TE Vwgh Beschluss 2021/12/7 Ra 2021/22/0151

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.12.2021
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht
72/01 Hochschulorganisation

Norm

B-VG Art133 Abs4
COVID-19-Universitäts- und HochschulV 2020
COVID-19-Universitäts- und HochschulV 2020 §10
NAG 2005 §64 Abs2
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant, Hofrat Dr. Schwarz sowie Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache der Z S, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 21. Mai 2021, LVwG-751257/4/ER/CK, betreffend Aufenthaltsbewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 4. Februar 2021 wurde der Antrag der Revisionswerberin, einer iranischen Staatsangehörigen, auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung „Student“ vom 2. September 2020 abgewiesen. Sie sei seit dem Wintersemester 2018/2019 an der Universität Wien als außerordentliche Studierende gemeldet gewesen und habe nicht innerhalb von zwei Jahren den Nachweis erbracht, als ordentliche Studierende zum Studium zugelassen worden zu sein. Gründe im Sinn von § 64 Abs. 2 letzter Satz Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) lägen fallbezogen nicht vor.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die dagegen gerichtete Beschwerde als unbegründet ab. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig.

3        Das Verwaltungsgericht stellte - soweit vorliegend von Bedeutung - fest, dass die Revisionswerberin seit 3. November 2016 in Österreich zum Aufenthalt berechtigt gewesen sei. Mit diesem Datum sei ihr erstmals eine (in der Folge verlängerte) Aufenthaltsbewilligung „Familienangehörige“ sowie mit 2. Oktober 2018 erstmals eine Aufenthaltsbewilligung „Student“ erteilt worden. Im Wintersemester 2018/2019 sei die Revisionswerberin erstmals von der Universität Wien als außerordentliche Studierende zugelassen worden. Ihre Aufenthaltsbewilligung „Student“ sei einmal mit Gültigkeit bis 3. Oktober 2020 verlängert worden. Vom Wintersemester 2018/2019 bis inklusive zum Sommersemester 2020 sei die Revisionswerberin als außerordentliche Studierende an der Universität Wien (Vorstudienlehrgang) inskribiert gewesen; im Sommersemester 2020 sei sie von der Universität beurlaubt worden. Die Ergänzungsprüfung Deutsch habe die Revisionswerberin noch nicht abgelegt. Hinsichtlich der Zulassung zu einem ordentlichen Studium bis zum Ende des Sommersemesters 2020 sowie betreffend den Studienerfolg seien keine Nachweise erbracht worden. Am 18. Mai 2020 habe die Revisionswerberin die mündliche Prüfung „ÖSD Zertifikat B2“ an einem näher genannten Prüfungszentrum in Linz erfolgreich bestanden. Mit Schreiben vom 4. Mai 2021 habe die Universität Innsbruck der Revisionswerberin mitgeteilt, dass sie beginnend mit dem Wintersemester 2021 als ordentliche Studierende für das Bachelorstudienprogramm Architektur zugelassen werden könne. Am 11. November 2019 sei der Sohn der Revisionswerberin per Kaiserschnitt geboren worden. Nach einer von der Revisionswerberin vorgelegten Bestätigung vom 10. Februar 2020 habe diese einen Deutschkurs für Fortgeschrittene im Wintersemester 2019/2020 in Wien (Kurszeitraum vom 1. Oktober 2019 bis 31. Jänner 2020) trotz regelmäßiger Teilnahme nicht erfolgreich abgeschlossen.

4        In rechtlicher Hinsicht ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass die in § 64 Abs. 2 NAG genannte zweijährige Frist fallbezogen ab dem Beginn des Wintersemesters 2018/2019 zu berechnen sei, sodass die Revisionswerberin die Zulassung zu einem ordentlichen Studium bis zum Ende des Sommersemesters 2020 habe nachweisen müssen. Daran vermöge weder die Beurlaubung der Revisionswerberin in dem genannten Semester noch die nunmehr vorliegende Zulassungsmitteilung der Universität Innsbruck etwas zu ändern. Den betreffenden Nachweis habe die Revisionswerberin nicht erbracht. Sie habe auch keine Bestätigung über einen Studienerfolg im Ausmaß von 16 ECTS Anrechnungspunkten bzw. 8 Semesterwochenstunden für das vorangegangene Studienjahr erbracht. Die von der Revisionswerberin mündlich absolvierte Prüfung „ÖSD Zertifikat B2“ sei nicht als Studienerfolgsnachweis nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften zu qualifizieren.

5        Soweit sich die Revisionswerberin im Zusammenhang mit der Geburt ihres Kindes per Kaiserschnitt auf gesundheitliche Probleme berufe, lägen keine Gründe im Sinn von § 64 Abs. 2 letzter Satz NAG vor. Diesbezüglich habe die Revisionswerberin eine Bestätigung eines Gynäkologen vom 24. Juni 2019 betreffend den mit voraussichtlich 28. November 2019 festgesetzten Entbindungstermin sowie eine Bestätigung eines Krankenhauses vom 15. November 2019 über die Durchführung eines Kaiserschnittes am 11. November 2019 übermittelt. Mit Eingabe vom 7. Mai 2021 habe sie mitgeteilt, dass weitere Unterlagen hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes nicht existierten. In weiterer Folge habe sie ein mit 18. Mai 2021 datiertes Schreiben eines Gynäkologen vorgelegt, in dem u.a. ausgeführt werde, dass der Revisionswerberin eine tägliche Fahrt nach Wien nach der Geburt nicht möglich gewesen sei, weshalb eine Studienunterbrechung für ein Semester aus medizinischer Sicht vertretbar gewesen sei. Dieses Schreiben enthalte jedoch keinen Befund über den Gesundheitszustand der Revisionswerberin unmittelbar nach dem Kaiserschnitt sowie - so das Verwaltungsgericht in seinen beweiswürdigenden Erwägungen - betreffend die daraus allenfalls resultierenden Auswirkungen auf ihr Studium. Die Einschätzung des Gynäkologen sei auch insofern unbeachtlich, als die Revisionswerberin nicht vorgebracht habe, dass die Fortsetzung ihres Studiums eine tägliche Anreise nach Wien erfordere. Im Übrigen habe die Revisionswerberin laut der oben erwähnten Kursbestätigung auch unmittelbar nach der Geburt für die Kursteilnahme den Weg nach Wien bewältigt, sodass anzunehmen sei, dass ihr dies auch während des Sommersemesters 2020 möglich gewesen wäre, zumal sie sich in ihrer Beschwerde lediglich auf die Monate nach der Geburt bezogen habe. Soweit die Revisionswerberin ins Treffen führe, dass sie nach der Geburt ihres Sohnes nichts Schweres habe heben dürfen, sei nicht ersichtlich, inwiefern sie dadurch an der Erbringung des erforderlichen Studienerfolgs bzw. eines Nachweises über die Zulassung zu einem ordentlichen Studium gehindert gewesen wäre. Dass sie nach der Geburt ihres Sohnes infolge gesundheitlicher Probleme an der Erbringung der erforderlichen Nachweise gehindert gewesen wäre, sei somit nicht hinreichend dargelegt worden. Darüber hinaus stellten die Geburt von Kindern oder die Beurlaubung zwecks Betreuung eines Kleinkindes keine unabwendbaren oder unvorhergesehenen Gründe im Sinn von § 64 Abs. 2 NAG dar; demnach lägen auch fallbezogen solche Gründe nicht vor. Zudem habe die Revisionswerberin mit ihrem auf den Ausbruch der Covid-19 Pandemie gestützten Vorbringen nicht dargelegt, aus welchem Grund es ihr im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht möglich gewesen sei, die erforderlichen Prüfungen abzulegen. Gegenständlich sei aus den dargelegten Erwägungen eine besondere Erteilungsvoraussetzung nicht erfüllt. Ausgehend davon sei die Durchführung einer Interessenabwägung im Sinn von § 11 Abs. 3 NAG nicht geboten.

6        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Begründung ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen eine Verletzung der Verhandlungspflicht im Zusammenhang mit den von der Revisionswerberin zu § 64 Abs. 2 letzter Satz NAG vorgebrachten Hinderungsgründen geltend gemacht wird.

7        Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11       Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Studierende das Bestehen von Hinderungsgründen im Sinn von § 64 Abs. 2 letzter Satz NAG konkret zu behaupten und ausreichend darzulegen (siehe jüngst etwa VwGH 30.9.2021, Ra 2021/22/0176, Rn. 13). Es lag daher primär an der Revisionswerberin, relevante Gründe im Sinn der zuletzt genannten Bestimmung konkret und nachvollziehbar anzuführen.

12       Dass die einzelfallbezogene Beurteilung des Verwaltungsgerichts, wonach die Revisionswerberin durch die Vorlage der in Rede stehenden ärztlichen Schreiben und ihr dazu erstattetes Vorbringen Gründe im Sinn von § 64 Abs. 2 letzter Satz NAG nicht hinreichend dargelegt habe, nicht im Rahmen der von der hg. Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Es wurde von der Revisionswerberin auch nicht substantiiert behauptet, dass gesundheitliche Beschwerden dem Erbringen des erforderlichen Studienerfolgs bzw. dem erfolgreichen Abschluss eines Vorstudienlehrgangs grundsätzlich entgegengestanden wären. Derartiges ergibt sich auch nicht aus den von ihr vorgelegten Schreiben. Ihr Vorbringen ging indes im Wesentlichen dahin, dass ihr die (tägliche) Anreise von ihrem Wohnort in Linz zu ihrem Studienort in Wien infolge der im November 2019 mittels Kaiserschnitt erfolgten Geburt ihres Sohnes auch in den darauffolgenden Monaten, insbesondere im Sommersemester 2020, nicht möglich bzw. nicht zumutbar gewesen sei. Dass dem insofern geltend gemachten Hinderungsgrund nicht durch organisatorische Vorkehrungen hätte begegnet werden können, wurde allerdings nicht dargetan.

13       Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem - was die in der Revision ins Treffen geführte Covid-19-Pandemie anbelangt - bereits festgehalten, dass Maßnahmen, die im Zusammenhang mit dieser Pandemie gesetzt werden, grundsätzlich geeignet sein können, einen Grund im Sinn des § 64 Abs. 2 letzter Satz NAG darzustellen. Es ist jedoch jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob die Hinderungsgründe tatsächlich der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind und auch entsprechend nachgewiesen werden (VwGH 19.3.2021, Ra 2021/22/0033, Rn. 6). Vorliegend fehlt es an einer stichhaltigen Begründung, weshalb es der Revisionswerberin aus ihrer Einflusssphäre entzogenen Gründen nicht möglich gewesen wäre, unter Nutzung von während der pandemiebedingten Maßnahmen verfügbaren Studienangeboten einen entsprechenden Studienerfolgsnachweis zu erbringen.

14       Ausgehend davon wird auch eine Abweichung des Verwaltungsgerichts von der hg. Rechtsprechung zu § 24 VwGVG nicht aufgezeigt. Es wird nicht dargestellt, dass eine mündliche Erörterung basierend auf den Ausführungen der Revisionswerberin, auf denen die Beurteilung der von ihr geltend gemachten Hinderungsgründe im Sinn von § 64 Abs. 2 letzter Satz NAG zu beruhen hatte (zur diesbezüglichen Behauptungs- und Darlegungsverpflichtung siehe Rn. 10), eine weitere Klärung der Rechtssache hätte erwarten lassen. Darüber hinaus wird in der Revision nicht dargelegt, welcher entscheidungswesentliche Sachverhalt in der Beschwerde erstmalig behauptet worden wäre bzw. inwiefern das Verwaltungsgericht den durch § 24 Abs. 4 VwGVG eingeräumten Ermessensspielraum überschritten habe (vgl. dazu VwGH 29.6.2021, Ra 2021/22/0047, Rn. 11 ff). Insbesondere war das Verwaltungsgericht nicht verpflichtet, die Revisionswerberin anzuleiten, ein erfolgversprechendes Vorbringen zu den von ihr gemäß § 64 Abs. 2 letzter Satz NAG darzulegenden Hinderungsgründen zu erstatten. Zu diesem Zweck war auch keine mündliche Verhandlung durchzuführen (VwGH 30.9.2021, Ra 2021/22/0176, Rn. 19).

15       Aus den dargelegten Gründen liegen die Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor. Somit war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

16       Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1VwGG unterbleiben.

Wien, am 7. Dezember 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021220151.L01

Im RIS seit

18.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten