TE Vwgh Beschluss 2021/12/3 Ra 2021/18/0037

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.12.2021
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin Dr.in Gröger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das am 27. November 2020 verkündete und am 7. Jänner 2021 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, W218 2188087-1/21E, betreffend eine Asylangelegenheit (mitbeteiligte Partei: M S), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 29. Dezember 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er zusammengefasst damit begründete, Afghanistan aus Angst vor einer Rekrutierung durch die Taliban verlassen zu haben.

2        Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 31. Jänner 2018 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch eines subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005, erließ gegen den Mitbeteiligten eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis statt. Es erkannte dem Mitbeteiligten den Status des Asylberechtigten auf zunächst drei Jahre befristet zu und stellte fest, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4        Begründend führte das BVwG aus, der Mitbeteiligte habe eine asylrelevante Verfolgung durch die Taliban glaubhaft machen können. Er habe glaubhaft und schlüssig darlegen können, dass sein Vater von den Taliban der Spionage verdächtigt worden und somit ein vorrangiges Ziel der Taliban gewesen sei. Er habe seine Entführung, die Erlebnisse in der Gefangenschaft und die Umstände seiner Flucht nachvollziehbar dargelegt. Es sei nach seiner Schilderung davon auszugehen, dass er einer Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt war und als Ungläubiger, der sich gegen die Taliban zur Wehr gesetzt habe, noch sein könnte. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe ihm nicht offen, weil die einschlägigen UNHCR-Richtlinien von einem geografisch großen Wirkungsradius der Taliban berichteten und davon ausgingen, dass es innerhalb des Landes keine Möglichkeit gebe, sich ihnen zu entziehen. Hinzu käme, dass sein Cousin vermutlich ein Talibanmitglied sei, der ihn bei Rückkehr nach Afghanistan an die Taliban verraten könnte.

5        Dagegen wendet sich die außerordentliche Amtsrevision, in der zur Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht wird, das BVwG weiche, soweit es das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative verneine, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht ab. Das BVwG stelle fest, dass der Cousin des Mitbeteiligten vermutlich ein Taliban sei und den Mitbeteiligten bei Rückkehr an die Taliban verraten würde. Inwieweit diese Erwägungen Deckung in der Aussage des Mitbeteiligten finden, erschließe sich aus der Begründung nicht. In der Beweiswürdigung werde auf die Aussage des Mitbeteiligten Bezug genommen, der angegeben haben soll, dass ihn sein Cousin an die Taliban verraten könnte. Eine solche Aussage habe der Mitbeteiligte aber nicht gemacht, weshalb dem angefochtenen Erkenntnis eine Aktenwidrigkeit anhafte.

6        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

10       Soweit die Revision zu ihrer Zulässigkeit einen Begründungsmangel des BVwG geltend macht, bekämpft sie tatsächlich dessen Beweiswürdigung, wonach der Mitbeteiligte gegen eine Verfolgung durch die Taliban keine innerstaatliche Fluchtalternative vorfinde. Der Amtsrevision ist zwar zuzugeben, dass das BVwG bei seiner Annahme, der Mitbeteiligte könnte von seinem Cousin an die Taliban verraten werden, zum Teil aktenwidrig argumentiert. Der Mitbeteiligte hatte nämlich nicht ausgesagt, dass ihn sein Cousin an die Taliban verraten würde. Zu diesem Ergebnis gelangte das BVwG vielmehr in beweiswürdigender Bewertung der Angaben des Mitbeteiligten, wonach der Cousin Kontakte zu den Taliban unterhalte. Daraus schloss das BVwG erkennbar, dass aus diesem Grund auch ein Verrat seinerseits nicht ausgeschlossen werden könne.

11       Ob dem Mitbeteiligten im gesamten Herkunftsstaat Verfolgung durch die Taliban droht, ist aber letztlich eine Frage der Beurteilung des Einzelfalls, die vom BVwG unter Zugrundelegung der einschlägigen Richtlinien des UNHCR zu Afghanistan und der bisherigen Erlebnisse des Mitbeteiligten getätigt worden ist. Mögen auch einzelne (nicht tragende) Argumente des BVwG angreifbar sein, erweist sich seine Einschätzung insgesamt nicht als unvertretbar.

12       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 3. Dezember 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021180037.L00

Im RIS seit

18.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten