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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Engel, in der Rechtssache der Revision des A H in W, vertreten durch Mag. Ulrike Sehrschön, Rechtsanwältin in 1100 Wien, Wienerbergstraße 11, Turm B, 19. OG, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juni 2021, W166 2170369-1/9E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 9. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Begründend brachte er vor, Afghanistan wegen seines Übertritts zum christlichen Glauben verlassen zu haben.
2 Mit Bescheid vom 22. August 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 20.9.2021, Ra 2021/14/0288, mwN).
8 Wenn die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorbringt, der Revisionswerber habe Afghanistan aus religiösen Gründen verlassen, was dazu führen könnte, bedroht oder angegriffen zu werden, wendet sie sich der Sache nach gegen die der Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts, dass der Revisionswerber nicht aus innerlicher Überzeugung zum Christentum konvertiert sei, zugrunde liegende Beweiswürdigung. Das Vorbringen vermag aber nicht darzutun, dass die (unter Bedachtnahme auf die Aussagen des Revisionswerbers und eines Zeugen vorgenommene) Beweiswürdigung eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unvertretbarkeit aufweist (zum im Revisionsverfahren maßgebenden Prüfkalkül vgl. VwGH 14.9.2021, Ra 2020/20/0405, mwN).
9 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit bringt die Revision ferner vor, in den Länderfeststellungen werde „völlig lebensfremd“ auf die Situation von Rückkehrern Bezug genommen, was der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes widerspreche. Insbesondere die Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach dem Revisionswerber die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif zumutbar sei, sei nicht nachvollziehbar. Die Revision stützt dieses Vorbringen darauf, dass sich „die Lage für Rückkehrende aus Europa zufolge eines Berichts von ACCORD vom 30. April 2020 ... zur Sicherheits- und Versorgungslage in Mazar-e Sharif und Umgebung in völlig anderem Licht“ darstelle, insbesondere weil deren Aufenthalt in Europa aus Sicherheitsgründen „gar nicht erst bekannt“ werden dürfe (Hinweis auf einen näher bezeichneten Bericht vom 3. April 2020).
10 Die Zulässigkeitsbegründung, die der Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts ausschließlich unter Anführung von zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses über ein Jahr alten Berichten entgegentritt, lässt weder deren ausreichende Aktualität erkennen noch deren Relevanz zur Widerlegung der - auf jüngere Berichte gegründeten - Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, dass dem Revisionswerber in Herat und Mazar-e Sharif die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zumutbar sei.
11 Werden Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungsmängel durch die Behauptung der Heranziehung veralteter Länderberichte - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 8.9.2021, Ra 2021/20/0166 bis 0170, mwN). Dies ist mit dem vorliegenden Zulassungsvorbringen nicht gelungen, in dem auf die vom Bundesverwaltungsgericht herangezogene Berichtslage nicht inhaltlich Bezug genommen wird.
12 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 13. Dezember 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021200285.L00Im RIS seit
18.01.2022Zuletzt aktualisiert am
01.02.2022