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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Dolp als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerden 1. des A G, 2. des C G, 3. der Z G, 4. des H G, 5. des M G, und 6. des V G, alle in B, der Zweit- sowie die Viert- bis Sechstbeschwerdeführer vertreten durch den Erstbeschwerdeführer als Vater und gesetzlichen Vertreter, dieser und die Drittbeschwerdeführerin vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in D, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres alle vom 26. März 1996, Zlen. betreffend den Erstbeschwerdeführer 113.340/15-III/11/96, betreffend den Zweitbeschwerdeführer 113.340/10-III/11/96, betreffend die Drittbeschwerdeführerin 113.340/14-III/11/96, betreffend den Viertbeschwerdeführer 113.340/12-III/11/96, betreffend den Fünftbeschwerdeführer 113.340/11-III/11/96 und betreffend den Sechstbeschwerdeführer 113.340/13-III/11/96, alle betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens in Angelegenheit Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführer seien deren Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung in der letzten Instanz mit Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 20. Juli 1995, zugestellt am 31. Juli 1995, mit der Begründung abgewiesen worden, daß ihr Unterhalt nicht ausreichend gesichert sei. Mit Eingaben vom 7. August 1995 hätten sie unter Vorlage einer Lohn- und Arbeitsbestätigung (des Erstbeschwerdeführers) vom 4. August 1995 die Wiederaufnahme dieses Verfahrens mit der Begründung beantragt, es hätten sich neue Umstände ergeben, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigten; der Lebensunterhalt sei nunmehr sehr wohl gesichert.
Mit den Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 26. März 1996 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 und 3 AVG im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, daß das sich aus der vorgelegten Arbeits- und Gehaltsbestätigung ergebende, seit dem 4. April 1995 bestehende Arbeitsverhältnis von den Beschwerdeführern im gesamten Berufungsverfahren nicht behauptet worden sei. Die nachträgliche Bekanntgabe eines zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits monatelang währenden Arbeitsverhältnisses stelle das Verschulden der Beschwerdeführer dar, zumal ihnen die Bedeutung eines Einkommensnachweises aufgrund des gesamten Verfahrens hätte bewußt sein müssen. Da das Bundesministerium für Inneres an der Nichtberücksichtigung dieses Arbeitsverhältnisses kein Verschulden treffe, sei das Verfahren auch nicht von Amts wegen aufzunehmen gewesen.
Gegen die im Kopf genannten - gleichlautenden - Bescheide richten sich die vorliegenden, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerden, die wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden worden sind.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der mit "Wiederaufnahme des Verfahrens" überschriebene § 69 Abs. 1 AVG lautet auszugsweise:
"§ 69 (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:
...
2. Neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten,
..."
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage kann der Auffassung der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, bei der genannten Arbeits- und Lohnbestätigung handle es sich nicht um ein neues Beweismittel, das im vorangegangenen Verfahren ohne Verschulden der Beschwerdeführer nicht hätte geltend gemacht werden können. Die belangte Behörde hat - im übrigen von den Beschwerdeführern unbestritten - festgestellt, daß der Erstbeschwerdeführer seit dem 4. April 1995 in einem aufrechten Arbeitsverhältnis gestanden sei. Dagegen bringen die Beschwerdeführer nur vor, daß die Berufung gegen die abweisende Entscheidung der ersten Instanz Ende November 1994 eingebracht worden sei. Gemäß § 73 AVG habe die belangte Behörde über die Berufung ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Berufungsbescheid zu erlassen. Beim Antritt des Beschäftigungsverhältnisses im April 1995 seien seit der Einbringung der Berufung bereits mehr als vier Monate verstrichen gewesen und die Beschwerdeführer hätten nicht absehen können, ob die belangte Behörde die Bescheide bereits ausgefertigt hätte. Unter diesen Umständen seien sie nicht verpflichtet gewesen - jedenfalls könne ihnen das nicht als Verschulden im Sinne des § 69 AVG vorgeworfen werden -, eine Lohn- und Arbeitsbestätigung mit dem Risiko vorzulegen, daß diese aufgrund der Ausfertigung der Bescheide nicht mehr berücksichtigt werden könne. Es hätte auch weder eine mündliche Verhandlung stattgefunden noch sei Parteiengehör gewährt worden, in deren Rahmen diese Beweismittel hätten vorgebracht werden können.
Mit diesem Vorbringen sind die Beschwerdeführer nicht im Recht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muß es sich bei Tatsachen und Beweismitteln im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG um solche handeln, die beim Abschluß des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde (vgl. die bei Ringhofer, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, 711, angeführte Rechtsprechung).
Dagegen kann nicht eingewendet werden, daß sowohl die erstinstanzliche Behörde als auch die belangte Behörde die Vorlage von mindestens drei Gehaltszetteln verlangt hätten und daß Gehaltszettel in der (angeblich) notwendigen Anzahl erst nach Verfahrensabschluß vorgelegen wären. Dies ändert an der Tatsache, daß das Arbeitsverhältnis schon während des Verfahrens bestanden hat - also keine "neue" Tatsache i.S. § 69 Abs. 1 AVG hervorgekommen ist -, nichts. Selbst wenn von den Behörden des Verfahrens tatsächlich Lohn- bzw. Arbeitsbestätigungen in dreifacher Ausfertigung benötigt werden sollten, so kommt der ANZAHL dieser Bestätigungen nicht die Bedeutung zu, daß erst mit dem Vorliegen aller benötigten Ausfertigungen der Beweis über das Bestehen des Arbeitsverhältnisses erbracht wäre. Es kann daher auch nicht davon die Rede sein, daß nach Abschluß des Verfahrens ein neues Beweismittel hervorgekommen wäre.
Da weiters ein Bescheid erst mit dem Zeitpunkt seiner Zustellung als erlassen gilt, wären bis zu diesem Zeitpunkt die Beschwerdeführer bei der gehörigen, von ihnen zu verlangenden Aufmerksamkeit verpflichtet gewesen, die für sie günstige Tatsache, nämlich daß der Erstbeschwerdeführer seit dem 4. April 1995 in einem Arbeitsverhältnis stehe, der Berufungsbehörde zur Kenntnis zu bringen. Die Unterlassung dieses Vorbringens ist ihnen somit überdies als Verschulden im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG anzulasten.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerden erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Neu hervorgekommene entstandene Beweise und Tatsachen nova reperta nova producta VerschuldenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996191479.X00Im RIS seit
02.05.2001