Index
10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AsylG 2005 §8 Abs3aBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. September 2021, W101 2167264-2/8E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl; mitbeteiligte Partei: A C, vertreten durch Dr. Joachim Rathbauer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Weißenwolffstraße 1/4/23), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im Anfechtungsumfang (somit in Bezug auf die Abänderung der Spruchteile III., IV., VI. und VII. des Bezug habenden Bescheides dahingehend, dass an ihre Stelle die Feststellung einer Duldung trete) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Dem Mitbeteiligten, einem syrischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 17. Juni 2021 der ihm im Jahr 2017 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchteil I.). Gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchteil II.). Dem Mitbeteiligten wurde kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchteil III.) und es wurde eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen (Spruchteil IV.). Gleichzeitig stellte das BFA fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Mitbeteiligten aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Syrien gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 und § 52 Abs. 9 FPG unzulässig sei (Spruchteil V.), es legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest (Spruchteil VI.) und erließ gegen den Mitbeteiligten gemäß § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Z 1 FPG ein Einreiseverbot in der Dauer von sechs Jahren (Spruchteil VII.).
2 Dagegen erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), in der er sich nur gegen die Spruchpunkte I. bis IV. und VI. bis VII. des Bescheides wandte. Die Feststellung laut Spruchpunkt V. des Bescheides werde von ihm - so die Beschwerde - hingegen akzeptiert.
3 Über diese Beschwerde entschied das BVwG wie folgt:
4 Mit dem im Revisionsverfahren unangefochten gebliebenen ersten Spruchpunkt des Erkenntnisses wies das BVwG die Beschwerde des Mitbeteiligten hinsichtlich der Spruchteile I. und II. des Bescheides als unbegründet ab. Im Übrigen gab es der Beschwerde des Mitbeteiligten mit dem insoweit angefochtenen Erkenntnis mit der Maßgabe statt, dass an die Stelle der Spruchteile III., IV., VI. und VII. des Bescheides ein neuer Spruchteil mit folgendem Wortlaut zu treten habe: „Gemäß § 46a Abs. 1 Z 2 FPG 2005 ist der Aufenthalt [des Mitbeteiligten] geduldet, solange dessen Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Syrien unzulässig ist.“ Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.
5 In der Begründung seiner Entscheidung führte das BVwG zusammengefasst aus, der Mitbeteiligte sei in Österreich wegen besonders schwerer Verbrechen verurteilt worden, weshalb die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten bei ihm gegeben seien. Es lägen in seinem Fall auch die Voraussetzungen dafür vor, ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen schwerer Straftaten im Sinne von Art. 17 Abs. 1 lit. b Statusrichtlinie nicht zu gewähren. Allerdings wäre die Rückkehr des Mitbeteiligten nach Syrien unzweifelhaft mit einer realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 der Konvention bzw. für den Mitbeteiligten als Zivilperson mit einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden. Daher sei gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 vorzugehen und die dort vorgesehene Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung zu treffen. Insoweit sei der Bescheid des BFA aber nicht angefochten worden.
6 Die teilweise Stattgabe der Beschwerde und Abänderung von Teilen des angefochtenen Bescheides begründete das BVwG lediglich damit, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 46a Abs. 1 Z 2 FPG für eine Duldung vorlägen. Sohin sei der Beschwerde hinsichtlich der Spruchteile III., IV., VI. und VII. des Bescheides mit der Maßgabe stattzugeben gewesen, dass der Aufenthalt des Mitbeteiligten im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 FPG geduldet sei.
7 Nur gegen die zuletzt genannte teilweise Stattgabe und Abänderung des Bescheides wendet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, die zusammengefasst geltend macht, im gegenständlichen Fall habe das BFA in seinem Bescheid die im Gesetz vorgesehenen Aussprüche getätigt. Höchstgerichtliche Rechtsprechung liege dazu allerdings noch nicht in ausreichendem Maße vor. Die Ersetzung dieser Aussprüche durch einen im Widerspruch zur höchstgerichtlichen Rechtsprechung stehenden Ausspruch über die Duldung (vgl. etwa VwGH 28.8.2014, 2013/21/0218) sei hingegen jedenfalls rechtswidrig gewesen.
8 Der Mitbeteiligte erstattete dazu eine Revisionsbeantwortung, in der er die Zurückweisung der Revision begehrt.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
10 Die Revision ist zulässig und begründet.
11 Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem - wie im vorliegenden Fall - der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, grundsätzlich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
12 Selbst bei Vorliegen einer solchen Gefahr, die im gegenständlichen Fall unbestritten ist, ist jedoch der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Dieser Aberkennungsgrund war im Falle des Mitbeteiligten - ebenfalls unstrittig - gegeben.
13 Für diesen Fall sieht § 8 Abs. 3a AsylG 2005 vor, dass die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist, mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
14 Dass dies, wie das BVwG vermeinte, mit dem Ausspruch zu verbinden wäre, der Aufenthalt des Fremden sei gemäß § 46a Abs. 1 Z 2 FPG geduldet, ergibt sich hingegen aus keiner gesetzlichen Vorschrift. Die Amtsrevision weist zu Recht darauf hin, dass die gesetzliche Deckung für einen solchen Ausspruch in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bereits ausdrücklich verneint worden ist (vgl. etwa VwGH 28.8.2014, 2013/21/0218). Somit stand es dem BVwG schon deshalb nicht zu, einen derartigen Ausspruch zu tätigen und erweist sich das angefochtene Erkenntnis im Anfechtungsumfang als inhaltlich rechtswidrig.
15 Bei diesem Ergebnis braucht auf die weiteren in der Amtsrevision aufgeworfenen Rechtsfragen nicht eingegangen zu werden. Für das fortzusetzende Verfahren vor dem BVwG ist jedoch zu beachten, dass der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsfrage, ob die in § 8 Abs. 3a AsylG 2005 vorgesehene Verbindung einer Feststellung der Unzulässigkeit einer Abschiebung mit einer Rückkehrentscheidung mit der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) vereinbar ist, dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt hat (vgl. VwGH 20.10.2021, EU 2021/0007-1, Ra 2021/20/0246). Der Ausgang dieses Vorabentscheidungsverfahrens wäre auch für die Lösung des gegenständlichen Falles im fortzusetzenden Beschwerdeverfahren von Bedeutung, weil das BFA aufgrund der nationalen Rechtslage auf dem Rechtsstandpunkt steht, zur Erlassung der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbots sowie zur amtswegigen Entscheidung über den Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 und zur Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 FPG verpflichtet gewesen zu sein. Alle diese Aussprüche hängen aber davon ab, dass in einem Fall wie dem vorliegenden überhaupt eine Rückkehrentscheidung zu treffen war, was vom EuGH im Lichte des Unionsrechts zu beurteilen sein wird.
16 Das angefochtene Erkenntnis war daher im Anfechtungsumfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 9. Dezember 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021180351.L00Im RIS seit
18.01.2022Zuletzt aktualisiert am
18.01.2022