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E000 EU- Recht allgemeinNorm
EURallgBeachte
Rechtssatz
Der EuGH sprach in seinem Urteil vom 14. Oktober 2021, MT, C-231/20, aus, dass hinsichtlich der Verhängung einer Mindestgeldstrafe für jeden nicht bewilligten Glücksspielautomaten nicht ersichtlich ist, dass eine solche Sanktion für sich genommen im Hinblick auf die Schwere der fraglichen Taten unverhältnismäßig wäre, da von illegalem Automatenglücksspiel, das sich behördlichen Kontrollen naturgemäß entzieht und in welchem Bereich die zum Spielerschutz getroffenen gesetzlichen Vorkehrungen nicht überprüft werden können, eine besonders hohe Sozialschädlichkeit ausgehen kann. Ausspielungen verleiten zu Ausgaben, die schädliche persönliche und soziale Folgen haben können (vgl. EuGH 24.3.1994, Schindler, C-275/92, EU:C:1994:119; EuGH 6.3.2007, Placanica, C-338/04, C-359/04 und C-360/04, EU:C:2007:133; EuGH 3.6.2010, Sporting Exchange, C-203/08, EU:C:2010:307; EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, EU:C:2011:582). Was die Höhe der Mindestgeldstrafe angeht, ist es Sache des nationalen Gerichts, bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Sanktion das Verhältnis zwischen der Höhe der möglichen Geldstrafe und dem wirtschaftlichen Gewinn aus der begangenen Tat zu berücksichtigen, um die Verantwortlichen von der Begehung einer solchen Tat abzuschrecken (vgl. EuGH 11.2.2021, K. M., C-77/20, EU:C:2021:112). Es muss sich jedoch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vergewissern, dass der auf diese Weise festgesetzte Mindestbetrag nicht außer Verhältnis zu diesem Vorteil steht. Zu dem Umstand, dass die nationale Regelung des § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG 1989 idF. BGBl I Nr 13/2014 keine Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen vorsieht, ist festzustellen, dass zwar die Festsetzung einer Mindestgeldstrafe in Verbindung mit der Kumulation von Geldstrafen ohne Höchstgrenze, wenn die Tat mehrere nicht bewilligte Glücksspielautomaten betrifft, zur Verhängung finanzieller Sanktionen in erheblicher Höhe führen kann. Die in § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG 1989 idF. BGBl I Nr 13/2014 genannten Strafhöhen wurden mit der RV 24 BlgNR 25. GP, 22 f, eingeführt. Eine solche Maßnahme ermöglicht es ua, dem durch die geahndeten Taten erzielbaren wirtschaftlichen Nutzen zu begegnen und so das illegale Angebot zunehmend unattraktiv zu machen, so dass sie als solche nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Es ist jedoch auch Sache des nationalen Gerichts, sich zu vergewissern, dass die Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen nicht außer Verhältnis zu diesem Vorteil steht. Was die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe betrifft, ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass die Verhängung einer solchen Sanktion an sich im Hinblick auf Art und Schwere der in Rede stehenden Taten unverhältnismäßig wäre, da sie gewährleisten soll, dass diese Taten im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wirksam geahndet werden können. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Verhängung einer solchen Sanktion in jedem Einzelfall durch stichhaltige Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein muss (vgl. EGMR, 19.1.2021, Lacatus/Schweiz, CE:ECHR:2021:0119JUD001406515), da diese angesichts der daraus resultierenden Folgen für die betroffene Person besonders schwerwiegend ist (vgl. EuGH 12.9.2019, Maksimovic, C-64/18, C-140/18, C-146/18 und C 148/18, EU:C:2019:723).
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020170013.L10Im RIS seit
18.01.2022Zuletzt aktualisiert am
24.02.2022