TE Vwgh Beschluss 2021/12/10 Ra 2021/03/0294

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Veröffentlicht am 10.12.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/04 Sprengmittel Waffen Munition

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
WaffG 1996 §21 Abs2
WaffG 1996 §22 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des C B in R, vertreten durch Prof.Dipl.Ing.Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 9. September 2021, Zl. LVwG 70.16-1037/2021-9, betreffend Ausstellung eines Waffenpasses (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark den Antrag des Revisionswerbers auf Ausstellung eines Waffenpasses für eine Schusswaffe der Kategorie B und eine Schusswaffe der Kategorie C vom 21. Oktober 2020 - in Bestätigung eines entsprechenden Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 24. Februar 2021 - ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

2        Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, der Revisionswerber sei seit 5. Oktober 2020 Angestellter der A GmbH. Diese sei eine Tochterfirma der B GmbH. Davor sei er bei einem näher bezeichneten Unternehmen im Bürobereich, bei einem anderen Unternehmen am Bodensee im Personenschutz und acht Jahre lang selbständig tätig gewesen. Bei der Ausübung seiner Tätigkeit in Deutschland habe er über eine Berechtigung zum Führen einer Faustfeuerwaffe (Waffenschein) verfügt. Er sei im Besitz einer Waffenbesitzkarte, ausgestellt von der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung.

Das Geschäftslokal der B GmbH liege an einer näher bezeichnete Adresse in G. Zur Tätigkeit des Revisionswerbers gehöre unter anderem die Wahrung der Sicherheit der Kunden sowohl im als auch vor dem Geschäftslokal. Während der Corona-Zeit hätten die Kunden vor dem Geschäftslokal warten müssen, da dieses eine kleine Geschäftsfläche habe. Die Kunden würden entweder gekaufte Edelmetalle oder Geld vom Geschäftslokal zu ihren Fahrzeugen oder umgekehrt transportieren. Dabei würden sie vom Revisionswerber begleitet. Vorfälle habe es in der Filiale noch keine gegeben. Vor der Filiale seien nach Aussage des Revisionswerbers wartende Kunden von Passanten angesprochen worden. Der Revisionswerber habe weiters ausgeführt, dass er mehrmals die Woche einen 25- bis 30-minütigen Fußweg zur nächsten Filiale einer Bank durchführe und dabei 250.000 € oder mehr in einer großen Tasche transportiere, die in der Bank am Schalter eingezahlt würden. Weiters werde Geld oder Bruchgold und Schmelzgold von G nach W an den Unternehmenssitz mit dem Kraftfahrzeug transportiert.

3        In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht - hier auf das Wesentlichste zusammengefasst - aus, der Revisionswerber stütze seinen Antrag auf Ausstellung eines Waffenpasses auf seine berufliche Tätigkeit, die unter anderem die Sicherung und den Transport von Edelmetallen und Bargeld und den Unternehmensschutz beinhalte. Unter Hinweis auf näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führte das Verwaltungsgericht aus, dass die Durchführung von Geldtransporten und selbst das Mitführen sehr hoher Geldbeträge nicht schon an sich eine Gefahr darstelle, die einen Bedarf zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen begründe. Dies könne auch auf das Mitführen von Bruchgold angewendet werden. Bei den Transporten von Bruchgold nach W hätten keine örtlichen oder zeitlichen Gründe genannt werden können, die ein deutlich erhöhtes Sicherheitsrisiko begründen würden. Der Fußweg mit hohen Geldbeträgen zur Bank möge für den Revisionswerber aufgrund des hohen Geldbetrags, den er bei sich trage, unangenehm sein. Er habe jedoch keinerlei Vorfälle oder sich verdichtende Verdachtsmomente nennen können, die auf eine besondere Gefährdung hinweisen würden. Es sei dem Revisionswerber nicht gelungen, das Vorliegen eines Bedarfs zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachzuweisen und die besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt begegnet werden könne, glaubhaft zu machen. Es könne auch nicht erkannt werden, dass die belangte Behörde bei der Abweisung des Antrages des Revisionswerbers das Ermessen nicht im Rahmen des Gesetzes ausgeübt hätte.

4        Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit im Wesentlichen geltend gemacht wird, das Verwaltungsgericht habe die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes missachtet, wonach die Notwendigkeit des Transportes von Geldbeträgen lediglich im Allgemeinen kein deutlich erhöhtes Sicherheitsrisiko begründe (Hinweis auf VwGH 18.5.2011, 2011/03/0122). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes komme es im Einzelfall immer auf die Umstände an; so könne die Geldhöhe durchaus Bedeutung haben (Hinweis auf VwGH 7.9.1979, 1370/79; 26.6.1985, 83/01/0367). Weitere vom Verwaltungsgerichtshof entschiedene Fälle würden zeigen, dass der Revisionsfall gravierend anders gelegen sei als die beurteilten, näher zitierten Fälle. Keine der entschiedenen Fälle habe die Frage der Ausstellung eines Waffenpasses für einen Mitarbeiter eines Sicherheitsunternehmens betroffen, der im Bewachungsgewerbe bei einem Sicherheits- und Werttransportunternehmen beschäftigt sei. Dazu komme, dass die Geldhöhe bzw. Werthöhe ein außergewöhnliches Maß erreiche. Der Verwaltungsgerichtshof habe auch judiziert, dass die besonderen Gefahren nicht „besonders akut oder besonders schwerwiegend“ sein müssten (Hinweis auf VwGH 21.10.1969, 517/69), und dass ein Taxilenker, der ausschließlich oder überwiegend in den Nachtstunden tätig sei, einen Bedarf habe (Hinweis auf VwGH 13.4.1977, 1921/75). Die Gefährdung, der der Revisionswerber als Mitarbeiter des Bewachungsgewerbes ausgesetzt sei, übersteige die Gefährdung eines Taxilenkers um ein Vielfaches.

5        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

8        Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

9        Gemäß § 20 Abs. 1 WaffG ist der Erwerb, der Besitz und das Führen von Schusswaffen der Kategorie B nur auf Grund einer behördlichen Bewilligung zulässig. Die Bewilligung zum Erwerb, Besitz und zum Führen dieser Waffen ist von der Behörde durch die Ausstellung eines Waffenpasses, die Bewilligung zum Erwerb und zum Besitz dieser Waffen ist von der Behörde durch die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte, zu erteilen. Gemäß § 21 Abs. 2 WaffG hat die Behörde verlässlichen EWR-Bürgern, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und einen Bedarf zum Führen von Schusswaffen der Kategorie B nachweisen, einen Waffenpass auszustellen. Die Ausstellung eines Waffenpasses an andere verlässliche Menschen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, liegt im Ermessen der Behörde.

10       Gemäß § 35 Abs. 1 WaffG ist das Führen von Schusswaffen der Kategorie C - neben den in § 35 Abs. 2 leg. cit. genannten Personen - Menschen mit Wohnsitz im Bundesgebiet nur auf Grund eines hierfür von der Behörde ausgestellten Waffenpasses gestattet. Die Behörde hat einen Waffenpass gemäß § 35 Abs. 3 WaffG auszustellen, wenn der Antragsteller verlässlich ist und einen Bedarf (§ 22 Abs. 2 WaffG) zum Führen solcher Schusswaffen glaubhaft macht.

11       Gemäß § 22 Abs. 2 Z 1 WaffG ist ein Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 2 WaffG jedenfalls als gegeben anzunehmen, wenn der Betroffene glaubhaft macht, dass er außerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder seiner eingefriedeten Liegenschaften besonderen Gefahren ausgesetzt ist, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann.

12       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es allein Sache des Waffenpasswerbers, das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachzuweisen und im Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2 WaffG die dort geforderte besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann, glaubhaft zu machen. Der Waffenpasswerber hat daher im Verwaltungsverfahren konkret und in substanzieller Weise im Einzelnen darzutun, woraus er für seine Person die geforderte besondere Gefahrenlage ableite, dass diese Gefahr für ihn gleichsam zwangsläufig erwachse und dass es sich hierbei um eine solche qualifizierte Gefahr handle, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichen zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus, solange sich Verdachtsgründe nicht derart verdichten, dass sich schlüssig eine konkrete Gefährdung ergibt. Es reicht also nicht aus, dass in bestimmten Situationen das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe zweckmäßig sein kann, vielmehr ist zum einen glaubhaft zu machen, dass in derartigen Situationen eine genehmigungspflichtige Schusswaffe geradezu erforderlich ist und dass auf andere Weise der Bedarf nicht befriedigt, das bedarfsbegründende Ziel nicht erreicht werden kann; zum anderen ist erforderlich, dass der Antragsteller selbst mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in die bedarfsbegründende Situation kommt. Auch der Hinweis auf die Ausübung des Sicherheitsgewerbes (Berufsdetektive, Bewachungsgewerbe) vermag den besagten waffenrechtlichen Bedarf für sich genommen noch nicht zu begründen. Vielmehr erfordert dies eine konkrete und substanzielle Dartuung im Einzelnen, woraus sich die waffenrechtlich geforderte besondere Gefahrenlage ergibt (vgl. zum Ganzen etwa - ebenfalls einen Waffenpasswerber aus dem Sicherheitsgewerbe betreffend - VwGH 23.2.2018, Ra 2018/03/0002, mwN, sowie - den Prokuristen eines Sicherheitsunternehmens betreffend - VwGH 25.11.2020, Ra 2020/03/0150).

13       Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass die Durchführung von Geldtransporten (auch in den Abendstunden) und selbst das Mitführen sehr hoher Geldbeträge nicht schon an sich eine Gefahr darstellt, die einen Bedarf zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen begründet. Klargestellt wurde dabei, dass die Notwendigkeit des Transports von Geldbeträgen im Allgemeinen kein deutlich erhöhtes Sicherheitsrisiko bedeutet; liegt mit Rücksicht auf die maßgebenden örtlichen und zeitlichen Umstände (unbeschadet der für jedermann bestehenden Gefahr, auch zur Tageszeit und in Gebieten mit günstigen Sicherheitsverhältnissen allenfalls das Opfer eines räuberischen Überfalls zu werden) kein erhöhtes Sicherheitsrisiko vor, fehlt es an einem Bedarf zum Führen von Faustfeuerwaffen (VwGH 22.11.2017, Ra 2017/03/0082, mwN).

14       Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht einen Bedarf nach den beantragten Waffen im Sinne der soeben dargestellten Rechtslage verneint. Entgegen dem Vorbringen in den Revisionsausführungen zur Zulässigkeit hat das Verwaltungsgericht dabei nicht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes missachtet, wonach die Notwendigkeit des Transports von Geldbeträgen „im Allgemeinen“ kein deutlich erhöhtes Sicherheitsrisiko bedeutet, sondern hat konkret auch darauf abgestellt, dass vom Revisionswerber keine örtlichen oder zeitlichen Gründe genannt worden seien, die ein deutlich erhöhtes Sicherheitsrisiko begründen würden. Dem vermag der Revisionswerber mit dem Hinweis auf hohe Geld- bzw. Wertbeträge, die von ihm zu transportieren seien, schon deshalb nichts entgegenzusetzen, da nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wie bereits dargelegt, auch das Mitführen sehr hoher Geldbeträge nicht schon an sich eine Gefahr darstellt (vgl. nochmals VwGH 22.11.2017, Ra 2017/03/0082, mwN). Dasselbe gilt auch für die Beteiligung an Sicherheitstransporten bzw. Werttransporten (vgl. VwGH 23.2.2018, Ra 2018/03/0002, mwN). Es trifft daher auch nicht zu, dass für Mitarbeiter von Sicherheitsunternehmen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, auch wenn festzuhalten ist, dass es grundsätzlich nicht darauf ankommt, in welcher Funktion der Transport hoher Geldbeträge (oder von Wertgegenständen) durchgeführt wird. Hingegen ist der Sachverhalt, der dem vorliegenden Revisionsfall zugrunde liegt, mit den Sachverhalten in den vom Revisionswerber zitierten Erkenntnissen VwGH 21.10.1969, 517/69 (dieses betraf einen Unternehmer, bei dem mehrere Momente zusammenkamen, die zwar nicht für sich allein, aber doch in ihrer Gesamtheit betrachtet zur Annahme besonderer Gefahren ausreichte, darunter eine - einer Verteidigung gegen etwaige Angriffe im Wege stehende - körperliche Behinderung) und VwGH 13.4.1977, 1921/75 (Nachttaxilenker) nicht vergleichbar.

15       Schließlich vermag auch der Hinweis auf eine der Revision beigelegte Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien, in dem in einem vergleichbaren Fall eine stattgebende Entscheidung für die Ausstellung eines Waffenpasses getroffen worden sei, die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen. Abgesehen davon, dass dem dazu vorgelegten Verhandlungsprotokoll des Verwaltungsgerichtes Wien keine nachvollziehbaren wesentlichen Entscheidungsgründe im Sinne des § 29 Abs. 2 VwGVG des mündlich verkündeten Erkenntnisses zu entnehmen sind, eignet sich das Zitieren von Rechtsprechung eines Verwaltungsgerichtes von Vornherein nicht zur Darlegung eines Abweichens des hier angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 7.5.2018, Ra 2018/18/0003).

16       Ausgehend davon werden in der Revision keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen war.

Wien, am 10. Dezember 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021030294.L00

Im RIS seit

18.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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