TE Vwgh Erkenntnis 2021/12/13 Ra 2021/17/0018

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Veröffentlicht am 13.12.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

GSpG 1989 §2 Abs4
GSpG 1989 §4
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
VStG §44a Z1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner, den Hofrat Dr. Schwarz den Hofrat Mag. Berger sowie den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Bundesministers für Finanzen gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 21. Oktober 2020, LVwG-413816/2/Gf/RoK, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Oberösterreich; mitbeteiligte Partei: I K, vertreten durch Dr. Fabian A. Maschke, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 17/11), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 8. September 2020 wurde die Mitbeteiligte der dreifachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild Glücksspielgesetz - GSpG iVm § 9 Abs. 1 VStG schuldig erkannt. Es wurden über sie drei Geldstrafen in der Höhe von jeweils 8.000,-- Euro (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt, weil sie in dem Lokal K in L gegen Entgelt die Veranstaltung verbotener Ausspielungen mit näher bezeichneten Glücksspielgeräten geduldet habe, mit welchen wiederholt Glücksspiele in Form von Walzenspielen durchgeführt worden seien und in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen worden sei, weil die dafür erforderliche Konzession des Bundesministers für Finanzen nicht vorgelegen sei.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) der von der Mitbeteiligten dagegen erhobenen Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung statt und hob das angefochtene Straferkenntnis auf (Spruchpunkt I.). Weiters sprach das LVwG aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.).

3        Begründend führte das LVwG aus, das Tatbestandsmerkmal einer „verbotenen Ausspielung“ iSd § 52 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 4 GSpG sei durch die Komponenten „Nichtvorliegen einer Konzession oder Bewilligung nach dem GSpG“ und „Nichtvorliegen einer Ausnahme vom Glücksspielmonopol des Bundes gemäß § 4 GSpG“ determiniert. Es handle sich dabei um konstitutive Tatbestandsmerkmale, die im Spruch des Straferkenntnisses - zumindest abstrakt - angeführt werden müssten. Diesen Anforderungen entspreche aber der Spruch des Straferkenntnisses vom 8. September 2020 nicht, weswegen das Straferkenntnis aufzuheben gewesen sei.

4        Das LVwG habe auch keine Spruchkorrektur vornehmen dürfen, weil eine solche Vorgangsweise den Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 1 EGRC zuwiderlaufen würde. Eine Vermischung von richterlicher Funktion und Anklagefunktion würde nämlich dem Grundsatz der Unparteilichkeit eines Gerichts widersprechen. Eine derartige Funktionsvermischung läge jedoch vor, würde das LVwG als Gericht die „Anklageschrift“ der Behörde hinsichtlich eines konstitutiven Tatbestandsmerkmals ergänzen. Eine solche Ergänzung müsste von der Behörde selbst vorgenommen werden, weswegen auch keine Einstellung des Strafverfahrens verfügt worden sei.

5        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Bundesminister für Finanzen Revision. Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

6        Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Amtsrevision vor, es handle sich bei der Frage, ob das vermeintliche Tatbestandsmerkmal „‘Nichtvorliegen einer Ausnahme vom Glücksspielmonopol des Bundes gemäß § 4 GSpG‘ iSd § 52 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 4 GSpG“ unbedingter Bestandteil des Spruches iSd § 44a VStG zu sein habe, welcher seitens des LVwG im Beschwerdeverfahren nicht geändert/ergänzt werden könne, oder ob dieses Merkmal lediglich eine Präzisierung des Spruches darstelle, welche von Amts wegen vom LVwG vorzunehmen gewesen wäre, oder ob dieses vermeintliche Tatbestandsmerkmal denn überhaupt Bestandteil des Spruchs zu sein habe (ob es sich überhaupt um ein Tatbestandsmerkmal handle), um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

7        Mit diesem Vorbringen erweist sich die Revision als zulässig. Sie ist auch begründet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

8        Nach § 44a Z 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

9        Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an die Tatumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes, Erfordernis sein (vgl. etwa VwGH 12.11.2020, Ra 2020/15/0068, mwN).

10       Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit einer Geldstrafe von bis zu 60.000 Euro zu bestrafen, wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 daran beteiligt.

11       Das unternehmerisch Zugänglichmachen einer verbotenen Ausspielung iSd dritten Tatbilds des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG verwirklicht eine Person, die etwa ein Glücksspielgerät in ihrer Gewahrsame hat und damit Spielern die Teilnahme an verbotenen Ausspielungen ermöglicht (vgl. etwa VwGH 16.6.2021, Ra 2019/17/0013, mwN).

12       Der Begriff „verbotene Ausspielung“ wird in § 2 Abs. 4 GSpG näher bestimmt. Demnach sind verbotene Ausspielungen solche Ausspielungen, für die eine Konzession oder Bewilligung nach dem GSpG nicht erteilt wurde und die auch nicht vom Glücksspielmonopol des Bundes gemäß § 4 GSpG ausgenommen sind. Nur wenn diese beiden (Negativ-)Bedingungen erfüllt sind, ist von verbotenen Ausspielungen iSd GSpG auszugehen.

13       Daraus folgt, dass der Vorwurf, verbotene Ausspielungen zugänglich gemacht zu haben, jedenfalls auch den Vorwurf enthält, dass dem Beschuldigten keine Konzession oder Bewilligung für diese Ausspielungen erteilt worden ist und dass diese Ausspielungen auch nicht vom Glücksspielmonopol des Bundes gemäß § 4 GSpG ausgenommen sind.

14       Es war daher bei der Umschreibung der Tat in dem mit Beschwerde bekämpften Straferkenntnis nicht erforderlich, das Vorliegen dieser beiden in § 2 Abs. 4 GSpG genannten Voraussetzungen ausdrücklich anzuführen, zumal die Mitbeteiligte im Strafverfahren auch nicht behauptet hatte, dass eine dieser Voraussetzungen nicht vorgelegen wäre (vgl. etwa zu einem ähnlichen Fall nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz VwGH 21.5.2003, 2000/09/0105, mwN). Dem LVwG wäre im Übrigen auch freigestanden, die von ihm als fehlend erachteten Angaben (bei denen es sich im Wesentlichen nur um die Wiedergabe der verba legalia des § 2 Abs. 4 GSpG handelt) zu Zwecken der Klarstellung zu ergänzen. Von einer Vermischung von richterlicher Funktion und Anklagefunktion kann dabei nicht die Rede sein.

15       Indem das LVwG das bekämpfte Straferkenntnis mit der alleinigen Begründung aufgehoben hat, dass dessen Spruch keine Aussagen dahingehend enthalte, dass für die vorliegenden verbotenen Ausspielungen keine Konzession und keine Bewilligung nach dem GSpG erteilt worden seien und dass diese auch nicht vom Glücksspielmonopol des Bundes gemäß § 4 GSpG ausgenommen seien, hat es die Rechtslage verkannt und sein Erkenntnnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

16       Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 13. Dezember 2021

Schlagworte

Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4 Besondere Rechtsgebiete "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021170018.L00

Im RIS seit

18.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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