TE Vwgh Erkenntnis 2021/12/2 Ra 2021/06/0070

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Veröffentlicht am 02.12.2021
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Index

L66107 Einforstung Wald- und Weideservituten Felddienstbarkeit Tirol
L85007 Straßen Tirol
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §8
LStG Tir 1989 §42 Abs1
LStG Tir 1989 §42 Abs4
WWSLG Tir 1952 §39
WWSLG Tir 1952 §41
WWSLG Tir 1952 §42
WWSLG Tir 1952 §43
WWSLG Tir 1952 §44
WWSLG Tir 1952 §45
WWSLG Tir 1952 §46

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag.a Merl sowie Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des F S, vertreten durch Dr. Rainer Wechselberger, Rechtsanwalt in 6290 Mayrhofen, Laubichl 121, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 3. März 2021, LVwG-2021/33/0251-1, betreffend Parteistellung nach dem Tiroler Straßengesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Gerlos; weitere Partei: Tiroler Landesregierung; mitbeteiligte Partei: Bund (Österreichische Bundesforste), vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstr. 17-19), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat der Gemeinde Gerlos Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 sowie der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde G. (Behörde) vom 3. November 2020 wurde der Gemeinde die beantragte Bewilligung für die Neuerrichtung einer Zufahrt im Bereich „H A“ nach dem Tiroler Straßengesetz erteilt. Der Revisionswerber hatte in diesem Verfahren Einwendungen erhoben und seine Parteistellung von grundbücherlich sichergestellten Weiderechten am betroffenen Grundstück abgeleitet; die Einwendungen wurden von der Behörde zurückgewiesen.

2        Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers als unzulässig zurück und erklärte eine ordentliche Revision für nicht zulässig.

Mit Hinweis auf § 42 Tiroler Straßengesetz führte das LVwG aus, Weiderechte stellten keine im Privatrecht begründeten dinglichen Rechte dar (Hinweis auf VwGH 31.3.2005, 2004/07/0073). Ursprünglich habe es sich um private Dienstbarkeiten gehandelt, die in öffentliches Recht transformiert worden seien, sobald sie nach Maßgabe des sogenannten Servitutenpatents vom 5.7.1853, RGBl. Nr. 130, reguliert worden seien (Hinweis auf VwGH 27.6.1995, 94/07/0128; 21.10.2004, 2004/07/0106). Dies sei hinsichtlich der gegenständlichen Weiderechte mit der Servitutenregulierungsurkunde Nr. 5919 vom 21. März 1889 geschehen. Dem Revisionswerber als Weideberechtigten komme somit keine Parteistellung im Verfahren nach dem Tiroler Straßengesetz zu. Daher sei seine Beschwerde mangels Parteistellung zurückzuweisen gewesen.

3        Dagegen richtet sich die gegenständliche außerordentliche Revision.

4        Sowohl die Behörde als auch die mitbeteiligte Partei beantragten jeweils, die Revision kostenpflichtig zurückzuweisen bzw. ihr nicht stattzugeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

5        In der Zulässigkeitsbegründung bringt der Revisionswerber vor, es liege keine hg. Rechtsprechung zu der Frage vor, „ob im Fall der Einleitung eines Verfahrens zur Neuregulierung der Dienstbarkeiten eine allfällige, seinerzeitige Transformation überhaupt noch gilt bzw. aufrecht ist.“

6        Die Revision ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.

7        § 42 Tiroler Straßengesetz, LGBl. Nr. 13/1989 idF LGBl. Nr. 138/2019, lautet auszugsweise:

§ 42

Mündliche Verhandlung

(1) Wird eine mündliche Verhandlung durchgeführt, so sind

a)   der Straßenverwalter,

b)   die Eigentümer der vom Bauvorhaben betroffenen Grundstücke,

c)   jene Personen, denen an einem Grundstück im Sinn der lit. b

1.   ein im Privatrecht begründetes dingliches Recht das zum Gebrauch oder zur Nutzung des Grundstückes berechtigt, oder

2.   als Teilwaldberechtigten ein öffentlich-rechtliches Nutzungsrecht zusteht,

d)   die Gemeinde, durch deren Gebiet oder zu deren Gebiet die Straße führt, und

e)   sonstige als Parteien in Betracht kommende Personen

zu laden. Die Anberaumung der mündlichen Verhandlung ist überdies mindestens jeweils während zweier Wochen an der Amtstafel der Gemeine sowie auf der Internetseite der Behörde kundzumachen. Die dem Ansuchen nach § 41 Abs. 2 lit. a, b und c anzuschließenden Unterlagen sind während der Dauer des Anschlages im Gemeindeamt zur allgemeine Einsicht aufzulegen. Auf die Auflegung dieser Unterlagen ist in der Ladung und in den Kundmachungen ausdrücklich hinzuweisen.

(2) ...

(4) Betrifft ein Bauvorhaben Wald- oder Weidegrundstücke, so ist vor der Anberaumung der mündlichen Verhandlung die Agrarbehörde zur Frage zu hören, ob an diesen Grundstücken Holzbezugs- oder Weiderechte bestehen.

(5) ...“

8        Der Revisionswerber bestreitet nicht, dass mit einer Servitutenregulierungsurkunde grundsätzlich private Weiderechte in das öffentliche Recht transformiert werden. Er argumentiert jedoch, die Servitutenregulierungsurkunde Nr. 5919 sei nicht mehr aufrecht, „weshalb es - basierend auf dieser - auch nicht zu einer Transformation der Rechte des Revisionswerbers in das öffentliche Recht kommt bzw. kommen kann.“ Im Grundbuch sei betreffend die verfahrensgegenständliche Liegenschaft die Einleitung des Verfahrens zur Neuregulierung der Dienstbarkeiten eingetragen. Das mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 23. Februar 1959 eingeleitete Verfahren sei nach wie vor anhängig und erstrecke sich auf die Servitutenregulierungsurkunde Nr. 5919 (vom 21. März 1889) und das hiezu erlassene Provisorium vom 12. Februar 1957.

9        Aus den §§ 39 ff Wald- und Weideservitutsgesetz (WWSG) in der Stammfassung LGBl. Nr. 21/1952, lässt sich die vom Revisionswerber vertretene Rechtsansicht jedenfalls nicht ableiten. Demnach ist nach Rechtskraft des Einleitungsbescheides ein Ermittlungsverfahren durchzuführen und sowohl die aufrechtbleibenden als auch die umgestalteten Dienstbarkeiten in einem Servituten- Regulierungs- oder Ablöseplan zusammenzufassen (§ 41 WWSG). Die Agrarbehörde kann - bei Vorliegen wichtiger wirtschaftlicher Gründe - die Ausübung von Dienstbarkeiten mit einem Provisorium vorläufig regeln (§ 42 WWSG). Ein Servituten- Regulierungs- oder Ablöseplan bzw. ein Provisorium ist öffentlich aufzulegen oder den Parteien zuzustellen, dagegen kann eine Berufung an den Landesagrarsenat eingebracht werden, wobei Berufungen gegen Provisorien keine aufschiebende Wirkung zukommt (§§ 43 und 44 WWSG). Die rechtskräftigen Ergebnisse eines Servitutenverfahrens sind in einer Servitutenurkunde niederzulegen (§ 45 WWSG); nach Richtigstellung des Grundbuches ist bescheidmäßig abzusprechen, dass das Verfahren abgeschlossen ist (§ 46 WWSG). Diese Bestimmungen enthalten keinerlei Hinweise, dass allein durch die Einleitung des Verfahrens zur Neuregulierung der Dienstbarkeiten die Rechtswirkungen der Servitutenregulierungsurkunde Nr. 5919 vom 21. März 1889 oder des Provisoriums vom 12. Februar 1957 (rückwirkend) außer Kraft getreten wären.

10       Auch aus der mit diesem Bescheid verfügten „Einleitung eines Servitutenverfahrens“ ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass damit die bereits mit der Servitutenregulierungsurkunde Nr. 5919 eingetretene Überleitung ehemals privater Rechte in öffentliches Recht wieder rückgängig gemacht worden wäre.

11       Die Rechtsansicht des LVwG, dass dem Revisionswerber als Weideberechtigten somit keine Parteistellung im Verfahren nach dem Tiroler Straßengesetz zukomme, weil er über kein im Privatrecht begründetes dingliches Recht, das zum Gebrauch oder zur Nutzung des Grundstückes berechtigt, verfüge, kann somit nicht als rechtswidrig angesehen werden.

12       Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

13       Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 2. Dezember 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021060070.L00

Im RIS seit

18.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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