TE Vwgh Beschluss 2021/12/13 Ra 2021/02/0240

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Veröffentlicht am 13.12.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §27

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des A in W, vertreten durch Dr. Farid Rifaat, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 31. Mai 2021, VGW-102/013/9381/2020, betreffend Maßnahmenbeschwerde iZm. einer Strafvollstreckung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Mit E-Mail vom 31. Juli 2020 erhob der anwaltlich vertretene Revisionswerber eine Maßnahmenbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gegen seine Festnahme gemäß § 35 VStG am 29. Juli 2020 und beantragte, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären.

2        2.1. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien (Verwaltungsgericht) vom 31. Mai 2021 wurde diese Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.) und der Revisionswerber zur Zahlung eines näher bestimmten Aufwandersatzes verpflichtet (Spruchpunkt II.). Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig (Spruchpunkt III.).

3        2.2. Das Verwaltungsgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:

4        Gegen den Revisionswerber habe ein Vorführbefehl zum Strafantritt vorgelegen. Da er zu Hause mehrfach nicht habe angetroffen werden können, habe die belangte Behörde aufgrund von Nachforschungen festgestellt, dass er vom Zeugen S. betreut werde. Mit diesem sei in der Folge ein Termin vereinbart worden, um zu beurteilen, ob die amtsärztliche Untersuchung des Revisionswerbers in seiner Wohnung stattfinden solle. Erst danach habe der Revisionswerber den Nichtvollzug der Freiheitsstrafen beantragt, und dies mit einem fachärztlichen Attest eines Internisten begründet. Dieses habe eine Haftunfähigkeit ohne Angabe konkreter Erkrankungen bestätigt. Die belangte Behörde habe daher entschieden, die Vorführung aufrecht zu lassen, um in deren Zuge eine amtsärztliche Untersuchung vornehmen zu können. Aufgrund der Vereinbarung habe RvI P. den Revisionswerber in dessen Wohnung aufgesucht, diesen jedoch dort nicht angetroffen. Der daraufhin telefonisch kontaktierte Zeuge S. habe angegeben, den Revisionswerber in ein Spital zu verbringen. In der Folge habe der Zeuge S. den Revisionswerber in die Polizeiinspektion J gebracht, wobei weder festgestellt werden könne, dass es sich bei der im Gespräch getroffenen Vereinbarung um eine Anordnung gehandelt habe, die ungeachtet des Gesundheitszustandes des Revisionswerbers getroffen worden wäre noch, dass RvI P. in Aussicht gestellt habe, der Amtsarzt würde in der Polizeiinspektion bereits auf den Revisionswerber warten. Bei der Befragung des Revisionswerbers sei keine offensichtliche „Behinderung“ des Revisionswerbers ersichtlich gewesen, die eine Haftunfähigkeit deutlich gemacht habe. Der unverzüglich verständigte Amtsarzt sei nach zwei Stunden erschienen und habe aufgrund seiner Untersuchung die Freilassung des Revisionswerbers veranlasst. Der Revisionswerber habe sich sodann aus dem Warteraum entfernt.

5        2.3. Das Verwaltungsgericht begründete seine Beweiswürdigung und führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass Grundlage für die kurzfristige Inhaftierung des Revisionswerbers die Vorführung zum Strafantritt gewesen sei, wobei der Revisionswerber freiwillig erschienen sei und nach seiner Befragung im Zellenbereich bis zur Ankunft des Amtsarztes angehalten worden sei. Es habe aufgrund des fachärztlichen Attests nicht festgestanden, dass der Revisionswerber haftunfähig gewesen sei, weil das Attest insoweit nicht begründet gewesen sei. Die belangte Behörde habe daher die Haftfähigkeit selbst abgeklärt und dies in nicht unverhältnismäßiger Weise in maximal 2,5 Stunden bewirkt.

6        3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7        4.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (vgl. z.B. VwGH 15.9.2020, Ra 2020/09/0030, mwN).

11       4.2. Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision zunächst vor, das Verwaltungsgericht sei von der - insoweit nicht näher bezeichneten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, als es entgegen Lehre und Rechtsprechung gebilligt habe, dass die belangte Behörde nicht bescheidmäßig über den vom Revisionswerber gestellten Antrag des Revisionswerbers gemäß § 54 Abs. 1 VStG auf Unzulässigkeit des Vollzugs abgesprochen habe, obgleich die belangte Behörde mit Bescheid abzusprechen gehabt habe.

12       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei für die Behandlung der Maßnahmenbeschwerde durch das Verwaltungsgericht allein maßgeblich, ob es zu einer Überschreitung der Befugnis der belangten Behörde gekommen sei. Diese Frage sei vom Verwaltungsgericht von Amts wegen aufzugreifen und wäre hierzu das Verwaltungsgericht von Amts wegen verpflichtet gewesen.

13       Weiters macht der Revisionswerber zur Zulässigkeit der Revision geltend, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es eine Rechtsverletzung des Revisionswerbers verneint habe. Es sei jedoch zu prüfen gewesen, ob ein Exzess vorgelegen habe, was von Amts wegen zu prüfen gewesen sei. Eine Entscheidung, bei der wesentliche Teile in Spruch und Begründung fehlten, sei fehlerhaft und schließe eine Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof aus.

14       Zuletzt bringt der Revisionswerber zur Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es in aktenwidriger Weise festgestellt habe, dass die von der belangten Behörde gesetzte Maßnahme keine Überschreitung der vom Gesetzgeber eingeräumten Befugnisse darstelle, weshalb eine Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht möglich sei.

15       4.3. Zunächst ist dazu auszuführen, dass das Verwaltungsgericht - wie vom Revisionswerber geltend gemacht - über seine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG entschieden hat. Diese Beschwerde war daher der Verfahrensgegenstand des Verwaltungsgerichtes.

16       Darüber hinaus hat der Revisionswerber bloß allgemein behauptet, das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes widerspreche der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ohne konkret bezogen auf den Sachverhalt unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes darzutun, von welcher hg. Rechtsprechung seiner Ansicht nach das Verwaltungsgericht in welchen Punkten abgewichen sein soll. Damit wird den an die gesetzmäßige Ausführung der Zulässigkeit einer Revision gestellten Anforderungen jedoch nicht entsprochen (VwGH 13.12.2019, Ro 2019/02/0012).

17       Die Frage wiederum, ob amtswegige Erhebungen erforderlich sind, stellt regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar, weil es sich dabei um eine einzelfallbezogene Beurteilung handelt. Solchen Fragen kann (nur) dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen (vgl. VwGH 1.8.2017, Ra 2017/06/0072, mwN). Derartiges zeigt der Revisionswerber nicht auf.

18       Soweit der Revisionswerber mit der Behauptung, es lägen Aktenwidrigkeit und Begründungsmängel vor, das Vorliegen von Verfahrensmängeln behauptet, ist ihm entgegenzuhalten, dass in einem solchen Fall die Zulässigkeit der Revision neben einem - eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden - Verfahrensmangel voraussetzt, dass die Revision auch von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird (vgl. VwGH 9.2.2015, Ra 2015/02/0014, mwN), das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Fall eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen für den Revisionswerber günstigeren Sachverhaltsgrundlage zu führen. Eine im Rahmen der gesonderten Darstellung der Gründe für die Zulässigkeit der Revision nicht weiter substantiierte Behauptung von Verfahrensmängeln reicht nicht aus, um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen, von deren Lösung das rechtliche Schicksal der Revision abhängt (vgl. die z.B. VwGH 19.1.2016, Ra 2015/19/0226, mwN).

19       Eine im soeben erörterten Sinn ausreichende Relevanzdarstellung ist den Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden Revision aber nicht zu entnehmen.

20       Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung wiederum liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (VwGH 24.10.2019, Ra 2019/02/0190, mwN).

21       Solche Umstände hat der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung nicht aufgezeigt, hat doch das Verwaltungsgericht seine Würdigung der aufgenommenen Beweise näher begründet. Dass diese Beweiswürdigung unvertretbar ist, wird mit dem allgemeinen Vorbringen des Revisionswerbers gerade nicht aufgezeigt.

22       4.4. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 13. Dezember 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021020240.L00

Im RIS seit

18.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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