TE Vwgh Erkenntnis 2021/12/10 Ra 2020/17/0115

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Veröffentlicht am 10.12.2021
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §44a Z1
VStG §45 Abs1 Z1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §50

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner und den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der Landespolizeidirektion Steiermark, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 3. August 2020, LVwG 30.16-1499/2020-2, betreffend Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (mitbeteiligte Partei: S S), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Mit Strafverfügung vom 26. März 2020 verhängte die Revisionswerberin über die mitbeteiligte Partei wegen der Übertretung des § 120 Abs. 1a Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG iVm § 31 Abs. 1 und Abs. 1a FPG eine Geldstrafe in der Höhe von € 500,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafe), weil diese sich am 28. Juni 2019, 18:25 Uhr, nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, indem sie unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist sei und sie keine der (näher genannten) Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt erfülle.

2        Die mitbeteiligte Partei erhob dagegen Einspruch, in welchem sie im Wesentlichen vorbrachte, mangels Reisedokuments keine Alternative zum Verbleib in Österreich gehabt zu haben.

3        In der Folge erkannte die Revisionswerberin mit Straferkenntnis vom 26. Mai 2020 die mitbeteiligte Partei der Übertretung des § 120 Abs. 1a FPG iVm § 31 Abs. 1 und Abs. 1a FPG schuldig und verhängte über sie neuerlich eine Geldstrafe in Höhe von € 500,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafe).

4        Der Tatvorwurf im Spruch des Straferkenntnisses lautete:

„1. Datum/Zeit: 28.06.2019, 18:25 Uhr

Ort: 8401 Kalsdorf bei Graz, Mooswiesenstraße -, Höhe Krematorium

Sie haben sich als Fremder (§ 2 Abs. 4 Z 1 FPG) von > bis > in > nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, da für den rechtmäßigen Aufenthalt eine rechtmäßige Einreise Voraussetzung ist und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristungen oder die Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten werden dürfte, indem >.“

5        Begründend führte die Revisionswerberin u.a. aus, für den rechtmäßigen Aufenthalt sei eine rechtmäßige Einreise Voraussetzung. Die mitbeteiligte Partei sei jedoch laut eigenen Angaben am 28. Juni 2019 um 00:00 Uhr illegal ins Bundesgebiet eingereist.

6        In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde brachte die mitbeteiligte Partei u.a. vor, die bekämpfte Entscheidung lege nicht dar, was der mitbeteiligten Partei konkret vorzuwerfen gewesen wäre.

7        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) der Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung statt, behob das bekämpfte Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren „gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG iVm § 38 VwGVG“ ein (Spruchpunkt I.). Das LVwG sprach überdies aus, dass eine ordentliche Revision nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.).

8        Begründend führte das LVwG aus, der Spruch des bekämpften Strafbescheides erfülle nicht das Konkretisierungsgebot. Dadurch sei der mitbeteiligten Partei die Möglichkeit genommen worden, darauf zu reagieren. Der Behörde dürfte insofern ein Irrtum unterlaufen sein, der jedoch nicht zu Lasten des Rechtsschutzwerbenden gehen dürfe.

9        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Amtsrevision. Die mitbeteiligte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10       Die Amtsrevision macht in ihrem Zulässigkeitsvorbringen zunächst geltend, dass einem Verwaltungsgericht im Fall einer mangelhaften Konkretisierung des Bescheidspruches im Verwaltungsstrafverfahren die Pflicht zur entsprechenden Korrektur bzw. nachträglichen Konkretisierung zukomme und dass das LVwG insofern von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei. Bereits damit erweist sich die Revision als zulässig. Sie ist auch begründet:

11       Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es nicht nur das Recht, sondern die Pflicht eines Verwaltungsgerichts, einen allenfalls fehlerhaften Abspruch der ersten Instanz richtigzustellen oder zu ergänzen. Dies gilt allerdings nur, wenn innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist rechtzeitig eine alle der Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente enthaltende Verfolgungshandlung durch die Behörde gesetzt wurde (vgl. etwa VwGH 16.9.2020, Ra 2020/09/0036, mwN).

12       Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 VStG) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat.

13       Im Revisionsfall hat die Revisionswerberin durch das Erlassen der Strafverfügung vom 26. März 2000 eine solche Verfolgungshandlung gesetzt. Das LVwG wäre daher zur Konkretisierung bzw. Ergänzung des fehlerhaften Abspruchs des vor ihm bekämpften Straferkenntnisses verpflichtet gewesen.

14       Indem das LVwG dies in Verkennung der Rechtslage unterließ und das bekämpfte Straferkenntnis aufhob, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

15       Darüber hinaus erweist sich das angefochtene Erkenntnis auch aus einem anderen Grund als rechtswidrig:

16       Eine Einstellung des Verfahrens nach § 45 Abs. 1 Z 1 VStG kommt nur dann in Frage, wenn die Beweise für einen Schuldspruch nicht ausreichen. Mit einer unzureichenden Konkretisierung der Tat im Sinne des § 44a Z 1 VStG kann eine solche Einstellung nicht begründet werden (für die insofern vergleichbare Rechtslage vor dem 1. Jänner 2014 vgl. VwGH 22.2.2006, 2005/17/0195, 0196, mwN). Vielmehr wäre es Sache des LVwG gewesen, als erforderlich erachtete Ergänzungen selbst vorzunehmen.

17       Indem das LVwG auch insofern die Rechtslage verkannte, belastete es sein Erkenntnis auch in dieser Hinsicht mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

18       Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 10. Dezember 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020170115.L00

Im RIS seit

18.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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