TE Vwgh Beschluss 2021/12/15 Ra 2021/06/0144

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Veröffentlicht am 15.12.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §56
AVG §63 Abs1
AVG §8
VwGVG 2014 §7
VwGVG 2014 §7 Abs3
VwRallg
ZustG §2 Z5
ZustG §37 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des DI Dr. A G in O, vertreten durch die DDr. Karl Scholz Rechtsanwalts GmbH in 8501 Lieboch, Am Mühlbach 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 25. Juni 2021, LVwG 41.21-3246/2020-3, betreffend eine Bauangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Gemeinde St. Josef in der Weststeiermark; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 21. Februar 2017 wurde Frau P. die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses samt näher beschriebenen Nebenanlagen auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG O. (Baugrundstück) erteilt. Der Revisionswerber ist Eigentümer eines Grundstückes, das vom Baugrundstück durch ein Weggrundstück getrennt ist.

2        Mit E-Mail vom 19. April 2017 zeigte der Revisionswerber bei der Baubehörde erster Instanz (in der Folge: Baubehörde) „genehmigungslose Grabungs- und Baumaßnahmen“ auf dem Baugrundstück an und beantragte die sofortige Verfügung eines Baustopps, die sofortige Beseitigung der erfolgten genehmigungslosen Änderungen und „in eventu“ die Übermittlung des Baubewilligungsbescheides betreffend das Baugrundstück per E-Mail. Am 20. April 2017 teilte die Baubehörde dem Revisionswerber per E-Mail mit, dass für das Baugrundstück eine rechtskräftige Baubewilligung vorliege; zur diesbezüglichen Bauverhandlung sei der Revisionswerber nicht geladen worden, da sein Grundstück nicht an das Baugrundstück angrenze und aufgrund des eingereichten Projektes festgestellt worden sei, dass vom geplanten Bau und dessen konsensgemäßer Benützung keine Einwirkungen auf das Grundstück des Revisionswerbers ausgehen könnten.

3        Mit E-Mail vom 20. April 2017 beantragte der Revisionswerber daraufhin bei der Baubehörde erneut die Zusendung des Baubewilligungsbescheides für das Baugrundstück sowie die Ladung zur Bauverhandlung „per email“.

4        Mit weiterem E-Mail vom 20. April 2017 übermittelte die Baubehörde sodann dem Revisionswerber den Baubewilligungsbescheid vom 21. Februar 2017 und die Kundmachung zur Bauverhandlung, wobei sie ausführte, diese Übermittlung habe „ausschließlich informellen Charakter“ und es handle sich dabei „um keine Bescheidzustellung“.

5        Nach den in der Revision unwidersprochen gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis (S. 11) stellte der Revisionswerber in der Folge weder einen Antrag auf Erlassung eines Bescheides zur Feststellung seiner Parteistellung, noch richtete er eine sonstige bescheidmäßig zu erledigende Eingabe an die Baubehörde.

6        Mit Schriftsatz vom 23. April 2020 stellte der Revisionswerber einen Devolutionsantrag an den Gemeinderat (in der Folge: belangte Behörde), in welchem er beantragte „dem Antragsteller den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde St. J. [...] vom 21.02.2017 an die Rechtsvertreterin des Antragstellers zuzustellen“. Begründend führte er dazu aus, er sei Nachbar im Sinne des § 4 Z 44 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG). Die Baubehörde habe über seinen Antrag auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides nicht entschieden, weshalb eine schuldhafte Verletzung der Entscheidungspflicht vorliege.

7        Mit Bescheid der belangten Behörde vom 21. Oktober 2020 wurde der Devolutionsantrag als unzulässig zurückgewiesen; dies mit der Begründung, dass zum einen der administrative Instanzenzug gemäß § 2 Abs. 2 Stmk. BauG in baurechtlichen Angelegenheiten ausgeschlossen sei und zum anderen keine Säumnis vorliege.

8        Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (in der Folge: Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis mit der Maßgabe, dass der Devolutionsantrag mangels Säumnis zurückgewiesen werde, als unbegründet ab. Gleichzeitig sprach das Verwaltungsgericht aus, gegen dieses Erkenntnis sei eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

9        Begründend führte das Verwaltungsgericht dazu zusammengefasst aus, die Rechtsansicht der belangten Behörde, der administrative Instanzenzug sei ausgeschlossen, erweise sich vorliegend aus näheren Gründen als unzutreffend. Die belangte Behörde habe den Devolutionsantrag aber zu Recht mangels Säumnis zurückgewiesen: Die Baubehörde habe dem Antrag auf Übermittlung der Baubewilligung vollumfänglich Rechnung getragen. Die Übermittlung sei an eine elektronische Zustelladresse nach § 37 Zustellgesetz (ZustG) erfolgt, weshalb diese nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Rechtswirkungen einer Zustellung habe, wobei diese Rechtswirkung unabhängig von der Zustellabsicht der Behörde eintrete. Der Hinweis der belangten Behörde, die Übermittlung habe lediglich informellen Charakter und es handle sich um keine Zustellung des Bescheides, sei daher unerheblich.

10       Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage geltend macht, „ob eine unvertretene Partei in einem Verwaltungsverfahren trotz einer solchen unrichtigen Rechtsbelehrung durch die Behörde, von einer Zustellung dieses Bescheides ausgehen muss“. Die Behörde habe keine Zustellverfügung erlassen, da sie den Revisionswerber ausdrücklich nicht als Empfänger im Sinne des § 2 Z 1 ZustG angesehen habe. Der formlosen Übermittlung des Bescheides komme mangels Vorliegen einer Zustellverfügung nicht die Rechtswirkung einer Zustellung zu. In der vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis zitierten Rechtsprechung seien die in den dortigen Verfahren tätigen Behörden offensichtlich von der Parteistellung der jeweiligen Personen ausgegangen.

11       Mit diesem Vorbringen wird eine Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

12       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

14       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15       Vorliegend beantragte der Revisionswerber, wie vom Verwaltungsgericht festgestellt und von ihm selbst in der Revision auch vorgebracht, jedenfalls mit E-Mail vom 20. April 2017 bei der Baubehörde die Zusendung des Baubewilligungsbescheides vom 21. Februar 2017 für das Baugrundstück „per email“. Mit E-Mail vom 20. April 2017 übermittelte ihm die Baubehörde den begehrten Bescheid, wobei sie auf den informellen Charakter der Übermittlung hinwies und hinzufügte, es handle sich „um keine Bescheidzustellung“.

16       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht auf Grund eines Antrages auf Zustellung eines Bescheides ein Anspruch darauf, dass entweder entsprechend diesem Antrag der Bescheid zugestellt wird oder dass dann, wenn die Behörde die Auffassung vertritt, dem Antragsteller komme in dem betreffenden Verfahren keine Parteistellung zu, darüber mit Bescheid abgesprochen wird, wobei auch ein Feststellungsbescheid über die Parteistellung in Betracht kommt (vgl. etwa VwGH 27.11.2014, 2013/03/0152, oder auch 31.3.2008, 2007/05/0021, jeweils mwN).

17       Nach der weiteren ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Mehrparteienverfahren erhält ein in einem solchen Verfahren gegenüber einer Partei erlassener Bescheid durch diese Erlassung seine rechtliche Existenz, auch wenn er gegenüber den anderen Parteien - solange er ihnen gegenüber nicht erlassen wurde - keine rechtlichen Wirkungen äußert. Eine Partei, die rechtliche Interessen oder einen Rechtsanspruch an einer Verwaltungssache hat, welcher im Verfahren nicht die Stellung einer Partei eingeräumt wurde und gegenüber welcher keine Bescheiderlassung erfolgte, hat nach Abschluss des Verfahrens - sofern sie nicht von der nunmehr bestehenden Möglichkeit der unmittelbaren Erhebung einer Beschwerde gemäß § 7 Abs. 3 VwGVG Gebrauch macht - die Möglichkeit, die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides zu begehren und in der Folge Berufung (nunmehr, falls kein gemeindeinterner Instanzenzug besteht, Beschwerde) zur Wahrung ihrer Rechte zu erheben (vgl. etwa VwGH 25.4.1996, 95/07/0216, 14.12.2007, 2006/05/0071, oder auch 23.5.2017, Ra 2015/05/0028, jeweils mwN). Auch die Frage, ob eine Person überhaupt Partei des betreffenden Verfahrens ist, ist in einem solchen Fall durch die Rechtsmittelbehörde zu überprüfen; eine Berufung impliziert nämlich für den Fall, dass die Behörde die Parteistellung des Berufungswerbers als nicht gegeben ansah, auch einen Streit um die Parteistellung (vgl. VwGH etwa VwGH 25.3.2010, 2008/05/0229, mwN; vgl. sinngemäß auch VwGH 15.11.2001, 2000/07/0100). Gleichzeitig hat der Verwaltungsgerichtshof auch mehrfach ausgesprochen, dass dann, wenn die Behörde der antragsgemäßen Zustellung eines Bescheides faktisch nachgekommen ist, die Erlassung eines Feststellungsbescheides, um Zweifel zu klären, ob einer bestimmten Person in einem bestimmten Verfahren Parteistellung zukommt, nicht mehr zulässig ist, da in diesem Fall die Partei nunmehr in der Berufung und im daran anschließenden Berufungsverfahren alles vorbringen kann, was sie vorbringen hätte können, wenn sie dem Verfahren ordnungsgemäß beigezogen worden wäre (vgl. nochmals VwGH 25.4.1996, 95/07/0216, 14.12.2007, 2006/05/0071 oder sinngemäß auch VwGH 27.3.2018, Ra 2015/06/0011, 0012 und 0015).

18       Für den Revisionsfall folgt aus dem Gesagten, dass die vom Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung aufgeworfene Frage durch die bereits bestehende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist: Ist die Behörde dem (bloßen) Ersuchen um Zustellung eines bestimmten Bescheides faktisch nachgekommen, besteht diesbezüglich kein weiterer Erledigungsanspruch des Einschreiters gegenüber der Behörde. Weder ist in diesem Zusammenhang ein Rechtsanspruch zu sehen, dass in einem solchen Fall über die tatsächliche Bescheidzustellung hinaus über die Frage der Parteistellung bescheidmäßig abzusprechen wäre, noch hindert ein (wie hier) in Form eines bloßen Hinweises angefügter Zusatz der Behörde, es handle sich „nicht um eine Bescheidzustellung“ (was wohl dahingehend zu deuten ist, dass die Behörde im Zeitpunkt der Übermittlung des Bescheides nicht von einer Parteistellung des Einschreiters ausging) das Ergebnis, dass dem - auch unvertretenen - Einschreiter der Bescheid über seinen Antrag hin tatsächlich zugestellt wurde. Alle weiteren Fragen, einschließlich jene nach der möglicherweise strittigen Parteistellung, waren ab diesem Zeitpunkt in einem allfälligen Rechtsmittelverfahren zu klären. Entgegen der in der Zulässigkeitsbegründung zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht hängt das Ergebnis, ob der begehrte Baubewilligungsbescheid dem Revisionswerber vorliegend als „zugestellt“ gilt, gerade nicht von der Frage ab, ob die Behörde bei der Bescheidzustellung von seiner Parteistellung ausging (vgl. zu einer insoweit vergleichbaren Konstellation etwa nochmals VwGH 25.4.1996, 95/07/0216, oder in diesem Sinne auch erneut VwGH 25.3.2010, 2008/05/0229).

19       Auch hinsichtlich des Zulässigkeitvorbringens, es liege aufgrund des ausdrücklich erklärten Willens der Behörde, keine Zustellung vornehmen zu wollen, keine Zustellverfügung und somit keine Zustellung vor, ist nochmals etwa auf das Erkenntnis des VwGH vom 25. April 1996, 95/07/0216, zu verweisen: Selbst in jenem Fall, in dem (wie hier) die Behörde eine Bescheidzustellung an eine in der Urschrift offenkundig formell nicht als Bescheidadressat angeführte Person vornimmt, bewirkt die faktische Übermittlung des Bescheides durch die Behörde an diese Person dessen „antragsgemäße Zustellung“ samt den entsprechenden Rechtsfolgen; auch die diesbezügliche Rechtsfrage ist daher geklärt. Weiters handelte es sich bei der E-Mail-Adresse des Revisionswerbers um eine elektronische Zustelladresse im Sinne des § 2 Z 5 ZustG und stellte die in der Folge durch die Baubehörde vorgenommene Übermittlung des Bescheides per E-Mail an die vom Revisionswerber angegebene E-Mail-Adresse somit eine Zustellung (an eine elektronische Zustelladresse) ohne Zustellnachweis gemäß § 37 Abs. 1 ZustG dar.

20       In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 15. Dezember 2021

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021060144.L00

Im RIS seit

18.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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