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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AVG §56Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner und den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des F H in P, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das am 14. Februar 2020 mündlich verkündete und am selben Tag schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg, 405-10/816/1/6-2020, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Zell am See), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 23. Dezember 2019 wurde der Revisionswerber als Gewerbeinhaber und Betreiber des Lokals F in N der dreifachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 dritter Fall Glücksspielgesetz - GSpG schuldig erkannt und es wurden über ihn drei Geldstrafen in der Höhe von je EUR 1.300,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Weiters wurde ihm ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von EUR 390,-- vorgeschrieben.
2 Mit dem in der mündlichen Verhandlung am 14. Februar 2020 verkündeten angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) der Beschwerde des Revisionswerbers teilweise Folge und setzte die Geldstrafen auf jeweils EUR 1.000,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafen) herab. Im Übrigen wies es die Beschwerde als unbegründet ab (Spruchpunkt I.). Das LVwG setzte den dem Revisionswerber auferlegten Beitrag zu den Kosten des behördlichen Strafverfahrens mit EUR 300,-- fest und sprach aus, dass gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keine Kosten für das Beschwerdeverfahren anfielen (Spruchpunkt II.). Außerdem sprach das LVwG aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt III.).
3 Gegen diese Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
4 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit u.a. vor, es sei das angefochtene Erkenntnis zwar am 14. Februar 2020 - und somit innerhalb der Frist zur Strafbarkeitsverjährung - mündlich verkündet worden, das diesbezügliche Protokoll enthalte jedoch nur den Hinweis, wonach die wesentlichen Entscheidungsgründe dargelegt würden. Diesem Hinweis komme aber kein Begründungswert zu. Mit diesem Vorbringen erweist sich die Revision als begründet. Sie ist auch zulässig.
5 Hat eine Verhandlung in Anwesenheit von Parteien stattgefunden, so hat gemäß § 29 Abs. 2 VwGVG das Verwaltungsgericht in der Regel das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen sogleich zu verkünden.
6 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Fehlen der Wiedergabe der Begründung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Protokoll auf die Rechtsgültigkeit ihrer (wenn auch inhaltlich fehlerhaften) Erlassung durch mündliche Verkündung keinen Einfluss (vgl. VwGH 13.10.2015, Fr 2015/03/0007, mwN). Ein - wie im vorliegenden Fall - innerhalb der gemäß § 31 Abs 2 VStG dreijährigen Frist mündlich verkündetes Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes steht daher dem Eintritt der Strafbarkeitsverjährung entgegen (vgl. VwGH 18.5.2016, Ra 2015/17/0029, mwN).
7 Für den Inhalt der mündlich verkündeten Entscheidung ist nicht die Ausfertigung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, sondern jene Urkunde entscheidend, die über den Entscheidungsinhalt und die Tatsache der Verkündung angefertigt wurde (vgl. VwGH 26.2.2020, Ra 2019/09/0154, mwN), also hier die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 14. Februar 2020 bestehend aus der „Verhandlungsschrift“ i.e.S., dem „Protokoll“ und einem mit „Spruch der mündlich verkündeten Entscheidung“ überschriebenem Aktenstück. Aus dem Protokoll ergibt sich nur, dass der Richter um 11:20 Uhr die Entscheidung samt seinen wesentlichen Entscheidungsgründen verkündet hat. Das genannte Aktenstück enthält zwar den Spruch der Entscheidung und den Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof (samt einer kurzen Begründung dazu), es fehlt darin aber jegliche Darstellung der Entscheidungsgründe in der Sache.
8 Wenn das Abweichen der Begründung der schriftlichen Ausfertigung in einem wesentlichen Punkt von jener, die in der Niederschrift zur mündlichen Verkündung dokumentiert ist, einen Begründungsmangel darstellt, so muss dies umso mehr für den Fall gelten, dass - wie hier - die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung keinerlei Begründung enthält und damit nicht einmal ansatzweise nachvollzogen werden kann, welche tragenden Überlegungen für die getroffene Entscheidung ausschlaggebend waren (vgl. wieder VwGH 26.2.2020, Ra 2019/09/0154, mwN).
9 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
10 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 15. Dezember 2021
Schlagworte
Begründung Begründungsmangel Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6 Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020170028.L00Im RIS seit
18.01.2022Zuletzt aktualisiert am
18.01.2022