TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/3 95/06/0201

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Veröffentlicht am 03.10.1996
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Index

L37168 Kanalabgabe Vorarlberg;
L82308 Abwasser Kanalisation Vorarlberg;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs1;
AVG §42;
AVG §68 Abs1;
KanalisationsG Vlbg 1989 §4;
KanalisationsG Vlbg 1989 §5 Abs8;
KanalisationsG Vlbg 1989 §5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde

1. des Anton M und 2. des Jakob M in B, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 23. August 1995, Zl. I-2-5/1995, betreffend Ausnahme von der Kanalanschlußpflicht gemäß § 4 Abs. 2 Vlbg. Kanalisationsgesetz 1989 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 19. Juli 1994 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 3 Kanalisationsgesetz, LGBl. Nr. 5/1989, i.V.m. § 4 Kanalordnung der mitbeteiligten Gemeinde vom 2. Oktober 1990 vorgeschrieben, das Objekt Nr. 142 an die Abwasserbeseitigungsanlage der mitbeteiligten Partei anzuschließen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Eingabe vom 29. August 1994 stellten die Beschwerdeführer die Anträge, das Wohnhaus B Nr. 142 gemäß § 4 Abs. 2 Kanalisationsgesetz von der ausgesprochenen Schmutzwasseranschlußpflicht und gemäß § 4 Abs. 2 lit. a (gemeint offensichtlich Abs. 4) Kanalisationsgesetz von der Regenwasseranschlußpflicht zu befreien.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 4. Mai 1995 wurde der Antrag auf Befreiung von der Schmutzwasseranschlußpflicht gemäß § 4 Abs. 2 Kanalisationsgesetz als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I), dem Antrag auf Befreiung für das Regenwasser nach § 4 Abs. 4 Kanalisationsgesetz wurde stattgegeben und der Anschlußbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei, soweit er sich auf die Regenwasseranschlußpflicht bezog, gemäß § 5 Abs. 8 Kanalisationsgesetz aufgehoben (Spruchpunkt II).

Spruchpunkt III dieses Bescheides ist im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung.

Der gegen Spruchpunkt I von den Beschwerdeführern eingebrachten Berufung wurde mit dem Bescheid der Gemeindevertretung vom 30. Juni 1995 keine Folge gegeben. Bei dem nach dem Ermittlungsverfahren sich ergebenden und unbestrittenen Verhältnis von 28,5 % häuslichen zu 71,5 % Stallabwässern könne nicht von einer "untergeordneten Menge" der häuslichen Schmutzwässer im Sinne des § 4 Abs. 2 Kanalisationsgesetz gesprochen werden, der dann eine Befreiung von der Anschlußpflicht ermögliche, wenn sämtliche anfallenden Schmutzwässer zu Düngezwecken in flüssigkeitsdichten Anlagen gesammelt würden.

Der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben. Der Bescheid über die Anschlußpflicht vom 19. Juli 1994 sei rechtskräftig. Gemäß § 5 Abs. 8 Kanalisationsgesetz sei ein Antrag um Erteilung einer Ausnahme von der Anschlußpflicht spätestens während der noch laufenden Berufungsfrist gegen einen Anschlußbescheid nach § 5 Kanalisationsgesetz möglich. Das Verfahren zur Erlassung eines Anschlußbescheides nach § 5 Kanalisationsgesetz sowie das Ausnahmeverfahren nach § 4 leg. cit. seien zwar zwei selbständige Verfahren, welche unabhängig voneinander durchgeführt werden könnten. Der § 5 Abs. 8 Kanalisationsgesetz solle "das Zusammenspiel zwischen den Bestimmungen über die Ausnahme von der Anschlußpflicht und jenen über den Anschlußbescheid regeln". Es würde den im AVG verankerten Grundsätzen der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis für Verwaltungsverfahren zuwiderlaufen, wenn die Gemeinde das Kanalanschlußverfahren und anschließend aufgrund eines Ausnahmeantrages von der Anschlußpflicht bei gleichgebliebenem Sachverhalt nochmals das Ermittlungsverfahren durchführen müßte. Eine solche Auslegung des Kanalisationsgesetzes würde auch der Bedeutung des § 5 Abs. 8 leg. cit. im Zusammenhang mit den anderen einschlägigen Regelungen in diesem Gesetz widersprechen. Gemäß § 5 Abs. 8 leg. cit. sei daher nur die Antragstellung für Ausnahmegenehmigungen während eines noch nicht abgeschlossenen Anschlußverfahrens möglich. Gemäß § 5 Abs. 8 letzter Satz leg. cit. sei nämlich eine Aufhebung eines rechtskräftigen Anschlußbescheides überhaupt nur möglich, wenn die Voraussetzungen, die zum Anschlußbescheid geführt hätten, nachträglich weggefallen seien. Eine derartige Veränderung liege hier nicht vor. Sowohl die Gemeinde als auch die Beschwerdeführer gingen von einem Abwasseranfall von 28,5 % häuslichen Abwässern zu 71,5 % Stallabwässern aus. Sowohl hinsichtlich der im Objekt untergebrachten Personenanzahl (laut Gemeinde lebten 9 Personen im Haus) als auch hinsichtlich des Viehbestandes sei keine (auch keine wesentliche) Änderung des Sachverhaltes geltend gemacht worden. Der Antrag der Beschwerdeführer vom 29. August 1994 wäre daher gemäß § 5 Abs. 8 Kanalisationsgesetz bereits vom Bürgermeister als verspätet eingebracht zurückzuweisen gewesen. Die Beschwerdeführer hätten daher durch den Berufungsbescheid in keinen Rechten verletzt werden können. Der Bescheid vom 30. Juni 1995 sei somit in Rechtskraft erwachsen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die Beschwerdeführer erachten sich im Recht auf Befreiung vom Kanalanschluß nach § 4 Kanalisationsgesetz, im Recht auf Entscheidung über den Vorstellungsgegenstand und im Recht auf ordnungsgemäße Bescheidbegründung verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Vlbg. Kanalisationsgesetz, LGBl. Nr. 5/1989 (im folgenden: KanalG), hat die Gemeinde für die Errichtung und den Betrieb einer den hygienischen, technischen und wirtschaftlichen Anforderungen entsprechenden öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage Sorge zu tragen. Der Einzugsbereich des Sammelkanales ist gemäß § 3 Abs. 1 KanalG durch Verordnung der Gemeindevertretung unter Bedachtnahme auf die Leistungsfähigkeit der Abwasserbeseitigungsanlage und auf die Gefällsverhältnisse so festzulegen, daß er eine Fläche innerhalb einer Entfernung von höchstens 100 m vom Sammelkanal umfaßt. Gemäß § 3 Abs. 2 leg. cit. ist der Einzugsbereich in der Verordnung nach Abs. 1 zeichnerisch darzustellen. Soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, sind gemäß § 3 Abs. 3 leg. cit. die Eigentümer von Bauwerken oder befestigten Flächen, die ganz oder überwiegend im Einzugsbereich eines Sammelkanals liegen, verpflichtet und berechtigt, diese nach Maßgabe des Anschlußbescheides (§ 5) an den Sammelkanal anzuschließen und die Abwässer in die Abwasserbeseitigungsanlage einzuleiten (Anschlußpflicht). Die Anschlußpflicht gilt gemäß § 3 Abs. 4 leg. cit. nicht für Abwässer, deren Beseitigung gesetzlich zu regeln Bundessache ist. Auf diese Abwässer sind aber die Bestimmungen dieses Gesetzes dann anzuwenden, wenn ihre Einleitung in die Abwasserbeseitigungsanlage gemäß Abs. 5 ausnahmsweise gestattet wird. Soweit eine Anschlußpflicht nicht besteht, hat die Behörde gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. auf Antrag den Anschluß an die Abwasserbeseitigungsanlage zu gestatten, wenn dies dem Interesse an einem planmäßigen Ausbau der Abwasserbeseitigungsanlage nicht widerspricht und der Leistungsfähigkeit der Abwasserbeseitigungsanlage angemessen ist. § 4 KanalG enthält Ausnahmen von der Kanalanschlußpflicht. Unter anderem sieht § 4 Abs. 2 leg. cit. für Bauwerke, die ganz oder überwiegend der landwirtschaftlichen Nutzung dienen und bei denen häusliche Schmutzwässer nur in untergeordneten Mengen anfallen, vor, daß sie auf Antrag von der Anschlußpflicht zu befreien sind, wenn sämtliche anfallenden Schmutzwässer zu Düngezwecken in flüssigkeitsdichten Anlagen gesammelt werden. Gemäß § 5 Abs. 1 KanalG hat die Behörde dem Eigentümer des Bauwerks oder der befestigten Fläche (Anschlußnehmer) den Anschluß an die Abwasserbeseitigungsanlage und die Einleitung der Abwässer mit Bescheid vorzuschreiben. § 5 Abs. 3 leg. cit. zählt jene Bestimmungen auf, die in den Anschlußbescheid aufzunehmen sind (wie der Zeitpunkt des Anschlusses, die Art der einzuleitenden Abwässer, die Führung des Anschlußkanals und die Anschlußstelle usw.).

§ 5 Abs. 8 KanalG lautet:

"(8) Wird vor Ablauf der Berufungsfrist eine Ausnahme von der Anschlußpflicht beantragt, so tritt der Anschlußbescheid, soweit er berührt ist, erst in Rechtskraft, wenn dieser Antrag abschlägig beschieden ist. Wird die Ausnahme bewilligt, so gilt der Anschlußbescheid hinsichtlich des von der Ausnahme berührten Teiles als nicht erlassen. Rechtskräftige Anschlußbescheide sind insoweit aufzuheben, als die Voraussetzungen gemäß § 3 Abs. 3 bis 5 nachträglich wegfallen."

Die Beschwerdeführer machen geltend, daß die belangte Behörde zu Unrecht § 5 Abs. 8 KanalG so deute, daß er eine Präklusivfrist normiere, sodaß ein Antrag auf Ausnahme gemäß § 4 KanalG nur während der Berufungsfrist gegen den Anschlußbescheid eingebracht werden könne. Das Gesetz mache keine Andeutung, daß der Ablauf der Berufungsfrist in bezug auf die Möglichkeit der Stellung eines Antrages auf Ausnahme von der Kanalanschlußpflicht Präklusivfolgen haben könnte. Diese Bestimmung sei vielmehr eine Privilegierung jener Antragsteller, die ihren Antrag in dieser Zeit stellen.

Mit diesem Vorbringen sind die Beschwerdeführer im Recht.

§ 5 Abs. 8 leg. cit. knüpft an den Tatbestand der Antragstellung auf Ausnahme gemäß § 4 während der Berufungsfrist, die Sonderregelung, daß in diesem Fall der Anschlußbescheid erst in Rechtskraft erwächst, wenn dieser Antrag abschlägig beschieden wurde. Der Wortlaut des § 5 Abs. 8 leg. cit. gibt keinerlei Anhaltspunkt dafür, daß Anträge auf Ausnahmen gemäß § 4 KanalG lediglich bis zum Ablauf der Frist zur Erhebung der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid betreffend die Anschlußpflicht bei sonstiger Präklusion gestellt werden müßten. Werden Anträge auf Ausnahmen gemäß § 4 leg. cit. nach der Rechtskraft des Anschlußbescheides gestellt und in der Folge positiv entschieden, bewirkt ein solcher später erlassener Bescheid eine Änderung des früher ergangenen Anschlußbescheides. Es ist auch nicht zutreffend - wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid meint -, daß das Ermittlungsverfahren für die Erlassung eines Anschlußbescheides gemäß § 5 KanalG mit dem Ermittlungsverfahren zur Erlassung eines Bescheides betreffend eine Ausnahme gemäß § 4 KanalG ident ist. Die Behörde hat sich bei Erlassung eines Anschlußbescheides grundsätzlich nicht mit den Voraussetzungen der im § 4 normierten Ausnahmen zu befassen, weil die im § 4 genannten Ausnahmen jeweils überhaupt nur auf Antrag des Betreffenden von der Behörde zu prüfen sind. Die belangte Behörde hat daher den Beschwerdeführern zu Unrecht eine Sachentscheidung über ihre Vorstellung verweigert.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Bei der vorliegenden verfahrensrechtlichen Situation hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu der von der Berufungsbehörde behandelten inhaltlichen Frage des § 4 Abs. 2 KanalG betreffend die untergeordnete Bedeutung von Haushaltsabwässern Stellung zu nehmen und den Bescheid in dieser Hinsicht zu überprüfen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995060201.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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