TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/3 95/19/0169

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Veröffentlicht am 03.10.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §4 Abs1;
AufG 1992 §4 Abs2;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 idF 1992/838 §5 Abs1;
AufG 1992 idF 1995/351 §4 Abs2;
AufG 1992 idF 1995/351 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des N in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. April 1995, Zl. 300.895/2-III/11/95, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 20. April 1995 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den im Namen des Landeshauptmannes von Oberösterreich erlassenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 23. Dezember 1994, mit dem seinem Antrag auf Verlängerung der ihm mit Bescheid dieser Behörde vom 30. Juni 1994 für den Zeitraum von 30. Juni 1994 bis 31. Dezember 1994 erteilten Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz nicht stattgegeben worden war, gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) und § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die von der Erstbehörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegten vier rechtskräftigen Bestrafungen wegen Übertretungen nach § 64 Abs. 1 KFG seien nicht die einzigen Rechtsverletzungen, die der Beschwerdeführer während seiner relativ kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich begangen habe. Er sei in der Zeit von Juni 1993 bis November 1994 insgesamt 14 mal wegen Übertretungen nach dem KFG bzw. der StVO bestraft worden. Entgegen der in der vom Beschwerdeführer in seiner Berufung geäußerten Ansicht handle es sich beim Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung um eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung. Für die belangte Behörde bestehe durch das vom Beschwerdeführer gegenüber der österreichischen Rechtsordnung bisher gezeigte Verhalten Grund zur Annahme, daß sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

Bei Abwägung der öffentlichen Interessen mit den privaten Interessen des Beschwerdeführers sei die belangte Behörde zur Ansicht gelangt, daß die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit höher zu bewerten sei als der mit der Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers verbundene Eingriff in sein Privatleben, da er erst relativ kurz in Österreich lebe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer tritt der Annahme der belangten Behörde, er habe vier verwaltungsrechtliche Bestrafungen wegen Übertretung nach § 64 Abs. 1 KFG erlitten, nicht entgegen. Er bringt lediglich vor, die Bestrafungen seien am 13. Juni 1993 erfolgt. Die dieser Bestrafung zugrunde liegenden strafbaren Handlungen hätten im Mai 1993 stattgefunden. Seit diesem Zeitpunkt habe er sich keine Übertretungen hinsichtlich des Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung mehr zuschulden kommen lassen. Die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit sei nicht gefährdet, zumal ihm bereits mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt (gemeint damit im Namen des Landeshauptmannes von Oberösterreich) vom 30. Juni 1994 eine Aufenthaltsbewilligung erteilt worden sei. Dieser Umstand weise darauf hin, daß sich die durch die besagten Übertretungen herbeigeführte Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung durchaus in Grenzen halte und eine Gefährdung der Sicherheit ausscheide. Die übrigen im angefochtenen Bescheid angeführten Übertretungen seien ebenfalls nicht als gravierend einzustufen und daher auch nicht geeignet, die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit zu gefährden. Infolge Unterstellung der vier rechtskräftigen Bestrafungen (nach § 64 Abs. 1 KFG) aus dem Jahre 1993 unter die Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG liege eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor.

Vorliegendenfalls hat die belangte Behörde den Eintritt eines Ausschließungsgrundes nach § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG einerseits darin gesehen, daß der Beschwerdeführer während seiner "relativ kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich" viermal deshalb bestraft worden ist, weil er ein Kraftfahrzeug gelenkt habe, ohne im Besitz einer gültigen Lenkerberechtigung zu sein, sowie andererseits auch darin erblickt, daß der Beschwerdeführer in der Zeit vom Juni 1993 bis November 1994 insgesamt 14 Mal wegen Übertretungen nach dem KFG bzw. der StVO bestraft worden sei.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für den Eintritt des Ausschließungsgrundes des § 5 Abs. 1 erster Halbsatz AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG nicht auf die Tatsache einer gerichtlichen oder verwaltungsrechtlichen Bestrafung, sondern stets auf die solchen Bestrafungen zugrunde liegenden Taten an (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. September 1995, Zl. 95/19/0340). Mit der Auffassung, daß die Begehung von Verwaltungsstraftaten nach § 64 KFG die Annahme rechtfertigt, daß der weitere Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde, befindet sich die belangte Behörde durchaus im Recht. Wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach ausgeführt hat (vgl. z.B. das schon erwähnte hg. Erkenntnis vom 21. September 1995, Zl. 95/19/0340), zählt das Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung zu den schwersten Verstößen gegen das KFG.

Da es sich vorliegendenfalls um eine Verlängerung der dem Beschwerdeführer am 30. Juni 1994 mit Gültigkeit vom 30. Juni 1994 bis 31. Dezember 1994 bereits erteilten Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gehandelt hat, hätte es aber darüber hinaus Feststellungen der belangten Behörde bedurft, wann die zur Versagung der Bewilligung herangezogenen Tatbestände eingetreten sind. Denn nach § 4 Abs. 2 AufG in der hier maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 war eine Bewilligung nach Abs. 1 dieses Paragraphen zunächst befristet für höchstens sechs Monate zu erteilen. Sie konnte um höchstens sechs Monate und nach einem Jahr um höchstens jeweils zwei weitere Jahre verlängert werden, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5) eingetreten war.

Wie sich schon aus dem klaren Wortlaut des § 4 Abs. 2 erster Satz AufG sowohl in der hier maßgeblichen als auch in der derzeitig in Kraft stehenden Fassung ergibt, scheidet die Heranziehung von Tathandlungen, die bereits vor Erteilung der jeweils letzten Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz begangen wurden, dann für die Versagung einer Verlängerung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz aus, wenn keine späteren Tathandlungen hinzutreten, die aufgrund einer aus dem dann vorliegenden gesamten Verhalten des Fremden zu stellenden Prognose die Annahme des nunmehrigen Eintrittes des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG rechtfertigen.

Vorliegendenfalls hat die belangte Behörde derartige Feststellungen unterlassen. Der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt bedarf also in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995190169.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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