solchen Mangels hinweisen müssen.

Überdies sei die Benachrichtigung des AKG am 22. Juli 2020 über die betreffende Aufnahmeentscheidung aufgrund des Informationsmangels nicht fristauslösend im Sinne des § 42 Abs. 8 UG gewesen.

6. Im Vorlageschreiben an das Bundesverwaltungsgericht merkt die Schiedskommission zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde an:

Beiden Beschwerden durch die Vorsitzende wäre kein Beschluss des AKG und somit der von § 43 Abs. 8 UG bestimmten Legalpartei zu Grunde gelegen. Die Beschwerden seien somit von einem unzuständigen Organ eingebracht worden und daher als „Nicht-Akte“ zu bezeichnen gewesen. Diese Rechtsansicht entspreche der höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Eine Vollmacht über eine der Kernkompetenzen des AKG könne nicht erteilt werden und selbst wenn, bedürfte diese Vollmachterteilung einer gewissen Publizität, welche im gegenständlichen Fall nicht gegeben sei. Auch sehe die betreffende Geschäftsordnung für Kollegialorgane der VetMed keine solche Bevollmächtigung eines Vorsitzenden vor. Da im gegenständlichen Fall somit keine Befugnis der Vorsitzenden zur Beschwerdeerhebung vorgelegen habe und der Beschluss des AKG erst nach Ablauf der dreiwöchigen Beschwerdefrist gefasst worden sei, sei die Beschwerde jedenfalls verspätet.

Auch läge im gegenständlichen Fall keine Manuduktionspflicht seitens der Schiedskommission vor, da dem AKG die Möglichkeit zur Inanspruchnahme rechtlicher Beratung an der VetMed offen gestanden sei. Überdies wäre eine Verbesserung des Mangels nicht möglich gewesen, da die Schreiben der Vorsitzenden erst am 11. sowie 12. August 2020 bei der Schiedskommission eingelangt wären, die dreiwöchige Beschwerdefrist jedoch bereits am 13. August 2020 abgelaufen sei. Weiters sei der Beschluss des AKG erst am 18. August 2020 gefasst worden, das Nichtvorliegen einer Vollmacht stelle jedoch keinen – im Rahmen eines Verbesserungsverfahrens – behebbaren Mangel dar.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

In der Sitzung des AKG vom 28. März 2019 fasste dieser in Anwesenheit von sieben der acht Mitglieder des AKG einstimmig folgenden Beschluss: „ XXXX darf stellvertretend für den gesamten AKG Einsprüche [gemeint: Beschwerden] einreichen.“

Mit E-Mail vom 22. Juli 2020 teilte die Personalabteilung der VetMed dem AKG die im Aufnahmeverfahren 2020/0504 getroffene Personalentscheidung mit.

Mit Schreiben an die Schiedskommission vom 11. August 2020 erhob die Vorsitzende des AKG in dessen Namen Beschwerde gegen die Entscheidung zum Aufnahmeverfahren 2020/0504 und ergänzte diese durch das Schreiben vom 12. August 2020.

Mit Schreiben an die Schiedskommission vom 19. August 2020 legte die Vorsitzende des AKG ergänzend zur Beschwerde vom 11. August 2020 das Sitzungsprotokoll des AKG vom 18. August 2020 vor. Dieses umfasst den Beschluss des AKG zur nachträglichen Genehmigung der Beschwerdeerhebung gegen die getroffene Aufnahmeentscheidung.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus der unstrittigen Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zur Stattgabe der Beschwerde und Behebung des Bescheides [Spruchpunkt A)]

3.1.1.1. Gemäß § 46 Abs. 1 UG i.d.F. BGBl I Nr. 129/2017 haben die Universitätsorgane in allen behördlichen Angelegenheiten das AVG anzuwenden. Unter diese Angelegenheiten fallen all jene, in welchen mit Bescheid zu entscheiden ist (siehe Muzak in Perthold-Stoitzner, UG3.01 § 46 Rz 1 [Stand 01.12.2018, rdb.at]). Somit auch ein zur Bescheiderlassung führendes Verfahren vor der Schiedskommission (siehe Kucsko-Stadlmayer/Haslinger in Perthold-Stoitzner, UG3.01 § 43 Rz 15 [Stand 01.12.2018, rdb.at]).

Nach § 42 Abs. 1 UG i.d.F. BGBl I Nr. 31/2018 ist an jeder Universität vom Senat ein AKG einzurichten, dessen Aufgabe es ist, Diskriminierungen durch Universitätsorgane auf Grund des Geschlechts sowie auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung entgegenzuwirken und die Angehörigen und Organe der Universität in diesen Angelegenheiten zu beraten und zu unterstützen. Bei der Besorgung seiner Aufgaben nimmt der Arbeitskreis keine hoheitlichen Befugnisse wahr. Er hat nicht die Befugnis zur Bescheid- und Verordnungserlassung (siehe Kucsko-Stadlmayer/Haslinger in Perthold-Stoitzner, UG3.01 § 42 Rz 5 [Stand 01.12.2018, rdb.at]).

Nach § 42 Abs. 2 UG i.d.F. BGBl I Nr. 31/2018 ist die Anzahl der Mitglieder des AKG in der Satzung der Universität festzulegen. Nach § 20 Abs. 6 Z 4 UG i.d.F. BGBl I Nr. 8/2018 ist die Geschäftsordnung des AKG im Mitteilungsblatt der jeweiligen Universität kundzumachen.

§ 42 Abs. 8 UG i.d.F. BGBl I Nr. 31/2018 räumt dem AKG bei einem Grund zur Annahme, dass die Entscheidung eines Universitätsorgans eine Diskriminierung von Personen auf Grund ihres Geschlechts oder auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung oder einen Verstoß gegen das Frauenförderungsgebot oder gegen den Frauenförderungs- und Gleichstellungsplan der Universität darstellt, das Recht ein, die Schiedskommission binnen einer Frist von drei Wochen anzurufen. Erhebt der AKG eine Beschwerde gegen die Auswahl des Universitätsorgans ist die Vollziehung dieser Entscheidung bis zur Entscheidung der Schiedskommission unzulässig (Abs. 9).

Die dreiwöchige Beschwerdefrist beginnt mit der Information des Arbeitskreises – über den beabsichtigten Abschluss eines Arbeitsvertrages mit einem Bewerber – nach § 42 Abs. 7 UG i.d.F. BGBl I Nr. 31/2018 zu laufen (siehe dazu Kucsko-Stadlmayer/Haslinger in Perthold-Stoitzner, UG3.01 § 42 Rz 36 [Stand 01.12.2018, rdb.at]). Der konkrete Umfang der Informationspflicht gegenüber dem AKG ist nicht normiert. Eine solche besteht jedoch jedenfalls insoweit, als dem AKG eine Beschwerdeerhebung nicht faktisch unmöglich gemacht werden darf (siehe dazu Kucsko-Stadlmayer/Haslinger in Perthold-Stoitzner, UG3.01 § 42 Rz 21 [Stand 01.12.2018, rdb.at]).

Satzungsteil 11 der VetMed beinhaltet die Geschäftsordnung der Kollegialorgane sowie des AKG der VetMed. Demnach ist eine Weitergabe des Stimmrechts im Verhinderungsfall gemäß § 4 Abs. 1 leg. cit. unzulässig. Vielmehr wird das verhinderte Mitglied nach Abs. 2 von einem Ersatzmitglied vertreten. Nach § 4 Abs. 4 leg. cit. wird die Vorsitzende bei zeitweiliger Verhinderung durch einen Stellvertreter, in Ermangelung dessen durch das an Lebensjahren älteste Mitglied vertreten. Nach § 13 leg. cit. bedarf es zur Erfüllung des Beschlusserfordernisses der Anwesenheit mehr als der Hälfte der Mitglieder sowie einer einfachen Stimmenmehrheit.

3.1.1.2. Vertretungsbefugte Organe von juristischen Personen können (natürliche) Personen dazu bevollmächtigen, im Namen der juristischen Person zu handeln (siehe Hengstschläger/Leeb, AVG § 10 Rz 4 [Stand 01.01.2014, rdb.at]).

Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Organe sind als zur Erhebung eines Rechtsmittels bzw. einer Beschwerde berechtigt anzusehen, wenn die ordnungsgemäß kundgemachten Organisationsnormen der juristischen Person von einer „Vertretung nach außen schlechthin“ sprechen. Auf anderweitige, bloß die Willensbildung im Innenverhältnis behandelnde Normen ist in einem solchen Fall nicht zurückzugreifen. Binden die Organisationsnormen der juristischen Person das (Vertretungs-)Handeln der zur Vertretung berufenen Organe nach außen jedoch an eine Mitwirkung anderer Organe, kann von einer Befugnis „zur Vertretung nach außen schlechthin“ nicht gesprochen werden. So ist etwa eine Beschwerde, welcher kein Beschluss des zuständigen Organs zu Grunde liegt, zurückzuweisen (siehe dazu VwGH 19.12.2019, Ra 2019/07/0099, mit Hinweis auf VwGH 24.07.2008, 2007/07/0100).

Gemäß § 10 Abs. 2 letzter Satz AVG hat die Behörde die Behebung etwaiger Mängel der „Vollmacht“ unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 AVG von Amts wegen zu veranlassen. In Entsprechung eines solchen Verbesserungsauftrages kann eine (fehlerfreie) Vollmachtsurkunde nicht nur nachgereicht, sondern auch (etwa bei einer mündlichen Bevollmächtigung im Innenverhältnis) erst im Nachhinein errichtet werden. Eine solche nachträgliche Beurkundung kann etwa durch ein Schreiben der Partei vorgenommen werden. Entscheidend ist nämlich nicht die – möglicherweise nach der Setzung der Verfahrenshandlung liegende – Datierung der Bevollmächtigungsurkunde, sondern, dass das Vollmachtverhältnis tatsächlich im Zeitpunkt der Setzung der Verfahrenshandlung durch den Vertreter bereits bestanden hat, da der Zweck der §§ 10 und 13 Abs. 3 AVG darin gelegen ist, eine den rechtsstaatlichen Erfordernissen entsprechende Durchsetzung der materiellen Rechte der Partei zu gewährleisten, ohne durch Formvorschriften die Durchsetzung dieser Rechte in größerem Maß als unbedingt erforderlich einzuschränken. Dabei ist nur der Mangel des Nachweises, nicht aber jener der Bevollmächtigung selbst behebbar (siehe dazu VwGH 21.05.2012, 2008/10/0085 sowie Hengstschläger/Leeb, AVG § 10 Rz 9 [Stand 01.01.2014, rdb.at]).

Bestehen hingegen Zweifel, ob ein Antrag (Rechtsmittel) im eigenen Namen oder im Namen eines anderen eingebracht werden sollte, so hat die Behörde dies durch entsprechende Erhebungen klarzustellen (siehe dazu VwGH 28.06.2007, 2006/21/0159 sowie Hengstschläger/Leeb, AVG § 10 Rz 7 [Stand 01.01.2014, rdb.at]).

3.1.2. Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies:

3.1.2.1. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichts die „Sache“ des bekämpften Bescheides im Sinne des § 27 VwGVG ist (siehe VwGH 26.03.2015, Ra 2014/07/0077; 24.04.2018, Ra 2017/17/0895). Wenn die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist folglich Sache des Beschwerdeverfahrens die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (siehe etwa VwGH 23.06.2015, Ra 2015/22/0040; 05.11.2019, Ra 2017/06/0222, jeweils m.w.N.).

Beschwerdegegenstand ist daher fallbezogen die Zurückweisung der Beschwerde des AKG vom 11. August 2020.

3.1.2.2. Weiters trifft die Ansicht des Beschwerdeführers nicht zu, dass die Vorsitzende zur Außenvertretung des AKG schlechthin befugt gewesen wäre. Weder ergibt sich eine solche Außenvertretungsbefugnis „schlechthin“ aus der Geschäftsordnung des AKG, da es sich bei § 4 Abs. 3 der Geschäftsordnung bloß um eine interne Wahl- und Vertretungsregelung handelt, noch ist der Geschäftsordnung ein Hinweis auf Art oder Umfang der Außenvertretungsbefugnis der Vorsitzenden zu entnehmen. Vielmehr ist die Vorsitzende durch die Festlegung eines Beschlusserfordernisses in der Geschäftsordnung an die interne Willensbildung des Kollegialorgans gebunden.

Da der Vorsitzenden sohin keine Außenvertretungsbefugnis „schlechthin“ zukommt, muss der Beschwerdeerhebung durch die Vorsitzende im Namen des AKG jedenfalls eine Beschlussfassung des Kollegialorgans zu Grunde liegen.

Davon ist auszugehen:

Durch seinen in der Sitzung vom 28. März 2019 einstimmig gefassten Beschluss bevollmächtigte der AKG die Vorsitzende zur Erhebung von Beschwerden. Daher bestand eine Bevollmächtigung der Vorsitzenden zur Erhebung von Beschwerden am 11. August 2020, somit zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung. Die Beschlussfassung vom 18. August 2020 ist demnach bloß als eine (nachträgliche) Beurkundung der bereits bestehenden Befugnis anzusehen.

Die im Vorlageschreiben der Schiedskommission zitierte Rechtsprechung des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofs bezieht sich jeweils allgemein auf das einer Beschwerde bzw. Revision zu Grunde liegende Beschlusserfordernis des AKG. Ein solcher Beschluss – nämlich jener vom 28. März 2019 – liegt im gegenständlichen Fall jedoch vor. Auch bedarf es – entgegen der Ansicht der Schiedskommission – keiner gesonderten Beschlussfassung über die Erhebung und den Inhalt einer Beschwerde, da sich dieses Erfordernis – im Zusammenhang mit der zitierten Rechtsprechung (siehe VwGH 15.12.1978, 1250/75) – lediglich auf Bescheide von Kollegialbehörden bezieht. Da der AKG jedoch, wie bereits oben ausgeführt, keinerlei hoheitliche Befugnisse wahrnimmt, ist die von der Schiedskommission zitierte Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht anzuwenden. Darüber hinaus vermag die Schiedskommission weder im angefochtenen Bescheid noch im Vorlageschreiben plausibel darzulegen, welche Norm einer Vollmachtserteilung zur Beschwerdeerhebung im konkreten Fall entgegenstehen würde.

Vielmehr befindet sich in der Geschäftsordnung des AKG keine Bestimmung, wonach jeder Beschwerde an die Schiedskommission ein gesonderter Beschluss des AKG zu Grunde liegen muss. Überdies ist weder aus dem Gesetz noch aus der Satzung der VetMed abzuleiten, dass eine Vollmachtserteilung seitens des AKG unzulässig ist.

Zudem wäre die Schiedskommission bei Zweifeln über die Vertretungsbefugnis der Vorsitzenden verpflichtet gewesen, das Vorliegen einer Vollmacht im Rahmen eines Verbesserungsverfahrens zu überprüfen (siehe etwa VwGH 21.05.2012, 2008/10/0085; 09.09.2015, Ra 2015/08/0076).

Auch hängt die Wirksamkeit einer Bevollmächtigung durch den AKG, entgegen der Ansicht der Schiedskommission, nicht von ihrer Veröffentlichung im Mitteilungsblatt ab (siehe dazu Perthold-Stoitzner in Perthold-Stoitzner, UG3.01 § 20 Rz 10 [Stand 01.12.2018, rdb.at], wonach bloß Verordnungen erst nach Kundmachung im Mitteilungsblatt der Universität Wirksamkeit erlangen).

Das bedeutet nun:

Im gegenständlichen Verfahren ist die E-Mail der Personalabteilung an den AKG vom 22. Juli 2020 als fristauslösendes Ereignis anzusehen.

Aus der Beschwerde vom 11. August 2020 und der Beschwerdeergänzung vom 12. August 2020 ergeben sich keinerlei Zweifel, dass die Beschwerde im Namen – somit aufgrund einer Bevollmächtigung des AKG – erhoben wurde. Einer darüberhinausgehenden Publizitätswirkung einer Bevollmächtigung bedarf es jedenfalls nicht.

In Anbetracht der obigen Ausführungen ist die Rechtsansicht der Schiedskommission, eine Vollmachterteilung an die Vorsitzende des AKG sei rechtsunwirksam, die Beschwerde somit von einem unzuständigen Organ eingebracht worden und daher zurückzuweisen, nicht zu vertreten. Vielmehr wurde die Beschwerde des AKG vom 11. August 2020, ergänzt durch das Schreiben vom 12. August 2020, fristgerecht eingebracht.

Der Beschwerde des AKG an das Bundesverwaltungsgericht ist daher stattzugeben und der angefochtene Zurückweisungsbescheid zu beheben.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen (siehe Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 7a mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs).

3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision [Spruchpunkt B)]

3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass im gegenständlichen Fall von einer gültigen Vollmacht und somit einer rechtzeitig eingebrachten Beschwerde auszugehen ist, entspricht der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs.

Schlagworte

Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen Bescheidbehebung Beschlussfassung Beschwerdefrist Beurkundung Fristbeginn Informationspflicht Verbesserungsauftrag Vollmacht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W227.2237549.1.00

Im RIS seit

18.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten